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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

M'era Luna Festival - Tag II - Flugplatz, Hildesheim - 13.08.2017


Veranstaltungsort:

Stadt: Hildesheim, Deutschland Location: Flugplatz Kapazität: ca. 30.000 Stehplätze: Ja Sitzplätze: Nein Homepage: http://www.meraluna.de

Sonntag, 13.08.2017 - Mera Luna Festival - Tag II:

Als das Taxi nach nur etwa zehn Minuten endlich auf der langen Hauptstraße einbiegt, ich dem Fahrer das Geld überreiche und anschließend aussteige, hellt sich meine Laune deutlich auf. Anders, als noch am vorherigen Tag, ist von erneuten Regenfällen keinerlei Spur, wenngleich der Himmel noch immer so grau wie zuvor ist. Ich schultere meine Tasche und mache mich langsam auf den Weg zum ersten Gate an den Campingplätzen, an welchem mein Bändchen vorab kontrolliert wird. Der Morgen ist jung und noch ist es verhältnismäßig ruhig auf dem gesamten Gelände. Vereinzelt sieht man jetzt einige Gäste langsam aus ihren Zelten hervorkommen und sich für den zweiten Tag vorbereiten. Der vergangene Abend hat seine Spuren hinterlassen, wie der schlammige Boden deutlich zeigt. Alles ist sichtbar durchnässt und durch das schlechte Wetter in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Unterkünfte auf den Wiesen wollen sichtlich ebenso wenig trocken werden, wie meine Kleidung im Badezimmer des Hotels. Zu beneiden sind die Camper an diesem Wochenende wahrlich nicht. Umso beeindruckender, dass sich keiner von ihnen dadurch auch nur annähernd die Laune verhageln lässt. Ich gehe ein Stück weiter und sehe schon einige andere, für den nahenden Einlass bereit, in humanen Warteschlangen an den Portalen für die Kontrollen stehen. Obwohl es noch relativ früh ist, konnten sich schon einige Besucher dazu aufraffen, sich vor dem Hangar oder im Infield zu versammeln, um uf ihren favorisierten Künstler zu warten. Vergleichbar übermüdet, wie ein Großteil der übrigen Besucher, schlendere ich gemächlich über den vergleichsweise leeren Flugplatz und finde mich mit einige anderen vor der Mainstage ein, auf welcher das schwarz-bunte Treiben schon in wenigen Minuten weitergeht...


Mainstage, 11.00 Uhr - Johnny Deathshadow:

Den Anfang machen an diesem Morgen "Johnny Deathshadow", die zuletzt mit den silbernen Herrschaften von "Stahlmann" durch die Lande tourten und dadurch von sich reden machten. Die Band, die in ihren Anfängen zunächst als Horrorpunk-Tributeprojekt mit reinen Cover-Songs geplant war, gründete sich 2010 in der Hansestadt Hamburg. Schnell war der Weg zur Eigenständigkeit gefunden, an die Ursprünge erinnert heute nur noch das stilistisch markante Totenschädel-Make-Up der vier Musiker. Drei Jahre später debütierte man dann mit der ersten EP "Blood & Bones", "Dead End Romance" fungierte 2014 als reine Single. Die Hanseaten sehen sich selbst als nationale Vertreter des Industrial Metal und sogenannten Death Rock, demnach gibt es allein schon mit dem Opener "Shadow" so einiges auf die Ohren. Mit "Bleed With Me" folgt der Titeltrack des gleichnamigen Albums, welches im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Schlagzeuger Sascha Meier, Bassist Daniel Meier, Gitarrist Eike Cramer und Sänger Jonathan Schneider haben die Zuschauer mit Tracks wie "Sleeper" oder "Ghost" schnell in der Hand, überzeugen mit einer durchweg sicheren Performance und harten Melodien. Mit "Kill The Lights" biegt sich das Quartett dann schließlich auf der Zielgeraden ein. Auf ein baldiges Wiedersehen!

Mainstage, 11.35 Uhr - Schwarzer Engel:

Genauso metallisch wie der junge Morgen gerade eben noch begonnen hat, geht es jetzt im angesetzten Timetable der Mainstage weiter. Der folgende Künstler ist in der schwarzen Szene schon lange kein Unbekannter mehr und so verwundet es auch nicht, als sich das Infield langsam aber sicher mit mehreren Besuchern füllt. Wer bis gerade eben noch den Schlaf der letzten Unwetternacht aufholen musste, steht jetzt eventuell schon wieder vor der großen Bühne, um "Schwarzer Engel" in Empfang zu nehmen. Das vor rund zehn Jahren von Frontmann Dave Jason ins Leben gerufene Projekt, spielte bereits 2013 und 2015 auf dem Mera Luna und konnte seitdem einige neue Fans gewinnen. Als sich mit "Es Öffnen Sich Die Tore..." vom aktuellen Epos "Imperium II - Titania" die Türen in die düstere Welt des Krähenfürsten öffnen, ist brachialer Dark Metal mit satter Gothic-Note garantiert. Das finstere "Schwarzkunst" schwenkt danach zum ersten Teil der konzeptionell angelegten Erzählung zurück, "Himmelwärts" hingegen katapultiert wiederum in die Gegenwart und schließt den thematischen Kreis. Die Live-Band aus Schlagzeuger Ben Hell, Bassist Bert Oeler, sowie den beiden Gitarristen Vincent Hübsch und Timo Joos spielt sich zu den hart walzenden Stücken mit melodiöser Schlagseite immerzu in Rage, Jason agiert passend zu den vergangenen Cover-Artworks in goldener Legionärsrüstung. Ganz gleich ob "Geister Und Dämonen" und "Ritt Der Toten" von den einstigen Anfängen oder gar das peitschende "Schwarze Sonne" aus dem viel beachteten Album "Aus Brennenden Himmeln": Die explosive Mischung aus Neu und Alt kommt bei Fans und Neulingen gleich gut an, wie ein flüchtiger Blick in die Reihen offenbart. "Psycho-Path" und "Königin Der Nacht" bilden dann nach einer halben Stunde bester Unterhaltung das Finale. Das Mera Luna hat die Feuertaufe für den heutigen Tag also bestanden und ist gerade erst so richtig warm gelaufen. Weiter geht's!

