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BEITRÄGE:

Priest - Stahlmann - Stoneman (2024)

  • Autorenbild: Christoph Lorenz
    Christoph Lorenz
  • 28. Sept. 2024
  • 22 Min. Lesezeit



Priest - Dark Pulse (2024)

 

Genre: Electro / Alternative

 

Release: 31.05.2024

  

Label: Blue Nine Records

 

Spielzeit: 35 Minuten


Fazit:

Die schwedischen Synthie-Zauberer „Priest“ (Ex-„Ghost“) sind mit ihrem brandneuen Album „Dark Pulse“ zurück! Stark inspiriert von Cyberpunk und Gothic-Kultur, taucht es in das dunkle und verführerische Nachtleben ein, das speziell in Berlin zu finden ist. „Dark Pulse“ beschäftigt sich inhaltlich etwa mit Alkoholsucht, Narzissmus, verbotener Liebe und mehr in Verbindung mit einem längst vergangenen, extravaganten Lebensstil, der einen einfach nicht mehr loslassen will, sowie mit Themen wie Dystopie oder der Symbiose aus Mensch und Maschine. Macht euch bereit für eine raue, elektronische Platte mit giftigen Wurzeln, die in den fiebrigen Wahnsinn und wieder zurück katapultiert! Am 31.05.2024 kommt „Dark Pulse“ via Blue Nine Records als Stream, Download, Digipak, LP in Schwarz, Red Splatter oder Glow-in-the-Dark-Optik sowie als streng auf einhundertfünfzig Einheiten limitiertes Fan-Bundle inklusive dunkelroter Vinyl, Logo-Pin und T-Shirt über den bandeigenen Web-Shop in den Handel.

Mittlerweile dürfte der äußerst medienwirksame Bruch zwischen der global erfolgreichen Rock-Band „Ghost“ bzw. deren Mastermind Tobias Forge und einigen ehemaligen Masken-Musikern, den sogenannten „Nameless Ghouls“, allen annähernd Interessierten bekannt sein, weswegen ich für mehr Details gerne auf vorherige Rezension oder Recherche im Netz verweise. Nur so viel: Nach dem persönlichen und juristischen Split wagte man einen Neuanfang in einem gänzlich anderen Genre und so entstand mit dem im Herbst 2018 veröffentlichten „New Flesh“ und einem hochkarätigen Produzententeam aus Alpha und Air im Hintergrund ein vielversprechendes Debüt, mit welchem man schnell von sich Reden machen konnte. Als charakteristische Relikte vergangener Zeiten wurden dabei sowohl die geheimnisvolle Aura und mysteriöse Anonymität der jeweiligen Mitglieder als auch die Verwendung okkulter Symboliken beibehalten. Doch auch „Priest“ sollten leider nicht vor unaufhaltsamen Unstimmigkeiten verschont bleiben und so gab man kurz vor dem im März 2019 stattfindenden e-Tropolis-Festival Oberhausen bekannt, dass der bisherige Sänger, Tom Åsberg, aufgrund nicht näher ausgeführter Differenzen ausgestiegen sei. Aufgrund dessen kam es zu internen Besetzungswechseln, die anfangs für so einige Furore im erschütterten Fan-Lager sorgten, doch sich glücklicherweise mit der Zeit wieder etwas legen konnten. Nach dem fast schon beiläufig erfolgten Release der noch unter dem ursprünglichen Line-Up aufgenommenen EP „Obey“, herrschte dann erst einmal gnadenlose Stille, bis schließlich die Arbeiten am mit viel Spannung erwarteten Zweitwerk bekanntgegeben wurden. Parallel zur neuen Inkarnation des abermals unbekannten Sängers, Mercury 2.0, welcher das selbsternannte „Tria Prima“ aus Schweden seitdem tatkräftig am Mikrofon unterstützt, erfolgte mit dem futuristisch-poppigen „Cyberhead“ in 2020 schließlich eine neue Ära mitsamt einem zum Vorgänger sehr differenzierten Stil, der sich sowohl optisch als auch musikalisch zeigen sollte. Erwartete die gespannte Hörerschaft hier doch weitestgehend viel Catchyness und cheesy Future-Pop im nostalgisch behafteten Achtziger-Style, so ging es 2022 auf „Body Machine“ wieder in eine eher ursprünglichere Richtung, wie schon die vorab veröffentlichte Single „A Signal In The Noise“ zu beweisen wusste… Bereits zwei Jahre später gibt es mit dem nunmehr vierten Langspieler namens „Dark Pulse“ musikalischen Nachschlag und das trotz beinahe dauerhaftem Touren und zahllosen Live-Gigs rund um den Globus! Ein beachtliches und fast unglaublich produktives Pensum, welches am Ende natürlich die Frage nach der eigentlichen Güte schuldig bleibt. Quantität vor Qualität? Mitnichten. Doch von vorne: Wie schon „Body Machine“ startet auch der aktuelle Ableger quasi mit einem alten Bekannten, nämlich mit dem vorab digital veröffentlichten Vorgeschmack „Burning Love“. Zugegeben, eine logische und ziemlich überlegt getroffene Wahl, fängt der Song in seiner Gesamtheit den Spirit des neuen Albums doch wirklich ganz hervorragend ein und schlägt zudem parallel eine Brücke zwischen Alt zu Neu, verknüpft also durch die Verwendung bekannter Elemente die vorherige mit der aktuellen Ära. Was man hier hört, klingt demnach bekannt, doch nicht etwa ausgetreten, uninspiriert oder gar faul kopiert. Eher logisch weiterentwickelt. Zuckend flimmernde Synths, detaillierte Effekte und ein clubtauglicher Minimal-Beat setzen mit ihrer düsteren Underground-Dancefloor-Attitüde genau die richtigen Akzente, während Mercury den Rezipienten mit seiner süßlich-hohen Stimme in den mystischen Strophen zielsicher zu verführen scheint und diesen fortan zur Hingabe mit vollem Körpereinsatz bewegt. Der Beat treibt derweil hypnotisch weiter an, der knappe Refrain gleicht einem fordernden Mantra. Von irgendwoher heulen grelle Sirenen auf. Das alles mutet unwirklich an und doch - oder vielleicht gerade deswegen - kann man sich einfach nicht davon lösen. Gleiches gilt danach auch für das von einem dumpf pochenden Beat angeführten, finstere „Black Venom“, welches mit seinen listigen tänzelnden Synthies zeitweise leicht an „And One“ erinnert und irgendwie merkwürdig beunruhigend zu hören ist. Der lustvolle Refrain lässt die eindringlich-beengende Stimmung kurz aufklaren und flechtet charmanten 80‘s-Charakter in den sonst so düsteren Vibe ein, von dem es danach bei „Demon‘s Call“ gleich noch mehr zu hören gibt: Hier geben sich die Schweden klangtechnisch purer Nostalgie hin und setzen mit der angenehm knisternden Wärme des analogen Retro-Sounds einen überdeutlichen Kontrast zu den beiden vorausgegangenen Stücken. Durchaus vertraut und im Stile eines „The Cross“ oder „Call My Name“ vom Debüt „New Flesh“ präsentieren sich hier die ruhigen Melodiebögen und wirklich schönen Harmonien zum leicht poppig-balladesk gehaltenen Grundtenor. Sehr solide und definitiv gekonnt, allerdings auch gewöhnlich und damit überraschend unspektakulär.

