Project Pitchfork - Funker Vogt - Solar Fake (2024)
Project Pitchfork - Elysium (2024)
Genre: Electro / Alternative
Release: 28.03.2024
Label: Trisol Music Group (Soulfood)
Spielzeit: 51 Minuten
Fazit:
Alles endet. Irgendwann. Das Gute und das Schlechte, der Schmerz und die Lust. Das ist ebenso unumstößlich wie essentiell: Endlichkeit ist es, was uns ausmacht, erfüllt, was uns überhaupt erst dazu bringt, zu fühlen, zu denken, zu sein. Endlichkeit, Unendlichkeit und alles dazwischen treiben auch Peter Spilles von „Project Pitchfork“ um und an. Seit über 30 Jahren forscht er an der Physik der Menschlichkeit und der Metaphysik des Kosmos. Mit „Akkretion“ und „Fragment“ veröffentlichte er zuletzt zwei Teile einer interstellaren Trilogie, die die düsterelektronische Galaxie von „Project Pitchfork“ so gut auszuleuchten wussten wie nichts zuvor. Nach langer Stille folgt mit „Elysium“ endlich der letzte Akt dieser kosmischen Electro-Sinfonie. Und jede Sekunde des Wartens hat sich gelohnt: „Elysium“ ist nicht weniger als die Musik der Sterne, zur Erde gebracht und übersetzt in kolossale Dark-Electro-Kathedralen. Nichts ist mehr wie es war, seit die ersten beiden Kapitel des ultimativen „Project Pitchfork“-Triptychons erschienen sind. Bei Peter Spilles selbst, bei jedem von uns, in der ganzen Welt. Pandemie und Krieg, ein Planet, der zunehmend unter den Milliarden Bakterien ächzt, die ihn langsam ausbluten lassen. Der Peter Spilles, der uns auf „Elysium“ begegnet, ist deswegen auch ein anderer. Wenn der letzte Akt seiner Trilogie schon im Titel die Überfahrt auf die Insel der Seligen verspricht, dann ist der Weg dorthin doch zumindest ein steiniger. „Project Pitchfork“ klingen auf diesem Album gezeichnet, sichtlich mitgenommen von dem, was wir alle in den letzten fünf Jahren aushalten mussten. Aber deswegen nicht weniger dringlich, nicht weniger intensiv, nicht weniger mitreißend. Im Gegenteil: Es scheint, als hätte Peter Spilles die größte Krise in die mächtigste Waffe verwandelt - und all das auf „Elysium“ kanalisiert, was ihn plagte. Katharsis in elektronischer Form, ein gewaltiges, monumentales Manifest, das mühelos Zeit und Raum transzendiert und mit emotionalen, dräuenden, dunkel pulsierenden Hymnen bewegt. Natürlich weiß Peter Spilles nach bald 20 Alben, was er kann. Natürlich weiß er besser als jeder andere, was dieses Wesen „Project Pitchfork“ braucht, was es ausdrücken soll. Natürlich hat er längst einen Trademark-Sound gefunden, den man aus tausend Bands sofort heraushört. Dennoch ist ein Blick in sein Innerstes immer wieder von schrecklicher Schönheit. In seinen neuen Songs fließt alles zusammen, was uns im Innersten zusammenhält und was uns im Außen auseinandertreibt. Mit harten Beats, irisierenden Melodien und jener originär kosmischen Aura, die nur er so hinbekommt, erlaubt uns „Elysium“, zwischen die Sterne zu entfliehen, für einen Moment schwerelos zu sein und alles zu vergessen, was uns auf der Erde zu Boden drückt. Und damit ist nicht nur die Schwerkraft gemeint. Mehr denn je sind seine Songs Hymnen des Widerstands. Gegen Dummheit, gegen die Zerstörung des Planeten. Gegen das ewige Nichts, das auf uns alle wartet. Alles endet. Soweit, so bekannt. Es gilt jetzt also, das Beste mit der Zeit anzufangen, die uns noch gegeben ist. Peter Spilles macht es vor. Und liefert mit „Elysium“ nicht nur den furiosen, mitreißenden Abschluss einer großen Trilogie; sondern vielleicht überhaupt das Opus magnum seiner stellaren Karriere. Viel besser kann man Electro einfach nicht exorzieren. „Elysium“ erscheint am 28.03.2024 via Trisol Music als Stream, digitaler Download, CD im sechsseitigen Digipak, auf 500 Einheiten limitierte und mehrfarbige Doppel-LP auf 12“-Vinyl in Orange-Schwarz im Gatefold mit Metallic-Druck oder als auf 2.000 Exemplare limitierte 2-CD-Edition im aufwändig gestalteten, großformatigen Hardcover-Bildband (28 x 28cm) inklusive Bonus-CD mit einem exklusiven Song und drei Remixen sowie erweitertem Artwork auf insgesamt achtzig Seiten aus 150g Bilderdruckpapier mit beständiger Fadenheftung.