Mainstage, 12.20 Uhr - Darkhaus:

Nun gibt es, wie sich vom Bandnamen her eventuell schon ein wenig ableiten lassen könnte, feinsten Dark Rock zu hören. Die internationale Formation, die sich erst 2011 im schottischen Livingston gründete, ist in ihrer Besetzung wohl einer der multikulturellsten Acts des diesjährigen Festival, stammen ihre Mitglieder doch aus den USA, Schottland, Österreich und Deutschland! Einen Namen haben sich die fünf Herren unter anderem als Support von Bands wie "Subway To Sally" machen können, ihr grundsolides Debüt schlug sofort wirksam ein. So ist es kein Wunder, dass es mächtig Applaus gibt, als Schlagzeuger Paul Keller, Bassist Gary Meskil, die beiden Gitarristen Marshall Stephens und Rupert Keplinger, bekannt durch sein Engagement an den Saiten bei "Eisbrecher", wie auch Sänger Ken Hanlon zum Opener "All Of Nothing" die Bühne entern. Das folgende "After The Heartache" ist dann auch direkt der zweite Song vom aktuellen Longplayer "When Sparks Ignite", welcher im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Danach geht es mit "Grace Divine" erstmal wieder zurück zum Erstling, bevor "Providence" einen musikalischen Einblick in die gleichnamige EP von 2015 liefert. Viel beklatscht ist die melodiöse Power-Ballade "Ghost", welche damals als erste Single samt stimmigem Video fungierte, "Hour Of Need" und "Life Worth Living" werden nicht minder euphorisch aufgenommen. "Breaking The Silence" macht seinem Titel dann abschließend nochmals alle Ehre und lässt die Gäste einen lauten Abriss feiern, ehe "Darkhaus" der Mainstage glücklich strahlend den Rücken kehren.

Mainstage, 13.15 Uhr - Versengold:

Nach dem Dark Rock ist vor dem Mittelalter. So könnte das Credo des zweiten Nachmittags lauten, wirft man einmal einen Blick auf das heutige Line-Up. Tatsächlich tut ein wenig Abwechslung immer gut und so macht ein Großteil der Gäste erst gar keine Anstalten, den Platz vor der Hauptbühne wieder zu verlassen. Der nun aufspielenden Band kann das natürlich nur recht sein. Die 2003 in Bremen aus der Taufe gehobene Formation "Versengold" erfreut sich einer immer weiter steigenden Bekannt- und Beliebtheit und das schon lange nicht mehr nur in der eigenen Genre-Sparte. So können die sieben Musiker Sean Lang, Eike Otten, Alexander Willms, Florian Janoske, Thomas "Pinto" Heuer, Daniel Gregory und Malte "Snorre Snoerkelfrey" Hoyer freudig auf ein vollkommen ausgefülltes Infield blicken, als sie zu "Niemals Sang- Und Klanglos" eröffnen. "Hallo Mera Luna, habt ihr Bock auf 'n bisschen Party-Folk? Dann geht's los jetzt!", erkundigt sich der Sänger zu Beginn bei den zahlreich erschienenen Besuchern. Und ja, Hildesheim hat Bock auf die Musik der sieben Spielleute und das ganz offensichtlich nicht nur ein bisschen, wie das laute Echo aus begeisterten Zurufen unschwer vermuten lässt. "Dankeschön! Herzlich Willkommen zu dem kleinen "Versengold"-Intermezzo hier auf dem Mera Luna. Wir freuen uns, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid und haben richtig Bock mit euch zu feiern. In unserer Musik hat in letzter Zeit immer wieder der Irish Folk Einzug gehalten und mit der neuen Platte, die wir letzte Woche veröffentlicht haben, haben wir uns gedacht, dass wir dem Irish Folk und der wunderschönen Insel einen Song widmen werden.", kündigt Hoyer mit "Verliebt In Eine Insel" eines der aktuellen Lieder an. Das zunächst eher ruhige "Feuergeist" schließt sich an, aber nimmt dann schon wenig später ordentlich an Fahrt auf. "Liebe Leute, das war ein Song von unserer neuen CD "Funkenflug". Wir spielen heute einige davon, unter anderem auch den Nächsten. Dieser hat etwas Besonderes. Zum einen haben wir ihn als erste Single ausgekoppelt, zum anderen hat er eine sehr persönliche Botschaft von uns und in dem Falle auch von mir. Es ist ein nachdenklicher Song, der aber auch eine positive Botschaft hat und im Liedverlauf auch ein bisschen zum feiern einlädt.", lautet dann die Einleitung zum balladesken "Haut Mir Kein' Stein", einem Titel, der trauriger Abschied und eine Ode an das Leben gleichermaßen ist. Ein etwas älterer Song, der, laut eigener Aussage, aber genauso tief aus dem Herzen kommt, ist dann das temporeiche "Spaß Bei Saite", eine Hymne an das Spielmannsleben und auch "Samhain" kommt gut an. Zum Abschluss darf das spaßige "Paules Beichtgang" keinesfalls fehlen, zudem Band und Publikum nun nochmal alle Reserven mobilisieren. "Vielen lieben Dank für dieses wundervolle Konzert! Es ist mittlerweile dreizehn oder vierzehn Uhr und ihr steht alle hier und es ist eine Stimmung wie bei einem Abendkonzert. Vielen Dank, dass ihr Bock hattet, hier mit uns zu so früher Stunde zu feiern. Wir verabschieden uns jetzt von der Bühne und sind nachher noch beim Autogrammzelt. Wer da ein Pläuschchen mit uns halten möchte, kann gerne vorbeikommen. Jetzt gibt es noch einen kleinen Abgesang von uns, weil sich das so gehört!", verabschiedet sich Hoyer im Namen der gesamten Band und geht mit den anderen Musikern sodann zum einem letzten Lied im A-capella-Stil über. Eine von Grund auf authentische, ehrliche und einfach sympathische Gruppe!

