Faderhead - Eisfabrik - Hocico (2022)
Faderhead - Years Of The Serpent (2022)
Genre: Electro / Alternative
Release: 14.01.2022
Label: Not A Robot Records
Spielzeit: 57 Minuten
Fazit: Der Hamburger Electro-Act „Faderhead“ präsentiert sein brandneues Studioalbum: „Faderhead“ zählt zweifelsfrei zu den musikalisch spannendsten Vertretern der aktuellen internationalen Dark-Electro-Szene. Präsentierte sich der viel beschäftigte Hamburger auf seinem letzten Album von seiner persönlichen Seite, dessen Songs eine harmonische, von nachdenklichen Lyrics geprägte Melancholie verströmten, so stellt der Soundspezialist (mit dem unverwechselbaren stimmlichen Timbre) auf seinem neuen Album erneut seine innovative Wandlungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis. So ist „Years Of The Serpent“, das mittlerweile elfte Album des früheren Enfant Terrible, das mit Abstand bislang düsterste Werk in dessen Diskografie. Das Ergebnis sind vierzehn perfekt ausbalancierte, druckvoll produzierte Tracks und ein faszinierend intensiver Mix aus Futurepop, Dark Electro und Industrial, dessen melancholische Vocals sich an omnipräsenten Acid-Techno-Basslines reiben. Die Songs sind ein Rückblick auf die Fehlschläge, Probleme und Tiefen der letzten fünfzehn Jahre und gleichzeitig ein Versuch daraus zu lernen - auch wenn sich das nicht immer als einfach herausstellt. Im Zeitalter von kurzen Spotify-Singles nimmt „Years Of The Serpent“ den Hörer mit auf eine fast einstündige Reise von Dark Electro zu Futurepop, von EBM zu Synthwave… Und wirkt trotzdem immer wie aus einem Guss. „Years Of The Serpent” erscheint am 14.01.2022 als digitaler Download über Bandcamp und klassische CD im Digipak-Format auf Not A Robot Records.
Ganz ohne einleitendes Intro, große Umschweife oder andere Schnörkel legt das bereits als vorab veröffentlichte Single Electro-Monster „All Black Everything“ sofort los und damit gleichzeitig alles in Schutt und Asche. Aggressiv knurrende Synthesizer, grell aufheulende Sounds, ein mächtig stampfender Bass und verzerrte Vocals mit einem eindeutigen Tanzbefehl… Und dann kickt auch schon der massive Beat hart rein. Die wunderbar düster-dreckige Atmosphäre ist irgendwo zwischen Underground-Disco, flackernden Neonröhren und waberndem Kunstnebel angesiedelt und ruft somit unweigerlich starke Erinnerungen an den obligatorischen Szene-Dancefloor-Filler „TZDV“ wach, ohne sich auch nur annähernd vor jenen Club-Qualitäten verstecken zu müssen. Im Gegenteil, denn von dieser Güte soll es alsbald noch einige Exempel mehr geben. Beispielsweise das folgende „Too Dead For Life“, welches zwar weitaus weniger knüppelnd zu Werke schreitet, aber dennoch schon nach wenigen Sekunden als sichere Bank dafür sorgt, dass beim Hören niemand mehr still steht. Neben der extrem dynamischen Rhythmik und einem tanzbar treibenden, variablen Beat, der sich einfach sofort in die Magengrube schrauben muss, strotzt dieser dunkelschöne, facettenreiche Up-Tempo nur so vor lauter kleinen Details und Feinheiten im pulsierenden Sound, welche das Gesamtbild durchgehend interessant und lebendig machen. Wer den kreativen Charakterkopf hinter dem signifikanten Pseudonym, den sympathischen Hamburger Sami Mark Yahya, bisher trotz ausreichend Gegenbeweisen aus der Vergangenheit einzig auf oberflächliches Beat-Geballere reduzierte, erhält mit „Your Broken Ghost“ eine weitere Chance, seine mehr als voreilige Meinung angemessen zu revidieren: Der enorm stimmige Sound gestaltet sich insbesondere wegen der cleanen Vocals samt exotischen Background-Gesängen und nicht zuletzt auch den wärmenden Akkorden einer Gitarre vor dem Hintergrund deutlich reduzierter Elektronik als wundervoll organisch und geerdet, was diese Ballade schnell zu einem der emotionalen und wohl authentischsten Highlights des neuen Albums erwachsen lässt. Doch schon mit dem wechselhaften „Deal With My Pain“ bricht man danach erneut in elektronischere Gefilde auf. Vor allem der sphärische Einsatz der Stimme in Strophen und Refrain liefern hier einen mehr als gelungenen Gegenpol zur dröhnenden, rauen Power des Beat-Gewitters dazwischen. Auch der hervorragend gelungene Industrial-Dampfhammer „You Can‘t Sit With Us“, welcher als erbarmungslose Abrechnung mit diversen Negativeinflüssen innerhalb des Musikbusiness fungiert, nimmt sich da keinesfalls aus und begeistert stattdessen mit einem ungnädig galoppierenden Bass, der sofort ins Blut schießt, extrem viel musikalischer Härte und brutalen Shout-Einlagen in harscher Marschrichtung - Top! „Dark Water“ gleicht sich mit dem vehementen Einsatz von Samples, wild zuckenden Drums und einem gnadenlos peitschenden Klimax-Beat an das zuvor vorgelegte Tempo nur zu gerne an. Der Track kommt als Quasi-Instrumental überwiegend ohne viel Text aus und fokussiert ebenso wie „Always Too Much, Never Enough“ mehr auf hohe Tanzbarkeit inklusive viel pumpendem Bass und flackernden Beats, sodass es eine wahre Freude ist. Das wütende „Control The People“ hätte sich mitsamt stimmungsvollem Vocoder-Einsatz, kleinen EBM-Anleihen und der sozialkritischen Grundnote auch sehr gut in die Tracklist des Vorgängers „Asteria“ eingefügt, mit dem introvertiert tönenden „Where / Far“ wird es dann aber wieder um einiges ruhiger und nachdenklicher. Den wahrscheinlich ausgefallensten Song auf „Years Of The Serpent“ markiert aber das verdammt charmante und herrlich selbstironische „Bootytime“, das mit einem bärenstarken Sound aus kickender Rhythmik und kleinen Kuriositäten auch schöne Sprünge zwischen anrüchig-sinnlichen und kräftig powernden Passagen aufbietet, sodass sich jeder Hintern einfach im Takt bewegen muss! Auf die flackernde Industrial-Walze „Dance With Your Demons“ folgt mit dem großartigen „My Stone Heart“ nochmals ein wahrhaftiger, hochemotionaler Club-Kracher irgendwo zwischen pulsierendem Future-Pop im mittleren Tempo und leicht balladesken Untertönen, der vor allem von seinem fantastischen Spannungsbogen samt kurzen Ruhephasen und energetischen Abschnitten nebst gefühligen Lyrics profitiert. Die letzten beiden Stücke bilden dann ein ausgeglichenes Doppel mit dem Besten aus beiden „Faderhead“-Welten, denn hier geht es sowohl hart als auch zart zu. So kommt „Snakedemon“ in einem düsteren Soundgewand daher, das nicht zuletzt auch wegen der stark verfremdeten Vocals einerseits ziemlich bedrohlich und dennoch seltsam anziehend auf den Hörer einwirkt, was der instrumentalen Untermauerung der besungenen Thematik stimmig dient. Im direkten Vergleich dazu mutet der wunderbare und stark emotionale Closer „The Hope That Kills You“ wie das reinste Kontrastprogramm an, wenn sich ein herzergreifender Text voller Empathie und die melancholische, ruhige Synthie-Melodie als betörend ruhiger Abgesang wohlig warm auf die Gehörgänge legen - Schön! Wer „Faderhead“ kennt, weiß ganz genau um die Qualitäten des Hamburger Produzenten und daran ändert auch „Years Of The Serpent“ rein gar nichts… Im Gegenteil. Yahya behält seine seit jeher extrem hohen Standards in allen Belangen nicht nur bei, sondern baut diese sogar noch um ein Vielfaches aus und hebt den spätestens seit „Night Physics“ und „Asteria“ perfekt nuancierten Sound damit auf eine ganz neue Ebene, die nur die logische Konsequenz im Schaffensprozess sein konnte und sich zu jeder Zeit wahnsinnig rund und durchdacht anfühlt. Fantastisch ausproduziert, handwerklich gewohnt tadellos umgesetzt und mit ganz viel Raffinesse und Blick für die Details in Musik und Gesang, gelingt dem Hamburger hier erneut der ganz große Wurf im Genre, der sowohl alte Stärken selbstbewusst konstatiert als auch viel frischen Wind mitbringt, ohne sich auch nur einen Millimeter vom etablierten Trademark-Status zu entfernen. Klare Empfehlung!