Ganz anders kommt da hingegen der bizarre „Dungeon Dance“ daher, welcher sich nahtlos in die Riege der ausgefalleneren Nummern des Trios einreiht und sich musikalisch gesehen wohl am ehesten auf „Perfect Body Machine“ verorten ließe. Zum stoisch pumpenden Beat und marschierender Rhythmik werden die lasziven Lyrics nun im schnellen Sprechgesang vorgetragen, dem in seiner beschwörenden Intensität beinahe etwas Zeremonielles innewohnt. Nicht zuletzt aufgrund des Titels selbst, entstehen hier vor dem inneren Auge parallel überdeutliche Bilder von dreckigen Großstadt-Partynächten, SM-Clubs und gelebtem Hedonismus. KitKat, anyone? Auch das sich anschließende „Golden Gate“, das frappierende Ähnlichkeit mit „Ghost Writer“ aufweist, und das überdrehte „Just A Game“ könnten genauso gut vom Vorgängerwerk stammen. Die beiden Tracks lassen sich am ehesten als überambitioniert beschreiben und scheinen nicht ganz zu wissen, wohin sie genau möchten. Damit verlieren sich die eigentlich guten Ansätze in einem anstrengenden und viel zu überladenen Sound-Brei, der trotz ekstatischer Energie zügig an Wirkung einbüßt, weil hier scheinbar einfach zu viel gewollt wurde, was jedoch in schierer Reizüberflutung mündet. Ein vermeidbares Problem, an dem bereits einige Stücke auf „Body Machine“ krankten. „Your Devil“ wandelt anschließend erneut auf Achtziger-Pfaden, gibt sich sehr aufgeräumt und clean. Auch, weil Mercury seine natürliche Stimme hier gekonnt und völlig frei von jeglichen Effekten einsetzt, was zunächst durchaus gewöhnungsbedürftig ist, dem befreiten Style des Songs aber zugute kommt. Nicht minder klassisch, wenn auch weitaus weniger süßlich, tönt daraufhin das fiese „Enter Your Body“, dessen Symbiose aus minimalistischer EBM-Ader und pointierten Samples sofort mächtig Laune macht, weil es trotz seiner Strenge genug verspielte Einschübe erlaubt und stets enorm tanzbar ist. Auf das ziemlich kurze und kaum erwähnenswerte „A Demonic Game“, das mehr einem Interludium gleichkommt, folgt das unterschwellig unheimliche „Chaos Reigns“. Hier scheint Mercurys Stimme in einigen Momenten im Zeitraffer gefangen zu sein, wodurch er besonders bedrohlich und dämonisch wirkt, worüber auch der verdächtig optimistisch Sound dieser synthpoppigenq Halb-Ballade kaum hinwegtrügen kann… Auch „Dark Pulse“ zeichnet sich durch den typischen „Priest“-Sound aus, den ihre Fans bereits auf den letzten drei Alben kennen- und liebengelernt haben. Will heißen: Hier wartet eine dichte, sinistre und verführerisch-anziehende Atmosphäre im catchy Electro- und Synthie-Pop-Gewand auf seine gespannten Hörer, welche manchmal täuschend verspielt und geradezu lieblich daherkommt, nur um im nächsten Moment wieder rough und dunkel, doch immer eingängig und vor allem extrem tanzbar, zuzuschlagen. Das alles unter dem gewohnt hochkarätigen Produktionsgütesiegel durch Simon Söderberg. So nimmt das Trio nach dem weitestgehend schwelgerisch-ruhigen, handzahmen Retro-Futurismus-Ausflug „Cyberhead“ mit „Dark Pulse“ stilistisch den Faden des direkten und leider etwas überladenen Vorgängers „Body Machine“, zuweilen sogar den des Debüts, auf, die beide in eine weitaus düstere Richtung zielten. Auch Sänger Mercury wird dabei erneut eine nicht unwichtige Rolle zuteil, welcher sich in den aktuellen Songs jedoch endlich mutiger zeigen und mit weitaus mehr stimmlichen Facetten brillieren darf. Ja, dem stacheligen Maskenmann kommt es definitiv nur zugute, dass seine eigentlich so charakteristische und durchaus passende Stimme nicht mehr länger ausschließlich vom exzessiven Effekt-Hagel des letzten Longplayers überschattet wird, was definitiv eine gelungene Frischzellenkur darstellt, die das allgemeine Hörerlebnis doch deutlich verbessert. „Dark Pulse“ weiß über seine relativ knappe Spielzeit von weniger als vierzig Minuten durchweg gut zu unterhalten und beweist mit spürbaren Impulsen den steten Entdeckerdrang der Schweden in ihrem Sub-Genre, den Bruch mit scheinbaren Grenzen und nicht zuletzt die Anreicherung des eigenen Sounds um möglichst immer neue Facetten, die dem Gesamtbild sehr gut zu Gesicht stehen. Dabei bietet die Grundstimmung exakt das, was man von „Priest“ allgemein hin erwartet und entführt den Hörer mit zerrender Sogwirkung in einen fiebrigen (Alb-)Traum voll lockender Verheißungen, lasziver Sexyness, doppelbödigen Lyrics und tanzbaren Beats, über denen ein sonderbar teuflischer Vibe schwebt - Berliner Nachtleben halt und damit der perfekte Soundtrack für jede nächtliche Underground-Party!