Mainstage, 14.15 Uhr - Megaherz:

Einen ungewöhnlich früh platzierten Slot im diesjährigen Running Order haben die bekannten Münchner NDH-Vertreter von "Megaherz" zugewiesen bekommen, die der versammelten Zuschauerschaft auch sogleich unter lauten Maschinengewehr-Salven und dröhnenden Sirenen eindrucksvollen Eintritt in ihre ganz eigene Apokalypse gewähren. Das ambitionierte Projekt, welches 1993 von Szene-Größe Alexander Wesselsky gegründet wurde, mauserte sich schnell zu einem gefeierten Vertreter des damals noch stark kritisierten, polarisierenden Genres und kann sich seither so einige Hits mit Dauerbrenner-Qualitäten auf die schwarze Flagge schreiben. Etwa zehn Jahre später verließen der Gründer und Noel Pix die Band schließlich und gründeten mit "Eisbrecher" ein neues Zugpferd. Nach nur einem einzigen Album unter dem neuen Sänger Mathias "Jablonski" Elsholz, unter anderem bekannt durch "die!", waren mit dem Release von "Heuchler" sowohl ein neuer Frontmann als auch frischer Aufschwung gefunden. Den bisherigen Gipfel dieses Schaffens erreichte das Quartett zuletzt im Jahr 2014 mit "Zombieland", dessen gleichnamiger Titeltrack wie schon bei der zugehörigen Headliner-Tournee auch heute das kurze Set eröffnet. Jürgen "Bam Bam" Wiehler ist der erste Akteur auf der Bühne, Bassist Werner "Wenz" Weninger, sowie die beiden Gitarristen Christoph "Chris" Klinke und Christian "X-ti" Bystron folgen ihm direkt nach und stellen sich fortan dem Kampf gegen die lebenden Toten. Frontmann Alexander "Lex" Wohnhaas stürmt zuletzt auf die Bretter der Mainstage, das Mikrofonstativ in Form eines abgenutzten Baseballschlägers direkt im angriffslustigen Anschlag. Wie bereits zum Ende der brachialen "Götterdämmerung" hin, treten die einzelnen Musiker mit individuell geschminkten Gesichtern auf, was die raue Note und Themen der Songs, die oftmals vor allem die Abgründe des menschlichen Seins behandeln, optisch nur noch umso mehr unterstreicht. So auch beim aggressiv-technoiden "Fanatisch", welches aus der Sicht eines Stalkers erzählt. Mit dem hymnischen "Glorreiche Zeiten" gibt es dann auch einen Song der letzten EP "Erdwärts" zu hören, eine ermunternde Ode an das Leben und bezeichnend für den neuen Stil der Formation. Der harte Brecher "Miststück" ist dieses Mal hingegen überraschend früh in der Setlist gesetzt worden, zählt das aggressive Stück mit den gnadenlos ehrlichen Lyrcis doch nach wie vor zu den größten Favoriten der Fans. Doch wie sich bereits in jüngster Vergangenheit immerzu wieder bemerkbar machte, konzentrieren sich die Herzen lieber auf das Material der seit 2008 mit "Heuchler" angebrochenen Ära. Und so gibt es mit dem gespenstischen "Roter Mond" und der melancholischen Power-Ballade "Für Immer" gleich zwei weitere Stücke des vergangenen Studioalbums zu hören. Erst mit dem plötzlichen Ertönen eines hell dröhnenden Horns und dem Einsatz donnernder Rhythmen geht es wieder zurück in metallischere Gefilde: "Megaherz" rufen zur zünftigen "Jagdzeit" auf weiter Flur! Jetzt kommt nochmals so richtig Schwung in die Reihen vor der Hauptbühne, während Wohnhaas wie ein Derwisch über die Bretter fegt und mit seiner Maskerade wilde Grimassen schneidet, ehe er sich ein letztes Mal an das Publikum wendet. "Dankeschön, ihr seid wirklich der Hammer. Nächstes Jahr Tour, wer kommt alles? Immerhin ein paar... Bringt noch eure Freunde mit, dann wird's richtig schön! Es kommen noch wirklich viele, viele geile Bands, aber lasst uns hier zum Abschluss von unserem Part heute mal diesen Silberstreif am Horizont genießen und diesen blauen Himmel feiern. Stürmt mit uns durch die Wolken ins helle Blau!". Gesagt, getan. Der grandiose Up-Tempo "Himmelsstürmer" vollendet die Show nach knapp vierzig Minuten genauso energiegeladen, wie sie einst begonnen hat. "Danke Mera, das war "Megaherz" für euch. Wir sehen uns im nächsten Jahr auf Tour!". Der Applaus spricht für sich und so können sich die Münchner sehr sicher sein, einige der heutigen Gäste auf ebendieser begrüßen zu können. Wir bleiben gespannt auf 2018... "Die Sachen gepackt, die Turbinen geölt, der Motor läuft, der Blick glasklar!".

Mainstage, 15.20 Uhr - The Crüxshadows:

Nach so viel wütender Saiten-Gewalt ist es nun wieder an der Zeit, um deutlich andere Klänge auf der Mainstage walten zu lassen. Und für ausreichend musikalischen Facettenreichtum ist an diesem Wochenende fürwahr mehr als nur gesorgt. Das weitere Programm bestreitet heuer eine wahre Szene-Institution, die nicht zum oft bemängelten Besetzungskarussell zu zählen ist und deren Auftritte in Deutschland generell eher rar gesät sind, weswegen sich der Platz im Infield erneut recht schnell mit Interessierten füllt. Es geht um "The Crüxshadows"! Die Ausnahmekünstler, die sich 1992 in Florida zu einem gemeinsamen Projekt zusammenschlossen, spielen seither eine ganz und gar einzigartige, experimentelle Mischung aus Synth-Rock, Electro und Pop. Die melodiösen Kompositionen loten durch die besondere Verknüpfung einzelner Elemente stets die Grenzen bereits bestehender Vorgehensweisen aus und lassen sich dadurch ebenso wenig in eine beengende Schublade katalogisieren. Während das bekannte Logo auf schwarz-weißem Backdrop den Hintergrund ziert, betreten Percussionistin Jessica DuPont, Keyboarderin Jen "Pyromantic" Jawidzik, Gitarrist Mike Perez, wie auch die beiden Violinisten JoHanna Moresco und David Wood gemeinsam mit Sänger Rogue das Zentrum des Geschehens. Mit "Helios" und "Singularities (Calling Heaven)" gibt es direkt zwei Vorboten der kommenden Veröffentlichung "Astromythology" zu hören, die Anfang September offiziell erscheint. Obwohl den Besuchern bisher keiner der beiden Titel geläufig sein dürfte, feiern sie das frische Material schon jetzt wie alte Bekannte, von denen es beispielsweise mit dem virtuosen "Valkyrie" nur kurz darauf natürlich auch etwas zu hören gibt. Doch nur wenig später geht es mit "Jupiter" und "Of Angels" wieder in die unbekannten Weiten neuer Klang-Universen. Immer wieder sucht Rouge die Nähe zum Publikum und begibt sich dazu behände auf die Monitorboxen und den Wellenbrecher der ersten Reihe, geht mit seinen treuen Anhängern auf persönliche Tuchfühlung. Diese genießen die energiegeladene Show aus tanzbaren Beats und ruhigen Passagen, zeigen sich bei alten und neuen Songs gleichermaßen begeistert. "Winterborn" und "Birthday" sind an diesem Nachmittag untrüglich die absoluten Hit-Kandidaten, zu welchen sich auch jene mitreißen lassen, die sich nicht zum harten Kern eingeschworener Fans zählen würden. Die Shadows wissen mit einer tadellos angestimmten Liederauswahl, der aktiven Bühnenpräsenz und ihrem unverkennbaren Charme einfach zu überzeugen, auch wenn der Schwerpunkt für eine reine Festival-Show heute vielleicht zu sehr auf bislang Unbekanntem lag. Egal. Allen, die dem neuen Album schon gespannt entgegensehen, dürfte die lange Wartezeit erheblich versüßt worden sein und der ganze Rest der Besucher hatte offenbar nicht minder großen Spaß dabei. Durch "Marilyn, My Bitterness" endet das Set nach gut vierzig Minuten schließlich unter warmen Jubelstürmen.

