VNV Nation - „Electric Sun"-Tour - Phantastischer Lichterweihnachtsmarkt, Dortmund - 10.12.2023
Veranstaltungsort:
Stadt: Dortmund, Deutschland
Location: Phantastischer Lichterweihnachtsmarkt
Kapazität: ca. 3.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Nein
Homepage: https://www.phantastischer-lichterweihnachtsmarkt.de/
Einleitung:
Wer den Fredenbaumpark in Dortmund kennt, dem ist vermutlich auch das „Mittelalterlich Phantasie Spectaculum“, kurz MPS, ein Begriff. Die seit 1994 von Gisbert Hiller ins Leben gerufene Event-Reihe hält genau das, was ihr Name verspricht, und vermischt das Konzept der von üblichen Märkten bekannten, mittelalterlichen Lebensweise mit entsprechenden Elementen aus Sagen und Fantasy in Form einer quer durch Deutschland reisenden Mega-Veranstaltung für Klein und Groß. Im Angebot enthalten ist dabei von allerhand kulinarischen Köstlichkeiten über das Handwerk bis zu einem bunten Unterhaltungsprogramm aus Kleinkunst, Gauklern, Artistik und Turnieren nahezu alles, was das Besucher-Herz so begehrt. Selbstverständlich garniert mit viel typischer Live-Musik aus dem Folk-Genre und seinen mannigfaltigen Grenzgebieten auf den umgebenden Bühnen. Mittlerweile gab und gibt es einige Sonder-Ableger desselben Veranstalters unter dem bekannten MPS-Banner, wie beispielsweise das ehemalige Mittelalter-Hallen-Festival, die große MPS-Konzertparty zu Hillers Geburtstag in der Dortmunder Westfalenhalle 1, die Allerheiligen Kirmes Soest oder auch den sehr beliebten Weihnachtsmarkt Telgte. Sogar nach Schottland ging es 2011 mit einem kleinen Gastspiel schon. Dabei wechselten sich die jeweiligen Spielorte im laufenden Jahr immer ab, doch der große Erfolg war nicht überall gegeben, sodass manche Hochburg mehrmals bespielt werden konnte, manch andere Regionen, wie etwa der Süden Deutschlands, aufgrund mangelnden Andrangs oder behördlicher Auflagen hingegen ersatzlos wegfallen mussten. Zwischen 2017 und 2019 gab es viele der Veranstaltungen letztmalig, generell wollte man die Anzahl der Termine weiter reduzieren. Aufgrund der weltweiten Pandemie fand 2020 erstmalig kein Spectaculum statt, zumindest nicht in seiner bis dato gewohnten Form: Doch der Veranstalter zeigte sich äußerst kreativ und richtete anhand der damals geltenden Auflagen einen fantasievollen Skulpturen-Park in Bückeburg und ein Jahr darauf die „Hock-Rock“-Reihe aus, bei welcher die sonst üblichen Konzerte mit stark begrenzter Kapazität vor einem auf Bierzeltgarnitur sitzendem Publikum gegeben wurden. Damit einher ging natürlich auch die traurige Absage der geplanten sechsten Ausgabe des extrem erfolgreichen „Phantastischer Lichterweihnachtsmarkt“, welcher bis dahin seit Spätherbst 2015 im Fredenbaumpark Dortmund veranstaltet worden ist und seitdem einen festen Platz in den winterlichen Terminkalendern der MPS-Besucher aus Ruhrgebiet und Umland innehatte. Auch die zunächst angedachte Alternative „Phantastische Fabelwesen Weihnachtsmarkt“, das Pendant zum Skulpturen-Park, fiel dem „großen C“ zum Opfer. Ferner gab es bereits zuvor einige Unklarheiten bei der Wahl des Spielortes, als die Behörden der Stadt Dortmund den erneut angefragten Fredenbaumpark erst verweigerten. Man wolle die Parkanlage gerade im Sommer schonen und mehr der Bevölkerung zugänglich machen, hieß es da in einer Stellungnahme. Auch der angefragte Volksgarten Mengede sollte es nicht werden. Irgendwie kam es dann aber scheinbar noch zu einer überraschenden Einigung und so durfte das mittelalterlich-fantasievolle Winter-Spektakel ab 2022 doch wieder in altbekannter Umgebung stattfinden!
