Megaherz - In Teufels Namen (2023)
Genre: Rock / Alternative
Release: 11.08.2023
Label: Napalm Records
Spielzeit: 41 Minuten
Pressetext:
Kompromisslos, kritisch, aufrichtig – das neue Album der Neue Deutsche Härte-Legenden! In Teufels Namen ist das fulminante neue Album von MEGAHERZ, das am 11. August 2023 über Napalm Records erscheinen wird. Während ihrer dreißigjährigen Karriere sind die Mitbegründer der Neuen Deutschen Härte zweifellos eine der wichtigsten und prägendsten Bands des Genres geworden. Wie stark und lebendig das große Herz schlägt bewies das Quintett bereits mit kraftvollen Alben wie Kopfschuss, Götterdämmerung und Zombieland, aber vor allem mit ihrem gefeierten letzten Meisterwerk Komet, das auf #7 der deutschen Albumcharts einstieg. Mit In Teufels Namen setzen sie ihre Erfolgsgeschichte mit einem wilden Ritt durch fort, wofür MEGAHERZ von Beginn an steht: harte Töne und ehrliche Worte. Sie halten der Gesellschaft schonungslos den Spiegel vor, aber wagen es auch nicht sich den eigenen Gefühlen zu stellen. Schonungslos, polarisierend, emotional – einfach MEGAHERZ. Das neue Album bricht direkt mit dem packenden Titeltrack „In Teufels Namen“ los. Er verbindet ein typisches MEGAHERZ-Riff mit einem epochalen Chorus, in dem knallhart mit allen Sünden und eigenen Fehlern abgerechnet wird und gibt dabei klar die Richtung vor – ohne großes Gelaber wird der Finger direkt in die Wunde gelegt. „Der König Der Dummen“ ist einer der härtesten Songs des Albums und kommentiert ungeschönt Verschwörungstheoretiker und Aluhutträger, während „Alles Arschlöcher“ vor niemandem Halt macht. Neben Synthie-Melodien, elektronischen Einflüssen und starken Texten bereichert auch eine neue Punk-Attitüde das Album, welche auch bei dem Track „Engelsgesicht" zu hören ist. Letzterer entwickelt mit Abstand das höchste Hitpotential und schließt thematisch an Klassiker wie „Jagdzeit“ und den legendären Hit „Miststück“ an. Abgerundet wird das Album durch ruhigere und emotionalere Töne in den Songs „Kannst du den Himmel sehen“ und „Auf dem Weg zur Sonne“, die aber trotz balladesker Stimmung nur so vor Kraft strotzen. In Teufels Namen ist zweifellos eine geballte Faust, die deutlich macht, dass MEGAHERZ auch nach drei Jahrzehnten ein mächtiges Wort mitzureden haben, wenn es darum geht, der Szene ihren Stempel aufzudrücken!
Kritik: „Rabenherz, flieg' für mich
Trag' meine Träume aus der Nacht ans Licht
Rabenherz, flieg' für mich
Trag' meine Träume und vergiss mich nicht!"