Mainstage, 16.30 Uhr - Mono Inc.:

Lautes Möwengekreisch ist aus der Ferne zu vernehmen, die Wellen rauschen und schlagen in regelmäßigen Abständen immer wieder atmosphärisch an Land. Die sanften Klänge eines alten Schifferklaviers dringen allmählich hindurch und formen sich mehr und mehr zu einer wohlbekannten Melodie. Unter lautem Applaus erklimmt Schlagzeugerin Katha Mia die hintere Erhöhung und setzt sich an ihr Instrument, Bassist Manuel Antoni und Gitarrist Carl Fornia folgen ihr sogleich. Der Bass pulsiert untergründig und lässt den Boden erzittern, die Fans lassen sich nicht lange bitten und klatschen rhythmisch im nun vorgegebenen Takt. Mit einem lauten Donnerschlag aus den beiden Kanonen vor dem Drum-Set, beginnt die Show mit dem Titeltrack des gleichnamigen Erfolgsalbums "Together Till The End". Frontmann Martin Engler betritt in roter Offiziersuniform die Bühne und dirigiert die Massen vom ersten Ton an. "Mono Inc." sind zurück auf dem Mera Luna und wieder einmal zeigt sich, dass sich die doch recht gewagte Behauptung, es gäbe grundsätzlich immer schönes Wetter, wenn die beliebten Hamburger aufspielen, bewahrheitet. Passend zu den wohl ersten, spürbaren Sonnenstrahlen des Tages, gibt es im Anschluss den feurigen Hit "Arabia" zu hören. Nur eines der vielen Lieder, die mittlerweile so gut wie alle wahren Klassiker-Status in der Szene erreicht haben. Mindestens so sehr, wie auch das energiegeladene "Symphony Of Pain", bei dem nun einige Flammen in die Höhe schießen und die ergreifende Power-Ballade "Gothic Queen", eine Hymne an das schwarze Lebensgefühl. Einen noch viel größeren Treffer landeten die geerdeten Hanseaten dieses Jahr aber mit der gelungenen Vorab-Single "Children Of The Dark", die in ihrer Original-Version zusätzlich von "Lord Of The Lost"-Kopf Chris Harms, NDW-Star Joachim Witt und "Lacrimosa"-Koryphäe Tilo Wolff unterstütz wird. Ein echtes Star-Aufgebot, das schnell von sich reden machte und die Generationen einer Bewegung verband. Gastsänger gibt es heute zwar leider nicht zu verzeichnen, dafür übernehmen die Besucher diesen Part aber umso enthusiastischer und feiern gemeinsam. Mit dem Gary Moore-Cover "After The War" setzt man damals wie heute ein Zeichen gegen Diktatur und Kriegsführung, der Gassenhauer "Voices Of Doom" lässt anschließend wieder echte Partystimmung aufkommen, bevor die Show mit dem großartigen "Get Some Sleep" dann ihr Ende findet. Ein durch und durch solider Auftritt, der zwar keine wirklichen Überraschungen bot, dafür aber einmal mehr die Qualitäten der bald pausierenden Hamburger zu unterstreichen wusste. Seinen Spaß hatte das Publikum in jedem Fall. Und viel mehr braucht es manchmal doch auch gar nicht, oder?

Mainstage, 17.45 Uhr - Schandmaul:

Nach dem in den vergangenen Stunden genossenen Cocktail aus Neuer Deutscher Härte, Electro Pop und Gothic Rock, geht es nun wieder zurück in längst vergangene Zeiten. An perfekt balancierter, musikalischer Abwechslung mangelt es an diesem Wochenende ganz sicher nicht und das wissen auch die zahlreichen Anhänger der verschiedenen Genres dankbar zu schätzen. An dieser Stelle soll auch die Aufteilung der jeweiligen Acts auf die beiden Locations und die schlüssige Erstellung der jeweiligen Running Order lobenswerte Erwähnung finden. Zeitliche Überschneidungen artverwandter Bands finden sich an diesem Wochenende so gut wie keine, dementsprechend gering fällt die allgemeine Enttäuschung der anwesenden Besucher aus, was der ohnehin schon entspannten Stimmung auf dem Gelände nur noch umso zuträglicher ist. Diese scheint zudem den vorzeitigen Siedepunkt zu erreichen, als Anna Katharina Kränzlein und Birgit Muggenthaler-Schmack die Mainstage mit ihren Instrumenten betreten und sich gegenseitig gegenüberstehend am vorderen Bühnenrand positionieren. Schlagzeuger Stefan Brunner, Bassist Matthias "Hiasl" Richter, Gitarrist Martin "Ducky" Duckstein und Frontmann Thomas Lindner folgen ihnen in unmittelbarem Abstand nach, um mit dem epischen "Vor Der Schlacht" zu eröffnen. Die Münchner, die bald auf großer "Von Leuchtfeuern und anderen Halunken"-Tournee quer durch Deutschland unterwegs sind, spielen heute ihre vorletzte Open-Air-Show und haben anlässlich dessen ein stimmungsvolles Best-Of-Set für das gespannte Publikum vorbereitet. Völlig klar, dass das temporeiche "Herren Der Winde" da ebenso wenig fehlen darf, wie "Lichtblick" mit seinen rasanten Tempowechseln und das folkige "Pakt", bei welchem mit der fast schon traditionellen Bildung sogenannter "Menschenwürste" und Polka-Tänzen wieder mächtig spaßige Publikumsinteraktion herrscht. Doch war es für echte Spielmänner auch schon immer die Aufgabe, nicht ausschließlich nur Spaß zu verbreiten, sondern ebenso auch wichtige Kunde, echte Werte und realitätsbezogene Botschaften zu vermitteln. So setzt man mit "Bunt Und Nicht Braun" ein Zeichen gegen Faschismus und kann sich ob des großen Zuspruchs im Publikum sehr sicher darüber sein, damit einmal mehr zahlreiche Menschen erreicht zu haben. Bei "Vogelfrei" darf dann mit ordentlich Schwung im Takt gesprungen werden und das beliebte "Der Teufel..." sorgt sodann wieder für bierselige Feierlaune. Lindner verdingt sich dabei immer wieder als charmanter Geschichtenerzähler und hält die Fans mit spaßigen Anekdoten zu den einzelnen Titeln bei Laune, was zum Teil interessante Informationen zutage fördert und die Stimmung sichtlich auflockert. Mit dem punkigen "König" gibt es danach den ersten und einzigen Auszug aus dem letzten Album "Leuchtfeuer" auf die Ohren, bevor das bekannte "Walpurgisnacht" wieder zu den einstigen Wurzeln zurückführt und für ein Höchstmaß an Begeisterung sorgt. Manche Klassiker werden eben nie alt. "Drachentöter" schlägt dann die thematische Brücke zur "Siegfried"-Trilogie und repräsentiert den ersten Teil und geht direkt in das donnernde "Krieger" über, bei dem nun rhythmisch mitgeklatscht werden darf. Einen emotionalen Höhepunkt setzt dann zum Schluss die ergreifende Abschiedsmelodie "Euch Zum Geleit", zu welchem es nun noch einmal ganz still auf dem Infield wird. Unter großem Applaus verabschieden sich "Schandmaul" schließlich und räumen das Feld für den Co-Headliner des jungen Abends.

Hangar, 18.45 Uhr - DAF:

Noch die letzten, langsam auf dem großen Flugplatz verhallenden Klänge der Münchner Folk-Rocker in den Ohren, suche ich mir einen geeigneten Weg durch das Infield und begebe mich vorzeitig in Richtung des naheliegender Hangars, an welchem der Einlass nicht nur schon seit geraumer Zeit begonnen hat, sondern aufgrund des erhöhten Besucheraufkommens sogar ein weiteres Mal gestoppt wurde. Zahlreichen Gästen bleibt der ersehnte Eintritt in die Halle verwehrt, doch so leicht will hier niemand aufgeben. In regelmäßigen Abständen werden immer wieder einige Gäste hinaus- und andere wieder hineingelassen, was die Hoffnung doch noch ein wenig zu schüren vermag. So lange geben sich die Wartenden einfach wohl oder übel mit der Live-Übertragung auf der Leinwand vor der Location zufrieden und verfolgen leicht missmutig, aber dennoch sichtlich interessiert, das aktuell laufende Geschehen auf der zweiten Bühne im Inneren. Wirklich wundern braucht sich über den erheblichen Andrang allerdings niemand, immerhin wartet das Mera Luna hier mit einer absoluten Legende auf. Niemand Geringeres als "DAF", die Deutsch Amerikanische Freundschaft, hat einen ihrer mittlerweile doch recht raren Auftritte für diesen Abend angekündigt und da ist ein volles Haus natürlich stets garantiert. Die wegweisende Formation, die sich 1978 in Wuppertal und Düsseldorf aus der Punk-Bewegung heraus gründete, zählt seitdem zu den einflussreichsten Bands im Genre und gilt neben "Kraftwerk" und "Can" zu den Begründern deutschsprachiger, elektronischer Musik. Zu "Greif Nach Den Sternen" betritt zunächst Schlagzeuger Robert Görl die Bühne und gibt den dominanten Takt vor, Sänger Gabi Delgado-Lopez folgt nur wenig später. Im fahlen Licht der vorerst nur spärlich eingesetzten Scheinwerfer, wirkt der hagere Spanier in seinem schwarzen Hemd wie ein großer, wild gestikulierender Schatten. "Guten Abend Jungs und Mädchen!", begrüßt er die ekstatisch feiernde Menge. Doch wer die gewaltige Live-Macht des furiosen Duos kennt, weiß, dass diese hervorgerufene Reaktion noch lange nicht alles sein kann. Nach dem pulsierenden "Muskel" feuert man mit "Verschwende Deine Jugend" und "Der Mussolini" direkt zwei geballte Klassiker in die hungrigen Reihen, wodurch sich sofort einige, riskante Pogos im vorderen Bereich bilden. Wer auf ein solch umfangreiches Repertoire zurückgreifen kann, braucht sich seine Hits nicht erst für das krönende Finale aufheben. Und in der Tat steht für die Besucher im Folgenden fürwahr ein Marathon deutscher Musikgeschichte an: Egal ob das dystopische "Ich Und Die Wirklichkeit", "Mein Herz Macht Bum", "Ich Will" oder auch "Osten Währt Am Längsten" vom gesellschaftskritischen Konzeptwerk "Die Kleinen Und Die Bösen" - die Deutsch Amerikanische Freundschaft spielt sie alle! Für die typisch knapp bemessene Spielzeit eines Festivals haben sich die zwei Musiker in der Tat einiges vorgenommen. Satte siebzehn Songs stehen für die nächste Stunde auf dem strammen Programm, dem Publikum wird keinerlei Pause gegönnt. Immer wieder liefern sich unbekanntere Nummern für echte Kenner mit bekannten Krachern ab. Der minimalistisch arrangierte Dadaismus von Songs wie "Sato-Sato", "Du Bist DAF" und "Liebe Auf Den Ersten Blick" bricht die Thematiken der einzelnen Titel auf ihren eigentlich Kern herunter und wirkt gerade dadurch nur noch intensiver. Delgado hechtet in gewohnter Manier von der linken zur rechten Seite, knöpft sich sein Hemd auf und begießt sich mit Unmengen an Wasser. Zurecht, wird die Luft im beengten Hangar, in welchem das Projekt vor rund zehn Jahren seine Reunion feierte, doch mittlerweile immer stickiger. Die Remix-Version von "Der Sheriff" kommt dann aber doch wieder etwas tanzbarer daher und wirft nochmals einen Blick auf die aktuellere Schaffensphase. Mit dem Trio "Die Lüge", dem brachialen "Alle Gegen Alle" und "Als Wär's Das Letzte Mal" endet die schweißtreibende Show der beiden Ausnahmekünstler schließlich, die noch Ende September mit einer großen Box ihrer vier bedeutendsten Alben aufwarten: "Das ist DAF".