Informationen:



https://www.facebook.com/priestofficial

 


Stahlmann - Phosphor (2024)

 

Genre: Rock / Alternative

 

Release: 09.08.2025

  

Label: Out Of Line (rough trade) 


Spielzeit: 41 Minuten


Fazit:

Phosphor, das Element, das so hell leuchten, so heiß brennen und vernichten kann - damit melden sich die Neue Deutsche Härte-Ikonen „Stahlmann“ nun zurück. Mit deutschen Texten, einem unverkennbaren Look und ihrem einzigartigen Mix aus Alternative Metal, Industrial, New Wave und Techno sticht die Band aus dem Rest der Masse heraus. Dunkel und episch läuten „Stahlmann“ mit „Phosphor“ eine neue Ära und das 15. „Stahlmann“-Jahr ein. „Phosphor“ erscheint am 09.08.2024 über Out Of Line Music als Stream, digitaler Download, CD im Jewelcase (ebenfalls als Bundle mit einem neuen T-Shirt im brandneuen Album-Design) und natürlich als streng auf dreihundert Einheiten limitierte Fan-Box, welche neben der CD auch ein handgeschriebenes und nummeriertes Zertifikat, einen Sticker, ein Schlüsselband, einen Schriftzug-Patch und ein hochwertiges Feuerzeug im gravierten „Stahlmann“-Design enthält.

Dunkel-düstere Electro-Salven werden abgefeuert und bohren sich anschließend tief und tiefer in die Gehörgänge. Im Hintergrund wabern derweil atmosphärisch finstere Synthies, doch anstelle des erwarteten Ausbruchs gestaltet sich die bittersüße und durch dezente Piano-Tupfer getränkte Melodie von „LSM (Leid, Sex & Macht)“ zwar unterschwellig brodelnd, doch zugleich auch seltsam beruhigend. Erst danach setzen Schlagzeug und E-Gitarre dann volles Rohr ein. In den Strophen, die Mastermind Martin „Mart“ Soer flüsternd haucht, zirkulieren grell zuckende Industrial-Klänge. Die Lyrics bleiben gewohnt wage und werfen spätestens im stoischen Refrain, welcher leider sowohl musikalisch als auch gesanglich die nötige Kraft vermissen lässt, mit typischen NDH-Schlagworten aus dem Baukasten um sich. Es geht mehr oder minder offensiv getextet um das, was der kryptische Titel verspricht… Grundsolide Kost und ob des gelungenen Einstiegs zugleich schade, wie wenig sich der Opener in den übrigen Minuten zutraut. Selbiges könnte man ebenfalls vom gleichförmigen Titeltrack „Phosphor“ behaupten, der sofort an den gleichnamigen Song vom Album „Antikörper“ der der Münchner „Eisbrecher“ denken lässt. Charmant aber, dass man sich nach den zwei Ausnahmen „Bastard“ und „Kinder Der Sehnsucht“ hier in alter Tradition wieder für ein Element als Headline entschieden hat. Angespanntes Drumming, ein tiefer Bass, zornige Riffs und stechende Electro-Beats formen direkt einen wütenden Up-Tempo in klassischer Manier. Die Strophen werden immerzu von der sägenden Gitarre unterbrochen, der verblüffend uninspirierte Chorus fällt daraufhin knapp aus, indem einzig der Titel mehrmals in Folge als Schlachtruf herhalten muss. Inhaltlich geht es natürlich um die Schönheit und Gefahren des Feuers, das hell brennt und Wärme spendet, zugleich jedoch auch alles zerstören kann. Das vorab als eine von insgesamt drei Singles auserkorene „Interstellar“ entpuppt sich als lupenreine Power-Ballade. Zart säuselnde, mystisch fiepende Electro-Sequenzen verbreiten in den Strophen sphärische Stimmung, ansonsten nimmt sich die Instrumentierung bis auf Weiteres zurück und lässt so volle Konzentration auf den Text zu, der anschauliche Bilder von Melancholie und Emotion vor Raumfahrt-Thematik zeichnet. Der Refrain besitzt die typisch melodiöse Hymnenhaftigkeit, die man von den ruhigeren „Stahlmann“-Nummern bereits gewohnt ist und macht seinen Job gut, bleibt aber leider dennoch hinter bisherigen Highlights wie „Wenn Der Regen Kommt“ oder „Nichts Spricht Wahre Liebe Frei“ zurück. Der Tod kommt… „Heimlich“ ist alles andere als das und offenbart schon nach wenigen Sekunden ein metallisch rockendes Bollwerk, das schwer schleppend aus den Boxen walzt. Die so geheimnisvoll wie gleichermaßen bedrohlich pulsierende Elektronik, die den Gesang in den Strophen dezent rahmt, gefällt gut, dafür fällt der Hauptteil in all seiner tristen Berechenbarkeit umso mehr ab und erinnert damit an viele ähnlich arrangierte Lieder à la „Sadist“, „Alptraum“ oder „Tobsucht“. Um einiges eindrucksvoller kommt wiederum das sehr getragene „Asche Zu Asche“ daher, das bereits die Live-Shows in diesem Jahr eröffnete. „Eine bitterböse und verzweifelte Abrechnung mit dem enttäuschten Glauben. Der Moment, in dem du allem abschwörst… Das Bewusstsein, das wir trotz allen Glaubens, Betens und Hoffend nie verstehen werden, warum die Götter uns so führen, wie sie es tun.“, so Martin Soer zum Hintergrund. Klagende Streicher und hymnische Blechbläser sorgen in der Lead-Melodie für das exakt richtige Quäntchen an symphonischer Dramaturgie, ohne in kompletten Pathos abzudriften. Derweil unterstützen pluckernde Keyboard-Flächen den Gesang in den introvertierten Strophen, welche, wie die meisten Stücke, abermals nicht ohne die üblichen Phrasen und bildhaften Vergleiche aus dem NDH-Katalog auskommen. Nichtsdestotrotz sind „Stahlmann“ in Momenten wie diesen wohl am überzeugendsten, wenn sie in musikalischer Hinsicht nicht vollends das übliche 08/15-Repertoire herunterbeten, sondern sich stattdessen dazu entscheiden, etwas mutiger zu agieren… Auch wenn das manchmal bedeutet, die betont dunkle Maskerade zurückzustellen. Zu früh gefreut? Denn der erste Vorbote, welcher als Bonus zudem noch im sogenannten „Blue May Rose“-Remix vorliegt, stürzt sich dann direkt wieder dem gotischen Einmaleins entgegen, macht dabei aber zumindest ein gutes Stück weit mehr Laune als die bisher doch eher schwerfällige erste Hälfte: Ein stoisch flackernder Electro-Beat mit scharfkantigen Industrial-Spitzen und kreiselnde E-Gitarren erschaffen bei dieser Hymne auf die grazile Anmut der Damen innerhalb der schwarzen Szene leichte Dark-Wave-Vibes.

