Combichrist - CMBCRST (2024)
Genre: Metal / Industrial / Alternative
Release: 17.05.2024
Label: Out Of Line Music (Rough Trade)
Spielzeit: 64 Minuten
Pressetext:
Der Gottvater des Industrial Metal dreht wieder auf! Und zwar primär die kreischenden E-Gitarren, die auch auf dem fünften Album nach der musikalischen Zeitenwende wie ein Hölleninferno lärmen, ohne dabei die musikalische DNA von „Combichrist“ zu verleugnen. Denn das basale elektronische Setting behält Andy LaPlegua auf seinem neuen Album „CMBCRST“ selbstverständlich bei und zeigt damit allen Copycats einmal mehr, wie Wandeln zwischen musikalischen Welten wirklich funktioniert: Wird sich hier noch in räudigen Riffs gesuhlt, donnern dort bereits die derbsten Electro-Bässe und treiben damit jedem Abtrünnigen den Teufel mit dem Beelzebub aus. Exorzismus á la „Combichrist“! Denn einmal mehr reizen LaPlegua und seine Höllenhunde ihr musikalisches Alleinstellungsmerkmal mit brutaler Souveränität aus und wissen dabei ganz genau, womit sie die Rotte für bedingungslose Gefolgschaft füttern müssen - „Only Death Is Immortal“!
Ab dem 17.05.2024 ist „CMBCRST“, eine gewaltige Ergänzung der Bandgeschichte, weltweit erhältlich und wird über Out Of Line Music in verschiedenen Konfigurationen angeboten: Neben der Veröffentlichung auf allen bekannten Streaming-Plattformen ist „CMBCRST“ auch als digitaler Download, Doppel-CD im Digipak, Vinyl in transparentem Pink-Schwarz oder Zeotrope, Retro-MC inklusive Bleistift oder streng auf 666 Einheiten limitierte Holz-Box erhältlich. Diese enthält neben der 2-CD-Version exklusiv die Bonus-CD „Old School Show Live in Glasgow“, ein Echtheitszertifikat, ein Poster in DIN A2, einen Schlüsselanhänger mit integriertem Flaschenöffner, einen großen Logo-Aufnäher und ein bedrucktes Lederarmband.
Kritik:
"We got a war for you
So dry your tears with pain
We're here to see it through
Just embrace the flames!“
Achtung: Die markanten Signature-Growls von Andy LaPlegua scheppern dem unbescholtenen Hörer hier bereits innerhalb der ersten paar Sekunden ohne jegliche Vorwarnung erbarmungslos um die Ohren, stürzen sich beinahe wie undefinierbare Störgeräusche in einen verzerrt-abgehackten Loop, nur um dann plötzlich von extrem brutalen Riffs mit einem Schub beiseite gefegt zu werden. Das wuchtig ausproduzierte Schlagzeug drückt geradezu beängstigend bebend aus dem Hintergrund heraus, die metallischen Saiten sägen. Der damit vorgegebene Rhythmus ist verdammt mächtig und tonnenschwer. Dann ein kurzer Break für einen kleinen Bruchteil: Ein seltsam verfremdetes Sample mit stark nachbearbeiteter, roboterartiger Vocoder-Stimme („We Were Made To Love You“, anyone?) und die aggressiven E-Gitarren halten kurzzeitig ein, nur um dann allmählich wieder an Fahrt aufzunehmen. Der Bass pocht dumpf, während LaPlegua die Strophen mit cleaner Stimme besingt. In der sich anschließenden Bridge kommen die Drums erneut hinzu und bäumen sich hörbar auf, bereit für die ultimative Industrial-Metal-Eskalation… „We are the tools for a broken machine…“. Doch dann wenden „Combichrist“ plötzlich ganz und gar unerwartet das Blatt und führen bewusst in die Irre: Der pochende Bass stampft wie zu besten Zeiten und kaputt aufheulende Synthie-Sprengsel bitten verquer zum elektrisierenden Maschinen-Tanz. Ja, der eröffnende „Children Of Violence“ fährt mit seinem komplexen, undurchschaubaren