Seit dem vergangenen Jahr arbeitet das MPS in unterstützender Partnerschaft mit der SKH Spectaculum GmbH, welche nun mehrere Standorte übernommen hat, wozu auch der Lichterweihnachtsmarkt Dortmund gehört, hier ausgelagert an die extra dafür neu gegründete Lichterloh Event GmbH. Im Rahmen des oben genannten Konzepts sorgen seit letztem Winter wieder allerlei Markständen für das leibliche Wohl der Besucher oder bieten ihre Waren feil. Zudem warten hier natürlich viele weitere Aktivitäten und Programmpunkte vor aufwändig dekorierten Themen-Kulissen auf alle Gäste, wie beispielsweise kinderfreundliche Familien-Vorstellungen der umherziehenden Gaukler oder eine abendliche Feuer-Show. Im beheizten Party-Zelt mit Stehtischen und gemütlichen Sitzgelegenheiten kann an den Wochenenden zudem bis 0.00 Uhr zu kostenloser Live-Musik wechselnder Künstler gefeiert werden. Das unverkennbare Highlight sind jetzt jedoch die exklusiven Konzerte gegen einen separaten Aufpreis auf der großen Bühne in der goldenen Mitte des Parks: So wurde für die meisten Freitage und Wochenenden auf der ehemaligen „Weihnachtsbühne“, welche in den Vorjahren von beliebten Markt-Bands aus dem MPS-Kader wie „Die Streuner“, „Saor Patrol“, „Reliquiae“, „Rapalje“, „Vroudenspil“, „Knasterbart“, „Omnia“, „Mr. Hurley & Die Pulveraffen“ und natürlich „Saltatio Mortis“, aber auch selteneren Gästen wie „Qntal“ oder „Corvus Corax“ bespielt worden ist, ein Paket aus jeweils drei stilistisch passenden Bands geschnürt. Die Preise für die Konzerttickets rangieren dabei immer von ca. vierzig bis sechzig Euro, der generelle Markteintritt in Höhe von fünfzehn Euro ist darin bereits inkludiert. Bei der Premiere in 2022 waren unter anderem „Trobar De Morte“ - „Rauhbein“ und „Versengold“, „Storm Seeker“ - „Haggefugg“ und „Feuerschwanz“, Katja Moslehner - „The O‘Reillys And The Paddyhats“ und „Schandmaul“, „Vogelfrey“ - „Tir Nan Og“ und „Saltatio Mortis“ oder „Fuchsteufelswild“ - „Korpiklaani“ und „In Extremo“ dabei. Ein wenig Genre-fremd hingegen die Hamburger Dark Rocker von „Mono Inc.“ mit Unterstützung von „Delva“ und „Manntra“ sowie die „Rammstein“-Tribute-Band „Völkerball“ als krönender Abschluss. Ein voller Erfolg! Innerhalb des extra eingezäunten Bereichs, zu dem natürlich nur Besucher mit gültiger Konzertkarte Eintritt erhielten, fanden sich einige Feuerstellen zum Aufwärmen, ein Merch-Zelt und einige Gastronomie-Hütten. Der Nachteil: Das unberechenbare Wetter mit Wind, Regen, Frost und Schnee ließen das einzigartige Winter-Open-Air-Flair zum puren Glücksspiel werden…
Denn ganz ehrlich: So ungewöhnlich-schön es auch war, mitten im Dezember unter freiem Himmel echter Live-Musik mit Festival-Charakter lauschen zu dürfen, hat wahrscheinlich kein Fan große Lust darauf, bei klirrenden Minusgraden stundenlang im Schauer zu stehen, oder? Von den erschwerten Bedingungen für die Musiker, die auf der Bühne teilweise in winterfester Kleidung schwitzen mussten und somit ordentlich Gefahr liefen, im Anschluss krank zu werden oder durch die Witterung gar ihr teures Equipment beschädigt zu sehen, wollen wir gar nicht erst anfangen… Aus diesem Grund gibt es ab 2023 betreffend der Bezahl-Konzerte eine einschneidende Änderung: Ausnahmslos alle der gesonderten Exklusiv-Shows finden nun nämlich in einem großen Acht-Mast-Zelt, hier „Chapiteau“ genannt, statt! Im Inneren gibt es zwei große Getränke-Theken, eine zu jeder Seite, eine Rollstuhlfahrer-Tribüne, Stehtische und Barhocker im hinteren Segment und einen neuen VIP-Bereich für insgesamt zweihundert Gäste: Für knapp siebzig Euro pro Person zusätzlich zum regulären Eintrittspreis gibt es einen Platz auf entsprechender Tribüne, einen Parkplatz nahe am Gelände, direkten Zugang ins Infield-Zelt über den zweiten Eingang und eine Getränke-Flatrate, die dazu berechtigt, während der Show so viel alkoholfreie Getränke, Kinderpunsch, Bier vom Fass und Glühwein zu trinken, wie man mag. Auch 2023 glänzt das illustre Line-Up wieder mit vielen großen Namen aus der Gothic- und Folk-Szene, die sich entweder wieder oder erstmalig im Herzen des Fredenbaumparks die Klinke in die Hand geben werden: Während unter anderem etwa „Mr. Hurley & Die Pulveraffen“, „dArtagnan“, „Faun“, „Völkerball“, „Feuerschwanz“, „Versengold“ und „In Extremo“ in verschiedenen Support-Konstellationen zurückkehren, gastieren „ASP“ mit „Two Minds Collide“ und „Diary Of Dreams“, das traditionsreiche Festival „Eisheilige Nacht“ von und mit „Subway To Sally“ oder die Future-Pop-Legende „VNV Nation“ in Begleitung von „Versus Goliath“ und „Adam Is A Girl“ zum ersten Mal auf dem Markt in Dortmund…
