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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Schiller - Summer In Berlin (2021)


Genre: Ambient / Pop

Release: 12.02.2021

Label: Sme Media (Sony Music)

Spielzeit: 161 Minuten

Pressetext:


„Ich tue gerne das Gegenteil dessen, was man üblicherweise so macht“, sagt Christopher von Deylen. Seit über zwei Dekaden operiert der Musiker in seinen ganz eigenen Parametern, die sich oft weit abseits, ja bisweilen sogar komplett gegen den Strom bewegen. Ein Verfechter von Alternativen, von neuen Ansätzen und der Idee, elektronische Popmusik neu zu denken. Einer, der sich nicht um jeden Preis dem Konsens ergeben will, sondern nach immer neuen Wegen sucht. Und das in aller Kompromisslosigkeit, wenn es sein muss. Das muss es, wie von Deylen mit „Schiller“ demonstriert. Ein Projekt der kultivierten Gegensätze, der ästhetischen Brüche und der eleganten Widersprüche. In einer hektischen Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne im virtuellen Informationstrommelfeuer täglich sinkt, veröffentlicht Christopher von Deylen nun ein opulentes, über acht Stunden Spielzeit umfassendes Box-Set. Während sich der Globus immer schneller zu drehen scheint, zelebriert er die Strahlkraft der Langsamkeit und den Eskapismus. Und er verbindet stimmungsvolle Kammer-Elektronik mit collagenhaften Ambient-Sounds, treibenden Clubtracks und ausufernden Klangkaskaden zu einem epischen XXL-Roadmovie mit dem Titel „Summer In Berlin“. Und das im Februar. Mit „Summer In Berlin“ veröffentlicht „Schiller“ nicht nur ein neues Album. „Summer In Berlin“ versteht sich darüberhinaus als (Live-)Werkschau und als Preview auf das, was man in Zukunft noch von Christopher von Deylen erwarten darf.


Seine Vergangenheit ist hinlänglich bekannt: Mit seinen zehn bisher veröffentlichten und vielfach Edelmetall-gekürten Longplayern hat „Schiller“ die deutsche Popmusik wie kaum ein Zweiter geprägt; die letzten vier Alben konnten jeweils in Folge den 1. Platz der deutschen Charts entern. Erst Ende Oktober hat der Klangforscher unter eigenem Namen die Nummer-Eins-Scheibe „Colors“ vorgelegt. Knapp zehn Wochen später meldet er sich nun überraschend mit „Schiller“ zurück: Das „Summer In Berlin“-Box-Set enthält neben dem gleichnamigen, brandneuen Studioalbum vier bisher unveröffentlichte Live-Konzerte auf insgesamt zwei CDs und zwei Blu-Rays mit einer Gesamtspielzeit von über acht Stunden. Komplettiert wird das epische Werk von exklusiven Dokumentationen, Videoclips sowie einem aufwändigen Foto-Artbook. „Schiller“ liebt die Opulenz, die Überlänge und das Kopfkino, zu dem er uns erneut den Vorhang öffnet. Von Deylen nimmt sich Zeit, sehr viel Zeit. Alleine der Album-Opener „Der Klang Der Stadt“ trotzt mit seiner Länge von über zwanzig Minuten jedem gängigen Radio- oder Streaming-Format. Ein imposantes Anschauungsbeispiel seines konsequenten Modus Operandi, der sich nahtlos ins Gesamtkunstwerk Schiller einfügt. Anpassung? Nein, danke. Sein mit jeder Faser gelebtes Kosmopolitendasein als musikalischer Tramp hat Christopher von Deylen vorläufig auf Eis gelegt. Nachdem er sich auf ausgedehnten Weltreisen zu millionenfach verkauften Alben wie „Opus“ (2013), „Future“ (2016) oder „Morgenstund“ (2019) inspirieren ließ, kehrt von Deylen mit „Summer In Berlin“ musikalisch zurück in die Stadt, die er vor sechs Jahren zugunsten seiner kreativen Heimatlosigkeit verließ. Doch Distanz schafft bekanntlich Nähe; eine der wenigen Konstanten, die auch im „Schiller“-Universum anwendbar ist.