Hybrid-Arrangement und den enorm sprunghaften Stilrichtungen allein in der ersten Minuten beinahe mehr unterschiedliche Facetten auf, als manche Studioalben überhaupt an musikalischer Abwechslung insgesamt bieten! Doch dass sich der gebürtige Norweger und seine vier Mitstreiter auch mit ihrem aktuellen Output keineswegs auf ein Genre festnageln lassen wollen, beweist schon das nachfolgende „D For Demonic“: Eine dunkle Electro-Basis und verstörende Samples erzeugen allein im Intro eine beunruhigende Wirkung. Das böse knurrenden Saitenwerk ist selbstredend auch hier wieder unterschwellig präsent, doch täuschen „Combichrist“ dieses Mal nicht nur augenzwinkernd an, sondern geben maximal Vollgas: Metallisch dreschende Schläge malträtieren die Drums ohne Unterlass und furios rasende Gitarren ballern in irrsinnigem Tempo, das zeitweise an „Guns At Last Dawn“ vom Vorgänger „One Fire“ erinnert, straight nach vorne. Die bestialische Intensität walzt ohne jede Rücksicht alles platt und übermannt beim Hören dermaßen bedrückend, das fast die Luft zum Atmen schwindet. Eine kurze Pause sucht man vergebens, wobei auch das als digitale Single vorab ausgekoppelte „Heads Off“ offensichtlich keine gnädige Ausnahme zu bilden vermag. Hier köcheln Schlagzeug, Bass und Gitarre anfangs kollektiv in einem überschäumenden Topf, um sodann einen knüppelnden Aggro-Walzer purer Destruktivität zu begehen, welcher jegliche Beherrschung von sich fahren und dafür grenzenlose Wut gewähren lässt. Zum schrill heulenden Synthie-Sound dreschen die Instrumente in einer Schlacht dergleichen brutal aufeinander ein, das einem Hören und Sehen vergeht. Dazu keift sich LaPlegua mit bitteren Shout-Angriffen die Seele aus dem Leib, dazu hallt seine Stimme als entferntes Echo von den Wänden wider, während metallisch dröhnende Hammerschläge den Industrial-Charakter als Zwischentöne untermauern und sich der kernig-knappe Refrain als martialischer Schlachtruf in den Ohren festigt.
Das plakative Motto der seit März laufenden Club-Tour durch die Staaten ist auch der Name des sich nun anbahnenden Titels: „Only Death Is Immortal“. Dämonisches Gewirr aus Stimmen vermengt sich jetzt mit einem angespannt pluckernden Bass, unterdessen versprühen fiebrig-schrill flimmernde Keyboard-Sounds immer weiter ihre giftige Dämpfe und verdichten sich mehr und mehr. Stark verzerrte Gitarren schreddern durch den niederdonnernden Stampf-Takt und formen damit langsam eine wahrhafte Industrial-Keule, die in den Strophen erst noch maßgeblich elektronisch bestimmt ist und ihre manische Riff-Power erst im heftigen Shout-Chorus entfaltet, der alles kurz und klein zu schlagen droht. Finster perlende Electro-Tupfer ziehen danach äußerst hypnotisch in den tiefschwarzen Strudel des abgründigen „Compliance“ hinab, welches mit seiner scharfen Gesellschaftskritik nicht hinter dem Berg hält. Der druckvoll pumpende Industrial-Electro steigt über die Dauer zunehmend an und flutet die zynisch gefauchten Strophen zunehmend mit herrlicher Oldschool-Würze in klaustrophobisch Dichte. Der Metal-Anteil wird hier bewusst zurückgefahren, stattdessen gestalten die rau kratzenden Saiten und das taktierende Schlagzeug den marschierenden Rhythmus mit, welcher sich daraufhin im tobenden Refrain entlädt. „Northern Path“ sorgt im Mittelteil der Tracklist stilistisch für den wohl größten Bruch mit der allgemeinen Grundstimmung der bisherigen