Mono Inc. - In Extremo - Unheilig (2020)
Mono Inc. - Melodies In Black (2020)
Genre: Rock / Alternative
Release: 27.11.2020
Label: NoCut (SPV)
Spielzeit: ca. 145 Minuten
Fazit:
Auf „Melodies In Black“ haben „Mono Inc.“ alle ihre Balladen auf einem Doppelalbum zusammengetragen und zum Teil sogar komplett neu aufgenommen. Zusätzlich enthält das Album einen brandneuen Song! „Melodies In Black“ entführt den Zuhörer auf eine romantische, musikalische Zeitreise durch die komplette Diskographie von „Mono Inc.“ und lädt dabei zum Träumen, Nachdenken, Genießen und zum „zur Ruhe kommen“ ein. Insgesamt 34 Titel haben es auf diese herzerwärmende Compilation geschafft, darunter sogar der bisher unveröffentlichte Song „Scared“, eine tiefgehende Klavierballade von Lyrik-Magier Martin Engler. Und nicht nur das, denn die Band hat darüber hinaus altbekannte und von den Fans liebgewonnene Klassiker wie „Life Hates You“ und „Just Because I Love You“ komplett neu aufgenommen. Auch der Publikums-Liebling „An Klaren Tagen“ wurde in der gefühlvollen Duett-Version mit Schlagzeugerin Katha Mia ganz neu im Studio aufgenommen, den das Quartett bei den drei exklusiven „The Raven Flies Again“-Konzerten im August 2020 gespielt hat. Mastermind Martin Engler leitete diesen besonderen Song mit den Worten „Wie viel Nähe braucht ein Mensch?“ ein und berichtete von Erna, die während der Corona-Pandemie in einem Altenheim an Einsamkeit starb. „Melodies In Black“ ist also nicht nur eine Balladen-Sammlung, sondern dürfte durch die neu arrangierten Songs, sowie den neuen Track die Herzen der Fans höherschlagen lassen. Neben dem Doppelalbum, das am 27.11.2020 über das hauseigene Label NoCut sowohl als digitaler Download als auch in einem hochwertigen Digipak erscheinen wird, gibt es auch dieses Mal wieder eine streng limitierte Fan-Box mit magnetischen Verschlüssen. Diese enthält neben einem großen Poster auch eine von allen Mitgliedern handsignierte Karte, einen aufwendig gearbeiteten Räucherstäbchenhalter inklusive zwanzig „Ravenheart“-Räucherstäbchen in einer „Mono Inc.“-Verpackung und ein gebundenes, zweiundsiebzig Seiten umfassendes Textbuch mit einem persönlichen Vorwort von Martin Engler und eigens von ihm verfassten Übersetzungen aller englischen Songs.
„Together Till The End“ - Gemeinsam bis ans Ende! So lautete der verheißungsvolle Titel des gleichnamigen Studioalbums aus 2017 und gleichzeitig auch das zusammenschweißende Leitmotiv der zugehörigen Tournee durch insgesamt dreizehn Städte, nach welcher das erfolgreiche Szene-Flaggschiff vorerst auf unbestimmte Zeit im hanseatischen Heimathafen vor Anker gehen sollte. Wie nach zwei weiteren Alben und der ausgedehnten „Symphonic“-Tour mittlerweile bekannt sein dürfte, hat es jene Auszeit nie gegeben, doch in der Tat hätten sich Sänger Martin Engler, Schlagzeugerin Katha Mia, Bassist Manuel Antoni und Gitarrist Carl Fornia die damals angekündigte Pause mehr als nur verdient: Die erfolgreiche Dark Rock-Formation, die sich einst 2000 in Hamburg gründete, zählt mittlerweile zu den wohl gefragtesten und erfolgreichsten Bands innerhalb der Szene und weit darüber hinaus, ist zurecht stets ein gern gesehener Gast in den Playlisten der schwarzen Clubs und auf den Festivalbühnen dieses Landes. Bei alledem ist das unglaublich hohe Arbeitspensum des illustren Quartetts wirklich nicht zu verachten: Ganze elf Studioalben, sechs EPs, schier unzählige Maxis, zwei Live-Release auf CD, DVD und Blu-ray, wie auch zwei umfassende Compilations namens „The Clock Ticks On 2004-2014“, die neben den bis dato größten Hits auf der zweiten CD ebendiese und weitere Titel in atmosphärischen Akustik-Versionen enthielt, und „Symphonies Of Pain“, eine erweiterte Retrospektive mit vielen Klassikern und einem Füllhorn an vielen Seltenheiten und sogar bisher unveröffentlichtem Material, gehen bisher auf das prall gefüllte Konto von „Mono Inc.“. Doch wie schon die Betitelung des vor sechs Jahren veröffentlichten Best-ofs verhieß, bleiben die Uhren niemals stehen und so ist seitdem wieder einige Zeit vergangen, in der sich gewohnt viel im monomanischen Hause getan hat, wenngleich in diesem nervenaufreibenden Jahr leider auch vieles ganz anders war. Was genau damit gemeint ist, wissen alle Liebhaber von Live-Musik und Konzerten ebenso gut, wie auch die Labels, Veranstalter und Künstler selbst, weswegen der leidigen Pandemie an dieser Stelle nicht noch mehr Platz zugestanden werden muss, gab es vor dem Thema „Virus“ die letzten Monate über praktisch doch keinerlei Entkommen mehr. Zum Ende des Jahres hin ist es also längst überfällig und mal wieder traditionell an der Zeit, etwas mehr innere Ruhe einkehren zu lassen, sich ausschließlich auf die schönen Dinge des Lebens, das wirklich Wichtige, besinnen zu können und Frieden im engsten Kreise der Liebsten zu finden. Speziell für diese Tage geben „Mono Inc.