Mainstage, 19.15 Uhr - Blutengel:

Gerade als ich aus dem Hangar an die laue Abendluft hinauseile, ist es auch schon an der Zeit für den Co-Headliner des heutigen Abends. Wie im Vorfeld bereits nicht unschwer zu erahnen war, zieht dieser ordentlich Publikum auf den breiten Platz vor der Hauptbühne. Fast der gesamte Teil des vorderen Infields ist bis an seine äußere Grenzen ausgefüllt und es kostet zunächst etwas Zeit, bis ich am Stand von "Benson & Hedges" zur linken Seite endlich fündig werde. Von hier aus bietet sich eine durchaus passable Sicht auf das folgende Geschehen und zu sehen soll es hier tatsächlich so einiges geben. Für die zweitletzte Band hat der Veranstalter dieses Mal die umtriebigen Berliner von "Blutengel" auserkoren, die mit ihrer facettenreichen Mischung aus Industrial, eingängigem Electro und melodiösem Pop seit Jahren ein bekanntes Aushängeschild der schwarzen Szene sind und werden innerhalb dieser von ebenso vielen Fans geliebt, wie gleichermaßen auch von zahlreichen Kritikern dafür gehasst. Nicht ganz grundlos, vereint das erfolgreiche Gespann optisch und thematisch seit jeher doch so einige, bekannte Klischees miteinander und überspannt den Bogen dabei nicht selten. Aber wie heißt es so schön? "Viel Feind, viel Ehr'!". Auf ihre treuesten Fans kann sich die Band ganz sicher verlassen, die ihre Helden nun herzlich Willkommen heißen. Während die Live-Musiker den ersten Song anstimmen, treten unterdessen einige Statisten in schwarzen Umhängen und mit lodernden Fackeln in den Händen dazu. Die Garde ist bereit, für das Duo aus Ulrike Goldmann und Mastermind Chris Pohl Spalier zu stehen, die jetzt die Bretter betreten und mit "Black" vom neuen Album "Leitbild" sofort durchstarten. "Mera Luna, Hallöchen! Wir sind "Blutengel" aus Berlin und wir freuen uns, auch dieses Jahr dabei sein zu dürfen. Und ich würde mich freuen, wenn ich ein paar mehr Hände sehen würde!", empfängt der Sänger das Publikum routiniert und geht auch sogleich zu "The War Between Us" und "Dein Gott" über, gleich zwei aktuellere Titel vom letzten Werk "Save Us" in Folge. Bei Letzterem greifen die Berliner dann wieder auf bewährte Elemente zurück und so räkeln sich jetzt drei Tänzerinnen in frivolen Nonnen-Kostümen und Kunstblut vor einem schwarzen Engel, den Titel optisch mehr oder minder passend zu unterstützen. Nach "Asche Zu Asche" gibt es offenbar leichte Verwirrung über die Reihenfolge der Setlist und keinem der Beteiligten scheint so recht klar, welches Lied denn als nächstes dran ist. Zwar wünscht sich der Keyboarder "Gott:Glaube", doch um die Gefahr einer Überziehung der streng begrenzten Spielzeit ausschließen zu können, geht es direkt mit "Lucifer" weiter, was die Anhängerschaft lautstark zu begrüßen weiß. "Dankeschön! Was habe ich zum Wetter gesagt? Es ist keine Lüge!", deutet Pohl zum Himmel, an welchem sich endlich wieder die wärmende Sonne zeigt. "In meinem nächsten Leben werde ich Wetterfrosch. Freunde, seid ihr noch alle da? Wir spielen mal den nächsten Song. Mal sehen, ob ihr den kennt. Da kommt 'ne coole Passage drin vor, da könnt ihr mitsingen. Das wäre total geil, wenn ihr das macht. Wir gucken mal, ob das klappt!", motiviert der Fronter die Menge dann bei "Engelsblut" dann zum eifrigen Mitmachen. Das Vorhaben gelingt dann ebenso gut, wie auch bei frischem Material der Marke "Say Something" oder alten Bekannten wie "Bloody Pleasures". Mit dem kraftvollen "Unser Weg", bei welchem einige Textzeilen des Refrains auf den nebenstehenden Videoleinwänden eingeblendet werden, "You Walk Away" und dem kritischen Titeltrack des 2017er-Releases wird es wieder tanzbarer und so darf die Band auf ein begeistertes Meer aus Fans blicken, das zu den eingängigen Rhythmen wogt. "Hammergeiler Scheiß, super! Das war geil, Mera Luna. Ich glaube, wir müssen uns beeilen. Ich habe keine Uhrzeit, aber ich würde mal sagen, letzter Song und das war's. Ganz schnell, ich kriege gerade ein Zeichen. Speed, Speed, Speed. Lucas hau in die Tasten! Das ist das Lied, wo ich bitte noch mal alle eure Hände sehen möchte, weil wir dann auch gehen. Dann seid ihr uns los!", verkündet der Sänger sympathisch und stimmt abschließend den bekannten Club-Hit "Reich Mir Die Hand" an, zu dem die vier Akteurinnen nun große Fahnen mit dem Bandlogo schwingen und die Fans nochmals sichtlich feiern. "Dankeschön, Mera Luna! Wir waren "Blutengel". Also ich fand's richtig geil. Ich hoffe, es hat euch auch ein bisschen gefallen. Vielen, vielen Dank!", verabschiedet sich Chris Pohl im Namen aller Mitwirkenden, bevor nach einer knappen Stunde das Set unter Applaus endet.