und auch aller folgenden Songs. Dabei spielt das ruhige Stück im Titel mit der skandinavischen Herkunft des Sängers, dessen glasklarer Gesang hier erstmals völlig unverstellt eingesetzt wird und den Fokus mit seiner puristischen Natürlichkeit ganz auf den Text selbst lenkt. Das Keyboard sorgt mit atmosphärischen Ambient-Flächen für spannendes Knistern, ansonsten wird zur Instrumentierung zunächst lediglich auf die Akustikgitarre zurückgegriffen. Zugegeben, ist die Einbindung einer derartigen Nummer keine allzu große Überraschung mehr, ruft die konträre Gestaltung des Arrangements doch lebhafte Erinnerungen an „The Evil In Me“ vom 2014 veröffentlichten „We Love You“ oder auch „Bottle Of Pain“ des vorausgegangenen Langspielers wach. Erst recht, wenn im Chorus dann noch die sanften Streicher hinzukommen und für eine charmante Outlaw-Lagerfeuer-Stimmung sorgen, welche die persönliche Note nochmals schärfen und jenem nachdenklichen Gegenpol damit etwas Ursprüngliches verleihen. Einen ganz kleinen Moment der Verunsicherung können sich „Combichrist“ jedoch auch hier nicht verkneifen und so blitzen Schlagzeug und E-Gitarre etwas später im Mittelteil doch einmal schnell auf, brechen allerdings zu keiner Zeit im bekannten Ausmaß aus und kippen die schöne, wenn auch ziemlich unspektakuläre, Ballade auf den letzten Metern nicht mit einer krassen Wendung in härtere Gefilde. Warum auch? Immerhin bleibt dafür während der nächsten sieben Tracks noch mehr als genug Zeit und so geht es jetzt so heavy wie schon zuvor weiter.
Zum scheinbar im weitesten Sinne von nordischer Mythologie inspirierten „Through The Ravens Eyes“ heulen anfangs unter tumultartigem Sampling grelle Synthies auf und gleichen damit alarmierenden Sirenen. Natürlich lässt die bombensicher zu erwartende Metal-Melange jetzt wieder ebenso wenig lange auf sich warten, wie auch beim barbarischen „Wolves Eating Wolves“. LaPlegua schreit und wütet sich rasend durch die mal von düsterem Electro und mal von mystischer Tribal-Percussion grundierten Strophen. In den jeweiligen Refrains der schwer schleppenden Nummern hämmert das wild ballernde Drumming dann einem höllischen Presslufthammer gleich aus den Boxen und zeigt sich fraglos bereit, in enger Fusion mit den durchweg rabiat agierenden Gitarren alles zu zerlegen, was sich ihnen in den Weg stellt. Das allererste Lebenszeichen des aktuellen Longplayers liegt mit tatsächlich drei Jahren verblüffend lange zurück, wurde der entsprechende Song doch bereits im März 2021 als Standalone-Single auf die Welt losgelassen, als noch lange von keinem kompletten Fulltime-Release die Rede war: „Not My Enemy“ ist somit also schon längst bekannt und dennoch eines der absoluten Highlights von „CMBCRST“! Zum Auftakt schickt die infernalisch tosende Nummer einen schrillen Electro-Schrei voraus, der nur so durch Mark und Bein fährt und sofort die Marschrichtung klarstellt, bevor die Strophen textlich dann mit einer schönen Insider-Referenz für langjährige Fans aufwarten („Without emotions, without feelings…“), die einfach kein Zufall sein kann. Ohne jegliche Umschweife schwingt sich der cleane Gesang auf den nervös zitternden Beat, denn erst die wallende Bridge führt die bissigen Riffs im Nachgang ein, während sich in diesem Kontext auch die Stimme nun immer mehr wandelt. Ein Vocoder-Sample skandiert kurz warnend den Titel zur unvermeidbaren, explosiven