Wie auch schon beim Tracklist-Opener pendelt man hier beständig zwischen elektronisch unterkühlter Stimmung und energiegeladen rockigen Passagen, die zuweilen an „Tanzmaschine“ oder „Süchtig“ erinnern, ohne jedoch deren kickenden Drive zu erreichen. Bei der lüstern gehauchten Intonation ist die Rede von eiskalten Maschinen und bohrenden Blicken, als Gleichnis für scheinbare Unnahbarkeit und Perfektion. Von einheitlicher Bewegung und unaufhörlichem Tanz im Rhythmus. Wie die titelgebende „Luxusuniform“, welche ungelenk als bildhaftes Symbol für augenscheinliche Strenge und Distanz sowie Stil und Hedonismus fungieren soll, muten diverse Zeilen so an, als hätte man sich krampfhaft daran versucht, auf Biegen und Brechen kreative Wortneuschöpfungen und mystische Düster-Poesie irgendwo zwischen Gothic-Chic, verruchtem Sexappeal und Fetisch aus der deutschen Sprache herauszuquetschen… Und das, indem man möglichst viele plakative Finster-Vokabeln aus dem offensichtlich schon lange erschöpften Text-Baukasten aneinanderreiht, was am Ende leider nur abgedroschen und unfreiwillig komisch ist. Das melancholische „Meine See“ schlägt anschließend wieder etwas ruhigere Töne an, wenngleich die Gitarre jetzt weitaus präsenter ist und der schwelgerischen Halb-Ballade damit eine raue, geerdete Note verleiht. „Ein Liebeslied an die nie enden wollenden Wogen des Meeres, an die es mich immer wieder zieht. Es ist immer bei mir, tief im Herzen… Es tröstet und spendet Hoffnung. Es schafft einen Moment der Ruhe im Leben. Diesen kurzen Moment ohne Schmerz, der mich überleben lässt.“, erklärt Soer seine Inspiration. Der musikalische Aspekt dieser Ode an das Fernweh weiß zwar nicht zu überraschen, denn nichts sticht wirklich heraus, aber doch annehmbar zu unterhalten. Eine solide Nummer - Nett! „Jeder Schnitt“ geht danach wieder deutlich mehr nach vorne, wenn ein cleanes Power-Riff, welches für die bedrückende Thematik um unterdrückten Schmerz und Selbstverletzung als Ventil für innere Wunden fast schon zu optimistisch klingt, den Song in nur wenigen Sekunden in rockige Up-Tempo-Gefilde katapultiert. Fernab davon weiß das Gitarrenspiel hier und in den durch synthetische Chöre ausgefüllten Strophen durchaus zu gefallen, auch der Refrain geht schnell ins Ohr und entwickelt Ohrwurm-Charakter. Zwar gab es mit „Die Klinge“ von „CO2“ aus dem Jahr 2015 in der Vergangenheit schon einmal eine ganz ähnliche Thematik, trotz dessen liegt hiermit eines der stärkeren Lieder des aktuellen Albums vor. Das balladeske „Am Firmament (1000 Stimmen Part II)“ lässt allein durch seinen Titel oder viel mehr den kleinen Zusatz aufhorchen: Part 2? Richtig gelesen, denn der erste Teil und damit das passende Gegenstück namens „1000 Stimmen“ entstammt zwar nicht direkt dem „Stahlmann“-Kosmos, wohl aber dem Repertoire des Nebenprojekts „Sündenklang“, welches seit 2014 immerhin zwei gelungene Alben hervorgebracht hat. Um zum Jubiläum eine kleine Brücke zwischen den beiden Bands zu schlagen, knüpft das Pendant zu Part 1, in welchem Gott als lyrisches Ich auf die zahllosen Hilferufe der Erdenbewoher reagiert, nicht nur inhaltlich an eben jenes an, wenn dieses Mal kehrseitig aus der Perspektive eines flehenden Bittstellers erzählt wird, sondern auch musikalisch: Wie auch bei einem Großteil des bisherigen „Sündenklang“-Outputs wurden die Gitarren bei dieser einfühlsamen Ballade weitestgehend zurückgestellt. Dafür ist der Großteil hauptsächlich elektronisch arrangiert worden, was der eindringlichen Atmosphäre dieses verzweifelten Hilferufs sehr gut zu Gesicht steht, wird der Text so doch deutlicher ins Zentrum gerückt. Auch die wirklich schöne, von einem zarten Klavier bestimmte Melodie samt des emotionalen Refrains weiß zu gefallen. Zwar eine eher untypische „Stahlmann“-Nummer, dafür aber ein umso besserer, inoffizieller „Sündenklang“-Song - In Zukunft also wieder gerne mehr davon! Mit dem roh prügelnden „Mordlust“ gibt es anschließend wieder ungeschliffene NDH-Kost zwischen bedrohlichem Flüstern in den elektronisch zuckenden Strophen und stoisch walzenden Muster-Riffs im Refrain, die gerade anfangs frappierend an „Wollt Ihr Das Bett In Flammen Sehen?“ des großen „R“ in dezenter Variation erinnern. Hier gilt ebenso wie für das berechenbare Schlusslicht „Schlaf Ein“: Solide und ganz nett, doch mindestens ebenso schmuck- und einfallslos!