Informationen:
https://faderhead.com/blog/
https://www.facebook.com/faderhead/
Eisfabrik - Life Below Zero (2022)
Genre: Electro / Alternative
Release: 25.02.2022
Label: NoCut (SPV)
Spielzeit: 83 Minuten
Fazit: Während andere in Winterstarre verfallen, veröffentlichen Eisfabrik ihr sechstes Album „Life Below Zero“. Da die Scheibe mit 20 Songs mehr cooles Material enthält, als auf eine einzelne CD passen würde, erscheint „Life Below Zero“ als Doppelalbum! Allein in der Dunkelheit, 24/7 nicht das kleinste Licht, ein wenig Nähe oder den Hauch von Wärme. Nur erdrückende Stille, beklemmende Einsamkeit und klirrende Kälte. In „7even Days of Darkness“ bauen sich nach und nach treibende Beats auf und peitschen dir eiskalt ins Gesicht. Doch du trotzt dem scheinbar aussichtslosen Schicksal und entgegnest: „Now I will gather power and bring it to an end.“ Du kämpfst, aber die Kälte und das Eis scheinen dich zu überwältigen und in die Knie zu zwingen… Doch dann tauchen plötzlich Dr. Schnee, Der Frost, °Celsius und von Fahrenheit vor dir auf und halten dir den „Mirror“ vor dein nahezu erstarrtes Gesicht. Mit melodiösen Synthie-Sounds, eindringlichem Gesang und Beats, zu denen du einfach tanzen MUSST, tauen sie deine eingefrorenen Glieder auf und schenken dir neue Hoffnung. Du erkennst, dass Musik, Liebe und Freude stärker sind als Dunkelheit und Kälte… Zwanzig Songs. Vierzehn auf Englisch. Sechs auf Deutsch. Auf „Life Below Zero“ finden sich so viele deutsche Tracks, wie auf keinem anderen „Eisfabrik“-Album zuvor. Die Meister des Future-Pop zeigen mal wieder, wie man innerhalb von Sekunden das Eis bricht und ein wahres Feuerwerk an heißen Beats, mitreißenden Synthie-Sounds und großartigen Texten auf die Tanzfläche und die Gehörgänge abfeuert. Gänsehaut und Muskelkater vom Tanzen sind hier gleichermaßen vorprogrammiert und eins ist sicher: Bei den ganzen fetten Dance-Tracks wird so schnell niemandem kalt! „Life Below Zero“ schneit am 25.02.2022 als digitaler Download, Doppel-CD, Doppel-Vinyl und streng auf nur fünfhundert Einheiten limitierte Fan-Box via NoCut Entertainment zu euch herein. Diese enthält neben der oben bereits genannten 2-CD-Version unter anderem auch eine exklusive EP mit sechs brandneuen Tracks im vierseitigen Digipak, ein Poster in Sondergröße, eine von der gesamten Band handsignierte Autogrammkarte und ein weißes Silikonarmband mit dem bekannten Schriftzug. Das alles im hochwertig verarbeiteten LED-Eiswürfelbehälter, dem heimlichen Highlight, in den Maßen 19 cm x 19 cm x 18,5 cm geliefert!