Einleitung II:
Als wir uns an diesem Sonntag, den 10.12.2023, langsam mit dem Auto in Richtung Dortmund aufmachen, nieselt es schon wieder aus den Wolken. Nicht allzu viel, aber doch ausreichend, um beim anstehenden Weg in den Park nass zu werden. Nur wenig überraschend, um ehrlich zu sein, denn immerhin regnet es hier im Ruhrgebiet nach einem doch recht passablen Sommer seit Herbstanfang quasi ununterbrochen. Mal mehr, mal weniger, aber eigentlich niemals nicht. Erstaunlicherweise ist die heutige Show von „VNV Nation“ das einzige Konzert an einem Sonntag auf dem Lichterweihnachtsmarkt. Diese finden ansonsten nämlich ausschließlich freitags und samstags statt. Das macht auch Sinn, da die spannende Alternative zu klassischen Weihnachtsmärkten donnerstags bis 22.30 Uhr sowie an Freitagen und Samstagen sogar bis 0.00 Uhr für die Gäste geöffnet hat, an Sonntagen bereits um 20.00 Uhr seine Pforten schließt. Vermutlich hängt dieser doch etwas unglückliche Umstand damit zusammen, dass die beliebte Future-Pop-Band um den Wahl-Hamburger Ronan Harris im Rahmen ihrer traditionellen „Christmas Party“-Reihe an beiden Vortagen in Rüsselsheim gastierte und der Dortmunder Gig erst sehr viel später dazukam… Macht nichts, der Resturlaub regelt das ausnahmsweise schon. Da wir dieses Mal aus genau der entgegengesetzten Richtung der Autobahn kommen, suchen wir unseren aus 2022 angestammten Parkplatz lange und vergeblich, bis wir schließlich bei einem Autohändler, der seine Kundenparkplätze zu diesem Anlass für gut zehn Euro vermietet, halten. Nicht günstig, aber dafür recht nahe und alles besser, als noch ewig durch die Walachei zu kurven! Der nette Parkwart gibt uns den Hinweis, den Weg direkt geradeaus durch den dunklen Wald zu nehmen, wo wir einigen anderen Besuchern begegnen und schließlich am zweiten Eingang ankommen. Blöd nur, dass hier nirgendwo eine Gästeliste ausliegt. Also noch einmal komplett zurück, zur anderen Seite des Parks herumlaufen und von dort dann zu den Kassen des Haupteingangs. Hier frage ich mich bis an den richtigen Schalter durch, wo mir eine sehr freundliche Dame sogleich mein gelbes Presse-Bändchen aushändigt und sogar fragt, ob ich noch eine Begleitung dabei habe. Habe ich. Nur da wir davon vorher gar nichts wussten, hat diese sich schon Wochen zuvor ein reguläres Ticket gekauft. Sei’s drum! Nach der kurzen Taschen- und Bändchenkontrolle geht es an allerlei interessanten und ziemlich lecker duftenden Ständen zum großen und alles überragenden Zelt, welches man von überall aus gut sehen kann. Trotzdem gibt es neben der sogenannten „Fast-Lane“ für alle VIP-Ticket-Inhaber nur einen einzigen Eingang, den man auch erstmal finden muss. Anscheinend sind „Versus Goliath“ unterdessen schon mitten in ihrem Set, weswegen an folgender Stelle leider kein Bericht dazu erfolgen kann. Dafür gibt es der Fairness halber eine kleine Band-Vorstellung für alle Interessierten. Der Bass, der dem Zelt natürlich nicht ausreichend entweichen kann, bollert schon jetzt ganz mächtig bis nach draußen und lässt dort den Boden vibrieren. Wie dann wohl erst der Sound im Inneren sein muss? Vorweg: Laut, aber überraschend klar und gut. Zumindest von unserer baldigen Position vorne links aus. Es gibt eine weitere Kontrolle von Taschen und Bändchen, danach geht es durch einen überdachten Vorbau hinein. Man läuft direkt auf den großen Merchandising-Stand vor der VIP-Tribüne und dem Mischpult zu und kann von dort aus nach links oder rechts abzweigen. Im hinteren Bereich befinden sich einige Stehtische und Hocker, zu den Seiten ist jeweils eine lange Theke für Getränke. Ziemlich geräumig hier. Also dann: Auf nach vorne und damit näher an die große, hohe Bühne heran. Wir sind gespannt!