Der Kreis schließt sich! Sechs Jahre liegt der einstige Startschuss der nun endlich in Gänze vollendeten Trilogie von Hamburger Szene-Institution „Project Pitchfork“ mittlerweile schon zurück, wobei der krönende Abschluss durch den finalen Akt vermutlich für einen deutlich früheren Zeitpunkt geplant gewesen sein dürfte. Im Januar 2018 wurde mit „Akkretion“ der Grundstein gelegt, welcher auch nur wenige Monate später klassisch betourt wurde, woraufhin bereits im Herbst desselben Jahres das zweite Kapitel namens „Fragment“ in den Startlöchern stand. Doch kurz nach Release brach plötzlich eine wahre Abwärtsspirale über die beliebte Band herein, die für sehr lange Zeit keinerlei Ende in Sicht ließ: So musste sich Sänger Peter Spilles etwa erst einer wichtigen Operation unterziehen, weswegen die ursprünglich für Anfang 2020 angesetzten Konzerte in den Frühjahr gelegt werden mussten, doch hatte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand die Rechnung mit der globalen Pandemie gemacht, deren Maßnahmen eine Durchführung von Club-Konzerten schier unmöglich machte und die Fans mit Ausnahme zweier coronakonformer Open-Air-Gigs in Dresden und Klaffenbach auf später vertröstete. Ein livehaftiges Wiedersehen war voraussichtlich für 2021 geplant, doch auch dieses Vorhaben musste abermals um ein weiteres Jahr verschoben werden, bis es dann 2022 endlich nachgeholt werden konnte! Doch damit noch lange nicht genug, denn alsbald sollten Kriege und eine kritische Veränderung von Klima und Umwelt jedweden Optimismus im Keim ersticken, von den immer weiter zunehmenden, zwischenmenschlichen Kluften innerhalb der Gesellschaft ganz zu schweigen. Eine Welt im Wandel mit stetem Trend nach unten… Auch die Trennung von langjährigen Weggefährten, wie etwa just von Gründungsmitglied Dirk Scheuber, dürften in privater und künstlerischer Hinsicht einen klaren Einschnitt hinterlassen haben. Das alles veranlasste Peter Spilles in der vergangenen Zeit wohl einmal mehr dazu, das Geschehen um sich herum analytisch zu reflektieren, ja, sich weit gefasst mit unser aller Endlichkeit, Bestimmung und auch (ungewisser) Zukunft auseinander- und jene anschließend in den interstellar angelegten Kontext der aktuellen Trilogie zu setzen. Werden. Sein. Vergehen. Ein ewiger Kreislauf, in welchem wir alle nur kleine Zahnräder des großen Ganzen sind. Auf der Suche nach Glück und Sinn überträgt der Mastermind diese Fragen nun also auch in einen sinnbildlichen, philosophisch geprägten Rahmen, denn in der griechischen Mythologie steht das titelgebende „Elysium“ für die Insel der Seligen. War man reinen Herzens und zeigte sich würdig, so wurde man der Sage nach von den Göttern erwählt, die einem fortan Aufenthalt und Unsterblichkeit in diesem Paradies gewährten… Dementsprechend gestaltet sich der Einstieg in das neueste Werk mit dem Rauschen des Meeres als äußerst stimmungsvoll und passend. Beinahe ist die sanfte Brise zu spüren, wenn der ruhige Wellengang sich hörbar an den Felsen bricht und anschließend gleichmäßig ans Ufer schwappt: „Galaxies“ entfaltet nach rund dreißig Sekunden den klassischen Pitchfork-Sound. Der durchaus sehr energiegeladene Rhythmus zieht im mittleren Tempo voran, der Bass drückt dabei recht ordentlich und zuckende Beats formen eine dunkelschöne Atmosphäre, während dazu der kosmische Ursprung von Spilles kratzig-markanter Stimme thematisiert wird. Der Refrain offeriert musikalisch anmutig schöne Melodiebögen, wenn zart perlende Piano-Tupfer sich auf sphärisch schwebenden Bahnen betten. Das manchen Fans von der just vergangenen Herbst-Tournee bereits bekannte „Unity“ treibt durch seinen vehement stampfenden Beat an und fährt mit den fiepend kreiselnden Synth-Fragmenten sogleich in die Glieder, schnörkellos und straight. Trotz dessen verbleibt das Tempo gemäßigt und hält jedwede Eruption schützend zurück, gewährt damit Stimme und Text ihren Raum zur fokussierten Wirkung. Den wirklich sehr eingängigen und dezent verpoppten Chorus bestreiten Pitchfork dann mit gesanglicher Unterstützung durch Duettpartnerin Sue, welche einigen aufmerksamen Hörern beispielsweise noch vom „Ascension“-Remix her ein Begriff sein dürfte, deren elegisch gehauchte Vocals zwar zunächst wieder etwas der Gewöhnung bedürfen, jedoch zugleich auch die perfekte Ergänzung zum rauen Farbton des Frontmanns darstellen. Unsere Zeit auf Erden ist begrenzt, läuft ab. Am Ende sind wir alle gleich. Diese gereifte Erkenntnis skandieren hier die Lyrics, welche die titelnde Einheit sowie gemeinschaftliche Ziele in vertrauter Verbundenheit zum höchsten Gut küren.