Knurrende Beats, frostig klirrende Sound-Scapes und ein pumpender Bass geben die unterkühlte Richtung des eröffnenden „Mirror“ vor, das im Folgenden viele bekannte und beliebte Elemente bietet. Der charakteristische Gesang von Charly „Dr. Schnee“ Barth-Rickfels steht dabei schon ab der ersten Strophe klar im Vordergrund und kommt dadurch gut zur Geltung, auch der übrige Rest fügt sich nahtlos in das recht harmonische Gesamtbild dieses reinrassigen, kalten Synthie-Pop-Stücks in bester „Eisfabrik“-Manier ein. Besonders der massive Klimax zum Refrain hin gefällt hier ebenso, wie so manch experimentelle und verquere Einschübe, welche der unberechenbaren Abwechslung des ansonsten eher geradlinigen Songs beitragen. Helle Glockenschläge und eine klagende Violine unterstreichen danach die stampfende Rhythmik von „Saving Shore“, das mit seinem vertrauten Aufbau und technoiden Elementen ziemlich schnell vehemente Erinnerungen an „Schneemann“ wach werden lässt. Die erste Single, „Eins Mit Dem Wind“, zeigt sich hingegen wieder deutlich gediegener und besticht anstelle eines ekstatischen Sound-Overloads mit einer markanten Synthie-Melodie und einem treibenden Basslauf im angezogenen Mid-Tempo. Entsprechend des Titels gibt es hier eines der raren Stücke mit deutschen Lyrics zu hören, von denen sich auf „Life Below Zero“ allerdings noch mehrere Vertreter finden sollen. Fraglos wohnt dieser bittersüßen Power-Ballade eine durchweg melancholische Note inne, die den nordischen Spirit der eisigen Hanseaten perfekt einfängt. „Wait For A Sign“ geht deutlich mehr nach vorne und kombiniert elektrisierenden Future-Pop mit leichten EBM-Anleihen und harschen Beats. Selbiges gilt auch für „Choose“ oder das packende „Lost Control“: Die Kryothermalmusik der vier Fabrikanten ist gefühlt immer dann am besten, wenn die BPM-Werte schnell in die Höhe schießen und somit gleich ins Tanzbein gehen! Dagegen fallen beispielsweise „Neurodämon“, „7even Days Of Darkness“, „White Wings“ oder „Glück Auf!“ mit ihrer mehr als nur fest etablierten, formelhaften Essenz aus stoisch getaktetem Bass-Stampfen im mittleren Tempo, den kühlen Industrial-Anleihen und der konträr dazu gesetzten, sphärischen Pop-Harmonie im Vergleich leider doch etwas ab. Klar, die jeweiligen Songs halten durch die Bank weg ein grundsolides Level und spiegeln dabei jederzeit den typischen Charakter mit der signifikanten Handschrift der vier Fabrikanten, bieten im Umkehrschluss aber doch zu wenig Überraschungen oder Neues an, um wirklich lange im Gedächtnis zu bleiben oder aus der Tracklist herauszustechen. Fast wirkt es zuweilen so, als hätte man sich über die vergangenen Jahre am Rezept der „Eisfabrik“ etwas satt gehört. Auch „Energie“ nimmt sich da mit seiner obligatorischen Mensch-Maschine-Thematik, an welcher sich unter anderem schon auf „Eisplanet“ zur Genüge abgearbeitet wurde, nicht aus, glänzt dafür aber immerhin mit seiner leicht kryptischen Machart und dem eindringlichen, unterkühlten Beat, der die Grundstimmung gut zu tragen weiß. Einzig die beiden Balladen „Lost In Endless Ice“ und das abschließende „One More Tale“ heben sich da mit ihren sanft vom Piano geführten Klängen oder reduzierter Percussion und den behutsam angedeuteten Gitarrensaiten etwas ab. Wie bereits erwähnt, ist die zweite CD kein bloßes Bonus-Beiwerk mit Remixen und Co., sondern stellt die vollwertige, andere Hälfte des ersten Doppelalbums der „Eisfabrik“ dar. Und so wird auch direkt mit dem gleichnamigen Titeltrack „Life Below Zero“ durchgestartet: Ein Mid-Tempo-Track in klassischer Tradition, der neben den elektrisierend verzerrten Vocals, die abwechselnd zwischen dunklen und hellen Tonlagen in Strophen und Refrain pendeln, auch wieder einen stampfenden