Versus Goliath:
Die junge Band „Versus Goliath“ gründete sich 2019 in München und besteht aus Schlagzeuger Jonas Keller-May, Gitarrist Andreas Zöller und Sänger Florian Mäteling. Die drei Süddeutschen beschreiben ihre Musik als einen düsteren Mix aus Rock, Metal und Einflüssen des Rap, die Texte schlagen dabei nicht selten einen sozialkritischen Ton an und spiegeln die Abgründe der heutigen Gesellschaft. Oder: „Versöhnlich, hoffnungsvoll, das alles ist „Versus Goliath“ nicht, aber es ist ein ansteckender, wunderbar abgefuckter Soundtrack für den nächtlichen Spaziergang in der kalten Stahlbetonwüste, die geballte Faust in der Tasche“, wie die Band ihren Sound selbst beschreibt. Als Debüt machte man mit der Single „Friss Oder Stirb“ erstmals von sich Hören, die sich überraschend an die vordere Spitze der Deutschen Alternative Charts setzen konnte. Kurz darauf folgte die zugehörige und mit sechs Liedern bestückte EP „Der Sechste Tag“ sowie mit „Lüg Mich An“ und „Verloren Kaputt“ zwei weitere Singles. Nur ein Jahr später war das Trio dann mit zwei exklusiven Remixen auf der „FAKK“-Single zum kommenden Album der NDH-Größe „Eisbrecher“ vertreten, im nahtlosen Anschluss daran folgte bereits die zweite EP „Der Weg Nach Unten“, die abermals sechs neue Songs für die allmählich heranwachsende Fangemeinde bereithielt, und die beiden Standalone-Tracks „Virus“ und „Wie Viel“. Alle Fäden liefen schließlich am 12.08.2022 auf „Liebe & Chaos“, dem Erstling in voller Spiellänge, zusammen. Im Frühjahr und Sommer diesen Jahres wurde abermals mit zwei weiteren Singles, nämlich „Maschine“ und „Monster“ nachgelegt. Natürlich gab es „VG“, so die markante Abkürzung auf den minimalistisch-schicken Merch-Artikeln der Band, bislang auch live zu sehen… Und das nicht wenig: Da während der Pandemie keine klassischen Gigs vor Publikum umgesetzt werden konnten, gaben die drei Musiker zwei sogenannte „Geister-Shows“ auf YouTube für die heimischen Wohnzimmer und Anlagen, bis im Juni 2021 unter geltenden Hygieneauflagen endlich die insgesamt drei mal verschobene Show mit den zwei weiteren Acts „Kann Tod Frieden Bringen“ und „Kalaska“ im Backstage München stattfinden konnte. Es folgten Auftritte auf dem zweitägigen „The Festival Experience“ in Bonn und bei der Tribute-Club-Show des Autumn Moon Festivals Hameln, doch die für 2022 mit vier Terminen in München, Berlin, Hamburg und Köln eigens anberaumte Headliner-Tournee musste, wie so viele Konzertreisen ihrer Zeit, aufgrund mangelnder Vorverkäufe und einem nicht verkraftbaren, finanziellen Risiko leider ersatzlos abgesagt werden. Doch 2023 wendete sich das Blatt zum Guten: So gastierte man im Sommer zusammen mit „End Of Green“ und „Diary Of Dreams“ auf dem „Maschinengipfel“-Festival von „Heldmaschine“ auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz und sogar der Mainstage des M‘era Luna Festivals in Hildesheim! Gemeinsam mit „Wisborg“ und „Lacrimas Profundere“ lockte das Backstage München zum Gratis-Event „Free & Easy“, im Herbst ging es mit den Heldmaschinisten dann auf den ersten Teil ihrer „Flächenbrand“-Tour. Im Januar 2024 sind die drei Münchner dann als Support auf den insgesamt vier Nachholterminen der unterbrochenen Tour von „Universum25“ zu sehen. Wie es der Bandname schon prophezeit: Ein harter Kampf gegen so manche Widrigkeit also, der sich am Ende sichtlich gelohnt hat!