“ ihren Fans mit „Melodies In Black“ ein ganz besonderes Doppelalbum an die Hand und tragen damit ihren kleinen, musikalischen Teil an Besinnlichkeit und Entschleunigung bei... Wie immer gilt jedoch natürlich auch hier, dass man im Hinblick auf eine Zusammenstellung von bereits lange schon bekanntem Material, die oftmals gerne als sogenanntes „Best-Of“ oder „Greatest Hits“ bezeichnet wird, durchaus berechtigt geteilter Meinung sein kann, darf und sogar muss. Erstens natürlich deswegen, weil die dafür getroffene Auswahl der jeweiligen Songs nicht zwingend den eigenen Geschmack widerspiegeln muss und zweitens, weil sich bei einer solchen Veröffentlichung automatisch immer die Frage nach ihrer Relevanz stellt. Das sind die beiden grundsätzlichen Problemstellungen und Kritikpunkte, denen sich eine solche Veröffentlichung zuerst stellen und diese danach mit ausreichend triftigen Gegenargumenten auflösen muss. Wie weiter oben bereits aufgelistet, steht in diesem Fall jedoch mehr als genug Material im bandeigenen Pool zur Verfügung, aus dem für dieses Unterfangen reichhaltig geschöpft werden kann. So dürften auf den beiden CDs rein theoretisch natürlich all jene Titel keineswegs fehlen, die „Mono Inc.“ über all die Jahre den Weg in die obere Liga der schwarzen Szene ermöglichten und bis heute noch sowohl auf den eigenen Konzerten als auch auf den Tanzflächen immer wieder gefordert werden... Halt! „Melodies In Black“ ist zum Glück nämlich nicht die nunmehr dritte Sammlung aus beliebten Hits und Klassikern der bisherigen Diskographie, sondern konzentriert sich ausschließlich auf eine musikalische Gangart, die gerade während der Konzerte oft völlig zu unrecht zu kurz kommt: Die Balladen. Nachdem das Debüt „Head Under Water“ hier nahezu komplett ausgelassen wird, beginnen die Hamburger ihre Zeitreise stattdessen mit dem im Jahr 2008 veröffentlichten „Of Pain, Love & Poetry“, von welchem „Teach Me To Love“ und der Bonus-Track „Pain Machine“, ein Song von oben erwähntem Erstling, in der deutlich ruhigeren Piano-Version enthalten sind. Der erfolgreiche Durchbruch „Voices Of Doom“ wird durch „Time To Go“ und „If I Fail“ vertreten, dessen Nachfolger „Viva Hades“ hingegen von „A Love That Never Dies“, „When All My Cards Are Played“, „Potter’s Field“ und „Never Say Die“. Das 2012 erschienene „After The War“ wird mit „In The End“ und „My Songs Wear Black“ bedacht, das deutschsprachige „Nimmermehr“ mit dem gleichnamigen Titeltrack, „Alles Was Bleibt“ und „A Better Way To Die“. Vom Texas-Ausflug „Terlingua“ gibt es dann „118“ und „Study Butte“, vom von der großen Flut und Seefahrt inspirierten „Together Till The End“ lediglich „The Tide“. Die beiden letzten Werke „Welcome To Hell“ und „The Book Of Fire“ wurden mit etwas mehr Stücken bedacht: Aus Ersterem etwa das Duett mit „Subway To Sally“-Frontmann Eric Fish „A Vagabond’s Life“, das zarte Wiegenlied „Unconditionally“ und der Opener „The Heart Of The Raven“, aus Letzterem das epische „Warriors“ und der melancholisch reflektierte Racheschwur „Nemesis“. So weit, so unspektakulär... Und zugegebenermaßen fast Nichts, was der langjährige Fan nicht schon längst bei sich in der heimischen Sammlung hätte. Würde sich die Tracklist der Doppel-CD auf diese Weise fortsetzen, so wäre dieser Querschnitt höchstens für Hardcore-Sammler und alle geneigten Neuhörer geeignet, die sich einen weit gefassten Überblick über die ruhigere Ader der Monos verschaffen wollen. Wirklich spannend wird es, wie so oft, erst bei jenem Material, das nicht schon dutzendfach in verschiedenen Varianten veröffentlicht worden ist und auch hier als Kaufgrund dienen dürfte: Die „Comedown“-EP wird mit dem Publikumsliebling „In My Darkest Hours“ und „Trail Of Thorns“ abgedeckt, von der „MMXII“-EP, welche einst exklusiv einer Printausgabe des „Sonic Seducer“ beilag, gibt es noch „When Love’s Gone“. Vom Best-Of „The Clock Ticks On 2004-2014“ wurden das Remake von „Superman“, ursprünglich vom bereits erwähnten „Head Under Water“, und „Twice In Life“, das ebenfalls auf der gleichnamigen Download-EP zur ersten Unplugged-Tour zu finden ist, erwählt, während sich von der zweiten Greatest-Hits-Sammlung „Symphonies Of Pain - Hits And Rarities“ etwa die Unplugged-Version des absoluten Evergreens „Kein Weg Zu Weit“ zusammen mit Joachim Witt und „Ghost Town Gates“ finden. Exklusives findet sich auf dem neuen Doppelalbum natürlich auch, nämlich die sogenannten „Black Versions“, also speziell für diese Veröffentlichung arrangierte und komplett neu aufgenommene Fassungen bereits bekannter Songs, von „Life Hates You“, „Just Because I Love You“ und last but not least dem ergreifenden „An Klaren Tagen“, das hier im dezent folkig angehauchten Duett mit Schlagzeugrin Katha Mia daherkommt und so zuletzt nur auf den wenigen, Corona-konformen Sommer-Gigs zu hören war. „Risk It All“ erstrahlt nun im kammerorchestralen Studio-Gewand der „Symphonic“-Shows 2019, „The Best Of You“ in einer reduzierten Piano-Variante. Komplett neu ist hingegen einzig „Scared“, eine unglaublich zarte, klassische Ballade, die hauptsächlich von einem ruhigen Klavier und dem eindringlichen Text getragen wird. Das alles kommt dementsprechend ohne viel Bombast oder Pathos aus, dafür aber mit ganz viel authentisch dargebotenem Herz. Für wen ist „Melodies In Black“ also geeignet? Es ist kein Geheimnis, dass sich die Corona-Krise in diesem Jahr auch vehement auf die Musikbranche ausgewirkt hat und hier insbesondere die kleinen oder im Mainstream eher unbekannten Künstler trifft. Dass neben der mangelnden Einnahmequelle durch Live-Konzerte somit allerorts alternative Möglichkeiten geschaffen werden müssen, liegt klar auf der Hand und ist den Bands nicht zu verübeln. Neben Stream-Shows, besonderem Merch und verfrüht aufgenommen Studioarbeiten sind momentan auch zahlreiche Re-Releases, Extended-Editions oder eben auch solcherlei Zusammenstellungen am Markt zu finden, um Existenzen kurzzeitig sichern und halbwegs durch den Winter kommen zu können. Dass bei einer Best-Of-Compilation zeitgleich auch immer die Frage nach ihrer Notwendigkeit aufkommt, ist völlig normal, nur kann jene strenge Betrachtung vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse durchaus auch variieren. Vor allem dann, wenn das entsprechende Angebot so unsagbar gut in diese Zeit passt, wie eben „Melodies In Black“. Ein Album, welches den Hörer in wunderschönen Kompositionen voller Herz, Seele, Melancholie und Schmerz, aber eben auch Hoffnung schwelgen lässt und somit all das reflektiert, was so viele von uns in 2020 gefühlt haben und derzeit bestimmt noch immer fühlen. Es ist der perfekte Soundtrack für die dunklen und besinnlichen Tage geworden, der es zudem möglich macht, so manche zu Unrecht vergessene Perle in der mittlerweile beachtlich großen Diskographie von „Mono Inc.“, neu entdecken und gänzlich anders betrachten zu können. Fans und Sammler greifen vermutlich sowieso zu, allen interessierten Freunden der leisen und sanften Töne sei dieser Einstieg aber besonders ans Herz gelegt. In diesem Sinne: Support your artists!
Informationen:
http://www.mono-inc.com
https://www.facebook.com/monoinc/
In Extremo - Kompass Zur Sonne (Extended Edition) (2020)
Genre: Metal / Folk / Alternative
Release: 27.11.2020
Label: Vertigo Berlin (Universal Music)
Spielzeit: ca. 120 Minuten
Fazit:
Die Berliner Formation „In Extremo“ veröffentlicht Ende November eine neue, erweitere Ausgabe ihres Erfolgsalbums „Kompass zur Sonne“ heraus. Das insgesamt 13. Studioalbum der Mittelalter-Rock-Band enterte bei seiner Erstveröffentlichung im Mai auf Anhieb den ersten Platz in den deutschen Album-Charts. Die ein rundes halbes Jahr später erscheinende Extended-2CD-Edition wartet gleich mit mehreren Überraschungen auf: Neben den 14 Songs der ursprünglichen Deluxe- und LP-Ausgabe vom Mai, wird mit dem wunderbar brachialen Rockstück „Ewig Sein“ ein völlig neuer Song präsentiert. Von „Wer Kann Segeln Ohne Wind“ gibt es zusätzlich eine Variante ohne den Vocal-Beitrag von Johan Hegg („Amon Amarth“) und bei der ergreifenden Klavier-Version von „Schenk Nochmal Ein“ greift niemand Geringeres als Götz Alsmann in die Tasten. Die größte Freude dürfte den Fans aber die Bonus-CD bereiten, denn sie enthält den kompletten Auftritt von „In Extremo“ beim Wacken World Wide Festival, das gegen Ende Juli und Anfang August 2020 wegen der Corona-Pandemie online als Live-Stream über die Bühne gehen musste. Auch wenn kein Publikum dabei sein durfte, die Band legte einen begeisternden Gig hin. Erwähnt werden muss hier unbedingt noch, dass das ganze Projekt absolut klimaneutral produziert wird. Band und Label unterstützen damit die Aktion „Junge Riesen“, bei der es um die „Umwandlung von der Monokultur Kiefernwald zum klimastabilen Laubmischwald“ geht! Die Extended Edition von „Kompass Zur Sonne“ erscheint am 27.11.2020 als Download und 2-CD im Digipak via Vertigo Berlin (Universal Music).