Bass, tanzbar kühle Beats und, wie sollte es auch anders sein, viel Eingängigkeit auffährt. „Ain't Gonna Lie“ wird zunächst durch ein kurzes, aber dennoch sehr atmosphärisches Intro mit sakralen Chorälen und finster hallenden Effekten eingeleitet, das die baldige Gangart dieses Tracks schon zeitweise erahnen lässt. Kurz darauf vereinnahmt die catchy Melodie zusammen mit dem schwer stampfenden Bass und rhythmisch zuckenden Beats, welche das allgemeine Tempo ordentlich hochhalten und so aus dem weitestgehend gediegenen Future-Pop-Einerlei angenehm herausstechen. „Over And Done“ nimmt danach mit seinen synthetischen Streichern, Piano-Tupfern und der melancholischer Haltung leider gleich wieder viel Spannung raus und gibt der netten Ballade ihren Raum, die zwar handwerklich durchaus gut gemacht ist, aber eben auch nichts bietet, was man zuvor nicht schon gehört hat. Bei „Wages Of Sin“ regiert hingegen wieder ein eher gestrenger und EBM-esquer Rhythmus, der von einigen Sound-Fragmenten angereichert wird, die sich in den Strophen dann allmählich zu einem gelungenen Klimax aufbauen, der durch den unspektakulären Refrain aber leider nicht länger gehalten werden kann. „Zeit Und Meer“ erinnert, zumindest rein instrumental gesehen, an manchen Stellen leicht an die Boddypopper von „And One“, fügt sich ansonsten aber in das typische „Eisfabrik“-Muster ein. Der etwas karge, reduzierte Sound passt gut auf die nachdenkliche Thematik und hält durch manche Umschwünge in Stimmung und Tempo trotzdem einiges an Abwechslung bereit, während „Wake Up!“ gleich von Beginn an umso mehr aufpeitscht und mit tantbaren, rasanten Rhythmen sowie Impulsen schnell zu mehr Bewegung zu animieren weiß. Der endgültige Closer, „Alles Still“, ist abschließend nicht unbedingt so ruhig, wie der Titel vielleicht erst vermuten lassen könnte, weist gleichzeitig jedoch trotzdem zu wenig Erinnerungswürdiges auf, um lange im Gedächtnis zu verweilen. Leider ein Umstand, den sich dieser letzte Song des Albums mit vielen anderen Nummern in der langen Tracklist teilt… Möglicherweise ist dieses Manko der hohen Veröffentlichungsdichte der vier Fabrikanten geschuldet, eventuell aber auch der sich über zwei Discs erstreckenden Spieldauer, doch je länger man „Life Below Zero“ hört, umso gleichförmiger wirkt das Gesamtwerk in seiner Summe. Bei aller grundsoliden Qualität der Musik an sich, scheint sich mittlerweile eine Art Routine in der Fabrik eingeschlichen zu haben, an die man sich als langjähriger Hörer nun gewöhnt zu haben scheint. Schlecht ist dabei natürlich keiner der insgesamt zwanzig Songs, bloß setzt eigentlich ausnahmslos das gesamte Material auf bekannte Strukturen und auf Nummer Sicher produziert, wodurch sich irgendwann unausweichlich Ermüdungserscheinungen manifestieren. Nennenswerte Neuerungen, Experimente oder andere Überraschungen gibt es praktisch keine, dafür mehr vom Gleichen und zwar nahezu alles, was das elektronische Szene-Genre so hergibt. Die größten Schwächen aufgrund mangelnder Abwechslung müssen sich „Eisfabrik“ immer genau dann einstreichen, wenn der typische Synth- und Future-Pop im standardisieren Mid-Tempo dümpelt, richtig gut wird es dafür aber bei den schnelleren Titeln, die auch dieses Mal wieder viel rausreißen. Etwas mehr Frische und Mut zur Andersartigkeit, wie er „Eisfabrik“ beispielsweise zu ihren Anfängen innewohnte, fernab der rein visuellen Komponente, würde sicher guttun. Doch so genießt man „Life Below Zero“ lieber in kleineren Portionen, bevor sich zu viel der Repetition einstellt und das ansonsten wirklich gute Gesamtbild schmälert. Treue Fans der „Eisfabrik“ greifen selbstredend sofort zu und werden mit der großen Auswahl an neuer Musik definitiv ihre frostige Freude haben!