Adam Is A Girl:
Die dreiköpfige Band mit dem etwas kryptischen, allemal aber Interesse erweckenden Namen, stammt aus der Hauptstadt Berlin, wo sie 2011 auch gegründet wurde. Dabei vereint das Trio aus Schlagzeuger Alex Pierschel, Gitarrist Sunil Shakya sowie Keyboarderin und Sängerin Anja Adam in seiner facettenreichen Musik einen Mix aus Indie, Pop und Electro. Das Debüt „Of Daydreams And Nightmares“ erschien im Jahr 2013, der Song „Soldier“ von der EP „[s]“ aus 2016 sorgte dann erstmalig für ein breiteres Aufsehen in der Szene und damit begann schließlich auch die Karriere auf den Bühnen dieses Landes. So weit zumindest der Inhalt der kleinen Biographie auf der Homepage der Musiker selbst. Unterdessen ist viel passiert: So spielten die Drei in der Vergangenheit bereits zusammen mit „Empathy Test“ als Support von „Mesh“ oder „Clan Of Xymox“ oder waren erst kürzlich beim sogenannten „Wunschkonzert“ mit drei weiteren Acts im Kulttempel Oberhausen zu sehen. Auch das ehemalige Autum Moon in Hameln, die Nocturnal Culture Night im Kulturpark Deutzen bei Leipzig, das relativ frische Eastside Festival im Karlsbad in Halle / Saale und sogar das M‘era Luna auf dem Flugplatz Hildesheim zählen mittlerweile zu den abgehakten Events. Zu den mystischen Klängen des rein instrumentalen Intros „Before We Drown“ betreten die drei Musiker auch alsbald die Bühne, um dann mit „Mercy Of The Waves“ vom aktuellen Album „Now Or Never“ aus 2020 powervoll loszulegen: Rhythmisches Schlagzeug, zurückhaltende, doch gleichwohl unterschwellig treibende Elektronik und die groovy rockende Gitarre ergeben im Zusammenspiel sofort eine poppig-harmonische, catchy Melange mit charmantem Retro-Touch und damit alles, wofür „Adam Is A Girl“ in den folgenden vierzig Minuten so stehen wird. Dabei wird jenes Fundament stets von Adams Gesang abgerundet, welcher sich so zart und ausdrucksstark wie gleichzeitig wunderbar melodiös an die jeweiligen Kompositionen schmiegt und auch etwa beim folgenden „Up & Down“, „Sober“ oder dem an alle Schlaflosen adressierten „Insomnia“ von besagtem Zweitling angenehm verträumte Akzente setzt. Der Indie-Pop-Sound sowohl von neueren als auch älteren Songs wie „Daydream To Nightmare“, „Your Silence“ oder „Soldier“ ist in seinen grundlegenden Strukturen zumeist recht eingängig und gefällig, jedoch ohne annähernd platt oder beliebig zu sein. Die intelligenten Lyrics und abwechslungsreichen Arrangements bestechen durch eine gewisse Tiefe, kleine Details und kreative Einfälle, kommen gleichzeitig jedoch niemals zu vertrackt oder progressiv daher. Über alldem schwebt eine wundersame Balance aus unaufgeregter Tragik und heimeliger Leichtigkeit, welche die omnipräsente, herrlich positiv geprägte Power durch nahezu das gesamte Set trägt. Viel der Interaktion benötigt es neben der in den kurzen Ansagen stetig spürbaren Dankbarkeit gar nicht mehr, um das Dortmunder Publikum, welches sich zunehmend sichtlich gerne in den wirklich schönen und anmutigen Melodien sanft wiegt, weitestgehend für sich zu vereinnahmen. Da werden gegen Ende hunderte Arme im Refrain geschwenkt und es wird lächelnd getanzt. Ein tolles Bild. „Danke, es war wunderschön! Wer freut sich schon auf VNV? Hier ist unser letzter Song für heute…“, verkündet die Sängerin dankbar lächelnd und so setzt „Goodbye Berlin“ dann den Schlusspunkt. Eine durch und durch sympathische Band, die es auch in Zukunft im Auge zu behalten gilt und die an diesem Abend sicher so manch neuen Hörer für sich gewonnen hat.