Ebenfalls schon bekannt ist das finstere und nicht weniger mitreißende „Der Tanz“, das nach langer Zeit wieder einen rein deutschsprachigen Song im pitchfork‘schen Repertoire markiert. Es knackt, knarzt und ächzt. Ruppiger Maschinen-Sound peitscht an. Kühl. Unbarmherzig. Irgendwie passend. Thematisiert wird die geradezu unfassbare Undankbarkeit und stete Rücksichtslosigkeit der Spezies Mensch gegenüber ihrer Umwelt und nicht zuletzt sich selbst. Wenn allerorts nur noch der Hass regiert und jeder lichte Funken Hoffnung verschlungen wird, tanzen wir zu verführerischen Rhythmen, elektronisch-archaischen Streichern und natürlich auch fetten Beats dem reißenden Abgrund auf Messers Schneide unaufhaltsam entgegen. Die melancholische Ballade „Learning To Live“ setzt greifbare Schwermut frei und zeigt sich mit ihrem schleppenden Rhythmus als Electro-Walzer von orchestraler Opulenz. Anstelle einer distanziert beobachtenden Perspektive offenbart Peter Spilles, hier abermals konturierend von Sue unterstützt, eine unheimlich persönliche Note. Dennoch suhlt sich das Stück nicht zu sehr in schwülstigem Pathos, sondern kommt reflektiert und ungewohnt zerbrechlich daher, wenn die Erkenntnis um das eigene Sein und das, was wirklich von Bedeutung ist, greift - Sehr schön! Das pulsierende „Summer Walk“ gaukelt instrumental stellenweise die scheinbare Idylle vor, kann und will seinen beißenden Sarkasmus mit argwöhnisch geschärftem Blick auf die nahende und von Menschenhand gemachte Katastrophe allerdings gar nicht verleugnen. Dabei arbeitet die Mid-Tempo-Nummer äußerst kontrastreich mit den fließenden Übergängen zwischen anregenden Beats und beruhigten Parts, der hymnisch angelegte Refrain ist hingegen von einer bittersüßen Note geprägt. „Melancholia“ macht seinem Titel danach alle Ehre und setzt einen alles entschleunigenden, hochemotionalen Ruhrpol, welcher die quälende Wehmut und das stockende Innehalten des lyrischen Ichs geradezu fühlen lässt. Es geht um die Bewusstwerdung über die Endlichkeit und das innere Loslassen von jeglichem Ballast, wenn der Zeitpunkt schließlich gekommen ist. Freiheit, Balsam und ewiger Frieden für die Seele. (Un)Endlich leicht… Der dringliche Wunsch nach Aufbruch und Veränderung wird danach auch im ebenfalls deutschsprachigen „Isolation“ vehement geäußert, das nachfolgende „Axiom“ festigt jenen dann nicht nur, sondern meißelt ihn geradezu in Stein: Helle Synth-Chöre und ein pochender Bass machen den Anfang, bis sich kurz darauf die futuristisch powernde, facettenreich verspielte Melodie über eine satte Beat-Landschaft legt. Mit den dual angelegten Strophen, die abwechselnd deutsche und englische Sprache aneinanderreihen, wird der launige Up-Tempo somit aus der zuvor geschaffenen, inhaltlichen Schwere gehoben, woran mit großer Wahrscheinlichkeit auch der kernige Schlachtruf-Refrain nicht ganz unschuldig ist: „We are the planet!“ oder später auch „Wir sind die Erde!“ schallt es da bestimmt aus hunderten von Kehlen, was den globalen Charakter und allgegenwärtigen Umschwung stimmig unterstreicht. Nicht allein nur deshalb, sondern auch aufgrund der extrem positiven Ausrichtung, liegt hier ein klarer Anwärter für die kommenden Live-Shows vor! Auf verschiedenen Ebenen weitaus klassischer gehalten ist das dunkel wabernde „Transformation“, das sich instrumental und lyrisch als klassischer Pitchfork-Song identifiziert und mit seinem angespannt vibrierenden Düster-Beat sowie mystisch transzendierenden Synthie-Bahnen schnell mobilisiert. Ein ausgewiesenes Stück gegen die anonyme Elite. Gegen die Großen, Reichen und Mächtigen, die mit perfiden Spielen und egozentrischem Handeln den nahenden Kollaps zu verantworten haben. Wir sind mehr und könnten etwas dagegen unternehmen, wenn wir nur endlich aus unserer Komfortzone ausbrechen würden. Doch sind wir zu bequem, taub und blind, wie auch wenig später das gesellschaftskritische „Blind Mice“ zu marschierender Percussion und verquere Synth-Spitzen unterstreicht. Das introvertierte „Memories“ lässt es zum Finale der Tracklist nochmals um ein Vielfaches ruhiger zugehen und reflektiert lyrisch auf wirklich bewegende Weise die Gedanken zum Ende eines Lebens. Erst dann, wenn Kraft und Zeit langsam schwinden, erscheint uns das kostbare Geschenk dieser Existenz so viel klarer. Diverse Eindrücke unserer Jahre auf Erden ziehen vor dem inneren Auge vorbei… Innerer Frieden, Abschied und Loslassen. Was bleibt, sind all die gemeinsamen Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen, die uns auf immer untrennbar mit unseren Liebsten verbinden und in stillem Gedenken unsterblich machen. Elektronisch verzerrte Hörner und ein kickender Oldschool-Beat bilden abschließend das Fundament für die „Final Words“, welches uns trotz aller irdischen Schrecken dazu anleitet, unser Dasein jederzeit als kostbares Geschenk zu begreifen und das zu tun, wofür wir geboren worden sind: Leben. In all seinen Facetten. Jeden Tag, so gut es uns irgendwie möglich ist… „Elysium“ ist die Musik gewordene Katharsis von Peter Spilles, der selbst im nunmehr fünfunddreißigsten Jahr des Bestehens seines Lebenswerks keinesfalls müde geworden zu sein scheint, die Missstände auf dieser Welt klar beim Namen zu nennen und ein kollektives Umdenken zu beschwören. Doch ist das zwanzigste Fulltime-Werk der Band aus Hamburg aufgrund oben genannter Gründe zugleich auch eines der wohl persönlichsten. Selten kam man der reichhaltigen Gedanken- und Gefühlswelt des Masterminds so nahe, konnte dessen Emotionen dermaßen ungefiltert und stark nachempfinden. Dabei erschafft man mit vielen der neuen Songs eine weite Range von ruhig und melancholisch über entrückt, wütend und mahnend bis hin zu (vorsichtig) optimistisch und tanzbar. Ein schwarzbuntes und herrlich abwechslungsreiches Portfolio, welches für jede Stimmungslage etwas anbietet, wenngleich dieser eine ausgewiesene Über-Hit vielleicht fehlt. Auch, wenn es auf den ersten, oberflächlichen Blick vermutlich nicht den Anschein haben mag, ist „Elysium“ in seiner Essenz ungemein lebensbejahend. Somit überzeugen Pitchfork einmal mehr und präsentieren hier dunklen Electro und Wave auf gewohnt hohem Niveau für den Teil der Szene, der sich eben nicht nur mit stumpfer Ballderbuden-Musik zufriedengibt, sondern nachdenkliche Inhalte und wertige Impulse als künstlerisches Kernelement und Anstoß zum notwendigen Diskurs begreift. In diesem Sinne lässt das musikalische Quasi-Comeback nach der mehrjährigen Zwangspause nur hoffen, dass „Project Pitchfork“ die Insel der letzten Ruhe nicht allzu bald finden werden und uns noch lange erhalten bleiben.