„Hört von den sieben Vaganten, die ihr Glück in der Hölle fanden. Behangen mit Fetzen und Schellen, die so laut wie Hunde bellen. Ihr Lachen ist Sturm und Gewitter. Feiern und zechen bis kommt der tödliche Schnitter. Verehrt und angespien sind sie bekannt im ganzen Land. Von allen „In Extremo“ genannt!“, hieß es einst beim eröffnenden Intro der „Merseburger Zaubersprüche“ vom zweiten Mittelalter-Rock-Hybriden „Verehrt und Angespien“ aus 1999. In der Tat eine ungemein wortgewaltige Prophezeiung, welche in all der nachfolgenden Zeit jedoch zu einem wahren und selbsterfüllenden Leitmotiv für das heutige Szene-Urgestein aus der Hauptstadt werden sollte... Fünfundzwanzig Jahre äußerst ereignis- und vor allem erfolgreiche Band-Geschichte sind seitdem vergangen und so steht nach einer den aktuellen Umständen geschuldeten Verschiebung nun endlich die offizielle Veröffentlichung des mittlerweile dreizehnten Studioalbums „Kompass Zur Sonne“ an, mit dem die glorreichen Sieben ihren treuen Fans und auch sich selbst ein wirklich grandioses Geburtstagsgeschenk der Extraklasse machen! Und dabei ist diese Umschreibung der Superlative tatsächlich wortwörtlich zu nehmen, denn mit dem neuesten Werk aus dem Hause „In Extremo“ destillieren die umtriebigen Spielmänner aus dem Diesseits nicht nur die prägendsten Stärken aus traditionsbewusst behandeltem Mittelalter und zeitgenössisch angewandter Moderne, sondern auch die der eigenen Wurzeln und jüngsten Erfolgsrezepte. Was sich 2016 bereits in gewissen Zügen auf dem Vorgänger „Quid Pro Quo“ abzeichnete und auch die vorab erfolgten Single-Releases hoffnungsfroh erahnen ließen, wird auf dem aktuellen Langspieler nun nochmals erheblich konkretisiert und schonungslos durchgesetzt, wenn radiotauglich gefällige Mainstream-Anleihen und gewollt verpoppte Rock-Ohrwürmer hier wieder dem länger schon vermissten, raubeinigen Glanz alter Tage weichen und nicht selten vehement an denkwürdige Großtaten wie „Sieben“ und „Mein Rasend Herz“ erinnern. Inhaltlich wechseln sich gewohnt nachdenkliche oder auch gerne mal kritische Zwischentöne am Puls der Zeit mit spaßig charmanter Feierlaune und erfreulich viel historischen Vorlagen ab. Musikalisch stets passend und unglaublich gut ausgewogen untermalt, wobei das breit aufgestellte Instrumentarium neben dem druckvoll hämmernden Schlagzeug und besonders harten Gitarren dieses Mal auch wieder merklich verstärkt auf die traditionelle Seite samt Davul, Klangbaum, Drehleier, Nyckelharpa, Harfe und selbstverständlich den obligatorischen Dudelsäcken fokussiert. Oftmals sehr eingängig, stets verdammt gut hörbar und niemals zu komplex oder experimentierfreudig verbleiben die insgesamt dreizehn Songs natürlich dennoch, gestehen sich aber fast durchgängig auch wieder erfreulich viele Ecken und Kanten zu, was dem perfekt austarierten Gesamtergebnis einfach nur extrem guttut. Also machen wir ein Fass auf und lassen Sieben gerade sein... Auf die nächsten fünfundzwanzig Jahre mit „In Extremo“!, so lautete im Mai 2020 das zusammenfassende Fazit für das mittlerweile dreizehnte Studioalbum „Kompass Zur Sonne“ der erfolgreichen Berliner Mittelalter-Rock-Institution „In Extremo“ und selbstverständlich hat sich in dem halben Jahr seit dessen Veröffentlichung absolut nichts an der enorm hohen Güte des aktuellsten Werks geändert. Nur wenig überraschend also, dass der neueste Silberling, der natürlich abermals direkt auf den ersten Platz chartete, noch immer in aller Munde ist und man sich pünktlich zum Winter hin nun nochmals ganz auf das Weihnachtsgeschäft konzentrieren möchte. Wem sollte man diesen logischen Schachzug auch schon verübeln, nachdem weder die eigene, große Deutschland-Tournee, noch die beliebten Festivals im Sommer aufgrund der weltweiten Pandemie dieses Jahr gespielt werden konnten? So kündigten die sympathischen Sieben zusammen mit dem Musikvideo samt Single-Release zu „Schenk Nochmal Ein“ gegen Ende Oktober überraschend die Extended Edition von „Kompass Zur Sonne“ an. Eine um einige Stücke erweiterte und ausschließlich physisch erhältliche Version des letzten Geniestreichs auf insgesamt zwei CDs mit einer ganzen Menge an Bonusmaterial! Allen voran der komplett neue und demnach extra für diese spezielle Wiederveröffentlichung aufgenommene Song „Ewig Sein“. Eine stark powernde, beeindruckend epochale Rock-Hymne, welche mit dem kongenialen Einsatz der Nyckelharpa und geballten Macht der hier vereinten Dudelsäcke auch sogleich äußerst druckvoll alle Ketten sprengt. Der über jeden noch so kleinen Zweifel durchweg erhabene Refrain krönt die neue Nummer dann zum vorzeitigen, absoluten Highlight dieser Edition... „Wer Kann Segeln Ohne Wind“ orientiert sich an der aus Schweden überlieferten Volksweise „Vem Kan Segla“. Einem Wiegenlied, das besagt, dass man jede noch so schwierige Situation im Leben meistern kann, außer den Tod eines engen Freundes ohne Trauer zu überwinden. Passend dazu, kreiert die kalt klirrende Harfe sogleich eine mystische Atmosphäre, das rhythmische Drumming und die verzerrten Gitarren simulieren derweil den schunkelnden Wellengang der wogenden Wassermassen. Für dieses Feature haben sich „In Extremo“ die gesangliche Unterstützung von Johan Hegg, seines Zeichens Sänger der weltweit erfolgreichen Death-Metal-Band „Amon Amarth“ aus Stockholm, geholt, was schon vorab für äußerst euphorische Reaktionen im Fan-Lager sorgte. Nur leider stellt sich jener sehnlichst erwartete Gastbeitrag zeitgleich auch als eine der größten und einschneidendsten Schwächen des gesamten Stücks heraus: Während die instrumentale Grundlage eigentlich noch sehr gelungen ist, so beißen sich die tiefen und zusätzlich extrem verfremdeten Growling-Parts des hünenhaften Vokalisten doch zu stark mit der bittersüß-sanftmütigen Schwere der folkig inspirierten Melodie... Hier hätte eine druckvolle und harte Metal-Walze der Marke „Dacw 'Nghariad“ wohl deutlich eher harmoniert. Dabei werden die zwei Strophen aufgeteilt, wobei Michael Robert Rhein jeweils den ersten Teil in deutscher Sprache besingt, woraufhin dieser dann von Hegg auf Schwedisch wiederholt wird. Im