VNV Nation:
In etwa gegen 19.25 Uhr, also sogar ein paar Minuten früher als zuvor offiziell im Running Order angekündigt, wird es dann mit einem Mal schlagartig dunkel im großen Zelt in der Mitte des abendlichen Lichterweihnachtsmarktes. Ein erstaunlich lauter Jubel schallt durch das Chapiteau und wenn man sich nun einmal so im weiten Rund umsieht, wird plötzlich ersichtlich, dass dieses sich in der letzten halben Stunde wohl maßgeblich gefüllt haben muss. Wo vorher noch einige große Lücken und überraschend viel Bewegungsfreiheit war, stehen jetzt überall zahlreiche Fans, die gebannt in Richtung der hohen Bühne blicken, während ein tiefer Ton die Umgebung mechanisch ächzend durchdringt. Definitiv unüberhörbar, doch erst nur ganz kurz. Und dann erneut. Und wieder. Allmählich mischen sich jetzt nervös flackernde Synthies in das mystische Sound-Bild. Unterdessen tönt ein laut pochender Bass extrem druckvoll und pumpt sekündlich immer schneller aus den Boxen. Ein unweigerlich treibender Rhythmus, der direkt viele Besucher zum Mitmachen animiert. Unter laut aufbrandendem Beifall betreten nun die Live-Musiker Schlagzeuger Sebastian Rupio sowie die beiden Keyboarder Anton Kleinheins und David Gerlach zügigen Ganges die Bretter im Halbdunkel und positionieren sich hinter ihren jeweiligen Instrumente auf den erhöhten Podesten, die allesamt von zahlreichen Scheinwerfern eingerahmt werden. Dahinter und auch am vorderen Rand der Bühne wurde mit länglichen LED-Bars weitere Beleuchtung verbaut, die bereits wenig später im gesamten Zelt ihre pure Schönheit entfalten wird. Nur ein paar Sekunden darauf folgt dem Trio auch Mastermind und Sänger Ronan Harris, bevor der endgültige Startschuss dann mit der ersten Vorab-Single des aktuellen Studioalbums „Electric Sun“ erfolgt: Zur ersten Strophe des voll melancholischer Power aufgeladenen „Before The Rain“ gehen plötzlich alle Lichter an und tauchen die weite Umgebung unvermittelt in wunderbar warme Farbtöne aus hellem Gelb und tiefem Orange ein. „Einen wunderschönen guten Abend, Dortmund! Na, was läuft?“, ruft Harris enthusiastisch zur Begrüßung und erhält prompt ein freudiges Echo von seinen treuen Fans. „Geht’s vielleicht auch ein bisschen lauter!?“, stichelt er spaßig. Natürlich geht es noch lauter und Dortmund johlt und jubelt, was das Zeug hält. Anders, als bei den normalen Hallen- und Open-Air-Shows, trägt er heute Abend aufgrund der Witterung ausnahmsweise keines seiner obligatorischen Bowlinghemden, sondern ein schwarzes T-Shirt und darüber einen halb geschlossenen Windbreaker mit dem aufgedruckten Konterfei eines Oni, einer Sagengestalt aus der japanischen Mythologie, als Backprint auf dem Rücken. Das Publikum feiert den frischen Opener schon ein gutes halbes Jahr nach Veröffentlichung, wie einen alten Bekannten und auch von diesen soll es heute ebenfalls noch viele zu hören geben.
„Vielen, vielen Dank… So, weiter!“, freut er sich und möchte sichtlich keine Zeit verlieren. Einer der gerade eben erwähnten, alten Bekannten ist etwa das sogleich folgende „Sentinel“ vom 2009 erschienenen Album „Of Faith, Power And Glory“. Schon die ersten ein, zwei Sekunden reichen dabei völlig aus, um den Fans weiteren Jubel zu entlocken. „Falls euch kalt ist, bewegt euch einfach!“, schlägt der Sänger zwinkernd vor, während er wie gewohnt unablässig von der einen zur anderen Bühnenseite läuft, winkt und so manches Mal lächelt, als er scheinbar den ein oder anderen Gast in der ersten Reihe erkennt. „Wow… Danke!“, ist er ob der erstaunlich ausgelassenen Stimmung zu diesem frühen Zeitpunkt überrascht. „So, wir bauen langsam auf…“, verkündet er und schon leiten pulsierende Synthies danach „Primary“ von der „Transnational“ aus 2013 ein. Der optimistische Mid-Tempo-Track überzeugt mit viel positiver Energie im besten Future-Pop-Gewand und regt zügig zu mehr Bewegung in den Reihen an. „Machst du da gerade ein Selfie? Ernsthaft!?“, fragt Harris plötzlich einen Fan während des laufenden Songs verdutzt, welcher sich kurz von der Bühne weggedreht hat, um sich selbst und das Geschehen auf der Bühne auf einem kleinen Erinnerungsfoto einzufangen. „Na gut, mach dein Selfie noch einmal!“, schlägt der gut gelaunte Frontmann vor und posiert von der Bühne aus für das Bild, aber irgendwas scheint nicht ganz zu funktionieren. „Meine Güte… Männer und Technik!“, feixt er leicht sarkastisch und hat damit die Lacher auf seiner Seite. Mit dem poppig-sanften „The Farthest Star“ wird es danach erst wieder ein bisschen ruhiger, bis zu „When Is The Future?