Ach ja, die stählernen Herren aus Göttingen und das NDH-Problem… Auch auf die Gefahr hin, dass der ewig abgedroschene Vergleich mit den fest etablierten Institutionen des Genres allmählich schlaucht, müssen sich „Stahlmann“ diesen jedoch erneut gefallen lassen. Einerseits, weil das Wasser dieser Spielart hinsichtlich musikalischer Motive und lyrischer Thematiken mittlerweile endgültig abgegraben scheint, wie schon die letzten Veröffentlichungen großer Szene-Urgesteine wie „Eisbrecher“, „Oomph!“ und nicht zuletzt auch „Rammstein“ mehr oder weniger ernüchternd zeigten und andererseits, weil die Band um Martin Soer auch im fünfzehnten Jahr ihres Bestehens jenes Rad nicht nur nicht neu erfindet, was bei der vorherrschenden Marktsättigung durch die (mittlerweile ebenfalls schwächelnde) Konkurrenz auch nur schwer möglich erscheint, sondern sich weiterhin konsequent weigert, zumindest einen neuen Reifen aufzuziehen und diesen gegen die mittlerweile abgenutzten Gummireste einzutauschen. Es bleibt also einzig, es in diesem recht eng gesteckten Rahmen ganz besonders gut zu machen oder zumindest zu versuchen, sich mit kleinen Charakteristika vom Rest abzuheben. Sich quasi seine eigene Nische in der Nische zu schaffen. Das Kuriosum: In den Jahren 2010 bis 2013, also mit dem selbstbetitelten Debüt, dem Nachfolger „Quecksilber“ und dem bisherigen Karriere-Peak „Adamant“, gelang dies den silbernen Mannen ein ums andere Mal, wenngleich in vergleichsweise kleinem Stil. Wie? Mit guten Songs! Zwar wurde mit Liedern über die üblichen Themen-Kandidaten wie Liebe und Hass, Trennung, Lügen, Fall und Aufstieg, verführerische Weiblichkeit, Dominanz, Drogen, Depression, Selbstverletzung, Suizid und natürlich ganz viel Sex schon damals absolut nichts gesagt, was viele andere zuvor nicht ebenfalls schon gesagt hätten, doch stimmte dabei die Zusammensetzung: Klebten Tracks wie „Hass Mich… Lieb Mich“ und „Stahlwittchen“ vom Erstling in ihrer von betont harten Marschrhythmen, stoischen Gitarren und rauen Appell-Vocals bestimmten Richtung noch arg auffällig an den bekannten Vorbildern, so öffnete man sich beispielsweise mit „Engel Der Dunkelheit“, „Spring Nicht“, „Tanzmaschine“ und „Asche“, aber auch „Süchtig“, „Wenn Der Regen Kommt“, „Leuchtfeuer“ oder „Der Schmied“ weiteren artverwandten Szene-Einflüssen. Mit „Schwarz“ gelang den Göttingern sogar eine Club-Hymne für alle Nachtschwärmer! „Stahlmann“ machten also schon vor vierzehn Jahren nichts wirklich neu. Das, was sie machten, machten sie aber gut. Die grundsoliden Songs waren kompakt, knackig und auf den Punkt, wobei sich typischer NDH-Rock mit elektronisch behafteter Tanzbarkeit zu ohrwurmigen Melodien und eingängigen Refrains zusammenschloss. Etwas, was der Band seit einigen Jahren irgendwie weitestgehend verloren gegangen zu sein scheint… Ob diese signifikanten Qualitätsunterschiede im Songwriting vielleicht mit den zahlreichen Besetzungswechseln einhergehen? Man weiß es nicht. Nicht falsch verstehen: Die Musik auf „Phosphor“ hält in etwa den gewohnten Standard der letzten beiden Veröffentlichungen und ist beileibe nicht schlecht, ein Fast-Totalausfall wie weite Teile von „Kinder Der Sehnsucht“ steht demnach nicht zu befürchten. Nur ist eben auch keine Steigerung zu erkennen, von frischen Einflüssen mal ganz abgesehen. Stattdessen bedient man sich den üblichen Schemata vom Fließband: Es regieren Schlagzeug im stampfenden Viervierteltakt, schrille Keyboard-Sprengsel, vorhersehbare Riffs und knappe Appell-Refrains, in denen zumeist unkreativ einzig der jeweilige Titel wiederholend skandiert wird. Damit liefert „Phosphor“ großteilig formelhafte und damit uninspirierte Einheitsbrei-Monotonie ab, die es schon Dutzende Male zuvor besser gab. Dazu kommt eine relativ schlechte Abmischung, welche die einzelnen Instrumente so weit in den Vordergrund rückt, dass man den ohnehin schon schwer zu verstehenden und dabei nur wenig variablen Sprechgesang von Soer, der gesanglich die Power der Anfangsjahre scheinbar nahezu komplett verloren und gegen raunendes Nuscheln eingetaucht hat, noch weniger verstehen kann. Herausstechende Hits sucht man hier leider vergebens, wenngleich die beiden Singles „Interstellar“ und „Asche Zu Asche“ immerhin am ehesten hängen bleiben und das Album ab etwa der Hälfte ein paar weitere Lichtblicke offenbart. Dazwischen bleibt vor allem NDH-Pflichterfüllung nach Schema F und zu viel Durchschnitt, der schon kurz nach dem Hören wieder in Vergessenheit gerät. Der Contra-Seite wird jedoch zu wenig Eigenständigkeit oder gar Authentizität entgegengesetzt. Sicher, treue Freunde des Genres und eingeschworene Fans, die gar nicht mehr als das wollen, bekommen hier eine weitere sauber abgearbeitete Checkliste, die genau das bietet, was erwartet und gewünscht wird… Aber leider eben auch nicht mehr.

