Ghost - „Re-Imperatour"-Tour - RuhrCongress, Bochum - 13.06.2023
Veranstaltungsort:
Stadt: Bochum, Deutschland
Location: RuhrCongress
Kapazität: ca. 5.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Ja
Homepage: https://www.ruhrcongress-bochum.de
Dienstag, der 13.06.2023. Heute ist ein sonniger Sommertag und das merkt man auch, denn es ist wirklich warm und keine Wolke am Himmel zu sehen? Eigentlich nicht unbedingt die passenden Witterungsverhältnisse für ein okkultes Ritual am baldigen Abend, oder? Ich erinnere mich noch sehr gut an das letzte Bochum-Gastspiel von „Ghost“ im Februar 2019: Draußen beim Anstehen in der doch ziemlich langen Schlange bis zum angrenzenden Stadion hin, war es bereits stockdunkel und recht kühl. Einen passenden Bericht von damals gibt es auf dieser Homepage leider nicht, da zu dieser Zeit andere Projekte Vorrang hatten. Ein Grund mehr, nun endlich eine Rezension zu verfassen. Wie dem auch sei: Von Dunkelheit und Kälte ist heute natürlich rein gar nichts zu spüren und trotzdem bin ich natürlich höchst erfreut, dass die mega-erfolgreichen Schweden doch tatsächlich ein weiteres Mal den Weg in meine Heimat gefunden haben. Einerseits, weil Papa Emeritus IV und seine Nameless Ghouls schon im Vorjahr die hiesigen Lande für insgesamt fünf Termine heimgesucht haben, wobei ich es zum Kölner Gig in der Lanxess Arena zeitlich leider nicht geschafft habe, und andererseits, weil die Band mittlerweile weltweit immer riesigere Locations füllt und der RuhrCongress mit seiner Kapazität nicht unbedingt mehr in jener Größenordnung liegt… Wobei ich dieser Annahme bereits vor vier Jahren war. Umso schöner, dass es doch ganz anders gekommen ist! Bereits am Morgen und frühen Nachmittag sind in den Feeds der sozialen Medien besonders treue Fans zu sehen, die es sich bei glücklicherweise bestem Wetter schon vor den noch lange verschlossenen Toren des RuhrCongress Bochum gemütlich gemacht haben, um einen guten Platz in den ersten Reihen zu bekommen. Für meine Begleitung und mich dauert es hingegen noch einige Stunden, bis wir nach Feierabend aufbrechen und uns bei den übrigen Wartenden einreihen können. Der Einlass ist für 19.00 Uhr anberaumt und obwohl es gleich zwei Schlangen vor den Türen gibt, geht dieser doch erstaunlich schnell von statten. Im Foyer haben die Mitarbeiter am Ausschank bereits alle Hände voll zutun und zapfen, was das Zeug hält. Weiter hinten ist dort auch der große Merchandising-Stand aufgebaut worden, an welchem es natürlich nur einige ausgewählte Artikel aus dem ansonsten riesigen Online-Angebot der Band gibt. Neben dem neuen Tour-Shirt und ein paar weiteren Motiven aus der aktuellen Schaffensphase sowie manchem Klassiker, gibt es hier unter anderem auch einen Hoodie mit Fledermausflügeln, Snapbacks, Beanie Mützen, Stoffbeutel, Patches Socken oder verschiedene XXL-Poster zu verhältnismäßig hohen Preisen, die mittlerweile längst nicht mehr nur bei internationalen Acts immer mehr zum Standard geworden sind. Nun ja, alles wird teurer, oder? Irgendwo weiter links veranstaltet der Internet-Radiosender „Radio Bob!“ ein Gewinnspiel am Glücksrad. Die Luft im Inneren ist dank der Klimaanlage wirklich gut verträglich, trotzdem ist es schon jetzt unfassbar warm. Also höchste Zeit für ein kaltes Getränk und eine kleine Runde an der frischen Luft, bevor wir dann die Treppen in die erste Etage nehmen. Anders, als noch 2019 gibt es auf den insgesamt drei Rängen dieses Mal keine freie Platzwahl, sondern feste Sitzplätze. Glücklicherweise waren wir beim Vorverkauf früh genug an der Reihe und haben somit noch unsere Wunsch-Tickets für die erste Reihe im linken Rang bekommen. Bald geht’s los, also dann…