Alles beginnt mit einem typischen, einprägsamen Riff. Es tönt zunächst wie von mehreren Schichten dicker Watte gedämmt irgendwo aus dem fernen Hintergrund. Unscharf. Weit weg. Doch nur wenig später verändert ein kurzer, doch effektiver Drop plötzlich alles und so wird sich dem anfänglichen Stilmittel fortan schnell entledigt. Jetzt scheppert es gar mächtig aus den Boxen: Der Sound formt sich aus der drückend zermalmenden Kraft des rhythmisch pochenden Schlagzeugs, einem tiefgestimmten Bass und herrlich rauen E-Gitarren, denen sich dezent eingesetzte Synthie-Spitzen fügen, die sogleich eine düstere Atmosphäre auferstehen lassen. Klassische, pure NDH-Magie! „Ich wünsche mir ein Leben im Überfluss. All die Banner und Propheten reden doch nur Stuss! Ich glaube an die Kirche, ihre Institution. Ich bete jeden Tag für lange Absolution. Kleine Kinder zu verführen, ich schaue einfach weg. Jemand anders räumt schon auf, ich lebe gerne im Dreck. Ich habe keine Werte, darum glaub‘ ich an dich. Weil du ohne Reue einfach alles versprichst!“, beginnt Alexander „Lex“ Wohnhaas die erste Strophe im schnellen Sprechgesang, während flackernde Elektronik unter seiner signifikanten Stimme bebend zirkuliert. Sowohl die unvergleichliche Art seiner Intonation als auch die ungemein dichte Stimmung und der bissige Zynismus dürften langjährige Hörer frappierend an das großartige Album „Heuchler“ aus dem Jahr 2008 und Songs wie „Fauler Zauber“ erinnern. „Meister, Meister, erfüll‘ uns jeden Traum. Wir haben nichts zu fürchten, wir müssen nur wegschauen…“, heißt es in der angespannt brodelnden Bridge, bevor diese sich dann in einer wahren Eruption entlädt, wenn Wohnhaas nun mehrmals den Namen des aktuellen Titeltracks, „In Teufels Namen“, keifend in unsere Ohren brüllt, welcher sich alsbald mit einer erneuten Wiederholung der vorausgegangenen Worte zum wütend donnernden Refrain erbaut. „Homo homini lupus“ oder auch „Der Mensch ist des Menschen Wolf“: Immerzu angetrieben von einem schier unersättlichen Hunger und der unstillbaren Gier nach noch mehr Erfolg, Ruhm und Macht pushen wir unser bröckelndes Ego, indem wir unsere Mitmenschen kleinmachen, die Augen mit größtmöglichen Scheuklappen verschließen und für den eigenen Profit lügen und betrügen. Wir gehen mit ausgefahrenen Ellenbogen nur zu gerne über Leichen, längst nicht mehr nur sprichwörtlich. Niemand ist mehr frei von Schuld und so können wir weder einen Gott, noch einen Höllenfürsten für unsere erbärmlichen Taten verantwortlich machen. Wir sind seit jeher unsere ganz eigenen Teufel und vertreiben uns mehr und mehr selbst aus dem Paradies… Ein hauchfeines Klangspiel leitet danach „Rabenherz“ ein, das direkt einen gänzlich differenzierten Weg nimmt: Die ruhigen Strophen sind durchgängig im merklich gedrosselten Tempo gehalten, die Instrumentierung sehr zurückgenommen und beruhigt. Pointiert eingesetzte Drums und die vorsichtig grundierende Synth-Basis tragen die markante Stimme von Wohnhaas und geben ihr viel Raum zur Entfaltung: „Ich lass‘ dich los, ich geb‘ dich frei. Und nun flieg‘ in die Ewigkeit. Rabenherz, flieg‘ für mich. Trage meine Träume aus der Nacht ans Licht. Rabenherz, flieg‘ für mich. Trage meine Träume und vergiss mich nicht!