Informationen:
http://eismusik.de/eisfabrik/
https://www.facebook.com/eisfabrikofficial
Hocico - HyperViolent (2022)
Genre: Electro / Alternative
Release: 14.04.2022
Label: Out Of Line (rough trade)
Spielzeit: 86 Minuten
Fazit: Die Electro-Keule kreist wieder! Die mexikanischen Industrial-Legenden „Hocico“ melden sich mit ihrem brandneuen Album „HyperViolent" eindrucksvoll zurück! Nicht einmal zwei Jahre nach ihrem letzten Album sind die mexikanischen Höllen-Cousins zurück aus dem Pandemie-Kerker und lassen ihrer Aggression auf dem neuen Opus unverblümt freien Lauf. Latent bedrohlich und eher schleichend rabiat wie bei „Broken Empires“ oder im pulsierenden Dark’n’Bass-Gewand wie bei der zweiten Vorab-Single „Backstabbers“ - „Hocico“ spielen auf den dreizehn Tracks ihres neuen Longplayers die komplette Aggro-Klaviatur. Und das gilt auch für den Bonustrack „Weapons of Resistance" mit den Gastvocals von „ten56.“-Frontmann Aaron Matts! Nach den vorangegangenen Kollaborationen von „Hocico“ mit „Lord Of The Lost“ und „Ost+Front“, bedeutet dies ein weiterer Krachmacher-Trip ins Gitarrenlager. Auch 2022 gilt also: Knüppel aus dem Sack oder einfach gesagt: „Hyper Hyper“! Das neue „Hocico“-Album erscheint am 14.04.2022 unter dem vielversprechenden Titel „HyperViolent“ via Out Of Line Music als digitaler Download, klassische MC inklusive Bleistift, Deluxe-Edition im doppelseitigen Digipak, Doppel-LP und auf vierhundert Einheiten limitierte Holz-Box, die neben der 2-CD-Version auch ein handnummeriertes Zertifikat, eine Keramik-Fliese mit Kunstdruck, ein Bandana, einen in Mexiko handgefertigten Gewürz-Shaker, einen Beutel mit Chili-Schoten und das Lieblingsrezept der Band enthält.
Mit dem gewohnt sinister arrangierten Intro „When The Trumpets Of Hate Blow“, blasen die zwei Mexikaner auch sogleich zur musikalischen Apokalypse: Während der dröhnende Widerhall eines abgründig tief gestoßenen Horns schwelend in die Ferne entweicht, verästeln sich parallel dazu exotisch-traditionelle Klänge und orchestrale Elemente mit aufrüttelnden Percussion-Fragmenten, dem schemenhaften Einsatz von Gitarren und düster geraunten Mantra-Lyrics. Das alles geht dann in die erste und damit bereits bekannte Vorab-Single „Broken Empires“ über, welche die unheilvolle Atmosphäre des Auftakts in all ihrer Bedrohlichkeit aufgreift und sogar noch vertieft. Nach dem gespenstisch instrumentierten Einstieg voll durchdringender Intensität flackern kurzzeitig Synthesizer auf, bis der Rohe Beat den gemächlich schweren, doch nicht minder druckvoll treibenden Rhythmus vorgibt. Die ikonischen, verzerrten Vocals, welche hier über weite Strecken jedoch überraschend klar zu Gehör tönen, und verquere Piano-Sprengsel machen daraus einen amtlichen Industrial-Stampfer mit ganz viel Bass, der zwar etwas weniger tanzbar, aber dafür dennoch packend ist. Schon mit „Acts Of Aggression“ gibt es wieder die gewohnte Aggrotech-Kost auf die Ohren. Zu verschrobenen Sound-Landschaften, wilden Drums und ekstatisch flimmernden, technoiden Beats, die sich erbarmungslos ihren Weg in den Bauch hämmern und das Blut in Wallung bringen, hagelt es immerzu hasserfüllte Ausbrüche. Mal finster geraunt, dann wieder in Form wutentbrannter Schreie, welche die omnipräsente Aggression stets greifbar machen und einfach zur Bewegung zwingen. Das dunkel-mystische Instrumental „Un Sepulcro Sin Cadaver“ bedient sich mit seinen Chören und synthetischen Orchester-Parts vor der horroresken Spieluhr-Thematik wiederum eines sehr wuchtigen Sounds, der eine gewisse Dramaturgie nicht verleugnen kann. Das arglistig lauernde und zudem herrlich gelungene „What Are Nightmares Made Of?