Informationen:



https://www.facebook.com/Stahlmann-138756019513864/

 


Stoneman - Neu! (2024)

 

Genre: Rock / Alternative

 

Release: 06.09.2024

  

Label: Massacre Records

 

Spielzeit: 35 Minuten


Fazit:


„Stoneman“, die großen Provokateure der Gothic- und NDH-Szene sind 2024 nach über sechs Jahren Musik-Pause mit einem neuen Studioalbum zurück! Während den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die düstere Truppe um Frontmann Mikki Chixx als fester Name etabliert. Mit mehreren Smash-Hits wie „Mord Ist Kunst“ und zahlreichen Auftritten bei Festivals wie dem Wacken Open Air, Eurorock, Wave-Gotik-Treffen oder Rock The Ring, haben sich „Stoneman“ aus dem Schattendasein des vorherrschenden Einheitsbreis katapultiert. Pünktlich zum 20-jährigen Bandjubiläum in 2024 melden sich „Stoneman“ nun mit dem Album „Neu!“ und Konzerten in Deutschland lautstark zurück! Durch neue Songs wie „Heimatdiebe“, „Korrekt“ und natürlich „Helene“ provozieren und polarisieren „Stoneman“ wie noch nie zuvor. Mal gehasst, mal geliebt, aber immer im bandtypischen Stil, mit tonnenweise Humor und Satire! Das Album wurde in der Schweiz, auf Mallorca und in Los Angeles produziert und gemischt. Auch dieses Mal wurde beim Songwriting erneut auf Steve van Velvet gesetzt, ebenso auf Dan Suter, der sich in der Schweiz um das Mastering des Albums gekümmert hat. „Neu!“ wird am 06.09.2024 via Massacre Records als Stream, Download, CD im Digipak, schwarze Vinyl und auf insgesamt dreihundert Einheiten limitierte Box-Version veröffentlicht. Diese enthält neben dem Digipak zudem eine Autogrammkarte, eine Beanie-Mütze mit Band-Logo sowie eine Sonnenbrille im dazugehörigen Stoffbeutel.

„Sascha hat ein Lied geschrieben. Glaubt, es wäre schön. Und was alle anderen denken, wirklich kein Problem. Und es geht so…“, raunt eingangs Sänger Mikki Chixx von einer disharmonischen, schief schrammelnden Gitarre begleitet. Er klingt teils bedrohlich, teils hämisch. „Hier ist meine Heimat, hier wurde ich geboren. Hier habe ich mein Herz das erste Mal verloren…“, wechselt er anschließend fließend zum cleanen, melodischen Gesang. Ein scharfer Kontrast, der für „Stoneman“ jedoch irgendwie typisch ist und die Dualität zwischen bissigem Sarkasmus und ernsten Untertönen gut transportiert. „…an ein schönes Mädchen. Eine so wie ich. Die dieselben Lieder singt und dieselbe Sprache spricht!“, säuselt Chixx schwülstig weiter, während süßlich Synthies dezent untermauern und tiefe Hörner gestoßen werden. Beinahe hat es etwas von peinlichem Schlager mit veraltetem Heimatfilm-Charakter, aber das als zweite Single ausgekoppelte „Heimatdiebe“ hat natürlich mehr zu bieten… Unter anderem einen doppelten Boden, den man nur zu leicht überhören kann, aber dabei keinesfalls ignorieren sollte. Einen verhohlenen Hinweis neben den bald rockenden E-Gitarren liefert die eingangs schon erwähnte Figur des Sascha. Mit Sicherheit nicht rein zufällig eine kleine Referenz an „Sascha, ein aufrechter Deutscher“ der Düsseldorfer Pop-Punker „Die Toten Hosen“. Ein kleines bisschen Horror-Show gibt es im Folgenden zwar ohne Alex dafür aber mit widerwärtigen Zeilen wie „Wurde in dieser Luft geboren… Und weil ich meine Heimat liebe, vertreibe ich die Heimatdiebe! Und dieses Grün, auf dem ich liege, hat keinen Platz für Heimatdiebe!“, die von übersteigertem Patriotismus mit dem Hang zur Selbstbräunung künden. Wer nun hofft, dass sich in der übrigen Tracklist noch mehr von diesen Spitzen finden, wird wohl leider enttäuscht werden, denn deren Löwenanteil geht weitaus weniger subtil vor. So beispielsweise auch „Korrekt“, der hinsichtlich des Niveaus die Marschrichtung für viele weitere Songs des neuen Albums der Steinmänner vorgibt. Damit ist nicht einmal unbedingt die Musik selbst gemeint, die zwar alles andere als innovativ, dafür aber durchgehend eingängig und launig ist. Nein, viel mehr die Texte, die versuchen, eine Balance aus schwarzem Humor und expliziten Inhalten zu gewährleisten, sich dabei aber nur allzu oft in enorm plumpen Macho-Oberflächlichkeiten gehüllt in vorhersehbare Reime ergehen. Ein kleines Beispiel gefällig? „Du bist so hässlich und du bist fett. Und wie man hört, auch noch schlecht im Bett!“, „Verlässt die Wohnung nur in der Nacht, damit dich keiner sehen kann und lacht“ oder auch „…weil dir Bewegung den Atem nimmt und dich nach drei Sekunden schon zum Keuchen bringt“. Mehr? „Schon deine Mutter hat dich vor der Welt versteckt und meiner Meinung nach war das korrekt!“, heißt es in der kurzen Bridge bis der Refrain kommt: „Mеine Kritik ist nicht versteckt, sie ist brutal und sehr direkt… Aber auch eben korrekt! Du bist nicht schön und du bist fett. Ja, das zu sagen ist nicht nett… Aber auch eben korrekt!“… Puh! Es ist schon während des ersten Hörens überdeutlich, dass manche Worte hier nur ungelenk in den Text verbaut worden sind, um die Reime aus dem Super-Billig-Sparangebot in Kombination mit dem pubertären Schuljungen-Humor aus dem Ärmel schütteln zu können. Und diese existieren einzig zum Selbstzweck. Man will unbedingt möglichst schnell anecken, es soll geschmacklos sein. Einen tieferen Sinn sucht man sowohl hier als auch bei „Helene“ vergebens. Diese Nummer fängt mit ihren süßlichen Klavier-Tupfern und betont schleimigen Zeilen á la „So wie jeden Samstag treffen wir uns im Hotel. Ich habe neuen Lippenstift für dich und den Roederer bestellt. Und wir hören deine Lieder, du in deinem Minikleid. Ich gehöre dir alleine bis in alle Ewigkeit…“ wie eine unglaublich schmalzige Ballade über an, nur um dann im Chorus wieder mit dieser, nennen wir es ruhig mal „Erwartungshaltung“, wieder zu brechen . Wie? Indem man die Titelfigur, deren Name übrigens nicht von ungefähr an eine sehr bekannte Schlagersängerin erinnert, auf „…ich komme hart, wenn ich dich nehme!“ reimt. Der Track über die heimliche, verboten-verruchte Liaison mit einer Berühmtheit strotzt nur so vor (bewusstem?) Fremdscham, sodass man spätestens aber der Hälfte gar nicht mehr weiß, ob man lachen oder weinen soll. Der wohl archetypischste „Stoneman“-Song ist zeitgleich auch einer der stärksten des gesamten Albums, nämlich die erste Single namens „Ferrari Pferd“. Diese legt auch sogleich mit einem knurrend pumpenden Electro-Beat, verqueren Chor-Samples und flirrenden Keyboard-Sounds vor, die trotz ihrer hohen Verspieltheit die düstere Grundstimmung gut einfangen und den bedrohlichen Gesang von Chixx wirksam betonen. „Bin ich der Obi-Wan unter den Guten oder lass’ ich gerne andere für mich bluten? Habe ich im Keller Wein oder eine Leiche? Sag mir, bestehle ich lieber Arme oder Reiche? Ging ich den harten langen Weg bis ganz nach oben oder habe ich alle anderen betrogen!?“, fragt er und pendelt beständig zwischen zwei Gesichtern. Der innere Kampf zwischen Saubermann und Monster entlarvt die schizophrenen Lügen der rücksichtslosen High Society, die ihren Reichtum nur zu gerne auf Betrug, Egomanie und nicht zuletzt dem Rücken anderer anhäuft. Der von animierenden „Hey! Hey!“-Zwischenrufen durchsetzte Refrain ist mit dem sich wiederholenden „Was keiner je von mir erfährt, erzähle ich nur dem Ferrari Pferd!“ zwar sehr kurz und überraschungsarm gehalten, dennoch geht die Nummer wirklich gut ins Ohr und macht Spaß.