“ vom 2019er Vorgänger „Noire“ wieder das Dortmunder Publikum gefragt ist. „Aber jetzt seid ihr wieder dran… Habt ihr ein Problem damit!? Macht doch mal ein bisschen Boogie!“, animiert Ronan Harris zum Singen und Tanzen. Das klappt schon jetzt ausgesprochen gut und beim beliebten „Space & Time“ dann sogar noch sehr viel besser: Auf Kommando strecken sich hunderte Hände zum Klatschen in die Luft, hören auf ein kleines Handzeichen des Sängers sofort auf und machen anschließend wieder weiter. Es ist wie immer: „VNV Nation“ haben die Menge fest im Griff und ihre treuen Fans sind mit all den kleinen Ritualen bestens vertraut. Das gilt auch beim drückenden „Chrome“ mit seinen futuristisch zuckenden Beats und einem der absoluten Live-Favoriten, dem aggressiv donnernden Bass-Monster namens „Control“, bei welchem natürlich wieder kollektiv mitgegrölt und eskaliert werden darf - Was für eine Party! Apropos „Bass“: Selbiger lässt die ausgelegten Bodenplatten bei gleichzeitig sehr klarem und wirklich gut ausgesteuertem Sound nämlich dermaßen rhythmisch erzittern und beben, dass einem die Musik wortwörtlich direkt in Mark und Bein fährt. Kein Zweifel: Das spürt hier definitiv jeder Gast! Trotzdem überschattet jener den tollen, satten Sound zu keiner Zeit. Alles ist gut zu verstehen, auch der Gesang und kleine Details. Keine Selbstverständlichkeit in dieser doch recht ungewohnten Umgebung! Wieder dringen jetzt die vibrierenden Synthies durch das Zelt, vereinzelte Fans schreien euphorisch auf. „Was für eine stille Reaktion… Kennt ihr das nicht?“, wundert sich Harris und wird gleich eines besseren belehrt, denn selbstverständlich ist ein Großteil der Fans auch beim sphärischen „Standing“ und dessen hoffnungsspendenden, bestärkenden Zeilen äußerst textsicher.
Übrigens auch schon bei „The Game“ vom neuesten Release, welches seit einiger Zeit hin und wieder im Set gastiert und zuletzt auf der großen Tournee im Frühjahr noch nicht dabei war. „Jetzt kommt was Neues. Ja, endlich!“, lacht Ronan vergnügt und freut sich über die positive Resonanz. Es folgen das poppig hüpfende „God Of All“ mit seinen Retro-Anleihen und die ebenfalls auf „Electric Sun“ vertretene, hochemotionale Future-Pop-Ballade „Invictus“, bevor mit dem brachial-krachigen EBM-Hammer „Immersed“ dann der absolute Tanzbefehl ausgerufen wird. Was an dieser Stelle auch einmal mehr hervorgehoben werden muss, ist die schier exzellente Lightshow: Immerzu entwerfen die hauchfein gebündelten Strahlen wunderbar lebhafte Hintergründe, sausen pointiert durch das ganze Zelt und tauchen dieses in tiefe Farben. Dass es an diesem Abend keine LED-Wände wie noch bei der vergangenen Hallen-Tour oder wenigstens Backdrop gibt, fällt somit überhaupt kein Stück auf! „Falls ihr das Lied nicht kennt… Es ist ein Versprechen. Ein Gelöbnis, das man mit sich selber macht.“, erklärt Ronan Harris zu „Resolution“, bei welchem im Refrain wieder die Arme hin- und hergeschwenkt werden dürfen. Auch ein Sanitäter, der im Graben zwischen Bühne und Innenraum steht, kommt um die Interaktion nicht herum, als der Frontmann ihn kurzerhand grinsend zum Mitmachen auffordert. „Mein Gott, Danke!“, zeigt er sich ob des anschließenden Jubelsturms sprachlos und formt mit seinen Händen ein Herz. Mit dem wummernden „Prophet“ folgt leider schon der letzte neue Song des aktuellen Albums „Electric Sun“. Sowohl die sozialkritische Industrial-Walze „Wait“ als auch das gegen Ende der Tournee erstmalig vorgestellte „Run“ werden sich an diesem Abend nicht mehr im Set finden. Ebenso das grandiose „Sunflare“, mit welchem die zurückliegenden Christmas-Club-Shows eröffnet wurden und an dessen Stelle heute wieder überraschend „Before The Rain“ eintrat. Sehr schade, aber vielleicht im kommenden Jahr? Dafür gibt es nun einen ganz speziellen Song, der noch vor einigen Jahren den krönenden Abschluss einer jeden VNV-Show bildete, bis „Noire“ mit „All Our Sins“ einen Ablöser ins Spiel brachte. Bereits als die ersten Töne von „Perpetual“ erklingen, erheben sich einige Hände und Stimmen in die Luft, aber Harris gebietet Einhalt: „Wir machen es im Takt oder wir machen es nicht!“, bekräftigt er bestimmt und gibt dann den Takt vor. Natürlich lassen es sich die Alt-Fans auch nicht nehmen, die kleine Tradition aufrechtzuerhalten, die ohrwurmige Melodie mitzugrölen. Wie immer ein großer Spaß! Bevor sich die vier Musiker dann erstmalig an diesem Abend von der Bühne verabschieden und damit den Hauptteil des Sets beschließen, stellt der Sänger noch jedes Bandmitglied namentlich vor. „Ich hab‘ euch lieb!“, lächelt Ronan herzlich Harris und verlässt mit den anderen für kurze Zeit die Bühne, nur um alsbald von den tobenden Fans zurückgerufen zu werden.