“. Der schwelgerisch powernde Refrain voller Wehmut und Fernweh gefällt vor allem durch seine malerisch schöne Bildsprache, der eine melancholische Poesie anhaftet, die gut passt, jedoch nie zu berechenbar emotional oder gar kitschig wirkt, wie beispielsweise bestimmte Auszüge aus „Zombieland“ oder „Komet“. So gerät das Stück zu keiner Zeit in ein Extrem, sondern findet die richtige Mitte. Diese Power-Ballade offenbart die zarte, sehr viel softere Seite der Herzen, die sie, wenn diese mal zum Vorschein tritt, äußerst gut beherrschen! Etwas unglücklich gewählt ist lediglich die Position an zweiter Stelle in der Tracklist, womit die eingangs aufgebaute Stimmung unnötig gebremst wird. Ach ja, „Megaherz“ und die Frauen… Schon seit Mitte der Neunzigerjahre unter Alexander Wesselsky besteht zwischen den Münchnern und dem weiblichen Geschlecht in lyrischer Hinsicht eine augenzwinkernde Fehde der Hassliebe, wie diverse illustre Songs, allen voran natürlich das obligatorische „Miststück“, aufzeigen. So stehen stereotype Charakteristika in der Beziehung zwischen Mann und Frau hier ebenso gerne im Vordergrund, wie auch das charakteristische Anziehen und Abstoßen im klassischen Balzverhalten sowie das stete Spiel mit Gegensätzen. Neben Liebe, Begehren und Körperlichkeiten sind unumstößliche Nebenerscheinungen wie Lügen und Untreue auf beiden Seiten da praktisch inkludiert. Ein durchaus beliebtes Thema in der Neuen Deutschen Härte! Auch das von einem treibenden, catchy groovenden Gitarren-Riff dominierte „Engelsgesicht“, die zweite Single des neuen Studioalbums, nimmt sich da keinesfalls aus. Rein inhaltlich gemahnt man hier klar an „Jagdzeit“ von „Götterdämmerung“, wenn der trügerische Einfluss der ach so unschuldigen Weiblichkeit nur zu gerne mal wieder die männlichen Sinne und Instinkte vernebelt, was nicht selten ein böses Erwachen nach sich zieht. Zugegeben, hier trieft aus den Lyrics ein wenig plumpe Stammtisch-Maskulinität heraus, doch gehört diese irgendwie zum Genre fest dazu, zumal die Herren der Schöpfung unter anderem bei „Liebestöter“ ja auch ebenso (verdient) ihr Fett wegkriegen. Heuer besticht der extrem eingängige Song vor allem durch seine wirklich tolle Rhythmik in den Strophen, welche sehr vom Zusammenspiel aus Gesang und den dezenten Synthies profitieren, die im weiteren Verlauf eine gelungene, organische Dynamik entwickeln. Trotz einem etwas reduzierten, doch immer noch gerüttelten Maß an Härte schwingt hier eine gewisse Leichtig- und Poppigkeit mit. Auch der Chorus fällt dann arg simpel aus, lädt genau damit jedoch rasend schnell zum Mitsingen ein. Eine ziemlich gelungene Nummer, die ordentlich Laune macht! Es folgt arcadiges Fiepen mit viel Retro-Charme. Dann setzt Wohnhaas unvermittelt ein: „Für mich gibt’s keine Barrikaden… Ich akzeptiere kein „Nein“… Werde alles hinterfragen… Niemand hält mich klein… Ich breche alle eure Regeln, sie existieren für mich nicht. Ich überschreite jede Grenze, nehm‘ die Kür statt der Pflicht!“, singt er, während es hörbar angespannt brodelt. Seine angriffslustige Stimme wird in den Strophen immerzu von donnerndem Stakkato-Drumming und nervös flackernden Synthies gebrochen. Nur wenig später spielen sich auch die rauen Gitarren mehr in den Vordergrund. Ja, „Freigeist“ macht von Anfang an keinen großen Hehl aus seiner musikalischen Ausrichtung und noch sehr viel weniger aus seiner inhaltlichen Prämisse: „Das Leben ist zu kurz, um leise zu sein. Ich lass‘ mich nicht verbiegen, niemand hält mich klein!“. Klare Ansage, oder!? Der sofortig mitreißende Refrain sprüht dann nur so voller Energie und kommt einem wahren Befreiungsschlag gleich, stets von verzerrten Echo-Rückkoppelungen als Backing Vocals begleitet. Die Herzen skandieren die große Kunst der Selbstbestimmung, für die eigenen Überzeugungen einzutreten und gerne unbequem zu sein. Was dabei einmal mehr äußerst positiv heraussticht, ist die enorm ausgeprägte Rhythmik, die Melodie und Gesang in einen fantastischen Flow versetzt. Wirkte auf „Komet“ manch ein Song musikalisch merkwürdig uninspiriert und zudem etwas flach, zeigt man sich hier deutlich spiel- und experimentierfreudiger, was man ganz deutlich raushört - Sehr gut! Einatmen. Ausatmen. Innehalten. Ein wohltuender Ruhepol. „Kannst Du Den Himmel Sehen?