finalen Part singen hingegen beide Frontmänner das Stück nochmals gemeinsam in Deutsch. Ein verständlicher Zug, wenngleich auch weiteres Problem ist, dass man unverändert am Original festhält, ohne einen eigens komponierten Refrain oder ähnliche Zusätze beizusteuern, wodurch die Nummer sowohl musikalisch als auch textlich ziemlich repetitiv, abwechslungsarm und vor allem kurz ausfällt. So bleibt am Ende ein grundsolider Titel, aber auch die verpasste Chance auf den ganz großen Wurf - Schade! Dieses Urteil aus der großen Rezension gilt allerdings einzig für die Standard-Version auf dem regulären Album, denn mit der deutschen Fassung von „Wer Kann Segeln Ohne Wind“ kommen „In Extremo“ hier nun einem lang gehegten Wunsch ihrer großen Fangemeinde nach und präsentieren das entsprechende Traditional als Bonus ohne Gastsänger Johan Hegg. Die Entscheidung tut dem eher ruhig gehaltenen, eindringlichen Stück tatsächlich hörbar gut und lässt es damit nun auch weitaus weniger zerrissen in seiner Identität wirken. Sehr gut! Wieder einmal sind es die anmutig schwebenden Uilleann Pipes, welche jetzt eingangs zu hören sind, um sich fortan zusammen mit Schlagzeug und pointiert eingesetzten Gitarren zu einer schwermütigen Melodie aufzuschwingen, die einfach sofort ins Herz treffen muss und wird. Die Strophen gestalten sich darüber hinaus sogar noch ein gutes Stück weit minimalistischer, werden hauptsächlich vom klar strukturierten, doch merklich zurückhaltenden Drumming und einem trübseligen Cello betont: „Schenk Nochmal Ein“. Wenngleich der Titel beim bloßen, oberflächlichen Hinschauen zuerst auch unrechtmäßig in die Irre führen mag, so steht dem geneigten Hörer hier tatsächlich alles andere, als ein ausgelassener Party-Track ins Haus. Stattdessen wohl aber die einzige, vollwertige Ballade des gesamten und ansonsten eher harten Albums... Und was für eine! Der anrührend dargebrachte Text, in welchem das lyrische Ich die gemeinsamen Erlebnisse mit einem geliebten Menschen beim nächtlichen Trunk für sich Revue passieren lässt und den Verstorbenen im gedankenverloren trauernden Zwiegespräch aus der Kraft seiner lebendigen Erinnerungen schließlich vor sich sieht, berührt wahrlich tief und verdeutlicht somit die unglaubliche Schwere eines jeden Abschieds: „Wir hielten unsere Liebe fest, sie konnte uns nicht entwischen. Auch die Welt, sie wird sich weiterdrehen, selbst wenn Wasser und Salz sich mischen. Ich besuche dich so oft es geht, um dir nah zu sein. Ein Herz fürs andere weiter schlägt, ich küsse deinen Stein.“, heißt es. Der emotionale Refrain bringt zudem sanftes Harfenspiel ein, wenn das Stück sich mehr und mehr seinem Höhepunkt nähert. „Schenk nochmal ein! Ich träum‘ davon, bei dir zu sein. Du sagst, ich darf nicht traurig sein. Ich weiß, du kannst uns sehen, wenn wir durch die Felder gehen. Ich schenk mir nochmal ein, um bei dir zu sein.“, singt Rhein in seiner unnachahmlichen Art und trifft damit direkt ins Herz. Gegen Ende folgt zusätzlich ein dezent eingebundener Singalong-Part, der jedoch keinesfalls fehlplatziert oder gar unpassend wirkt, sondern die introvertierte, melancholische Stimmung dieses emotionalen Highlights frei von pathetischem Kitsch zusätzlich unterstreicht und dafür volle Authentizität aufbietet - Fantastisch! So hieß es zur neuen Ballade „Schenk Nochmal Ein“ in der ausführlichen Review zu „Kompass Zur Sonne“, welche hier nun ebenfalls in einer alternativen Version vorliegt, die dem einfühlsamen Song durch ihre bewusste Reduktion auf das Piano als einzigen, instrumentalen Unterbau nochmals viel emotionale Tiefe abgewinnt. An den Tasten des virtuos gespielten Klaviers sitzt einmal mehr das bekannte TV-Gesicht Götz Alsmann, ein langjähriger Wegbegleiter und Freund der Band, der bereits auf dem 2006 veröffentlichten Best-Of „Kein Blick Zurück“ bei „Singapur“ oder auch live bei „Spielmann“ auf dem eigenen „15 Wahre Jahre“-Festival in Erfurt zu hören und sehen war. Eine tolle Kombination, die einfach jedes Mal wieder viel Freude macht! Doch nicht nur die drei erwähnten Bonus-Songs verleihen der Extended Edition ihre verdiente Bezeichnung, denn immerhin gibt es noch eine zweite, randvolle CD mit nicht weniger Musik. Darauf enthalten ist das komplette, vierzehn Songs starke Headliner-Set vom diesjährigen Streaming-Festival Wacken World Wide. Neben einem neuen, rein instrumentalen Intro, sind, typisch für ein Festival, natürlich vorrangig viele Klassiker und Hits mit dabei. Angefangen bei der alten Garde mit dem Opener „Mein Rasend Herz“, dem obligatorischen „Vollmond“, „Merseburger Zaubersprüche II“ oder „Liam“, bis hin zu Gassenhauern aktuelleren Datums der Marke „Frei Zu Sein“, „Feuertaufe“ und „Sternhagelvoll“. Besonders interessant dürften aber die zwei Bühnen-Premieren der beiden Singles „Kompass Zur Sonne“ und „Troja“ sein, wenngleich rein virtuell geschehen. Und exakt das ist auch die kleine Crux an der großzügigen Beigabe, denn obwohl hier alle Songs hörbar live gespielt worden sind und eben dadurch einen charmant roughen, besonderen Touch innehaben, der in seiner Gesamtheit erfreulicherweise einen deutlichen Unterschied zu den jeweiligen Studio-Pendants erkennen lässt, fehlt hier leider ein entscheidender Faktor, der ein Live-Album erst zu einem ebensolchen werden lässt: Das Publikum. Die beliebige Geräuschkulisse mit Zurufen, Applaus und Jubel kommt nämlich, wie auch das gesamte, computeranimierte Treiben vor der Bühne im Stream, vollständig aus der Konserve. Zugegeben, meistens recht passend zum Geschehen und vor dem Hintergrund eines möglichst stimmungsvollen, authentischen Streaming-Festivals eine gute Entscheidung, aber eben doch nicht echt und das macht sich stellenweise bemerkbar. Vielleicht wäre hier eine kleine Live-DVD mit dem Konzert sinniger gewesen, dennoch eine schöne Erinnerung! Wer das aktuelle Studioalbum von „In Extremo“ also noch nicht sein Eigen nennen kann und aus irgendeinem unerfindlichen Grund bisher mit dem Kauf gezögert hat, kann hier definitiv bedenkenlos zuschlagen. Alle anderen überlegen, ob ihnen der (nicht zu verachtende) Bonus einen Zweitkauf wert ist.