Halestorm:
Zugegeben, es ist schon mehr als nur beachtlich, welch buntes und vor allem namhaftes Repertoire an illustren Gästen die erfolgreichen Schweden mittlerweile auf den diversen Tourneen um sich herum versammeln konnten: Bei der „Rats! On The Road“-Tour, den Release Shows zum damals just veröffentlichten Album „Prequelle“, und dessen direktem Nachfolger, „A Pale Tour Named Death“, standen neben „Tribulation“, „All Them Witches“ und „Nothing More“ sogar die renommierten Doom-Metaller von „Candlemass“ zuvor auf der Bühne. Die im Vorjahr zum aktuellen Langspieler „Impera“ begonnene Konzertreise startete hingegen noch vor dessen Veröffentlichung im Januar als Double-Headliner-Tournee mit den Dänen „Volbeat“ und wurde erst von „Uncle Acid And The Deadbeats“ und „Twin Temple“, später dann vom „Lucifer“ und „Death SS“ begleitet, bevor ab August 2022 schließlich die Progressive-Metal-Band „Spiritbox“ und die legendären „Mastodon“ an deren Stelle traten. Für den in diesem Jahr anberaumten zweiten Tour-Teil, charmant „Re-Imperatour“ benannt, steht ab August bei allen Terminen in den USA gar das Szene-Schwergewicht „Amon Amarth“ als Special Guest an der Seite von Papa Emeritus und seinen Nameless Ghouls - Wow! Für die vier kürzlich dazugekommenen Deutschland-Shows konnte man hingegen „The Hellacopters“ für Hamburg und Neu-Ulm sowie „Halestorm“ für Berlin und Bochum verpflichten. Eine ordentliche Ansage! „Halestorm“ wurden 1997 in Pennsylvania von Elizabeth und ihrem Bruder Arejay Hale gegründet. Die Geschwister hatten bereits damals gemeinsam mit ihrem Vater einige regionale Auftritte und so führte für sie kein Weg an der Musik vorbei. Deutlich von den Rock-Bands der Siebziger- und Achtzigerjahre inspiriert, veröffentlichten sie „Forecast For The Future“ auf MC, doch es sollten erst noch einige weitere Releases und Jahre ins Land ziehen, bis sich daraus die Band formte, die man heute kennt: Im Jahr 2005 wurde die Band von Atlantic Records unter Vertrag genommen, dem schlossen sich diverse Tourneen durch die Vereinigten Staaten an, bis im Frühjahr 2009 endlich das selbstbetitelte Debüt erschien, welches sich direkt in den Top-40 der US-Charts behaupten konnte. Als Support von „Theory Of A Deadman“ sowie bei Rock Am Ring und Rock Im Park waren „Halestorm“ 2010 auch erstmals auf deutschen Bühnen zu sehen. Zwei Jahre darauf wurde dann die erste eigene Headliner-Tour absolviert, die 2014 aufgrund der großen Nachfrage fortgesetzt werden konnte… Im Frühjahr 2022 veröffentlichte die Band ihr aktuelles Studioalbum „Back From The Dead“, das gemeinsam mit „Mammoth WVH“ als Support von „Alter Bridge“ auf deren Europa-Reise erstmalig betourt wurde. Mittlerweile kann das Quartett, das Post-Rock, Grunge und Heavy Metal in ihrer Musik zu einer explosiven Mischung vereint, auf insgesamt fünf Alben und sogar einen gewonnenen Grammy Award in der Kategorie „Best Hard Rock / Metal Performance“ zurückblicken!