„War das etwa nicht genug!? Meine Güte, ihr seid aber auch nie zufrieden!“, lacht er und wird dann ernster: „Das ist euer Lied, wie auch unseres. Wenn ihr den Text kennt, dann bitte so laut wie möglich mitsingen…“, wünscht er sich vom Publikum zur hochemotionalen Ballade „Illusion“ und natürlich stimmen hier jetzt so ziemlich alle in den berührenden Chorus mit ein. Gänsehaut-Garantie! „Gratitude“ lockert die Stimmung danach wieder auf und mit dem düsteren Dancefloor-Hit „Darkangel“ gibt es dann nochmal eine echte Oldschool-Nummer auf die Ohren. „Seid ehrlich, hattet ihr Spaß? Wir auch. Auf jeden, jeden Fall!“, freut sich Ronan dankbar. „Wir sehen uns nächstes Jahr auf dem M‘era Luna wieder und es kommt noch viel mehr. 2024 wird nicht langweilig, das verspreche ich. Habt ihr noch Stimme? Wollen wir etwas zusammen singen? Okay, let‘s do this!“, ermutigt er das Publikum zum Über-Hit „Nova“, in dessen finalem Part selbstverständlich wieder zahlreiche Feuerzeuge und Handytaschenlampen in die Luft gereckt werden, bis das epische „All Our Sins“ mit schemenhafter Beleuchtung, donnernder Percussion, hymnischen Fanfaren und klarer Botschaft den Abend endgültig beendet. „Wow, was für ein Publikum!“, staunt der Sänger überwältigt und stellt anschließend abermals die drei Musiker an den Instrumenten vor, wobei er für David Gerlach ganz besonderes Lob findet: „Ein fantastischer Keyboardspieler… Unglaublich!“, strahlt er. „Vielen, vielen, vielen Dank! Aber wir sind heute Abend nur die Nummer Drei von Drei…“, gibt er dabei zu bedenken und lässt damit auch die zwei Support-Acts nicht unerwähnt. „Bitte auch einen großen Applaus für den Veranstalter. Für uns ist es eine Ehre, dabei zu sein. Also vielen Dank für die Möglichkeit, hier für euch spielen zu dürfen! Wir wollen euch ein großartiges, schönes, besinnliches, erholsames Fest und frohe Weihnachten wünschen. Ihr seid das Beste… Danke!“, freut sich Ronan Harris aufrichtig über den großen Zuspruch an diesem Abend und verlässt mit der Band die Bühne, ehe die Lichter im Zelt langsam wieder angehen und die Fans hinaus auf den mittlerweile menschenleeren Markt strömen, auch welchem dankbarerweise noch der ein oder andere Stand für einen kleinen Snack offengehalten hat. Sehr schön war’s! Nächstes Jahr wieder?
Setlist:
01. Intro
02. Before The Rain
03. Sentinel
04. Primary
05. The Farthest Star
06. When Is The Future?
07. Space & Time
08. Chrome
09. Control
10. Standing
11. The Game
12. God Of All
13. Invictus
14. Immersed
15. Resolution
16. Prophet
17. Perpetual
18. Illusion
19. Gratitude
20. Darkangel
21. Nova
22. All Our Sins Impressionen: David Santilian - Davidmachtdiefotos.de https://davidmachtdiefotos.de/ https://www.instagram.com/davidmachtdiefotos/