Informationen:
https://www.project-pitchfork.eu/
https://www.facebook.com/ProjectPitchfork/
Funker Vogt - Final Construct (2024)
Genre: Electro / Alternative
Release: 03.05.2024
Label: Repo Records (Alive)
Spielzeit: 81 Minuten
Fazit:
Knapp drei Jahre war es still um die selbsternannten Söldner von „Funker Vogt“. Nach dem Ausscheiden von Chris L. im Sommer 2021 hat man zunächst eine einjährige Schaffenspause eingelegt, bevor Gerrit Thomas und René Dornbusch den Sänger und Shouter Bastian Polak zum vollständigen Trio rekrutieren konnten. Der Neue am Mikro dürfte vielen bereits durch das Duo „Intent:Outtake“ bekannt sein. Da Komponist und Produzent Gerrit Thomas bereits für diese Formation Gesangsaufnahmen sowie Mix & Master getätigt hat und man sich daher schon kennen und schätzen lernte, war es für einige Fans sicher keine große Überraschung, dass Bastian Polak für „Funker Vogt“ angeheuert wurde. Der Sound auf „Final Construct“ dürfte reichlich Epos mit sich bringen, da sich die Band stark auf das Songwriting konzentriert und den hymnischen Charakter mehr denn je in den Fokus gesetzt hat. Nahezu jeder der insgesamt neunzehn neu komponierten Titel hat den sogenannten Single-Charakter. Herr Polak beweist auf allen Songs dieses Albums und dessen Bonus-Tracks durchweg, dass er der Richtige für „Funker Vogt“ ist und lässt keine Wünsche offen, was Flexibilität in Stimmlage, Aggressivität und Melodie betrifft. So hatte man auch keine Scheu vor dem sehr epischen Stück „Im Auge Des Orkans“ im ¾-Takt, welches als Outro des Doppel-Albums angeordnet und wohl als der einzig echte Ausbrecher wahrzunehmen ist. Alle anderen Songs weisen den typischen, aggressiven, aber stets melodiösen Industrial-Dance-Beat auf, den man von den Funkern kennen und lieben gelernt hat. Das heiß erwartete Comeback der Hamelner Institution erscheint am 03.05.2024 unter dem Namen „The Final Construct“ via RepoRecords als Stream, digitaler Download, Doppel-CD im klassischen Digipak, MC inklusive aller Bonus-Songs (Remixe ausgenommen, dafür Exklusiv-Track „Todeskommando“), goldene 12“-Vinyl mit exklusivem Song „Rabbit Hole“ und limitiertes Bundle im Logo-Gymbag bestehend aus der 2-CD-Version, drei von der Band handsignierten Autogrammkarten und einem Fan-Schal.
Schneidend scharfe Klänge, brodelnde Synthies, ächzende Sounds und metallische Schläge im streng getakteten Marschrhythmus sorgen sofort für eine angespannte Stimmung, die alsbald den Weg für das eröffnende „The Signaller“ ebnen. Plötzlich setzt unvermittelt der Gesang von Neu-Frontmann Bastian Polak ein und bewegt sich noch für wenige Sekunden weiter im Fahrwasser des kurzen Intro-Vorbaus, bevor dann der minimalistische, harte Beat hereinbricht. Kein Zweifel: Der Funker ist zurück! Im wenig textlastigen Refrain werden stechende Industrial-Salven aus allen Rohren gefeuert, später gibt es mit einem Zwischenspiel von dezent symphonischem Charakter ein kurzes Innehalten, ehe alles ineinander kollidiert und sich im Finale viel Dramaturgie in typischer Manier die Bahn bricht. Jene Ausgangslage mündet dann auch gleich im Beginn der äußerst positiv aufgenommenen Vorab-Single „Death Seed“, hier in einem rund halbminütig längeren Edit. Schwere Percussion und Chören starten, es folgt ein kühl pluckernder Beat im besten EBM-Stil, dazwischen knarzt und fiept es immer wieder. Der ausladende Refrain setzt der harschen Ader einen melodischen Konter entgegen, in welchem Polak eindrucksvoll zeigt, dass neben Sprechgesang und Shouten noch weitaus mehr Facetten in seinem Stimmvolumen stecken. Mehr noch: Viele altgediente Fans von „Funker Vogt“ dürften sich hier nicht nur ob des unverkennbaren Signature-Sounds von Gerrit Thomas direkt musikalisch wohl und heimisch fühlen, nein, auch der Neuzugang hinter dem Mikrofon trägt verblüffend stark dazu bei, hier ein mehr als nur gelungenes Comeback für das Trio hinzulegen. Apropos „Signature Sound“: Davon gibt es beim folgenden „Blessed Or Cursed“ reichlich! Die Zeichen stehen, zumindest rein instrumental gesehen, glasklar auf Eingängigkeit und Party auf dem Schutt und den Trümmern des Tracklist-Schlachtfelds. Entgegen der beiden vorangegangenen, schwerfällig getragenen Songs, kreiselt der Beat nunmehr in kerniger Funker-Manier leicht future-poppig daher, verbindet sich dann mit der stoischen Rhythmik und lädt alsbald auf die