Informationen:
http://www.inextremo.de/de/
https://www.facebook.com/officialinextremo/
Unheilig - Schattenland (2020)
Genre: Pop / Rock
Release: 11.12.2020
Label: Vertigo Berlin (Universal Music)
Spielzeit: ca. 305 Minuten
Fazit:
Der Graf, seines Zeichens Frontmann der Band „Unheilig“, hat einige Jahre lang Maßstäbe gesetzt. Ein markantes Konterfei, ein unverkennbares visuelles Image, stets gepaart mit seiner monumentalen Stimme, reichlich musikalischem Talent und vielen brillanten Songs. Vier Nummer-1-Alben in Folge in den deutschen Charts sprechen eine deutliche Sprache. Seitdem er im Herbst 2016 dann doch ziemlich überraschend seinen Studio- und Bühnen-Rückzug verkündete, wartet man auf weitere Lebenszeichen. Die gab und gibt es zwar bisher leider nur an der Katalog-Front, aber bei der aktuellen Ankündigung dürften die Herzen eingefleischter Fans schon schneller schlagen. In Zusammenarbeit mit dessen Management veröffentlicht Universal Music unter dem Titel „Schattenland“ ein aufwändiges neues Box-Set mit CDs, DVD und Merchandising in streng limitierter Auflage von nur 4.000 Stück. An reinem Audio-Material sind fünf rare EPs aus der Zeit vor den großen Erfolgen enthalten, als „Unheilig“ noch im dunkel-elektronischen, schwarzromantischen Pop verwurzelt war und der Graf sogar zeitweilig noch englisch sang. Anhand der EP-Titelsongs von „Maschine“ und „Schutzengel“ (beide 2003), „Freiheit“ (2004), „Astronaut“ (2006) oder „Spiegelbild“ (2008), sowie der weiteren dreißig Tracks (B-Seiten, Remixe, Raritäten) lässt sich die stilistische Entwicklung in Richtung zum späteren Charts-Durchbruch bestens nachvollziehen. Die EP-Cover wurden speziell dazu neu gestaltet. Die DVD enthält ebenfalls frühes Material, neben der Ende 2008 erstmals ausgestrahlten, rund vierzigminütigen Dokumentation „Unheilig - Ein Leben für die Musik“, außerdem noch zwei Live-Auftritte, zum einen vom Feuertanz Festival im Juni 2009, zum anderen ein kürzeres Set vom Amphi Festival am Kölner Tanzbrunnen aus dem gleichen Jahr. Das gesamte hier angebotene Bild- und Tonmaterial wird physisch und auch nur innerhalb dieses Box-Sets veröffentlicht. Das speziell aufgelegte Fan-Merchandise besteht aus einem Poster, fünf Postkarten mit Foto-Motiven aus der damaligen Zeit sowie, passend zum Künstler, einem feinen Schal, der ebenfalls exklusiv nur in diesem Set zu haben sein wird. Das edle Artwork der gesamten Edition sticht ebenfalls heraus. Am 11.12.2020 heißt es via Vertigo Berlin (Universal Music): Willkommen im „Schattenland“!