“ erweist sich danach in all der elektrisierenden Melodieführung als extrem tauglich für die Dancefloors der schwarzen Clubs: Der fast schon zu eingängigen, ja, um nicht zu sagen „poppigen“, modernen Industrial-Note entgegnet man hier jedoch schnell mit diabolischen Shouts, die den Hörer nicht zu lang in Sicherheit wiegen und Gefahr verheißen. „Hacked Society“ führt abermals zurück in ureigene Gefilde mit viel Power, rasendem Tempo und ordentlich Druck unter der Haube, der sicher nicht zuletzt in den knüppelnden Drums und Aicrags unberechenbar wechselhafter Intonation begründet liegt. Die zahlreichen Effekte und fremdartigen Samples tun dann ihr Übriges, um das verstörende Gesamtbild abzurunden, bis mit „El Jardin De Las Locuras“ ein weiteres Instrumentalstück die Tracklist kurzzeitig angenehm erdet, das mit Geräuschen eines aufziehenden Gewitters und düsteren Synths erneut wirklich sehr stimmungsvoll geraten ist. Die sofortig schrill aufheulende Vorab-Single „Backstabbers“ gibt daraufhin wieder amtlich Gas und präsentiert sich in bester Drum‘n‘Bass-Tradition, die zuweilen etwas an „The Prodigy“ gemahnt und wunderbar oldschoolig daherkommt. Hier feuern „Hocico“ wahrlich aus allen nur erdenklichen Rohren und nutzen dafür, was das instrumentale Repertoire nur so hergibt, bis sich zusammen mit den tobenden Vocals die Nummer fast in ihrer eigenen Eskalation zu überschlagen droht und den Puls immer weiter bis zum Anschlag treibt. Dahingehend reiht sich „Lost World“, eine typische Hasstirade auf die Welt und ihre rücksichtslose Bevölkerung, konsequent ein, wenn auch nicht ganz so destruktiv und geradezu aufpeitschend, wie beim vorherigen Song, bevor mit „Black Reflection“ dann erneut ein Interludium folgt, welches seinem geistigen Vorgänger doch recht ähnlich ist. Sehr ungewöhnlich wird es aber nochmal gegen Ende, wenn sich beispielsweise bei „N.W.O.“ aufreibende Sirenen-Samples und treibende Beats mit donnerndem Drumming und schreddernden E-Gitarren zu einer brutalen Industrial-Metal-Melange vermischen, was schließlich im siebenminütigen „Crown Of Knives“ gipfelt, das vom gutturalen Gesang mit tiefen Growls und grellen Screams her sogar fast schon im Black-Metal zu verorten ist! Handwerklich und technisch zwar wirklich gut gemacht und tadellos umgesetzt, bleibt mit dieser einschneidenden Stilbruch-Überraschung jedoch das Gefühl, es experimentell dieses Mal etwas zu sehr auf Spitze getrieben zu haben, wenngleich die entsprechende Versatilität natürlich sehr mutig und lobenswert ist. Das letzte Instrumental „Peccata Mundi“ kumuliert mit Einflüssen von Dark Ambient und Neo-Klassik abschließend viel der angestauten Aggression zu einer dichten Atmosphäre mit Sogwirkung, die sodann in einem verheerenden, elektronischen Finale gipfeln, welche vor dem inneren Auge die Tore der Hölle öffnen… Auf ihrem aktuellen Album bedienen sich die beiden Cousins allerhand Einflüssen aus verschiedenen Genres und präsentieren sich dabei wohl so dermaßen unberechenbar und facettenreich, wie selten zuvor in ihrer langen Bandgeschichte. Nur allzu gerne weichen Racso Agroyam und Erk Aicrag im Jahr 2022 schelmisch von ihrer teuflisch guten und lange bewährten Formel aus zerstörerischem Aggrotech und polterndem Industrial ab, verweben zwischenzeitlich immer wieder energiegeladenen Techno und antreibenden Drum‘n‘Bass in ihren unnachahmlichen Sound, streifen zuweilen sogar clubtauglichen Synthie-Pop, verknüpfen die zunächst eher ungleichen Stränge dazwischen mit atmosphärischen Dark-Ambient-Ausflügen und schrecken selbst vor diversen Spielarten des Metal nicht zurück. Das Ergebnis ist ein wirklich stimmungsvolles und abwechslungsreiches Werk, das zuweilen jedoch ein wenig unentschlossen, inkonsequent und zerrissen wirken kann, insbesondere im direkten Vergleich zu seinen jüngsten Vorgängern. Wer die volle, tanzbare Electro-Dröhnung sucht, wird hier mitunter ein wenig enttäuscht sein, während etwas offenere Gemüter ihre helle Freude damit haben dürften. Nichtsdestotrotz hört man „HyperViolent“ fraglos das Handwerk der Altmeister aus Mexiko an, die hier ein gutes Stück weit zu ihren ureigenen Wurzeln zurückfinden und dennoch keinen Blick nach vorne scheuen. Reinhören!
Informationen:
http://www.hocico.com/
https://www.facebook.com/hocicoofficial