Mainstage, 20.45 Uhr - And One:

Eine ganze Viertelstunde früher, als zunächst über den offiziellen Timetable angekündigt, soll der Headliner des zweiten und somit gleichzeitig auch letzten Tages, das diesjährige Mera Luna in Kürze beschließen. Während im Hangar die Show von "De/Vision" bereits seit einer halben Stunde in vollem Gange ist, versammeln sich die übrigen Besucher zahlreich auf dem großen Platz vor der Mainstage, um diesem Ereignis mit bestmöglicher Sicht beiwohnen zu können. Hunderte Besucher drängen immer mehr in den Bereich vor dem ersten Wellenbrecher, niemand will jetzt etwas verpassen müssen. Wie auch schon vor drei Jahren, obliegt die ehrenvolle Aufgabe des letzten Acts der Berliner Synthie-Pop-Legende "And One", die, auch wenn neues Material seitdem weiterhin auf sich warten lässt, mit größtmöglicher Spannung erwartet wird. Das Bühnenbild und die Instrumente sind abermals komplett in Weiß gehalten, im Hintergrund prangt der Hammermann, das bekannte Logo der Band, wie in riesigen Stein gemeißelt. Eine wohlbekannte Melodie setzt unversehens ein und spielt fortan in Endlosschleife. Unterdessen betreten sowohl Schlagzeuger Joke Jay als auch die beiden Keyboarder Rick Schah und Nico Wieditz als geschlossene Gruppe auf die Bühne, um sich direkt auf ihre angestammten Positionen auf den hinteren Podesten zu begeben. Frontmann und Sänger Steve Naghavi kommt wie gewohnt als Letzter hinzu, geht verschmitzt lächelnd bis zum vorderen Rand und begrüßt die Menge mit dem Opener "Technoman". Eine gute Wahl, ist der oldschoollastige Everblack doch dem Löwenanteil des Publikums durch die Dauerrotation auf den schwarzen Tanzflächen bekannt. Mindestens ebenso sehr, wie auch das nachfolgende "Project Pitchfork"-Cover von "Timekiller", welches zwar am Tag zuvor bereits von ebenjener Formation schon im Original dargeboten wurde, durch die gelungen andersartige Interpretation allerdings einen vergleichbaren Status im Electro-Lager genießt. "Wir sind "And One" aus Berlin! Da sind wir wieder, die ewigen Headliner. Ihr kriegt uns hier nicht weg, Bitch! Wir kommen gerade aus Berlin. Schön warm, trocken, warmes Bettchen... Wir haben kein Mitleid mit euch!", wendet sich der Mann im schwarzen Anzug an das vom Regen gebeutelte Hildesheim. Das energetische "Get You Closer" und "Wasted" führen das Set auch weiterhin in bester Synthie-Pop-Manier fort, bis "Krieger" dann melancholische Akzente setzt und den ersten Ruhepol markiert. "Genießt die Zeit! Genießt die paar Minuten, die paar Tage, die paar Wochen oder Monate, die, wenn ich mich mal so umgucke, euch noch bleiben... Ja, es ist traurig, aber wahr. Bald schon werden nur noch die wenigsten von uns da sein. Kein Problem, wir werden alle wiedergeboren, wenn auch als R'n'B-Fan oder Martin Gore. Keine Ahnung, alles halb so schlimm, wie ein ganzes Festival-Wochenende im Regen zu schlafen und eimerweise Wasser auf den Kopf zu bekommen. Einigen von euch tut es manchmal ganz gut, hm? Think about it. Aber es gibt keinen Grund, warum ihr uns heute nicht übertrieben dürftet. Wir haben's zwar nicht verdient, aber das ist euer Tag!", scherzt Naghavi zwischendrin und lockert somit immer wieder die ohnehin schon gelöste Stimmung auf. Selbstverständlich müssen aber insbesondere die vordersten Reihen spätestens jetzt zu keiner Sekunde mehr motiviert werden. Die zeitlose Musik der beliebten Berliner Institution überdauert damals wie heute selbst die hartnäckigsten Szene-Trends und entfacht mit ihrem ganz eigenen Charme die einzigartige Begeisterung in jedem Zuschauer, der sich auch nur Im entferntesten darauf einzulassen vermag. "And One" sind ein Phänomen für sich. Erst einmal infiziert, gibt es kein zurück mehr. Dass aber auch gänzlich neue Songs sofort zünden können, beweist im Folgenden Drummer Joke Jay eindrucksvoll, der mit "Most Of The Tears" von der kommenden "Trilogie II" einen ersten Einblick in das derzeit entstehende Epos gibt. Das zunächst eher unauffällige Arrangement mausert sich schnell zu einer echten Power-Ballade mit Ohrwurm-Potential und muss sich keineswegs vor bereits etablierten Nummern wie "High" verstecken, zu welchem jetzt das gesamte Publikum die Arme traditionell im Rhythmus schwenkt. Bereits die ersten Takte des Industrial-Schlagers "Traumfrau" rufen dann wieder frenetischen Jubel hervor und bei "Für" macht dann wirklich jeder mit, wenn Naghavi mit einem beherzten "Scream!" die Stimmen der versammelten Menge einfordert. "Unter Meiner Uniform" wirft anschließend nochmals einen Blick zurück auf die vor rund drei Jahren veröffentlichte "Trilogie I" und deren Hauptwerk "Magnet", bei welchem der sonst so vergnügte Frontmann einen emotional bedingten Aussetzer nicht vermeiden kann. Es sind gerade Momente wie diese, die durch einen nicht immer perfekten Ablauf und pure Menschlichkeit zu überzeugen wissen und den hohen Grad an Authentizität hinter jedem einzelnen Stück fördern. Bei "Sometimes" zeigt sich darauf aber ebenso gut auch, dass Naghavi heute stimmlich nicht ganz auf der Höhe ist, was gerade bei beim Refrain nur allzu deutlich wird. Stören tut das allerdings nur die wenigsten und das zurecht. Das alles ist beim treibenden "Second Voice" allerdings schon wieder vergesse, bei welchem die Vier nochmal alle Register ziehen und Hildesheim kräftemäßig an seine Grenzen bringen. Nach einer knappen Verabschiedung kehren die Musiker sodann wieder zurück, um mit "Recover You" und "Military Fashion Show" das große Finale einzuläuten, welches wie immer in den letzten Jahren mit dem mitreißenden Party-Kracher "Shouts Of Joy" seinen fulminanten Abschluss findet. Unter begeistertem Applaus und einem liebevoll-provokanten "Verpisst euch!" seitens des polarisierenden Sängers, der sich nun noch zum Plausch unter die Fans der ersten Reihe mischt, findet das Mera Luna 2017 sein viel zu frühes Ende.