Gleiches gilt für das zuletzt ausgekoppelte „Wahnsinn“, welches mitsamt kernigen Riffs und eleganten Streicher-Sounds ebenfalls einen klassisch bedarften Kurs beibehält. Kurze, eindringliche Keyboard-Sprengsel lenken den Fokus während der leicht gehetzt wirkenden Strophen hauptsächlich auf den kratzigen Sprechgesang, im Refrain kreisen dann wiederum die straight rockenden E-Gitarren und vereinen sich sodann harmonisch mit der Melodiösität von Chixx Stimme zum Ohrwurm-Refrain, der sich auch schnell als das klare Highlight dieses Songs herausstellt. „Zuckerwatte, Schokolade… Ich bin bereit für den nächsten Rausch…“. Ja, solcherlei Zeilen lassen keinen Zweifel daran zu, dass endlich wieder „Halloween“ ist! Doch ganz so düster, wie die unheimliche Klangkulisse aus tief knarzenden Beats und gespenstisch gepitchten Glockenschlägen einen anfangs noch glauben lassen möchte, geht es hier nicht zu. Zwar gelingt die sinistre Atmosphäre hier durch genannte Elemente recht gut, wenn das lyrische Ich in den lauernden Strophen auf der Sucht-Suche nach immer mehr Süßigkeiten umherschleicht, doch kann und will man sich einer gehörigen Dosis Klamauk nicht erwehren. Auch der Refrain regt mit seinen betont bösen „Hell-Hell, Halloween, Yeah!“-Rufen und augenzwinkernden Reimen wie „Schleckzeug ist meine Medizin, berauscht so schön wie Kokain. Zuckerwatte, Schokolade… Gib mir jetzt mein Dopamin!“ zum peinlich berührten Schmunzeln an. Wenn die Jagd nach den zuckrigen Leckereien und deren berauschende Wirkung mit Drogen gleichgesetzt wird, erinnert das inhaltlich unweigerlich an „Naschfuchs“ der nordischen Electro-Punk-Formation „Deichkind“. Alles in allem haftet der spaßigen Nummer, deren tieferen Sinn man lieber gar nicht erst suchen sollte, ein gewisser Trash-Faktor an. Ob man am Ende darüber lachen oder mit dem Kopf schütten sollte, muss jeder für sich entscheiden. Also: Hirn aus. Mund auf. Gummibärchen rein. Das lasziv-plumpe „Sex“ bemüht danach ein altgedientes und damit schon lange ausgelutschtes NDH-Thema, wenn in den von rhythmisch taktierenden Drums und knisternden Gitarren getriebenen Strophen von der lockenden Macht der Weiblich- und Körperlichkeit die Rede ist. Ein wenig Abhilfe schafft anschließend der Mid-Tempo-Rocker „Keine Zeit“, welcher sich unserem kranken Zeitgeist annimmt: Höher, schneller und weiter muss es gehen. Wir wollen immer mehr und wissen doch eigentlich nicht, was genau und wofür eigentlich. Unablässig gönnen wir uns keinerlei Atempause in der Tretmühle des grauen Alltags und rennen auf dem Weg ins Nichts suchend dem Ende entgegen. Niemals müde und niemals krank ignorieren wir, was wirklich von Belang ist, doch das Rädchen muss sich weiterdrehen. „Ich habe keine Zeit, um nach der Zeit zu fragen und leider nicht genug, um dir die Meinung zu sagen. Ich habe keine Zeit, dir in die Fresse zu schlagen… Ich hätte gerne mehr Zeit!“, heißt es da zynisch in den eher minimalistisch instrumentierten Strophen, die dennoch einen schönen Drive entwickeln und die kleinen Saitenhiebe passend stützen. Vor allem der catchy und von kleinen Breaks durchsetzte Chorus sticht hier einmal mehr besonders positiv hervor und strotzt unter technoiden Keyboard-Spielereien nur so vor lauter Ironie. Vor allem die so simple, wie auch treffende Passage „Eine Rolex, die mir zeigt: Ich habe keine Zeit!“ sollte nachdenklich machen. Definitiv einer der stärksten Songs, was man von „Puppentanz“ nicht unbedingt behaupten kann. Lyrisch gibt man sich etwas kryptisch und bedient mit der Marionetten-Thematik typische Genre-Klischees und auch musikalisch gibt es hier, wie auch beim metallisch bollernden Titeltrack „Neu!“, welcher Konsum-Wahn und Kaufrausch zum Ausgleich innerer Leere kritisch aufs Korn nimmt, keine Überraschungen, wenngleich das alles handwerklich wirklich solide gemacht ist. „Heute Nacht“ beschließt das Album dann als eine Art melancholische Power-Ballade mit viel Pop-Appeal und Eingängigkeit…