Heute Abend sind „Halestorm“ in der Funktion des Special Guest also im RuhrCongress Bochum zu Gast und wie es scheint, hat der Vierer auch gar nicht so wenig eigene Fans im Publikum. Zum kurzen Intro, welches bereits vom extrem starken Organ der stimmgewaltigen Sängerin aus dem Off eingeleitet wird, finden sich Schlagzeuger Arejay Hale, Bassist Josh Smith und Gitarrist Joe Hottinger auf der Bühne ein, bis auch Elizabeth „Lzzy“ Hale selbst zu „I Miss The Misery“ vom 2012er Release „The Strange Case Of…“ die Bretter entert. Im gewagten Look aus orangener Lederjacke, kurzem Rock mit Karo-Muster und schweren Lederstiefeln gibt sie die Rockröhre und greift ordentlich in die Saiten ihrer pink glitzernden Gitarre. Es folgt das selbstbewusste „Love Bites (So Do I)“ vom selben Album und „I Get Off“ vom Debüt, bei welchem gemeinsam die Fäuste in die Luft gereckt werden. „Wie geht’s euch, Bochum? Danke, dass wir heute Abend dabei sein dürfen!“ freut sich Hale strahlend. Generell merkt man dem Vierer die pure Spielfreude in jeder einzelnen Minute an, wenn nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne immer wieder wild geheadbangt wird und es kleinere Interaktionen mit dem Publikum gibt, das „Halestorm“ sichtlich wohlgesonnen ist und sowohl neue Songs wie „Wicked Ways“ als auch ältere Stücke der Marke „Freak Like Me“ gleichermaßen abfeiert. Der verblüffend klare und dennoch extrem druckvolle Sound weiß dabei ebenso sehr zu überzeugen, wie die ausgeklügelte Licht-Show, welche das splitternde Glas samt Band-Logo auf dem übergroßen Backdrop hübsch in Szene setzt und definitiv über den gängigen Support-Standard hinausragt. Für das ruhigere „Familiar Taste Of Poison“ vom Erstling werden die Drums gegen ein Tamburin eingetauscht und auf Wunsch der Sängerin allerlei Handytaschenlampen und Feuerzeuge hochgehalten. Ein schöner Moment zum Durchatmen, denn mit „Take My Life“ von „One And Done“ aus 2006 geht es direkt gewohnt heavy, aber herzlich weiter. Um das ohnehin schon ziemlich kurzweilige Set noch ein wenig aufzulockern, hat als Nächstes Arejay Hale mit einem ausschweifenden Solo seinen ganz eigenen Auftritt, bei welchem unter anderem übergroße Sticks zum Einsatz kommen. Auf den wuchtigen Titeltrack des aktuellen Longplayers „Back From The Dead“ folgen mit „Chemicals“ und „Mayem“ nochmal zwei etwas ältere Songs für „alle alten und neuen Freunde“, wie die Frontfrau anmerkt. Mit dem festen Versprechen, dass es bis zu einem baldigen Wiedersehen nicht mehr allzu lange dauern soll und dem Closer „The Steeple“ endet das Set nach etwa sechzig Minuten vor einer bestens aufgeheizten Halle, während die sympathische Band noch großzügig einige Plektren und Setlisten in den vorderen Reihen verteilt.
Ghost:
Bevor die heutige Abendmesse jedoch beginnt, sollen erst noch einige quälend lange Minuten ins Land ziehen und allmählich wird den Besuchern klar, dass der für etwa 21.00 Uhr erwartete Start sich scheinbar verschieben wird. Unterdessen schweben die ruhigen Klaviermelodien von Jan Johanssons „Klara Stjärnor“ und sanfte Choräle intonieren „Misere Mei, Deus“ von Gregorio Allegri. Die Spannung steigt. In etwa gegen 21.25 Uhr ist es dann doch endlich soweit und der restlos ausverkaufte RuhrCongress Bochum versinkt urplötzlich unter frenetischen Jubelstürmen in tiefschwarzer Dunkelheit. Die wärmenden Saiten einer hell gestimmten Gitarre und sphärisch-dezente Keyboard-Flächen strömen allmählich in den Saal und formen so das instrumentale Intro „Imperium“. Alsbald schließen sich rhythmisch marschierendes Drumming und eine weitere E-Gitarre an, um in die heroische Melodie einzustimmen, bis dann mit einem Mal ein markant solierendes Riff den Auftakt gibt. Dazu zeichnet sich die Silhouette des gerade musizierenden Ghouls im Scheinwerferlicht übergroß auf dem derzeit noch alles verhüllenden Vorhang ab, der jetzt mit den ersten Takten zu Boden saust. Meterhohe Nebelsäulen steigen im hinteren Teil der Bühne auf. Das Bochumer Publikum verliert sich in ekstatischem Applaus. Nach einem kometenhaften Pyro-Donnerschlag, der lange Rauchschwaden und viel knisternden Funkenflug nach sich zieht, betritt das Ghoul-Trio aus Bassist Cosmo Sylvan, Rhythmusgitarrist Chris Catalyst sowie Leadgitarrist Per Eriksson in geschlossener Formation nun den vorne liegenden Laufsteg und beginnt, zu spielen. Das grelle Licht hellt die Szenerie derweil vollständig auf und taucht diese in warme, goldig-gelbe Farben. Das ehrfurchtgebietende Bühnenbild zeigt einmal mehr das imposante Innere einer Kathedrale: Im fernen Hintergrund schrauben sich meterhohe Säulen und aufwändig verzierte Torbögen aus kaltem Stein in die Höhe, in den Einfassungen dazwischen ragen insgesamt drei breite und dabei nicht weniger hohe Kirchenfenster aus schillerndem Buntglas, auf denen die bisherigen Oberhäupter Papa Nihil, Papa Emeritus, Papa Emeritus II und Papa Emeritus III zu sehen sind, empor.