“ markiert die erste und einzige reinrassige Ballade des aktuellen Albums, welche die meiste Zeit hauptsächlich von einem sehr natürlichen, unaufgeregt gediegenen Riff und sehr dezenten Chören getragen wird. „Komm mit mir mit auf diesen Flug. Wir wollen der Welt hier entfliehen. Halt’ dich gut fest, ich habe das Steuer in der Hand. Mach’ das Herz auf und dann frag‘ ich dich…“, heißt es da nur, bevor es auch schon in den sphärisch vorgetragenen Hauptteil geht: „Kannst du den Himmel sehen? Trotz der Wolken über uns? Kannst du die Sonne spüren? Im tiefsten Abgrund? Siehst du den Horizont? Er liegt direkt vor uns. Wir fliegen der Sonne entgegen… Ins Licht! Kannst du den Himmel sehen?“. Das recht schnörkellose Stück lebt von seiner intimen Schwermut und gleichwohl auch positiv knisternden Energie, die nicht lange benötigt, um auf den Hörer überzuspringen und unterstreicht, dass es da trotz so manch schwarzer Wolke mehr gibt und immer irgendwo ein kleines Licht scheint, für das es sich durch jeden noch so großen Sturm zu fliegen lohnt. Es gilt nur, die Welt und das von Menschenhand gemachte Chaos für wenige Minuten auszublenden, sich zu besinnen und in Richtung Freiheit abzuheben. Zumindest hin und wieder. Verquere Fanfaren ertönen, aufgescheuchte Pferde wiehern wie völlig von Sinnen und galoppieren eilig davon. Gekreuzte Waffen, Stahl trifft auf Stahl, Schreie des Aufruhrs. Panik. Ausnahmezustand. „Die Dummen, sie kommen!“, ruft eine aufgeregte Frau verängstigt. Bereits die kurze Intro-Sequenz im mittelalterlichen Flair lädt mit ihrem gar bitterbösen, zynischen Humor zum Schmunzeln ein… Wenn es denn nicht so traurig wäre! Doch noch bevor man sich jene bizarr vertonte Szenerie länger durch den Kopf gehen lassen kann, raunt Wohnhaas dem Hörer „Attila, Attila!“ ins Ohr, während zeitgleich ein röhrendes Bollwerk aus drückend scheppernden Drums und reißenden Gitarren losbricht und eine stark verzerrte Stimme „Der König der Hunnen“ antwortet… Oder im direkten Kontext zum Titelnamen etwa doch „Der König Der Dummen“!? Ja, den Herzen sitzt wie immer der Schalk ganz dicht im Nacken und dennoch soll es nicht bei diesem doppelbödigen Wortspiel allein bleiben. Hier erwartet die Hörer erneut ein massiver NDH-Hammer der alten Schule, der klar vom harten Schlag- und Saitenwerk dominiert wird, dazwischen fiept energetische Elektronik. In extrem bissig getexteten Zeilen rekonstruieren „Megaherz“ hier die vergangenen Pandemie-Jahre, welche das Land in mindestens zwei Lager aufteilten und teils abstruse Blüten in Form wilder Verschwörungstheorien in gefährlichem Ausmaß trieben. So singt man hier in den zwei Strophen von Chips, die unter die Haut gepflanzt werden, allerhand Theorien über Bill Gates und Völker-Selektion aus dem Labor, neuer Weltordnung und dem Untergang, von Echsenmenschen, unter Tage gefangenen Kindern als Adrenochrom-Spender, Alien-Invasionen und natürlich auch Telegram-Gruppen. Dem wird bald mit „Und du bist der König der Dummen, wenn du diesen Scheiß glaubst!“ und „Der Hass auf die da oben lässt den Koch zu einem König werden. Er braucht keine Krone, er trägt den schönsten Aluhut auf Erden!“ entgegnet, bevor direkt darauf wieder der „Atilla, Atilla!