„All unsere Jahre, all unsere Tage flogen so schnell vorbei. Doch jedes Gefühl und jedes Lied bleibt für die Ewigkeit. All unsere Jahre, all unsere Tage schenkten mir das Glück. Ich schreib' ein letztes Lied und sehe so gerne zurück...“, waren die finalen Zeilen, die der Graf im Refrain seines scheinbar letzten Songs auf dem letztjährig veröffentlichten Abschiedsalbum von „Mensch Zu Mensch“ an den Hörer richtete, bevor traditionell das obligatorische Outro zum endgültigen Ende seiner rund siebzehnjährigen Karriere erklang. Für einen Großteil der treuen Fans dürfte es ein hochemotionaler Moment gewesen sein, für den berühmten Musiker aus Aachen hingegen selbst, der Übergang zu einem gänzlich neuen Lebensabschnitt und vielleicht sogar auch die Zuflucht vor der medialen Unruhe, die er nach den letzten Jahren so dringend gebraucht haben könnte. Denn tatsächlich erwies sich die steile Laufbahn des Adligen insbesondere zuletzt als äußerst turbulent: Ende der Neunziger aus der Taufe gehoben, bewegten sich „Unheilig“ lange Jahre aktiv in der schwarzen Szene, in welcher allein schon das Debüt „Phosphor“ für erhöhtes Aufsehen sorgte. Mit den folgenden Alben wie „Das 2. Gebot“, „Zelluloid“ oder auch „Puppenspiel“ sicherte sich die vierköpfige Band einen der obersten Ränge innerhalb der selbigen und zeichnete dort für zahlreiche Club-Klassiker verantwortlich, die fortan die dunklen Tanzflächen dominieren sollten. Anfang 2010 überschlugen sich dann plötzlich die Ereignisse: Mit der Vorab-Single „Geboren Um Zu Leben“ landeten der Graf und seine Mannen einen unvergleichlichen Chart-Hit, der folglich auf Dauerrotation in den nationalen Radiostationen lief. Das zugehörige Album „Große Freiheit“ erschien im Februar des gleichen Jahres, setzte sich direkt an die Spitze und verharrte dort hartnäckig für viele Wochen. Mit über 2 Millionen umgesetzten Einheiten zählt das Meisterwerk nicht nur zu den erfolgreichsten Veröffentlichungen der Band, sondern gilt bis heute als das bestverkaufte Album in der deutschen Musikwelt. Der Startschuss für den Aufstieg in den Pop-Olymp! Doch viele Anhänger aus der schwarzen Szene sahen im unerwarteten Erfolg und der musikalischen Entwicklung des Künstlers einen Verrat an seinen einstigen Wurzeln und wandten sich schließlich zu großen Teilen ab. Ein Umstand, der den weiteren Weg von „Unheilig“ allerdings nicht maßgeblich beeinflussen sollte - Die Chartstürmer waren nicht mehr aufzuhalten. Am 16.03.2012 erschien der offizielle Nachfolger „Lichter Der Stadt“, der sich zwar ebenfalls auf die Eins setzen konnte und dort ganze siebenundneunzig Wochen verblieb, den überragenden Erfolg seines Vorgängers auf lange Sicht aber nicht erreichen und halten konnte. Ganze zwei Jahre später nahmen „Unheilig“ mit den beiden exklusiv komponierten Songs „Als Wär's Das Erste Mal“ und „Wir Sind Alle Wie Eins“ an der Vorentscheidung zum „Eurovision Song Contest“ teil, schieden im Finale aber gegen das Trio „Elaiza“ und ihren Titel „Is It Right“ aus. Genau einen Tag später veröffentlichte man das erste Best-Of-Album „Alles Hat Seine Zeit“ und ging im Sommer auf ausgedehnte Tournee, nur sieben Monate danach dann der große Schock für viele Fans: In einem offenen Brief, den der Graf über die bandeigene Homepage publizierte, begründete er dankbar seinen Abschied aus dem Musikgeschäft und kündigte zeitgleich sein letztes Album „Gipfelstürmer“ an, welches noch im Dezember 2014 erschien. Diesem schlossen sich die gleichnamige Tour an, welche nahtlos in den zweiten Part namens „Zeit Zu Gehen“ und die endgültige Abschiedskonzertreihe „Ein Letztes Mal“ überging, deren Finale im fast ausverkauften Kölner RheinEnergie-Stadion unter dem Motto „Letzter Halt“ stattfand. In der Zwischenzeit erschien mit „Schwarzes Gold“ die gesamte Diskographie auf Vinyl, sowie der Live-Mitschnitt „Unter Dampf - Ohne Strom“ der rein akustischen „MTV Unplugged“-Show auf CD, DVD und Blu-ray. Als das offizielle Ende der Band besiegelt war, kündigte man über die Website und Social-Media-Kanäle einen allerletzten Release unter dem Titel „Von Mensch Zu Mensch“ an, dessen Songs während der vergangenen Konzerte entstanden seien und welcher am 04.11.2016 seinen Weg in die Ladenregale fand. So auch nur ein weiteres Jahr später dann die zweite Best-Of „Pures Gold“, welche sich weitestgehend auf die im Mainstream erfolgreiche Ära der letzten vier Studioalben beschränkte, und ihre Erweiterung „Rares Gold“, die fast alle B-Seiten und seltenen Schätze vergangener Singles und EPs beinhaltete. Dem schloss sich bekanntermaßen die „Auf Zeitreise“-Tournee durch fünfzehn deutsche Städte mit „The Dark Tenor“ hinter dem Mikrofon an und brachte seinerzeit Ria „Sotiria“ Schenk als Support ins Spiel, die mit ihrem angekündigten Debüt „Hallo Leben“ die neu geschriebenen Songs des Grafen vertonen würde. Danach herrschte für lange Zeit wieder Funkstille, wenngleich die Social-Media-Kanäle auch stetig am Laufen gehalten wurden. Auf den so überraschenden, wie gleichermaßen unnötigen Release der „Wir Sind Alle Wie Eins“-Vinyl mit insgesamt vier großen Hits von „Unheilig“, folgte Ende Oktober dann plötzlich die mysteriöse Ankündigung zu „Schattenland“. Doch sollte der unermüdlichen Hoffnung der zahlreichen Fans auf eine baldige Rückkehr des Grafen hiermit abermals nicht entsprochen werden, denn anders, als vielleicht erwartet, steht den treuen Anhängern keine Zusammenstellung bisher unveröffentlichten Materials oder gar ein neues Studioalbum ins Haus... Nein, nach nahezu allen bisher abgeschöpften Segmenten der in der breiten Öffentlichkeit bekannten „Unheilig“-Diskographie, gräbt