In der Mitte befindet sich ein hohes, halbrundes Podest mit sechs umrandenden Treppenstufen aus dunklem Holz, auf welchem Schlagzeuger Hayden Scott thront und das als ausladendes Zentrum der gesamten Szenerie fungiert. Von diesem aus zweigen leicht abgeschrägt je zwei weitere und etwas kleinere Erhöhungen in ganz ähnlicher Ästhetik zu den Seiten ab: Auf diesen befinden sich Laura Scarbourough und Sophie Amelkin an den Keyboards, ein Stück weiter vor ihnen Mad Gallica und Justin Taylor für Tamburin und Backgroundgesang. Dahinter erstreckt sich eine schier beeindruckende Riege aus zahlreichen Moving Heads. Über all dem schwebt ein direkt unter der Bühnendecke montiertes, gigantisches Geflecht aus einer senkrecht ausgerichteten Batterie an Scheinwerfern, die wiederum von zwei weiteren Streben mit zusätzlicher Beleuchtung in gekreuzter Form flankiert werden, sodass frontal vom Innenraum aus betrachtet der Eindruck eines sonderbar futuristisch anmutenden, alles überwachenden Fremdkörpers mit starkem Symbolik-Charakter entsteht. Wie schon bei den vorherigen Tourneen, orientiert man sich also auch hier wieder an bereits bestehenden Kernelementen der vergangenen Ären und baut diese parallel zu den mittlerweile immer größer werdenden Konzertsälen weiter zu einem spektakulären Gesamtbild aus - Sehr gut! Mit dem Beginn der ersten Strophe sprintet schließlich auch Sänger und Mastermind Tobias Forge in Gestalt seines Alter Ego, dem nun in der Rangfolge zum neuen Papa aufgestiegenen Cardinal Copia, fast unbemerkt auf die Bretter, erscheint plötzlich genau zwischen den Ghouls und setzt direkt zur ersten Strophe des Openers „Kaisarion“ an. Papa Emeritus IV ist in ein zerschlissenes, schwarzes Admiralsjackett mit goldenen Schulterklappen, Knöpfen und allerlei Bestickungen gekleidet, womit er wie ein finsterer Offizier anmutet, der seine Anhänger zur großen Revolution aufruft, um fortan mit seiner treuen Gemeinde eine neue Welt auf der Asche des Vorgängers „Prequelle“ zu errichten. Gar kein Zweifel, der neue Geistliche ist eine deutlich imposantere und selbstbewusstere Erscheinung als noch der Kardinal, dabei jedoch nicht minder agil. So sprintet der vierte Papa von links nach rechts über die Bretter, animiert immerzu das Publikum, hechtet zum Drum-Set hoch und springt wieder hinab.