Im Zentrum der Live-Retrospektive steht das Abschlusskonzert der großen Arena-Tour „Es Werde Licht“. In der ausverkauften Berliner Mercedes-Benz-Arena hat Christopher von Deylen mit einer hochkarätigen Band um den „Pink Floyd“-Tour-Schlagzeuger Gary Wallis und Bass-Legende Doug Wimbish (Mick Jagger, Madonna) ein audiovisuelles Feuerwerk entzündet. Als musikalische Gäste sind das Ausnahmetalent „Schwarz“ (zur Zeit mit der Langzeit-Dokumentation „Wie Ein Fremder“ auf Netflix zu sehen) sowie die persisch-kurdische Künstlerin Yalda Abbasi zu sehen und zu hören. Mit den aufwändig produzierten Live-Mitschnitten „Schiller x Quaeschning - Behind Closed Doors II: Dem Himmel so nah“, „Berlin Moskau: The Ultimate Experience - A Glowing Event By Schiller x Laserfabrik“ und „Lichtsommer Part I & II“ fügen sich drei weitere, höchst unterschiedliche Elementarteile hinzu. Insbesondere die kunstvolle Laserperformance „Berlin Moskau“ zeigt, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte... Das ab dem 12.02.2021 über Sony Music vertriebene Album wird als Download, Standard-CD, Doppel-CD und Doppel-LP erhältlich sein. Auch erscheint „Summer In Berlin“ wieder in einem umfangreichen und auf 7.500 Einheiten limitierten Box-Set, das neben dem gleichnamigen, brandneuen Studioalbum vier bisher unveröffentlichte Live-Konzerte auf insgesamt zwei CDs und zwei Blu-Rays mit einer Gesamtspielzeit von über acht Stunden enthält. Komplettiert wird das epische Werk von exklusiven Dokumentationen, Videoclips sowie einem aufwändigen Foto-Artbook. Der perfekte Start ins neue Musik-Jahr für alle Ambient- und Elektro-Liebhaber: Hier ist „Summer In Berlin“.


Kritik:


„Summer in Berlin, it's alright


The day feels so tired


From the lead in the air and the fire in the skies


Life seemed to be a fault of grace, but it's okay


It gave you a kiss in the middle of the crossroads“


Irgendwie stellt ja so ziemlich jedes einzelne Werk von Christopher von Deylen einen ganz eigenen, kleinen Kosmos ganz für sich dar, der stets mit einer zurückhaltend neuen und gleichermaßen doch sehr vertrauten Fülle verschiedenster Einflüsse und frischer Nuancen die bereits bestehenden Klanglandschaften weiter anreichert. Bestimmte Eigenschaften teilen sich jene aber dennoch immer wieder, wären sie alle im Querschnitt einem unkundigen Neueinsteiger wohl am ehesten als organisch und inspirierend, klar und hell, sphärisch und meditativ zu bezeichnen. „Guten Abend. Willkommen in der neuen Welt von Schiller...“, begrüßt die sonore Stimme von Franziska Pigulla den aufmerksamen Hörer seit jeher zum sanften Einstieg in die neue Sinnesreise. Ja, so oder zumindest ganz ähnlich beginnen die meisten der zahlreichen Quasi-Konzeptalben aus der umfassenden Werkschau des (ehemaligen) Wahl-Berliner Künstlers und natürlich nimmt sich auch „Summer In Berlin“ da keineswegs aus, sondern nimmt den Rezipienten durch eben diese kurze, aber innerlich wärmende Begrüßung gleich traditionell in Empfang, bis es mit „Der Klang Der Stadt“ in eine fast zwanzigminütige und damit weit ausgedehnte Klang-Collage übergeht. Ein sanftes Brillieren und helle Flötentöne zaubern hier kurzerhand eine märchenhafte Idylle, die einzig vom dunklen Bass konterkariert wird, der organisch aus dem Hintergrund bebt. Dann ein kleiner, überraschender Retro-Einschub kurz aufheulender Synthesizer, nach knapp einer Minute mischt sich der exotische Touch aus orientalisch anmutenden Instrumenten unter, bis sich ein zurückhaltend energetischer Electro-Loop mit immer wiederkehrendem Fiepen und engelsgleiche Voice-Samples dem leicht treibenden, prägnanten Bass im Down-Tempo beugen. So ergibt sich ein dichtes und eigentlich doch widersprüchliches Hybrid-Geflecht aus entschleunigender Entspannung und vibrierender Spannung, dem man sich tatsächlich nur schwer entziehen kann. Das alles mündet nach etwa einem Viertel der Spielzeit in einem knappen Chill-Out-Part, ehe sich das Stück dann erst wieder nach seinem bereits etablierten Eingangsprinzip selbst fortsetzt, um ab der Hälfte schließlich in absoluter Stille zu zergehen. Dabei ist das atmosphärische Epos in zwei ineinandergreifende Hauptteile untergliedert, die durch sogenannte „Field Recordings“, also thematisch passende Aufnahmen von Alltags- und Umgebungsgeräuschen, voneinander gesplittet werden. So sind jetzt erst ganz leise, doch dann immer lauter werdend, die zügigen Schritte des stummen Erzählers oder auch imaginären Protagonisten zu vernehmen, in dessen Rolle Christian von Deylen sich als eigenes, nebulöses Alter Ego an vorbeifahrenden Autos und tröpfelndem Regenfall durch das Innere der Großstadt stapfen lässt. Im Folgenden überführen hallende Echos und eine blubbernde Synthie-Line sodann in den letzten Teil, der nun sogar einige sphärische Gesangspassgen enthält. Es ist eine, zumindest innerhalb des Zyklus der regulären Hauptwerke, doch eher selten gewohnte Komplexität, welche von einem deutlich kompakteren Ergebnis zugunsten eines stimmungsvollen Aufbaus absieht und sich generell in vielen Bereichen mehr Zeit nimmt. Das schafft zwar viel Intensität, lässt aber auch ausufernde Längen zu, die zwar nicht sonderlich stören, in diesem Ausmaß jedoch nicht wirklich nötig gewesen wären... Die nun folgende Neuinterpretation des bekannten „Alphaville“-Hits stellt nicht allein nur den gleichnamigen Titeltrack, sondern gar den inspirativen Katalysator für das gesamte Album dar. „Ich habe diesen Song als Teenager nonstop auf Vinyl gehört und jeden Ton inhaliert. Damals klang Berlin für mich nach ultimativem Fernweh.“, so von Deylen selbst über die groben Hintergründe. Es sollte die Initialzündung der insgesamt vierzehn neuen Songs sein, die den Hauptbestandteil des umfangreichen Sets repräsentieren. Ein „cineastischer Roadtrip durch die deutsche Hauptstadt“ wird im Pressetext versprochen und von „Breitwandbildern in neuer Perfektion“ ist da die Rede. In jedem Ton dieses Konzepts soll und wird sich das inspirierende Spannungsfeld und subjektive Empfinden von Deylens zur weltbekannten Metropole an der Spree widerspiegeln, um das ganz spezielle Gefühl des geschichtsträchtig pulsierenden Schmelztiegels aus Multikultur, Kunst und Extravaganz für den Hörer greifbar zu machen. Das große Versprechen einer Stadt, das doch niemals so ganz eingelöst wird: „Ich erlebe Berlin seit meinem Weggang viel intensiver, sauge jede Sekunde auf und möchte am liebsten alles festhalten. Es scheint sich zu bewahrheiten, dass man aus der Ferne einfach mehr sieht.“, so der Musiker. Eine Erkenntnis, die einst schon Wim Wenders antrieb, Berlin ein filmisches Denkmal zu setzen. Das Original vom Erfolgsalbum „Forever Young“ aus 1984 präsentierte sich im klassischen Synthie-Sound, klang leicht kühl und abgeklärt. Ein Fakt, welcher mit Sicherheit unter anderem auch jener Zeit geschuldet sein dürfte, richteten sich Marian Gold und Co. mit diesem Stück Musik doch an das damals noch gespaltene Berlin. Deshalb ist es noch immer so wirkungsvoll, weil es eine Momentaufnahme des damaligen Status Quo markiert, der nachvollziehbar ist und vor diesem Hintergrund so heute natürlich nicht mehr funktioniert oder gar reproduzierbar ist. Die Version von „Schiller“ hingegen ist atmosphärisch der völlige Gegenentwurf und gleicht in all ihrer optimistischen Tanzbarkeit eher einem zeitgemäßen Remix.