“-Ruf folgt. Zunächst erwartet man hier nun also die Bridge, die sich jedoch als viel zu kurzer, ziemlich abrupt endender Refrain herausstellt, der leider komplett hinter den durch die vorherigen Volltreffer-Songs hochgeschraubten Erwartungen zurückbleibt. Diesen hätte man wohl deutlich druckvoller, wütender und martialischer erwartet, doch so fällt der Song viel zu plötzlich ins Eingangsprinzip zurück und trägt sich weiter fort - arg schade! Daraufhin wird man in der zweiten Strophe sogar noch viel deutlicher, indem man etwa Michael Wender oder Xavier Naidoo namentlich nennt. Zwischen allerlei höhnisch eingesetzten Samples aus TV-Sendungen und Co. machen „Megaherz“ also keinen Hehl aus ihrer klaren Haltung und werden wie zuletzt schon auf „Komet“ mit Stücken wie „Horrorclown“ und „Nicht In Meinem Namen“ offensiv politisch. Das wird, wie erste Reaktionen in den sozialen Medien bereits jetzt zeigen, ganz sicher nicht jedem Fan gefallen und so stellt sich einmal mehr die Frage, inwieweit Musik und Kunst generell subjektiv politisch sein darf oder vielleicht sogar muss? Definitiv ein äußerst mutiger Song, der zwar lyrisch punktet, jedoch musikalisch leider nicht sein gesamtes Potential voll ausschöpft und sich eher auf seiner vordergründig bollernden Härte ausruht, dabei aber den Fokus auf Steigerung streifen lässt. Nichtsdestotrotz sehr solide! Undefinierbares Rauschen. Irgendwo aus dem entfernten Hintergrund dringt eine leise Melodie an die Ohren. Sie loopt, wird jetzt allmählich deutlicher und dabei immer lauter. „Vergiss mich nicht…“, flüstert eine sonderbar entfremdete Stimme leise, bevor dann der sinistre Beat droppt und sich schließlich in einer extrem bedrohlich perlenden, leicht disharmonischen Electro-Weise manifestiert. Die durchweg finstere, klaustrophobische Stimmung nimmt den Hörer so wie in einem Spinnennetz erbarmungslos gefangen und lässt ihn mit zunehmender Dauer einfach nicht mehr los, während er sich immer mehr in den dichten Fäden verheddert. Auch die generelle Thematik vom scheinbar schmerzlichen Ende einer Beziehung, folgendem Liebeskummer mit selbstzerstörerischen Folgen bis hin zu versuchtem Suizid ist nicht minder düster und wird dem Rezipienten durch den eindringlichen Text erschreckend intensiv nahegebracht. „Ich beiß‘ auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeck‘. Ich drück‘ die Scherben in die Haut, dann ist der Schmerz weg. Das Amulett, das du damals schon getragen hast, schnürt mir die Luft ab… Ich lieg‘ im Eisbad!“ oder auch „Der Kopf so lange unter Wasser, bis die Lunge sticht. Ich zieh‘ den Gürtel enger zu, bis der Atem bricht.“, führt Wohnhaas in den Strophen diverse Versuche der Selbstverletzung aus, die den sehnlichen Todeswunsch des lyrischen Ichs immer stärker unterstreichen. Schmerz zufügen, um Schmerz zu bekämpfen. Feuer mit Feuer. Vergessen unmöglich. Schmerz zufügen, um überhaupt noch etwas fühlen zu können. Alles taub. „Weil nur eine Wunde die alte schließt und ich mein Blut dafür vergieß‘!“, wie es gegen Ende so schockierend heißt. Letzte Rettung: „Amnesie“… Tiefschwarz. Hochemotional. Erschreckend verletzlich. Und vor allem sowohl musikalisch als auch gesanglich wirklich grandios interpretiert! Ein gefiltert knurrendes Riff schraubt sich zum sekündlich anschwellenden Beat aus dem unscharfen Hintergrund erst langsam nach vorne, bis eine roboterartige Vocoder-Stimme kurz und knapp den Titel skandiert: „Alles Arschlöcher“! Die erste Vorab-Single des neuen Albums präsentiert sich von vornherein als powernd pumpender Mid-Tempo-Banger ohne große Schnörkel, sodass die