Tanzfläche im besten Stil eines „Date Of Expiration“ oder „Gunman“ ein. Wenngleich deutschsprachige Songs zwischen 1996 und 2013 eher die Ausnahme als die Regel waren, gab es sie, insbesondere gegen Ende der Kästel-Ära, doch immer mal wieder und häufiger, bis „Code Of Conduct“ unter „Agonoize“-Mastermind Chris L. als Frontmann sogar auf ein Gesamtwerk mit Stücken fast ausschließlich in Landessprache setzte. Der direkten Nachfolger „Wastelands“ kehrte diesen Zug jedoch bald wieder um. Zumindest meiner subjektiven Ansicht nach gehören beispielsweise „Maschine-Zeit“, „Genozid“, „Krieger“ „Gott Noch Nicht“ „Für Immer“ oder „Tanzbefehl“, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, seit jeher zur starken Haben-Seite des funker‘schen Portfolios. Dementsprechend groß ist die Freude darüber, das sich auch auf dem aktuellen Ableger so einige Tracks in Deutsch finden. Und tatsächlich bricht die Band hier nicht mit ihrer langgedienten Tradition und liefert damit ordentlich ab! Den Anfang dieser Reihe macht das grandiose „Labyrinth“, welches zunächst mit einem unterkühlt loopenden Beat und nervös flackernden Sounds aufwartet, die wahnsinnig gut mit dem verbittert keifenden Gesang von Polak fusionieren und schließlich in einem melancholisch aufgeladenen, doch nicht minder treibenden Chorus aufgehen, der gegen Ende noch mit einigen schönen Details im Arrangement besticht. Resigniert klagende Streicher leiten mit „Zinnsoldat“ danach die nächste nicht-fremdsprachige Nummer ein und diese legt sogar noch eine mächtige Schippe auf das zuvor Verklungene drauf! Nur kurz darauf marschiert ein ungemein einschüchternder, fieser Beat im donnernden Stechschritt rücksichtslos über die einstige Idylle und begräbt alles unter sich. Zwar blitzen die traurigen Violinen in den Strophen immer mal wieder verholen auf, ab dem drückenden, zynisch-kritischen Refrain dominiert jedoch erneut die geballte bpm-Macht mit aller Gewalt, während Polak sich giftig die Seele aus dem Leib brüllt: „Links, Rechts, Zinnsoldat! Fahnenflüchtig, Hochverrat. So soll es und so muss das sein! Brüderchen und Schwesterlein, aus euch sprießt dieser Keim!“. Allen voran der konterkarierende, leidenschaftlich vorgetragene Part nach dem zweiten Refrain weiß in seiner schieren Intensität zu begeistern und setzt einen ungemein tragischen Akzent - Wow! Mit Sicherheit einer der absoluten Hits auf „Final Construct“, gar keine Frage. „Warum fällt es uns so schwer!?“… Mit „Dethroned Kingdom“ geht es nun abermals zurück in englischsprachige Gefilde: Knarrende Elektronik pumpt und flirrt, helle Choräle branden im Refrain auf, welcher überdies melodisch sehr schön gesungen dargeboten wird. Ein tiefgestimmtes Horn leitet im Folgenden „Rain Of Ashes“ ein, das stilistisch gesehen in eine recht ähnliche Kerbe schlägt und auf solide Weise wieder viel Bekanntes bietet. Das klingt gut und ist eine sichere Bank, gehört aber dennoch zu den wenigen, eher schwächeren Stücken. Die signifikante Handschrift von Thomas lässt sich definitiv nicht verleugnen und ruft in Momenten wie diesen frappierend starke Erinnerungen an „Eisfabrik“ wach, wodurch die Funker-DNA kurzzeitig verloren geht und das Arrangement etwas beliebig anmuten lässt. Dafür überzeugt auch hier abermals der packende Gesang, der diesem Mid-Tempo-Feger durch seine emotionale Intonation fast schon eine Art balladesken Charakter auferlegt. „Im Gleichschritt“ wurde ebenfalls ein atmosphärisches Preludium spendiert, in dem Sound-Fetzen von Funksprüchen und weit entfernten Patronensalven direkt ein unheilvolles Bild zeichnen, bis klassischer EBM-Beat und treibender Rhythmus die Oberhand gewinnen. Die scharfe Kritik am Todesspiel der Kriegstreiber und dem scheinbar blinden Gehorsam ihrer entsandten Truppen ist lyrisch zu einhundert Prozent „Funker Vogt“, orientiert sich musikalisch derweil jedoch eher an den jüngsten Releases mit Chris L., an welchen Polak hier mit seiner verzerrten Stimme im Refrain kurioserweise kurzzeitig erinnert. „Sternenstaub“ kommt anschließend überraschend mit teils englischem Text in den Strophen daher und drückt das Gaspedal mit seinen hitzigen Beats und ganz viel Bass ungnädig durch. Der mahnende Chorus erklingt dann hingegen plötzlich auf Deutsch, ehe das schwerfällige „Here We Are“ mitsamt seinem stampfenden Takt die erste Seite des Doppelalbums beschließt.