Sechs lange Jahre hat es nun gedauert, bis sich die Schweizer von „Stoneman“ endlich zurückmelden und natürlich stellt sich dabei die wortwörtliche Frage: Ist „Neu!“ wirklich immer besser? Was bereits nach wenigen Songs sofort auffällt, ist, dass das deutschsprachige Album Nummer Vier der steinernen Mannen sowohl textlich als auch musikalisch weitaus weniger düster und stringent als noch dessen Vorgänger „Geil Und Elektrisch“ daherkommt, dafür aber umso verspielter und abwechslungsreicher. Einige Songs, wie etwa „Heimatdiebe“, „Ferrari Pferd“, „Wahnsinn“ oder „Keine Zeit“, die klar zu den besten Stücken in der Tracklist gehören, erinnern stilistisch an das damalige Umbruch-Werk „Goldmarie“ aus 2014, mit dem man sich erstmals an ausschließlich deutschsprachigen Liedern versuchte und das im Kreise der Fans bis heute wohl am erfolgreichsten gilt. Handzahmere Anleihen, wie auf dem stellenweise leicht anbiedernd verpoppten 2016er „Steine“, finden sich bis auf „Heute Nacht“ hingegen keine. Der bloße Albumtitel lässt auf den ersten Eindruck vielleicht anderes vermuten, aber wirklich neu klingen die elf Tracks gar nicht… Und irgendwie doch. Natürlich bleibt die bewährte Mischung aus Elementen des Dark Rock und der NDH auch anno 2024 weiter bestehen, sodass hier niemand befürchten muss, plötzlich einen gänzlich differenzierten Stil vorgesetzt zu bekommen. Ganz im Gegenteil: Auf „Neu!“ gibt es praktisch nichts zu hören, was man bei „Stoneman“ oder im Genre allgemein nicht ebenfalls schon gehört hat. Da rocken Drums und etwas härtere E-Gitarren im Viervierteltakt gemeinsam mit elektronischen Keyboard-Sounds zumeist im Mid- oder Up-Tempo. Innerhalb der Strophen bedient sich Sänger Mikki Chixx wie gehabt den dunkleren Facetten seiner Stimme, raunt, keift und krächzt heiser, während er zum Refrain hin dann in cleane und melodiöse Passagen wechselt. Das alles zu bewusst provokanten Themen oder zumindest das, was man dafür hält. Diese sollen wohl, archetypisch für das neu-deutsch-harte Genre, satirisch und schwarzhumorig den Finger in die zahllosen Wunden unserer Gesellschaft legen. Um jedoch wirklich die schon zig Mal aufgezeigten Missstände anprangern zu können, sind die Lyrics oftmals leider viel zu plump und teilweise bemüht geschmacklos („Korrekt“) oder schrammen haarscharf an der Grenze zu Peinlichkeit und Fremdscham vorbei („Helene“). Mehr noch: Fern der Frage danach, warum manche Inhalte, die schlicht kaum Substanz haben, überhaupt zu besingen notwendig war, lassen „Stoneman“ ihre eigentliche Intention offen und den Hörer damit im Unklaren darüber, was die Kernaussage sein soll. Allerdings nicht auf die Art, die zum Reflektieren und Nachdenken anregt, denn da gibt es schlicht nichts. Dazu fehlt nämlich der feine Kniff, der doppelte Boden, welcher beispielsweise „Heimatdiebe“ innewohnt und durch subtil verstecke Details auf eine falsche Fährte locken kann. Wüsste man es also nicht besser, so könnte man sich bei vielen Nummern fragen, ob das jetzt teilweise selbstironisch oder einfach nur chauvinistisches Macho-Geprolle ist. Damit verkommt der beabsichtigte Schock-Effekt zum reinen Selbstzweck und ist einfach nur da, um da zu sein. Sicher, ein Großteil der NDH-Acts und so auch „Stoneman“ waren und sind noch nie für die tiefsinnigsten und besonders komplexe Texte bekannt gewesen, doch so viel kalkulierte Plattitüde haben die Schweizer eigentlich gar nicht nötig! Denn: Chixx und Co. zeigen sich im Vergleich zu ihren Genre-Kollegen weitaus weniger bierernst und bemüht böse. Viel mehr sitzt ihnen der Schalk im Nacken und sie sind sich nicht zu schade, auch mal albern zu sein, was wirklich wunderbar erfrischend ist. So ist genau diese unbeschwerte Leichtigkeit zugleich auch eine der größten Stärken von „Neu!“, wenngleich man aus oben genanntem Grund etwas über das Ziel hinausschießt. Wie üblich in diesem Segment, sind die relativ kompakt gehaltenen Lieder musikalisch zwar nicht gerade innovativ und hegen auch gar keinen Anspruch daran, doch klingen sie einfach gut, sind dabei wirklich catchy und haben oftmals ziemliches Ohrwurm-Potential. Ohne viel Schnörkel, ausgedehnte Soli oder andere Finessen konzentrieren sich „Stoneman“ in den je zwei- bis dreieinhalb Minuten Spieldauer auf das Wesentliche und versuchen sich gar nicht erst an Experimenten. Trotz der genannten Punkte langweilen die Songs absolut nicht und entwickeln insbesondere durch ihre Kürze und Knackigkeit einen wirklich schönen Flow, was durchaus viel Spaß macht, wenn man einfach mal den Kopf ausschaltet und sich darauf einlässt.

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