Das bereits vorab als Single veröffentlichte „Der Goldene Engel“ bietet abermals schwelgerische Voice-Samples und dröhnenden Echo-Hall zum Einstieg, was dem Song gleich einen dezent dunklen, mystischen Anstrich verleiht. Darauf folgt deutlich hellere Elektronik im sanft gehobenen Mid-Tempo, in welche hypnotisch wabernde Loops, allerhand kleine Details und glockenklar tönende Versatzstücke einfließen. Das sorgt für eine gelungene Auflockerung und geht dann in einen vorsichtig angedeuteten EDM-Beat über, jedoch ohne irgendwann auszubrechen. Somit schließt man in instrumentaler Hinsicht gelungen zum catchenden Vibe des Prologs auf, wodurch von Deylen die intensive Atmosphäre trotz der deutlich kürzeren Laufzeit halten kann. Mit „Miracle“ folgt dann der zweite, reinrassige Pop-Song mit gesanglicher Unterstützung. Diese gibt es durch Tricia McTeague, die schon „Universe“ auf dem Vorgänger ihre Stimme lieh. Die softe Nummer kommt durchgehend sanft instrumentiert daher, die hauchfeine Elektronik hält sich stets zurück und schickt sich zu keiner Zeit an, die zarten Vokale, welche die Ballade hauptsächlich tragen, übertreffen zu wollen. Dem entgegen steht später noch das zweite Engagement von McTeague bei „Guardian Angel“, das mit seinen pulsierend treibenden Trance-Beats endlich weitaus energetischer powert. Umso unschöner dann der recht harte Bruch mit dem noisigen und relativ nichtssagenden „Fantastique I“, das einerseits keinen flüssigen Übergang zulässt und andererseits mit seinen knarzenden Sounds vor ruhiger Kulisse viel mehr die Position als Interludium zum sich anschließenden „Fantastique II“ einnimmt, welches als knapp anderthalbminütiger, sakraler Hall dann sogar noch kürzer ausfällt. Schade! „Liebe Aus Asphalt“ wirkt fast wie ein kleines Best-Of aus dem schiller‘schen Kosmos, ohne dabei wirklich herausragend zu sein. Hier groovt relaxt eine verlorene Gitarre, da säuselt eine klare Frauenstimme vor dem dezentem pochenden Beat und süßlich tröpfelnden Keyboard-Sprengseln. Schön und gewohnt entspannt, aber eben leider nicht mehr. Zirpende Grillen und geheimnisvollen Ambient-Sound gibt es hingegen bei „Wenn Die Nacht Erwacht“. Der wenig später einsetzende, erfrischend tanzbare und dennoch wunderbar gelöste Beat erzeugt in Verbindung damit eine leicht unruhige, aufgeladene, aber nicht aufgeregte Stimmung von Aufbruch und Ungewissheit, was gut zur beabsichtigten Gestaltung der Atmosphäre passt, aber leider ohne nennenswerte Höhen auskommt. „Better Now“ markiert dann den nächsten Pop-Song mit Feature, dieses Mal mit Unterstützung der irischen Folk-Sängerin Janet Devlin. Dabei ist das lediglich grundierende Instrumental sehr süßlich und fast schon kindlich verspielt geraten, lediglich der leichte Beat in der zweiten Strophe verleiht zumindest ein bisschen Pfiff. Devlin passt mit ihrer sehr sanftmütigen Stimme gut in dieses Konzept und vermag es, den Track großteilig zu tragen. Allgemein und gerade im direkten Vergleich zu den vielen Gastbeiträgen aus der Vergangenheit, verlässt sich das eher blasse Stück Musik zu viel auf den reinen Gesang und offenbart fernab davon kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal, mit dem es sich später ins Gedächtnis rufen könnte. So bleibt auch diese Ballade weit hinter dem Material vorheriger Alben zurück.