Doch das soll es noch lange nicht gewesen sein, denn anstatt sich bei ihrem Quasi-Neustart 2024 nur mit den soeben erst verklungenen zehn Songs zufrieden zu geben, legen die Funker auf CD 2 nach. Dabei ist die zweite Disc kein typischer Bonus á la ungeliebter Resteverwertung, sondern liefert neben einer Handvoll alternativen Mixen vierer Songs des Hauptalbums zusätzlich weitere fünf Lieder, die ihren Vorgängern in nahezu nichts nachstehen! So fährt etwa das wütend pumpende „Life of Agony“ knisternde Sounds und einen abermals choral untermauerten Refrain auf, womit sich der Song wohl noch als klassischste Nummer der Zugabe präsentiert. Weitaus spannender kommen da schon die nächsten Tracks daher, deren Anfang das fantastische „Pommerland“ macht: Hier dominieren klar der druckvolle Bass zusammen mit den modern flimmernden Industrial-Klängen, welche den Hörer erbarmungslos zur Bewegung zwingen. Die Bridge setzt mit ihrem kurzen Piano-Intermezzo dann einen enorm gelungenen Kontrast und leitet fließend zum fantastischen Chorus voller Pathos über, der hervorragend die Balance aus elektronischer Hau-Drauf-Energie und mitreißender Dramaturgie hält, was eine besondere Synergie ergibt! Merklich ruhiger beginnt die maritim angehauchte Nummer „Die Leinen Los“. Die symphonische Anmut der Streicher hält die zwingende Electro-Power der kommenden Minuten vorerst kurzzeitig zurück, die alsbald kühl voran peitscht und sich im heroisch-emotionalen Refrain manifestiert, bis mit dem beängstigenden „Tiefer“ dann ein weiterer Höhepunkt direkt auf dem Fuße folgt. Zu donnerndem Paukenschlag-Bombast tröpfeln unheimliche Electro-Perlen hinab und führen zusammen mit den bitteren Lyrics immer weiter in den auditiven Abgrund hinab, der die Schrecken des Krieges einmal mehr vor Augen führt. Bald knallen kalte Beats um die Ohren, der packende Ohrwurm-Refrain fährt in Mark und Bein - Die ideale Fusion aus brechender Härte und fantastischer Melodiösität! Den finalen Schlusspunkt setzt die grandiose Ballade „Im Auge Des Orkans“, die zugleich ein echtes Novum im Funker-Universum darstellt, verzichtet jene doch gänzlich auf ein Gewitter aus Bass und Beats, sondern verlässt sich neben den messerscharfen Lyrics und der enorm überzeugenden Stimme von Polak ganz und gar auf ihre Instrumentierung aus übermächtiger Percussion und elegischen Streichern, welche sich hier auf spektakuläre Weise einen bedrohlichen, apokalyptischen Todeswalzer im Dreivierteltakt liefern - Wow! „Tanzbefehl, wenn der Funker kommt!“ - An diesem hübschen Marketingspruch von vor ein paar Jahren hat sich auch nach fast dreißig Jahren des eisernen Bestehens mit einigen Höhen und natürlich auch Tiefen praktisch nichts geändert und so folgen die drei Funker ihrem etablierten Leitmotiv „Musik ist Krieg“ auf „Final Construct“ sowohl lyrisch als auch musikalisch 2024 weiterhin strebsam. Dabei ist die größte Neuerung an der Front natürlich der frische und nunmehr vierte Sänger, welcher hier die Nachfolge von Jens Kästel, dem kurzen Intermezzo von Sacha „Sickman“ Korn und Chris L. antritt. Trotz dessen langjährige Funker-Fans sich in den vergangenen Jahren bereits so einige Male umgewöhnen mussten, beinahe unnötig zu erwähnen, dass der Ersatz der Stimme, welche ja unabstreitbar einen großen Teil einer jeden Band-Identität ausmacht, eine mehr als nur schwierige Aufgabe darstellt. Doch Bastian Polak, der einigen Hörern bestimmt schon von seinem Hauptarrangement bei „Intent:Outtake“ ein fester Begriff sein dürfte, nimmt diese Hürde scheinbar mühelos! Nicht nur raunt, keift, brüllt und schreit der Neue hier bei nahezu allen Stücken so ungemein überzeugend, dass es eine wahre Freude beim Zuhören ist, nein, auch fügt sich seine natürliche Stimmfarbe und feinfühlige Intonation dergleichen organisch in den typischen Sound, als hätte er schon immer bei „Funker Vogt“ hinter dem Mikrofon gestanden. Dabei versucht sich Polak gar nicht erst an einer billig anbiedernden Imitation seiner jeweiligen Vorgänger, sondern schafft sich hörbar selbstbewusst seinen ganz eigenen Abdruck bei den Hamelnern und trägt damit den klassischen Funker-Spirit gebührend weiter. Musikalisch gesehen winkt auf der anderen Seite vor allem viel Bekanntes und zurecht Bewährtes durch den unverkennbaren Stempel von Gerrit Thomas, welcher den Sound dank Polaks gesanglich variablem Facettenreichtum jedoch zu öffnen vermag und anstelle reinen Electro-Geballers auch kleine Experimente und breiter aufgestellte, doppelbödige Arrangements realisieren kann, die der Abwechslung und Unberechenbarkeit hörbar guttun. So stehen am Ende verblüffend viele extrem starke und ziemlich erinnerungswürdige Songs in gewohnter Qualität, die mit neuer Frische wegweisend aufzeigen dürften, wohin die wiedererstarkte Zukunft des Projekts geht und dabei nur hoffen lässt, dass dies eben noch lange nicht das „finale Konstrukt“ der drei Funker darstellt, sondern gerade erst ein (Neu-)Anfang nach Maß ist.