„Bochum!“, ruft er gegen Ende des Songs mit lauter Stimme zur Begrüßung aus und der Ruhrpott kocht. Das legt sich auch beim sich direkt anschließenden „Rats“, der beliebten Vorab-Single des erfolgreichen Vorgängerwerks, nicht. Im Gegenteil: Der energiegeladene Up-Tempo peitscht die Menge ohne Atempause weiter ordentlich an und entfacht bereits jetzt eine ausgelassene Stimmung, die sich umgehend wie ein Lauffeuer verbreitet. Mit dem heftig walzenden „Faith“ vom selben Album aus 2018 und seiner grollenden Riff-Power wird’s danach so richtig schön heavy. Der sanfte Refrain setzt einen Kontrast und beendet die Nummer gegen Ende mit einem ohrenbetäubend lauten Knall. Das zweite Stück des aktuellen Albums ist pop-rockige „Spillways“ mit seinem herrlich charmanten Achtziger-Charme aus einem smoothen Piano, groovenden E-Gitarren und einem herzerwärmend packenden Chorus, den man einfach nur ganz laut mitsingen will. Insbesondere live sichtlich eine volle Punktlandung, die den Spirit dieser Zeit wunderbar ins Hier und Heute transportiert! Danach wird es einmal mehr finster im RuhrCongress, der bald darauf in blutrotes Licht eingetaucht wird. Ein Ghoul, der auf einem der seitlichen Podeste steht, greift jetzt in die Saiten und spielt eine eindringliche Melodie, während Piano-Salven hauchfein in die Dunkelheit tröpfeln. Die treuen Fans erkennen den folgenden Song natürlich sofort und beginnen, zu jubeln: Es ist „Cirice“ vom 2015 erschienenen „Meliora“. Bald setzt auch das Schlagzeug ein und plötzlich zeigt sich Papa Emeritus davor stehend mit einem weiten Umhang, welcher wie die ausgebreiteten Flügel einer Fledermaus aussieht. Ein netter Effekt, der gerade zum hier erschaffenen Geflecht aus fahlem Licht und viel Nebel sehr gut funktioniert. Das knackige „Hunter‘s Moon“ treibt die Fans mit seinen powernden Riffs danach wieder mächtig an und passt hervorragend in die nun vorherrschende, unheimliche Atmosphäre. Ebenso „Ritual“ vom legendären Debüt „Opus Eponymous“ aus 2010. In diese äußerst dichte Stimmung fügt sich jetzt auch die erste Single-Auskopplung zu „Impera“ nahezu perfekt ein und versprüht mit ihrem bedrohlich schleichenden Aufbau und den eindringlichen Lyrics starke Oldschool-Vibes: Zum gespenstisch lockenden „Call Me Little Sunshine“ schreitet der emeritierte Papst unter dem ohrenbetäubenden Beifall des unfassbar enthusiastischen Publikums im von den Promo-Fotos bekannten Outfit zurück auf die Bretter: Dabei trägt er nun ein bodenlanges Messegewand, die sogenannte Kasel, in hellblauen Farbtönen und um seine Schultern ein rostbraunes Tuch, die Humerale. Auf dem Haupt thront eine hohe Mitra, welche, ebenso wie die übrigen seiner Kleidungsstücke, edel mit dem aufgestickten Band-Logo, einigen weiteren Symbolen und vielen funkelnden Edelsteinen besetzt ist. Dabei übernehmen die Ghoulettes auch hier im mitreißenden Refrain abermals den stimmigen Backgroundgesang, was wirklich großartig funktioniert und dem düsteren Stück beinahe schon einen Gospel-Touch verleiht.
Das pechschwarze „Con Clavi Con Dio“ läutet daraufhin die okkulte Zeremonie endgültig ein und feiert mit satanischen Versen den einst aus dem Himmel Verbannten. Dazu schwenkt Papa Emeritus IV dunkelroten Stroboskopgewitter das Naviculum, ein beständig dampfendes Weihrauchschiffchen, an einer langen Kette feierlich hin und her, sodass sich die ausströmenden, weißen Rauchschwaden überall um ihn herum verteilen. Anschließend kehrt für wenige Sekunden erneut Stille ein, die alsbald von einem signifikant aufheulenden Riff zerrissen wird. In der mächtigen, unter der Decke schwebenden Stahlkonstruktion rotieren jetzt kleine Lichter, die bei etwas genauerer Betrachtung wie Propeller oder Motoren aussehen. Dazu stößt das metallische Gebilde immerzu riesige Fontänen aus dichtem Nebel nach unten aus, sodass man meinen könnte, dass hier just in diesem Moment ein Ufo landet - Wow, was für ein extrem bindgewaltiger Anblick… „Searchlights!