Universal Music nun weitaus tiefer in der Vergangenheit des Adligen und wird schließlich bei den versteckten, lange schon vergriffenen Perlen der Frühzeit fündig. Angefangen mit der heutzutage seltenen „Maschine“-EP zum zugehörigen, zweiten Album „Das 2. Gebot“, die eingangs die reguläre Album-Version in voller Länge, einen etwas kürzeren Club-Edit und einen elektrolastigen Remix vom Grafen selbst enthält. Als Bonus gibt es ein Cover zum legendären „The Sisters Of Mercy“-Hit „This Corrosion“ und die B-Seite „Schleichfahrt“. Aus dem gleichen Jahr stammt die ebenfalls streng limitierte „Schutzengel“-EP, welche den balladesken Titeltrack sowohl in der Original- als auch bombastischen Orchester-Fassung beinhaltet. Neben dem knackigen Radio Edit eines weiteren Album-Tracks, nämlich „Vollmond“, kommen mit „Zinnsoldat“, „Damien“, „Bruder“ und dem englischsprachigen „One On The Dead“ gleich vier exklusive Songs dazu, die allesamt eine extrem hohe Qualität aufweisen und schon früh das große Potential aufweisen, das der Graf mit „Unheilig“ in den folgenden Jahren manifestieren würde. Dem 2004 veröffentlichten „Zelluloid“ ging dann die „Freiheit“-EP voraus, welche die Szene-Hymne in einem kompakteren Edit und zwei treibenden Remixen von „Terminal Choice“ und „Neuroticfish“, dem Zweit-Projekt von Keyboarder Henning Verlage, bot. Das wütende „Sieh In Mein Gesicht“ vom gleichen Release liegt hier in einer erweiterten Version und im „Staubkind“-Mix vor, „Morgengrauen“, „Die Muse“ und „Schmetterling“ markieren wieder die einst den EP-Käufern vorbehaltenen Non-Album-Tracks. Die letzten beiden Veröffentlichungen entstammen der Zeit um „Puppenspiel“ in 2008, das letzte Werk vor dem gigantischen Überraschungserfolg mit „Große Freiheit“. So umfasst die „Astronaut“-EP neben einer Orchester-Variante und dem üblichen Radio Edit des gleichnamigen Stücks, unter anderem das anrührende „Mein Stern“ in ebendieser Kurzfassung und als reduzierte Piano-Version, während das manische „Ich Will Alles“ vom Vorgänger „Moderne Zeiten“ im Club-Mix ertönt. Wieder gibt es gleich drei Bonus-Tracks: Das unheilige Glaubensbekenntnis „Der Himmel Über Mir“, der aufrüttelnde Up-Tempo „Schneller, Höher, Weiter“ und das epochale „Lebe Wohl“. Die letzte der fünf CDs gebührt dem grandiosen „Spiegelbild“, hier ebenfalls zusätzlich in einer Extended-Version und einem Remix von „Die Krupps“. Die im selben Jahr veröffentlichte Vorab-Single „An Deiner Seite“ erstrahlt nun ebenfalls im orchestralen Gewand, wohingegen „Schlaflos“, „Die Alte Leier“ und „Hexenjagd“ die B-Seiten markieren, die zum stärksten, unheiligen Output dieser Zeit zählen. Abgerundet wird das Package von einer DVD, welche die beiden Showcases auf dem Feuertanz und Amphi Festival sowie eine große Dokumentation von rund vierzig Minuten enthält. Eine ganze Menge an Material also! Was sich dieses Box-Set jedoch wie jedes andere auch gefallen lassen muss, ist die Frage nach der Sinnhaftig- und Notwendigkeit einer weiteren Compilation: Hatte man mit dem Release von „Alles Hat Seine Zeit“ zum logischen Zeitpunkt des Euro Vision Song Contest noch einen relativ weitreichenden Querschnitt für die Gewinnung eventueller Neuhörer zusammengestellt, so war schon die „Pures Gold“-CD mit ihrem deutlich engeren Fokus auf die jüngste Ära von „Unheilig“ eher unnötig und wirkte daher mehr wie eine mit aller Macht erzwungene Companion-Veröffentlichung zum (endgültigen) Abschied und den Konzerten mit „The Dark Tenor“. Bei „Schattenland“ ergibt sich jetzt hingegen eine weitaus schwierigere Problemstellung, zumal es vielleicht bis auf das stets florierende Weihnachtsgeschäft absolut keinen logischen Anlass gibt. Für alle langjährigen Alt-Fans der frühen Tage dürfte jene eigenmächtige Handlung des Major-Labels sogar ein ganz besonders schlimmer Bruch mit dem einstigen Versprechen des Grafen sein, dass das Material der damals streng limitierten EPs exklusiv den Käufern vorbehalten sein würde. Hauptsächlicher Kaufgrund für alle neuen Hörer ab 2010 dürften hier wohl die raren, eher unbekannten Tracks und seltenen B-Seiten sein, welche aber schon in ganz ähnlicher Zusammenstellung auf den beiden Samplern "Lichtblicke" und "Gipfelkreuz" erhältlich waren, die es sowohl auf den Live-Konzerten der "Lichter Der Stadt"- und "Gipfelstürmer"-Tournee am Merchandising-Stand als auch lange Zeit danach noch im Online-Shop der Band zu kaufen gab. Ebenso die Video-Clips der vorliegenden DVD, die bereits auf „Sternstunden“, einer Merch-Beigabe zur „Große Freiheit“-Tour, versammelt waren. Wer jetzt an die Remixe denkt, dem ist vermutlich die „Zeitreise“-Compilation selbiger Konzerte entgangen, welche ausschließlich alternative Versionen befreundeter Acts enthält. Nur wenig bis keine handfesten Argumente also, auf die doch recht hochpreisige „Schattenland“-Box zurückzugreifen. Bleiben zum Schluss höchstens das extrem stimmige Oldschool-Artwork, mit dem jeder Rohling individuell und sorgfältig bedacht wurde, sowie die verhältnismäßig wenigen Devotionalien, die mit Poster, Postkarten und einem Logo-Schal, der eher einem Halstuch gleichkommt, in die Kategorie „Standard“ fallen. Wirklich lohnenswert ist diese Zusammenstellung lediglich für Personen, die sich mit der frühen Schaffensphase von „Unheilig“ vertraut machen wollen und an denen erwähnte Alternativen ihrer Zeit vorbeigegangen sind oder aber für Komplettisten, die ihre Sammlung vervollständigen möchten. Ob der Kauf hier wirklich lohnt, muss wie bei jeder Compilation also entsprechend abgewogen werden.
Informationen:
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