Informationen: https://www.funker-vogt.com/
https://www.facebook.com/officialfunkervogt/
Solar Fake - Don't Push This Button! (2024)
Genre: Electro / Alternative
Release: 24.05.2024
Label: Pointless Music (Alive)
Spielzeit: 92 Minuten
Fazit:
Mit dem 2024 erscheinenden Album „Don't Push This Button!“ beschreitet Sven Friedrich neue Wege. Von nun an veröffentlicht „Solar Fake“ auf seinem eigenen Label Pointless Music. Das Hauptalbum enthält zehn neue Songs, die nicht nur das Fan-Herz höherschlagen lassen. Heftige Beats paaren sich mit großen Melodien, es gibt wenig stille Momente und stilistisch bleibt sich Sven treu, ohne jedoch auf neue Einflüsse zu verzichten. Die Texte sind von gewohnter Schärfe und bilden zusammen mit der Musik einen neuen Höhepunkt im Schaffen des Berliners. Sieben der Songs hat Friedrich unter dem Beinamen „Amplified“ in ein Indie-Rock-Gewand gekleidet und zusammen mit seinen Mitmusikern André Feller und Jens Halbauer eingespielt. Zusätzlich kommen noch drei weitere Songs in diesem Stil dazu. Und wie auch bei den letzten Alben, gibt es in der limitierten Fanbox noch eine weitere CD („Silenced“) mit sieben Piano-Versionen der Albumtracks. Hier vertraut Sven auf bewährte Mittel und konnte wie schon in der Vergangenheit den befreundeten Pianisten Dirk Riegner (u.a. Peter Heppner Band, „Schattenherz“) für Arrangements und Piano-Recordings gewinnen. Mit dem neuen Album "Don't Push This Button!“ beschreitet Sven Friedrich neue Wege. Zum Titel des Albums sagt Sven: „Es ist eine Anspielung auf das typisch menschliche Verhalten, etwas zu tun, von dem man weiß, dass man es nicht tun soll. Es kann sogar groß dran stehen, man tut es trotzdem. Das sieht man in vielen Bereichen unseres Lebens und es zerstört wahnsinnig viel…“. Am 24.05.2024 kommt „Don't Push This Button!“ in drei physischen verschiedenen Versionen erstmals über das eigene Label Pointless Music in den Handel: Neben dem Stream und digitalen Download ist die aktuelle Veröffentlichung auch als 2-CD im Digipak und 2-LP aus recyceltem, farbigem Vinyl inklusive Download-Code aller Songs erhältlich. Das Highlight für alle treuen Fans dürfte aber wohl die limitierte Box sein, welche neben dem Doppelalbum im Digipak exklusiv die Bonus-CD "Silenced", eine handsignierte Autogrammkarte, einen Bio-Samenbeutel „Bienenwiese: Unf*ck your world“, einen Logo-Pin und einem Festival-Bag in einer 10"-Stülpdeckelschachtel enthält.
Dunkel gestimmte Synthies flackern auf und vermischen sich zu zurückhaltend wummerndem Bass mit gespenstisch-eindringlichen Tupfern für den Opener „Hurts So Bad“. Schon bald bricht die future-poppige Note nach bester „Solar Fake“-Manier hindurch, erhöht den Pegel mit sanftem Nachdruck und lenkt ins Mid-Tempo, sodass die Grundstimmung schon sehr bald in klassisch tanzbare Gefilde übergeht. Dabei ist der angenehme, nicht zu stark kreiselnde Synthie-Sound auch in den etwas zurückhaltenderen Strophen sehr präsent, welche der samtschwarzen Stimme von Sven Friedrich viel Platz einräumen, die hier geradezu eine anschmiegsame Symbiose mit der Musik einzugehen scheint. So, wie danach auch der extrem catchy und von hell klimpernden, melancholischen Piano-Salven benetzte Refrain beweist, der schon in den ersten Minuten praktisch alles bietet, was der geneigte Fan sich von der beliebten Band so wünscht. Ein pluckernder Minimal-Beat und analog fiepende Sounds sind danach das Rezept für das zynische „Not So Important“, das sich zumindest in musikalischer Hinsicht als relativ unaufgeregt und beinahe schon zurückgenommen im ebenfalls mittleren Tempo-Segment angesiedelt zeigt. Lyrisch sollte man, wie so oft bei „Solar Fake“, allerdings ganz genau hinhören, täuscht die gefällig-eingängige Ummantelung teilweise doch arg über die eigentlichen Inhalte hinweg, welche den Finger gerne wie beiläufig so treffsicher wie gleichermaßen ironisierend in die klaffenden Wunden zwischenmenschlicher Kluften legen. Erst der wirklich schöne und berührend bittersüß ausgestaltete Refrain, der musikalisch quasi im Alleingang schon ganz viel der beabsichtigten Emotion und entrückten Verzweiflung mühelos transportiert, gibt dann mit deutlich klareren Worten mehr Aufschluss. In den ersten Sekunden von „Disagree“ legt sich anfangs ein knisternder Sound-Filter über die voller Retro-Charme leicht schief leiernde Melodie, welcher hier quasi stellvertretend für den nostalgisch wärmenden Charakter der poppigen Ballade steht - 80‘s pur! Die wirklich schönen Harmonien und der positiv aufgeladene, hüpfende Rhythmus bieten somit die ideale Basis für den ruhigen, doch stets kraftvollen Gesang von Friedrich, der hier immer wieder von kleinen Echo-Effekten angereichert wird. Dazwischen klingeln und flirren die hellen Synthies, sodass die heimelige Melancholie nur so aus jeder einzelnen Pore dringt, ohne dabei jemals zu überladen oder gar schmalzig auf das homogene Gesamtbild einzuwirken. Ein ausgeschriebenes Highlight ist danach die erste Vorab-Single „This Generation Ends“, die wohl nicht besser hätte gewählt werden können: Die extrem eingängige und unglaublich energiegeladen flackernde Melodie fräst sich geradezu ab der ersten Sekunde tief in den Gehörgang und will anschließend einfach nicht mehr aus diesem verschwinden - Future Pop at it‘s finest! Spätestens mit dem Einsetzen des ungemein treibenden Power-Beats gibt es definitiv kein Zurück mehr und alle Zeichen stehen maximal auf Dancefloor. Die knackigen, sphärisch knisternden Strophen werden perfekt intoniert und sind nicht zu lang gehalten, als das sie den straight fokussierten Club-Flow in irgendeiner Weise untergraben könnten. Bei diesem wilden Ritt stimmt einfach alles! Der Track packt den Hörer von Anfang an absolut stilsicher und lässt ihn nicht mehr los. Das alles wird nur noch vom ganz fantastischen Refrain gekrönt, dessen wunderbare Melodiösität dem Rest das i-Tüpfelchen aufsetzt und den Song damit nicht nur zu einer mehr als würdigen Auskopplung macht, sondern diesen gleich zu einer der besten „Solar Fake“-Singles der letzten Jahre überhaupt erhebt - Top! Mit „You Keep Breathing“ dürfen sich die zuletzt so aufgeheizten Gemüter im Anschluss wieder beruhigen, bewegt sich die melancholisch-warme Melodie doch durchweg im gediegenen Tempo und kommt ohne Ausbrüche oder Überraschungen aus. Dabei erinnert der introvertierte, nachdenkliche Pop stimmungstechnisch stellenweise ein wenig an viele Songs des 2015 veröffentlichten Albums „Greyscale“ von „Camouflage“. Absolut solide und gewohnt qualitativ, aber dennoch eines der eher schwächeren Lieder in der Tracklist.