Das stimmungsvolle „Metropolis“ zeichnet sich durch den rhythmisch stapfenden Beat und sacht akzentuierten, optimistisch klingenden Minimal-Electro im mittleren Tempo aus. Auch der Einsatz von Voice-Samples ist wieder dabei, welche vor dem retro-futuristisch angehauchten Hintergrund mit rauschenden Hall- und Echo-Effekten nochmals umso mystischer nachwirken. Die zwischengelagerte Percussion unterstützt auf den Punkt genau und erfährt im mittleren Teil sogar ein kurzes Solo, bis das Geräusch sich öffnender und schließender Türen die passende Basis für „Menschen Im Hotel“ kreiert. Die stete Anonymität auf den Gängen und in den Zimmern, das geschäftige Treiben, die Besucherströme... So belebt und irgendwie doch einsam und leer. Musikalisch simuliert durch die isoliert schwingenden Saiten einer Gitarre, die ganz leicht durch die übrige Kulisse der hauchdünnen, kaum mehr wahrnehmbaren Elektronik und klirrenden Piano-Melodie schweben. Ansonsten wohnt dem Ambient-Stück hauptsächlich eine unterstützende Wirkung inne, die solide, ansonsten aber nicht besonders stark für sich selbst stehen kann, da kaum eine einprägsame, ohrwurmige Struktur erkennbar wird. „Dem Himmel So Nah“ beschließt den Soundtrack des Berliner Sommers dann nochmals mit der tatkräftigen Unterstützung eines namhaften Gastes, nämlich Thorsten Quaeschning von „Tangerine Dream“. Jener ist bei weitem kein Neuling im „Schiller“-Katalog und stellte sein breites, leicht experimentelles Sound-Spektrum zuletzt schon beim Bonus-Material des Vorgängers „Morgenstund“ oder Stream-Gig aus dem Lido in Berlin zur Verfügung. Damit schließt sich der thematische Kreis, welcher mit dem „Klang Der Stadt“ begonnen hat und sich vornehmlich durch seine abermals ausufernde Spielzeit von über achtzehn Minuten bemerkbar macht. Ebenso der starke Einfluss von Quaeschning, der mal das Plätschern des Regens auf kaltem Asphalt, ein verlorenes Klingeln, tiefes Dröhnen, helles Rasseln oder dezent angedeutete, weit entfernte Choräle im irgendwie bedrohlich wirkenden Auftakt in etwa fünf Minuten zelebriert. Der Rest gestaltet sich als ein buntes Crossover-Potpourri zwischen den beiden signifikanten Seiten der Künstler, wobei sich alles sehr organisch miteinander vermengt und nichts zu sehr überwiegt. Die zweite CD bietet die teilweise Live-Aufzeichnung des Berliner Konzerts der „Es Werde Licht“-Tournee 2019. Aus Platzgründen wurden das Set aus zweiundzwanzig Liedern auf eine Auswahl von vierzehn Songs gekürzt, wobei der letzte Track lediglich die Abschiedsworte sind. Dabei bieten „Avalanche“, „Universe“, Das Goldene Tor“, „Berlin Tehran“ und „Harmonia“ einen Querschnitt von „Morgenstund“, wohingegen etwa „Berlin Moskau“, „Das Glockenspiel“, „Ultramarin“, „Ein Schöner Tag“, „Schiller“ oder „Ruhe“ die großen Hits und Klassiker abbilden. Das Tour-Motto „Es Werde Licht“ kommt als exklusiver Track obendrauf. Mit den ebenfalls live gespielten „I Will Follow You“, „Lichtermeer“, „Looking Out For You (Against The Tide)“, „Tired“, „New Day“, „Mitternacht“, „Let Me Love You“ und „Dreamcatcher“ fehlen leider gleich acht Stücke, darunter auch zwei der jüngsten, hier betourten Veröffentlichung und auch welche, die bisher nicht auf Live-Alben zu finden waren. Sehr schade, vielleicht hätte man bei der Zusammenstellung der Tracklist aus genannten Gründen anders walten sollen, dennoch eine sehr schöne Beigabe und zudem ein fairer Schachzug, keinen eigenständigen Release daraus zu machen.