“, singen die sich auf den kleinen Podesten befindenden Gholuettes nun immer wieder mit glasklaren Stimmen. Die allgegenwärtige Atmosphäre ist spannungsgeladen und brodelt weiter, bis eine markante Melodie endlich den Auftakt zum fantastischen „Watcher In The Sky“ gibt, welches sich in seiner grandiosen Live-Umsetzung musikalisch weder vor der gelungenen Studio-Version noch vor dem schillernden Effekt-Gewitter hier im Saal zu verstecken braucht. Im absoluten Gegenteil: In Momenten wie diesen beweisen die acht Musiker ihr ganzes Können erst recht! Mit einem Zylinder im Steampunk-Style bietet Papa diese charismatische Hard-Rock-Nummer gewohnt energiegeladen und stilsicher groovend dar, die in all ihrer überdimensionalen Hymnenhaftigkeit echten Stadion-Show-Charakter offenbart - Ganz großes Kino! In exakt dieselbe Kategorie fällt ebenfalls der sich anschließende Klassiker „Year Zero“, welcher sich eingangs durch sakrale Chorälen und nervös flimmernde Keyboard-Sounds ankündigt, bevor der Frontmann in abermals neuer Garderobe ins Zentrum aller Aufmerksamkeit tritt. Dieses Mal in ein tiefschwarzes Gewand mitsamt goldener Stola gehüllt und dazu eine mittig gespaltene Mitra auf dem Kopf, säuselt er die Strophen leise und verheißungsvoll in das Mikrofon, sodass man förmlich spüren kann, wie sich eine teuflische Präsenz im Saal verdichtet. Eine düstere Ode an eine neue Zeitrechnung… Den epochalen Refrain grölen die treuen Fans hingegen geschlossen mit, wobei der letzte Part einmal mehr ganz besonders gewaltig in Szene gesetzt wird, als zum großen Finale plötzlich gar meterhohe Stichflammen züngelnd grell aus dem Boden lodern und alsbald von dort aus immer wieder in die Lüfte schießen. Was für ein riesiges Spektakel! „Ghost“ wissen ganz genau, sich und ihre schwarze Messe perfekt zu inszenieren.
Die zart perlenden Harfenklänge des kurzen Interludiums „Spöksonat“ leiten danach zur ersten vollwertigen Ballade des heutigen Abends über und diese ist wahrhaft ein überaus ikonisches und nahezu unverzichtbares Stück im Set einer jeden „Ghost“-Messe: Das elegische „He Is“ betört mit zauberhaften Harmonien und arbeitet pointiert auf einen großartigen Klimax in Form des ungemein leidenschaftlich intonierten Refrains hin, der einfach nur berührt und Forges virtuoses Händchen für große Melodien und noch größere Momente offenlegt. Die kurze Pause zum Durchatmen, welche die Band ihrer Anhängerschaft hiermit vergönnt hat, ist auch mehr als notwendig, denn schon mit „Miasma“ werden wieder alle Register der ghost‘schen Performance-Klaviatur gezogen: Hier liefern sich die Nameless Ghouls an Schlagzeug, Keyboard, Bass und Gitarren nämlich ein heißes Gefecht: In diesem so ausladenden wie gleichwohl abwechslungsreichen Instrumental stehen allein die Live-Musiker im Fokus und können ihr spielerisches Talent voll ausschöpfen. Gegen Ende schieben zwei Crew-Mitglieder dann einen aufrecht gerichteten Sarg auf die Bühne, in welchem Papa Nihil ruht. Mit einem Defibrilator versuchen sie jetzt, ihm neues Leben einzuhauchen. Glühende Funken sprühen in die Höhe und mit einem Mal stürzt das erste Amtsoberhaupt aus seiner beengten Ruhestätte und fällt einen der sichtlich erschrockenen Roadies an, der sich im letzten Moment noch des Angriffs erwehren kann. Plötzlich greift Nihil zu einem Saxophon und präsentiert damit unter viel Applaus ein virtuoses Solo. Völlig verrückt, aber ein riesiger Spaß! Der insbesondere durch die sozialen Medien bekanntgewordene, psychedelische Mega-Erfolg „Mary On A Cross“ von der 2019 veröffentlichten Mini-EP „Seven Inches Of Satanic Panic“ heizt das Publikum nochmals weiter an, bis beim düster bollernden „Mummy Dust“ schließlich eine geballte Ladung „Ghost“-Banknoten aus den Rohren am vorderen Bühnenrand in den Saal hinein gewirbelt wird. Die meisterhafte Power-Ballade „Respite On The Spitalfields“, der letzte Song des aktuellen Albums „Impera“, vollendet das Haupt-Set dann mit musikalisch perfekt ausgeklügelter Dramaturgie auf gar hochemotionale Weise und rückt, nachdem Papa Emeritus IV die Bretter als Erster verlassen hat, nochmals jeden einzelnen Ghoul mit einem kurzen Spot-Schwenk, wortwörtlich ins Scheinwerferlicht, bevor auch diese in der Dunkelheit verschwinden…