eindeutige Botschaft auch unvermittelt beim Endverbraucher ankommt. Die brachiale NDH und melancholischen Goth-Elemente weichen nun einem ziemlich toughen Deutsch-Rock-Gewand, welches zwar ordentlich Dampf macht, durch die Hinzunahme elektronisch knisternder Zwischentöne und viel lässigem Groove jedoch nie zu rau daherkommt und damit durch die Bank weg melodiös bleibt. Der Live-Faktor zum rhythmischen Mitklatschen und befreiten -grölen ist bereits inkludiert. Zugegeben, das alles wirkt zunächst ungewohnt, funktioniert aber. Allen voran auch deswegen, weil der megaherz‘sche Duktus quasi permanent beibehalten wird. Hier setzt es nämlich unverblümt deutliche Worte in teils sehr direkter Formulierung an die jeweiligen Adressaten, die alle verdient ihr Fett wegbekommen: Scheinheilige Banker, die sich nur weiterhin an den Armen bereichern wollen. Verlogene Politiker, die sich mit falschen Versprechen ihre Stimmen erschleichen. Omnipräsente Besserwisser und zündelnde Alles-Hasser. Radikale und Rassisten. Alte weiße Männer und Genderisten. Sie treffen aufeinander und schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein. Eine andere Meinung? Wird nicht toleriert. Jede Weltanschauung, die auch nur im entferntesten abweicht, wird zum Feinbild erklärt. Und das alles, während dazwischen die Verschwörer und selbsternannten Heilsbringer diese Gelegenheit direkt zum puren Selbstzweck beim Schopfe ergreifen und zur scheinbar großen Revolution aufrufen… Wenn Hass auf Hass trifft, bleibt am Ende nur verbrannte Erde zurück. Geholfen ist damit sicher niemandem. „Ja, bin ich bekloppt oder ist es wahr!? Jeder Depp macht hier auf Superstar. Keiner, der dem Anderen Beachtung schenkt, weil jeder nur noch an sich selbst denkt. Tut so viel Dummheit denn nicht weh!? Egal, wo ich bin, wohin ich seh‘… Alles Arschlöcher!“, dröhnt es dann im ebenfalls sehr eingängig gehaltenen Refrain aus den Boxen und trifft voll ins Schwarze. Jegliche Moral bleibt dem übergroßen und immer riesiger werdenden Ego zuliebe auf der Strecke, das eigene Gewissen längst abgetötet. In dieser Ellenbogengesellschaft zählt nur, sich selbst der Nächste, Erste und Beste zu sein, der sich zum Leidwesen seines Gegenübers nur mit dem größten Stück vom Kuchen begnügt… Auch wenn der Rest kläglich verhungern muss.
Der ungezügelten Misanthropie wird dann auch im nachfolgenden Stück weiterhin lustvoll gefrönt: „Menschenhasser“. Die anfänglich dunkel brodelnden Soundlandschaften werden hier kurzerhand von einem mächtig losholzenden Riff-Geballer voll zermalmender Schwere abgelöst, fein garniert mit einem gehörigen Industrial-Metal-Einschlag, der sich wirklich gewaschen hat. In den drückend gepressten Strophen zucken derweil wabernde Synthie-Spitzen, die später im Refrain noch als schrill aufheulendes Pendant wiederkehren sollen. „Ich bin nicht zynisch, nein! Bin gar nicht vulgär. Ich bin nur sehr direkt. Es fällt mir wirklich schwer, mich zu zügeln, mich zu bremsen, also werd‘ ich gerne laut. Ich kann nichts dafür, weil mein Herz das gerade braucht. Eurer Probleme bin ich leid, ich habe keine Zeit! Die Welt wär‘ so schön, müsst‘ ich euch nicht sehen…“, giftet Wohnhaas in bester Oldschool-Tradition nur so drauf los und erinnert in seiner hämischen, angewiderten Intonation gleich an das fantastische „Prellbock“ und ähnlich geartete Konsorten aus dem megaherzlichen Repertoire. „Niemand liebt mich… Niemand braucht mich… Ich hasse! Ich hasse!