„Nothing‘s Wrong“ schlägt hingegen sofort eine gänzlich differenzierte Tonalität an: Der tief bollernde Bass pocht durchdringend, dunkle Synthies knurren unheilvoll und werden nur wenig später mit grell schillernden Future-Pop-Beats gemixt. Auch die mit verfremdeter Stimme vorgetragenen Strophen nehmen da keinerlei Tempo heraus und treiben die Nummer stattdessen mit ihrer rastlosen Rhythmik immer weiter an. Der einmal mehr extrem eingängige Chorus besticht mit technoiden Elementen und viel Dynamik, sodass auch hier für die Tanzflächen-Futter gesorgt sein dürfte. Die resignierte Halb-Ballade „It‘s Never Been You“ entschleunigt anschließend abermals um ein Vielfaches. Dabei wird der zunächst noch relativ reduzierte musikalische Unterbau mit fortschreitender Spieldauer immer mehr um zusätzliche Details angereichert und erlebt dann zum Refrain hin gar einen enorm konterkarierenden Sound-Einschnitt, wenn unter all der Enttäuschung des lyrischen Ichs plötzlich alles dröhnt und bebt. Der interessante Aufbau und die wirklich abwechslungsreiche Struktur holen hier so einiges raus und entkernen vom Standard - Sehr schön! Bevor sich der geneigte Hörer jedoch allzu sehr in Sicherheit wiegt, schreitet „I Won‘t Let You Go“ und macht jetzt nochmal so richtig Dampf! Zu wild zuckenden Industrial-Beats und mächtig viel kernigem Bass macht sich Friedrich in stark verzerrten Vocals hier seiner rasenden Frustration gehörig Luft, wovor dann auch der mitreißende Refrain keineswegs Halt macht, wenngleich dieser aufgrund seiner betonten Eingängigkeit eine Spur weniger wütend daherkommt. Die verzerrten Saiten einer E-Gitarre geben den Auftakt zu „No Good Time“ und halten sich neben der behände pluckernden Mid-Tempo-Melodie auch weiterhin im ausgewogenen Sound-Bild, welches ansonsten jedoch keine weiteren wirklich nennenswerte Elemente aufweist und sich stattdessen mehr oder minder überraschungsarm in diesem Muster fortsetzt. Verloren fiepende Synthies und eine leicht düstere Ausrichtung zeichnen „Lost“, den zehnten und damit letzten Song des Albums, aus. Nur verholen gebrochen von einem future-poppigen Anstrich in den Zwischentönen, fokussiert die relativ ruhige Nummer vornehmlich stark auf Gesang und Lyrics. Erst der kraftvoll intonierte, energetisch wummernde Refrain bricht sodann aufbegehrend aus und verleiht dem darin gipfelnden Klimax eine herrlich kraftvolle Nuance, die ordentlich Eindruck hinterlässt und selbst nach dem letzten Ton durchaus noch nachwirkt… „Solar Fake“ bleiben auch unter eigenem Label-Banner ganz sie selbst und das hört man auch zu jeder Zeit! Mit der lange schon bewährten Mischung aus nachdenklichen, kritischen und gefühligen Lyrics, emotionalen Zwischentönen, melancholischem Pop, großen Melodien und nicht zuletzt auch fetten Beats geht Sven Friedrich auch auf seinem siebten Studioalbum den bereits eingeschlagenen Weg der erfolgreichen Vorgänger hörbar stilsicher weiter und knüpft damit an typische Trademark-Stärken des etablierten Projekts an. Echte Neuerungen oder frische Impulse finden sich hier höchstens im Detail, doch das dürfte die Fans mit Sicherheit kaum bis gar nicht stören, die im ausgewogenen Hit-Mix von „Don‘t Push This Button“ nämlich praktisch alles bekommen, was sie sich von „Solar Fake“ wünschen. So liefert Sven Friedrich also auch 2024 wieder einmal Electro-Pop für die Szene vom Feinsten ab, der in manchen Momenten zugegeben etwas routiniert wirkt, qualitativ aber wie immer über jeden Zweifel erhaben ist. Diesen Knopf drückt man trotz deutlichem Warnhinweis nur allzu gerne. Also dann: Repeat!
Informationen:
https://solarfake.de
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