Das war das Mera Luna 2017 - das wohl schwärzeste Festival der Welt! Seit jeher der Treffpunkt für die Szene und jedes Mal wieder ein Event der dunklen Superlative. Doch das, was in diesem Jahr von Veranstalter und Besucher gleichermaßen geleistet und getragen werden musste, wird in der Tat seinesgleichen suchen müssen. Eine sehr gute Vorbereitung, sowie durchdachte Planung und Strukturierung sind die wichtigen Eckpfeiler und zugleich auch Basis eines jeden Festivals. Kurz: Ein Projekt dieser Größenordnung und Art zu stemmen, sicher kein leichtes Unterfangen. Dennoch war die allgemeine Organisation auf dem Flugplatz Hildesheim auch in diesem Jahr wieder ausnahmslos gelungen. Die zunächst argwöhnisch betrachteten und viel diskutierten Verschärfungen der örtlichen Einlasskontrollen im Rahmen von mehr Sicherheit, fielen um einiges weniger problembelastet und kompliziert aus, als zunächst angefacht und erreichten dabei doch vollends das gewünschte Ziel. Die zuständigen Mitarbeiter auf dem Gelände punkteten an diesem Wochenende insbesondere durch hohe Kompetenz und Hilfsbereitschaft, wie auch Freundlichkeit und Verständnis. Die schnelle Reaktion auf den rapiden Wetterumschwung und dessen weitreichende Folgen verdient ebenfalls großes Lob. So konnten etwa den schlammigen Massen mit der Auslagerung von Strohmengen auf dem Boden doch noch Herr der Lage geworden und mögliche Gefahren rechtzeitig eingedämmt werden. Auch die zeitig Behebung nach dem Ausfall des Stromaggregats, wie auch die flexible Problemlösung hinsichtlich der Verschiebung der beiden letzten Spielzeiten am Samstagabend auf der Hauptbühne ist vorbildlich. Verkürzte Stagetimes oder gar einen Abbruch gab es für die beiden Acts nicht, ein Grund zur hellen Freude bei den Fans! Auf seinen Lieblingskünstler musste an diesen beiden Tagen ohnehin niemand verzichten, dazu waren die jeweiligen Running Order für Mainstage und Hangar zu gut auf artverwandte Genres abgestimmt, um mögliche Überschneidungen für die Besucher von vornherein bestmöglich ausschließen zu können. Die offizielle Mera Luna-App stellte sich zudem wieder als absoluter Mehrwert heraus, über deren News-Feed und Pop-Up-Meldungen zeitnah alle aktuellen Informationen kommuniziert wurden, die zusammen mit weiteren, grundlegenden Vorschriften in regelmäßigen Abständen auch über die örtlichen Leinwände unübersehbar an die Besucher herangetragen wurden. Die Auswahl an Speisen und Getränken bot mit diversen Süßspeisen, frischen Backwaren, Veganem und Vegetarischem, asiatischem Street-Food, Pizza, Pommes, BBQ und Burgern mannigfaltige Auswahl für jeden Geldbeutel und Geschmack. Der Wochenmarkt am Campingplatz stellte zudem eine preislich wirklich günstige Alternative dar - Top! Auch das Rahmenprogramm kann sich bereits vom ersten Tag an sehen lassen: Für den Einstieg in den ersten Abend gab es mit Markus Heitz, "Megaherz"-Frontmann Alexander Wohnhaas und Christian von Aster, die jeweils alle aus ihren aktuellen Werken vortrugen, gleich drei exklusive Lesungen, bevor die Fläche dem beliebten Disco Hangar wich und die Nacht fortan zum Tag gemacht werden konnte. Am Samstag lockte dann zum Nachmittag und frühen Abend hin die alljährliche Gothic Fashion Show, auf welcher wieder einmal kunstvolle und extravagante Outfits verschiedener Labels präsentiert wurden, die anschließend in der gleichnamigen Fashion Town auf dem Veranstaltungsgelände aus nächster Nähe begutachtet, anprobiert und erworben werden konnten. Der Mittelaltermarkt hingegen wartete neben kulinarischen Genüssen wieder einmal mit zahlreichen Gauklern und Musikern auf, die noch bis in die frühen Morgenstunden für gute Stimmung zu sorgen wussten, während auch 2017 wieder einige Walking Acts mit ihren kreativen Kostümen und Konstruktionen den Flugplatz belebten und die Gäste mit spaßigem Kurzweil unterhielten. Zu guter Letzt steht und fällt ein Festival mit seinem Line-Up. Ebenjenes ließ ganz sicher einmal mehr keine Wünsche offen und vereinte diverse Musikstile schlüssig miteinander. Von Electro, Synthie Pop, Aggrotech und EBM, über Neue Deutsche Härte, Dark Rock und sogar Metal war an diesem Wochenende alles dabei, was das schwarze Herz höher schlagen ließ. Internationale Top-Acts, legendäre Szene-Ikonen und Newcomer gaben sich abwechselnd die Klinke in die Hand, ließen Neues entdecken und zu bekannten Hits feiern. Nicht zuletzt machten aber vor allem die Besucher aus aller Welt das Mera Luna 2017 wieder zu einem unvergesslichen Erlebnis, die gewohnt friedlich dem launischen Wetter trotzten und diese drei Tage zu ihren machten. Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr, wenn sich der Flugplatz am 11. und 12.08.2018 ein weiteres Mal schwarz färbt und es im beschaulichen Hildesheim wieder heißt: "Dark is back!".

Impressionen:


Christoph Eisenmenger - Basslord Pictures


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