“, wird dann in der knackig kurzen Bridge, die um ein unterschwellig-doppelbödiges Augenzwinkern bei genauerem Hinhören nicht verlegen ist, kehlig geshoutet, bevor der Chorus wieder mit dem eingangs eingeführten Riff grollt. Dieser besteht, klassisch NDH, nur aus der wütend tobenden Wortwiederholung des Titels und bleibt damit ähnlich vorhersehbar und überraschungsarm wie schon „Der König Der Dummen“. Dieser Fakt schmälert die ansonsten wirklich gute Nummer leider ein wenig, ist zum Dampf ablassen jedoch genau richtig. Das sich nahtlos anschließende „Ich Hasse (Epilog)“ markiert, wie der geklammerte Zusatz schon verrät, viel mehr eine Art Outro, als einen eigenständigen Song. Wenngleich sehr konträr zur metallisch stampfenden Ausgestaltung seines direkten Vorgängers gehalten, greift jenes kurze Intermezzo in weiten Teilen die entsprechende Bridge in leicht abgeänderter Form nochmals auf und paart deren Zeilen mit einer klagend getragenen Klaviermelodie. Endspurt: Ein behutsamer Beat pocht organisch-rhythmisch, wie das tapfer pulsierende Herz(stück) dieses letzten Songs. Dazwischen flammen immerzu helle Piano-Salven befreiend auf, bis sich dann schließlich elegant zurückgenommene Streicher an jenes Fundament schmiegen, abgerundet von hauchfeinen Samples. Nach wenigen Sekunden steigt die Dramaturgie hörbar an, wenn plötzlich Percussion-Fragmente durch atmosphärische Dichte hindurch brechen und das elegische Cello eine betörend-bestärkende Melodie formt. „Ich erzähl’ dir ganz sicher nichts Neues. Diese Welt ist oft kein guter Ort. Es gibt Freunde und viel mehr Feinde und selbst die Freunde brechen ihr Wort…“, beginnt Wohnhaas nachdenklich mit gedämpfter Stimme. Derweil zeigt sich die musikalische Ausgestaltung wieder um einiges minimalistischer, besticht aber dennoch mit wunderbaren Details, wenn hier Trommeln, Strings und Electro-Einschübe kurz hervorlugen. Sie halten die knisternde Spannung mühelos und lassen gefangen den Atem anhalten, bis eine abermalige Steigerung in epochale Gefilde mit der perfekt inszenierten Bridge an Fahrt aufnimmt: „Ich steh’ wieder auf mit einem Lächeln im Gesicht. Jeder Schlag eine Lektion an der mein Wille nicht zerbricht. Ich bin auf dem Weg, auf dem Weg ins Licht. Komme was wolle…“, singt er. Der wirklich wunderschöne Text kommt aufrichtig daher und gefällt vor allem in der zweiten Strophe mit sehr schönen Zeilen wie „Mach dich nicht klein, um auf Augenhöhe zu sein…“ oder „Geh‘ nicht zurück, nur um auf einer Stufe zu stehen!“. Im kraftvollen Refrain spielen sich die Streicher energetisch in neue Sphären, zudem wird dieser hier einmal mehr enorm überzeugend intoniert und um stimmungsvolle Echo-Effekte angereichert. Es geht darum, trotz aller Rückschläge im Leben den Mut nicht aufzugeben, seine Ziele zu verfolgen und hungrig wie am ersten Tag nach dem eigenen Glück zu streben. Sicher, weder die Thematik an sich noch die angewandte Metaphorik sind wahnsinnig innovativ oder gar neu, nur werden diese so emotional treffsicher in die jederzeit großartig ausgeklügelte Instrumentierung eingebettet, dass es eine wahre Freude beim Hören ist. Dieses spezielle Gefühl vermitteln „Megaherz“ so unbändig bestärkend, wie es eben nur geht, ohne in irgendeiner Weise in abgedroschenen Pathos zu verfallen. „Auf Dem Weg Zur Sonne“ ist ein Song, der beständig irgendwo zwischen Mid-Tempo-Rocker und Power-Ballade pendelt und dabei mit enorm klug miteinander verwobenen Einflüssen detailreich aufwartet, die einen ungemein runden und dynamischen Aufbau gewährleisten, welcher sich durchgängig bis zum eruptiven Klimax hält und schlussendlich ein majestätisch krönendes Finale bildet. Keine Frage: Eine wahre Once-in-a-lifetime-Ballade!
Tracklist:
01. In Teufels Namen
02. Rabenherz
03. Engelsgesicht
04. Freigeist
05. Kannst Du Den Himmel Sehen?
06. Der König Der Dummen
07. Amnesie
08. Alles Arschlöcher
09. Menschenhasser
10. Ich Hasse (Epilog)
11. Auf Dem Weg Zur Sonne
Fazit:
Über fünf lange Jahre hat es gedauert, doch jetzt ist es endlich soweit: „Megaherz“, eine der bekanntesten und dienstältesten Gruppierungen der NDH, sind endlich wieder zurück… Und wie! Dabei war ein teuflisch guter Volltreffer diesen Formats gar nicht mal unbedingt abzusehen. Auf den bisherigen Diskographie-Peek „Zombieland“ in 2014, ein absoluter Mega-Seller mit deutlich kommerzieller(er) Ausrichtung, folgten erst lange Jahre der schier unermüdlichen Touren quer durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, über zahlreiche Festivals bis hin zum Support für die damaligen Chartstürmer „Unheilig“. Mit entsprechend geballter Spannung wurde der direkte Nachfolger „Komet“ also erwartet, welcher den Erwartungen jedoch nicht so recht Stand halten konnte. Zu zerrissen, farblos und generisch wirkte das Gesamte rückblickend. Vielleicht auch, weil man dem 2018er-Werk an vielen Ecken und Enden die großen Bemühungen anmerkte, es sowohl den neu hinzugekommenen als auch alten Fans besonders recht machen zu wollen, wodurch sich das Endergebnis aber nie so ganz zwischen Zugänglichkeit, Hymnenhaftigkeit und Härte zu entscheiden wusste. Das mündete unterm Strich in einer ungewohnt handzahmen Handbremsen-Limitierung in so ziemlich alle erdenklichen Richtungen, für welche die sonst so rau tönende Band sicher nie bekannt war, und verblieb zwar immer noch sehr solide, doch begeisterte am Ende keine Seite so ganz. Trotz zwei Tour-Parts und dem ein oder anderen Gig auf den üblichen Großveranstaltungen fielen die anschließenden Live-Aktivitäten vergleichsweise abgespeckter aus. Und dann: Funkstille. Pandemie. Noch mehr Funkstille. Bis auf vereinzelte Regungen im Social-Media-Sektor traten die Herzen erst Anfang 2022 mit zwei kleineren Club-Shows in den von weniger strikten Auflagen geplagten Niederlanden wieder in Erscheinung. Ende Mai dann plötzlich die angekündigte „Mega Überraschung“ in Form eines kleinen Videos, über deren Inhalt in der treuen Fangemeinde schon länger hoffend spekuliert wurde: Ein brandneues neues Studioalbum… Und die quälend lange Wartezeit soll sich wirklich gelohnt haben, denn mit „In Teufels Namen“ zeigen sich „Megaherz“ tatsächlich so dermaßen wandelbar und vielfältig wie noch nie zuvor! Dabei betrifft der Facettenreichtum gleich zwei Seiten: Zum einen wäre da die musikalische Ausgestaltung der zehn Songs samt kurzem Epilog, welche die oft so eng gesteckten Grenzen des Genres nahezu perfekt auslotet, diese jedoch gleichzeitig nicht überstrapaziert und den Sound damit etwa in die entfremdete Unkenntlichkeit verrückt. Will heißen, hier wartet eine wahrlich breite Palette auf die Hörerschaft. Angefangen bei unbarmherzig hart walzenden NDH-Peitschen wie dem Titeltrack, „König Der Dummen“ oder „Menschenhasser“ und grenzgängerischem Deutsch-Rock auf aktuellem Top-Niveau mit „Alles Arschlöcher“, über äußerst gelungene Experimente der Marke „Amnesie“ bis hin zu sanften Balladen („Kannst Du Den Himmel Sehen“) und epischen Hymnen bei „Rabenherz“ oder „Auf Dem Weg Zur Sonne“. Zum anderen wäre da natürlich noch die exzellente Definition des überraschend breit gefächerten und voluminösen Sounds an sich, die sich im genau richtig austarierten Kernelementen im organischen Zusammenspiel bemerkbar macht. Die schlüssige Einbindung der sehr abwechslungsreichen und diesmalig stark präsenten, doch niemals zu inflationär eingesetzten, Keys und Synthies harmoniert absolut fantastisch im engen Kontext mit Schlagzeug, Bass und E-Gitarren, sodass der gesamtheitliche Sound nur so vor lauter Details, kleinen Kniffen und atmosphärischen Akzenten strotzt. Auf diese Weise wird eine nahezu perfekte Balance geschaffen, die bei jedem einzelnen Song wirklich hervorragende Melodien und eine ganz wunderbare Dynamik entstehen lässt, welcher man den letzten Schliff anmerkt. So klingen „Megaherz“ anno 2023 vertraut und zugleich doch wunderbar frisch, vereinen Alt und Neu. Hier kommt ganz sicher jeder auf seine Kosten und das bestimmt nicht zu wenig. Na, wenn das mal nicht mit dem Teufel zugeht!
Informationen:
http://www.megaherz.de
https://www.facebook.com/OfficialMegaherz/