Tracklist:


CD 1

01. Willkommen

02. Der Klang Der Stadt

03. Summer In Berlin (feat. Alphaville)

04. Der Goldene Engel

05. Miracle (feat. Tricia McTeague)

06. Liebe Aus Asphalt

07. Wenn Die Nacht Erwacht

08. Better Now (feat. Janet Devlin)

09. Metropolis

10. Menschen Im Hotel

11. Guardian Angel (feat. Tricia McTeague)

12. Fantastique I

13. Fantastique II

14. Dem Himmel So Nah (feat. Thorsten Quaschning)

CD 2

01. Berlin Moskau

02. Das Glockenspiel

03. Ultramarin

04. Avalanche (feat. Schwarz)

05. Es Werde Licht

06. Ein Schöner Tag

07. Schiller

08. Ruhe

09. Velvet Aeroplane (feat. Sophie Hiller)

10. Universe (feat. Tricia McTeague)

11. Das Goldene Tor (feat. Yalda Abbasi)

12. Berlin Tehran

13. Harmonia

14. Goodbye


Fazit:


Das Nachtleben geht schlafen, die Großstadt bettet sich für nur wenige Stunden zur Ruhe... Erschöpft, aber glücklich, um dann schon in wenigen Stunden wieder neu zu erwachen. „Ich liebe die Realitätsflucht und die Möglichkeit, mit meinen Stücken kleine Filme in den Köpfen des Hörers entstehen zu lassen“, so Christopher von Deylen zur Motivation hinter dem Konzept. „Einfach die Gedanken schweifen und die Bilder kommen zu lassen. Das ist die große Freiheit, die Musik antreiben sollte. Und ich bin sehr neugierig darauf, was noch so alles kommt...“, erzählt er weiter. Überraschend ist der relativ plötzliche Release des hier beschriebenen Kopfkino-Materials jedenfalls nicht, ist „Schiller“ doch seit jeher für einen recht zügigen Rhythmus beim Veröffentlichen neuer Musik bekannt. Es vergeht kaum ein Jahr ohne frischen Output des sympathischen Weltenbummlers und irgendwie macht sich das mittlerweile auch an manchen Stellen sehr bemerkbar... Bereits kurze Zeit nach dem letzten Longplayer „Morgenstund“ und einem klanglich nur leicht abweichenden Quasi-Solo-Werk, steht mit „Summer In Berlin“ schon das nächste Studioalbum des Hauptprojekts an. Inspiriert durch den gleichnamigen „Alphaville“-Hit, den von Deylen laut eigener Aussage in seiner Jugend praktisch in ständiger Dauerrotation hörte und den subjektiven, gesammelten Eindrücken, die er als einstiger Wahl-Berliner im alltäglichen Leben selbst sammelte, bevor er dann zu einer eigens initiierten Weltreise und der damit verbundenen Suche nach neuen Einflüssen für seine Kunst aufbrach. Nach wie vor ist unverändert, dass diese mitunter doch eher eigenwillige Art der Musik nicht für jeden Geschmack und schon gar nicht für jede Stimmung geeignet ist und das auch gar nicht sein will. Für die bunte Mischung aus atmosphärischen Ambient-Klängen, entspannten Chill-Out-Vibes, vielen Einflüssen verschiedenster Teile der Weltmusik, dezent elektrisierendem, doch niemals allzu unaufdringlichem Trance und New Age oder den teilweise extrem auf Catchyness getrimmten Pop-Songs muss man schon sehr empfänglich sein, um dem daraus resultierenden Gesamterlebnis etwas abgewinnen zu können. Sogar Klassik war schon im Mikrokosmos, welchen man bei der Fülle an Elementen eigentlich gar nicht mehr als solchen bezeichnen kann, des vielseitigen Electro-Künstlers vertreten. Jener Mix ist während der ersten Durchgänge oftmals nur schwer zu fassen. Gerade dann, wenn man nicht aufmerksam genug ist, zugleich dennoch unfassbar leicht zu konsumieren. Die Musik von „Schiller“ kann bewusst zum Relaxen und Träumen genossen, aber eben auch nur nebenbei gehört werden, ohne dass es auffallend stört und genau da ist der Haken: Die leichte Bekömmlichkeit für Jedermann ist nicht das Problem, sondern die mittlerweile doch recht vorhersehbare Umsetzung der Vision des Christopher von Deylen. Hier weiß der Hörer, was er bekommt und diese verlässliche Konstante ist für den Fan alles andere als schlecht und auch von musikalischer Banalität zu sprechen, würde dem nicht gerecht werden, doch verlässt sich von Deylen schon seit längerer Zeit zu sehr auf altbekannte Formeln und eine nur allzu angenehme Vertrautheit, die mittlerweile Eigenständigkeit zwischen den Veröffentlichungen vermissen lassen. Dieses bisher exerzierte Muster macht leider auch vor „Summer In Berlin“ keinen Halt. Am interessantesten, da verhältnismäßig ungewöhnlich, sind da noch der Prolog und Epilog, also der Rahmen aus den zwei Tracks mit Überlänge: „Der Klang Der Stadt“ und „Dem Himmel So Nah“. Leider besteht die vermutete Komplexität vornehmlich aus der enormen Spielzeit von jeweils fast zwanzig Minuten, wobei schnell klar wird, dass entsprechende Stücke stellenweise einfach nur langwierig arrangiert sind, ohne dabei wirklich auf den Punkt zu kommen. Und das, obwohl es auch vollkommen ausgereicht hätte, die beiden Sound-Collagen in unter der Hälfte abzuhandeln, da die allein Ideen nicht annähernd abwechslungsreich oder spannend genug sind, um die Songs komplett über die künstlich gestreckte, aufgezwungen anmutende Dauer zu tragen. Vielleicht wäre eine Splittung in zwei Parts hier sinniger gewesen? Warum das unspektakuläre „Fantastique“-Duo hingegen aufgeteilt wurde, weiß vermutlich nur von Deylen und fällt unter künstlerische Freiheit. Das Ergebnis sind gute Ansätze, die oftmals leider eben nur Ansätze bleiben und nur skizzenhaft ausgearbeitet scheinen. Legt man die Messlatte zumindest bei den letzten Alben an und hat Gefallen an diesen gefunden, so dürften auf Seite der rein instrumentalen Stücke aber immerhin „Liebe Aus Asphalt“ und „Metropolis“ versöhnlich stimmen, umso mehr das wirklich hervorragend gelungene „Der Goldene Engel“. Davon hätte es gerne mehr geben dürfen! „Wenn Die Nacht Erwacht“ und „Menschen Im Hotel“ sind zwar keine echten Lückenfüller, bleiben jedoch weit, weit hinter ihren Möglichkeiten und dem eigentlichen Können des sympathischen Musikers zurück. Bei den Pop-Songs mit gesanglicher Begleitung überzeugen die Initialzündung, das erfrischend moderne, sehr eingängige und auch heute noch immer voll überzeugende „Alphaville“-Cover, sowie „Guardian Angel“. Wer also keine großen Hits im Stile der alten Klassiker und Evergreens erwartet, sondern auf grundsolide „Schiller“-Kost hofft, dürfte hier tatsächlich wieder die eine oder andere kleine Perle finden. Alle, die ohnehin lediglich zu neuen, irgendwie doch ziemlich vertrauten, aber immer wohlklingenden Sounds entspannen wollen, sind ohnehin richtig. Alle anderen hören vor dem Kauf besser ein oder gleich mehrere Mal etwas Probe. Also: Alles beim Alten. Auch das ist typisch „Schiller“... Und irgendwie ist das doch auch schön und gut so, oder?


Informationen:


http://www.schillermusic.com

https://www.facebook.com/schillermusic/

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