Aber Bochum möchte unbedingt mehr Musik und ruft stimmgewaltig im Chor nach dem Frontmann und seinen namenlosen Ghouls. Allzu lange soll es tatsächlich auch nicht mehr dauern, bis Papa in einem türkisfarbenen Glitzer-Jackett zurückkehrt und sich spaßend im genervten Tonfall darüber beschwert, dass die treue Gemeinde noch immer nicht genug hat. „Ich habe euch doch gesagt, ihr sollt jetzt nachhause gehen!“, ruft er entrüstet und schüttelt seinen Kopf. Immerhin hätte er es sich in seiner schillernden Abendgarderobe mitsamt Begleitung schon längst im lauschigen Backstage-Bereich bequem gemacht. „Na gut, aber allzu lange will ich euch hier nicht mehr haben… Wärt ihr denn glücklich, wenn wir jetzt noch einen Song spielen würden?“, erkundigt er sich widerwillig und Bochum protestiert. „Okay, okay… Zwei Songs mehr? Oder vielleicht doch Drei!?“, bietet Papa an und das Publikum scheint anhand des überbordenden Jubels wieder milde gestimmt. Also: Abgemacht! Das herrlich ironische, ebenfalls auf der weiter oben erwähnten 2019er EP enthaltene „Kiss The Go-Goat“ macht sodann den Anfang des kleinen Zugabe-Blocks und startet damit sofort eine groovige Party, auf welcher sich auch der Gastgeber selbst ein Augenzwinkern nicht mehr verkneifen kann. Dies setzt sich auch beim extrem catchy tanzbaren „Dance Macabre“ und seinem schier unwiderstehlichen, cheesy 80’s-Charme so fort, dem sich wirklich niemand entziehen kann. Hier werden zu regenbogenfarbener Disco-Beleuchtung zum letzten Refrain nun Unmengen an buntem Konfetti ins Publikum geschossen, dass es nur so eine wahre Freude ist, bis schließlich der absolute Mega-Hit „Square Hammer“ mit einem pyrotechnischen Knall eingeleitet wird und endgültig alle Dämme brechen. Mit einem massiven Funkenregen, der von oberhalb der Bühne auf die gesamte Band niederprasselt, und ein paar letzten Worten von Papa Emeritus IV endet die spektakuläre Ruhrgebiet-Messe nach circa zwei Stunden im RuhrCongress. Während die restlos begeisterte Anhängerschaft allmählich den hell erleuchteten Saal verlässt, tönen „Sorrow In The Wind“ von Emmylou Harris und Per Myrbergs „Så Länge Skutan Kan Gå“ aus den Lautsprechern. Es war eine nahezu perfekte Inszenierung mit vielen fantasievollen Kostüm-Wechseln, einer enorm ausgeklügelten Licht-Show und toll akzentuierten Effekten vor einem schier gewaltigen Bühnenbild mit fantastischen Profi-Musikern, großer Geste und eingängigen Songs, die in ihrer dramaturgischen Gesamtheit beinahe schon einer Theater- oder Musical-Aufführung glich. Zwar etwas kürzer, als noch beim Bochumer Gastspiel in 2019 und leider ohne das bei einigen Shows zuvor noch gespielte „Genesis“-Cover „Jesus He Knows Me“ der neuen EP „Phantomime“ oder das obligatorische „Monstrance Clock“ als Grande Finale, aber dennoch ein unschlagbar gutes Konzert auf einem extrem hohen Level. Ganz egal, wie man nun zu der populären Band aus Schweden auch stehen mag, kann definitiv keineswegs geleugnet werden, dass an diesem Abend eine Band auf internationalem Top-Level auf der Bühne stand, welche sich in gar nicht allzu ferner Zukunft in derselben Liga wie andere moderne Genre-Heroen wiederfinden wird! Ein Platz im Rock-Olymp ist „Ghost“ somit schon jetzt sicher - Amen!
Setlist:
01. Imperium (Intro)
02. Kaisarion
03. Rats
04. Faith
05. Spillways
06. Cirice
07. Hunter‘s Moon
08. Ritual
09. Call Me Little Sunshine
10. Con Clavi Con Dio
11. Watcher In The Sky
12. Year Zero
13. Spöksonat
14. He Is
15. Miasma
16. Mary On A Cross
17. Mummy Dust
18. Respite On The Spitalfields
19. Kiss The Go-Goat
20. Dance Macabre
21. Square Hammer Impressionen:
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