Entladung voll surrender Beats und wütender Gitarren-Eskalation. Dieser Vorbote steht genau wie auch das ebenfalls zuvor ausgekoppelte „Modern Demon“ geradezu stellvertretend für den Genre überschreitenden Hybrid-Sound irgendwo zwischen Electro und Metal, den „Combichrist“ seit 2014 praktizieren. Der dreckige Basslauf und rough verzerrte Saiten unterstützen zuerst den verfremdeten Gesang innerhalb der ersten Strophe, kurz danach knallen mit einem Mal satte Electro-Beats aus den Boxen und werden von rasselnden Drums gerahmt. Die Stimmung bleibt über die gesamte Spieldauer zwar enorm angespannt, hält sich aber dennoch zurück, sodass die zu erwartende Explosion zugunsten clubtauglicher Dancefloor-Affinität mit ihrem dröhnenden Dubstep-Einschlag überraschend ausbleibt. Stattdessen spielen „Combichrist“ hier ähnlich stark und unberechenbar mit den Erwartungen des Hörers, wie schon zu Anfang des aktuellen Albums, womit sich der Sound abermals von der metallastigen Tracklist-Mitte entfernt und sich dafür im dual geprägten Fahrwasser eines „Can‘t Control“ oder „Denial“ ansiedelt.
Richtig gehört: Das folgende „Planet Doom“ ist, wie schon allein das unheimlich tönende Nostalgie-Instrumental-Intro in der besten Machart von Altmeister John Carpenter zeigt, durch und durch vom klassischen Slasher-Horror der Achtzigerjahre inspiriert. Eine passionierte Hommage an jenes ikonische Film-Genre, welches die Musik der Band nach eigener Aussage seit jeher stark beeinflusst hat und somit stellvertretend für LaPleguas cineastische Leidenschaft steht. So entstand unter der Regie von Ben Winston, der unter anderem für seine Arbeit an „Hellbound“ bekannt ist, auch das aufwändige Begleit-Video zur Single - Ein visuelles Fest für alle Fans von Horrorfilmen, welches nicht mit charmanten Klischees und handgemachten Effekten geizt! „Dieses Video war ein absolutes Herzens-Projekt für mich. Horrorfilme sind ein großer Teil meines Lebens und beeinflussen auch die Art, wie ich Musik schreibe. Die Idee für dieses Video war eine Hommage an die Filme, die ich als Kind geliebt habe und auch heute noch liebe!“, berichtet Andy LaPlegua selbst zum Hintergrund des Songs und führt zu den Dreharbeiten dann weiter aus: „Das Video ist ein großer Tribute an die Klassiker und wurde in drei kalten November-Nächten in Alabama von Ben Winston gedreht, einem großartigen und aufstrebenden Film-Regisseur. Es wurde alles so gedreht, wie man es früher gemacht hat. Low-Budget, alles auf 16-mm-Film gedreht und alles mit praktischen Spezial-Effekten, um den Slasher-Look der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre zu vermitteln. Der Text des Liedes und das Video haben eigentlich überhaupt keinen Bezug zueinander, außer dem Titel. Beide funktionieren als eigenständige Idee eines dem Untergang geweihten Planeten: Das eine in Form eines Slasher-Videos, das auf den Filmen basiert, die wir lieben, und das andere als soziale Dokumentation der Welt, in der wir leben. Eine gespaltene, voreingenommene, Angst verbreitende, verurteilende und hasserfüllte, religiöse Gesellschaft. Die größte Frage ist jetzt, wann wir den eigentlichen Film machen?“. Viel der anfänglichen Magie, die ein bisschen so klingt, als hätte man soeben eine alte VHS-Kassette in den heimischen Rekorder geschoben und würde nun vom Sofa aus mit einer großen Portion Mikrowellen-Popcorn auf dem Schoß gebannt auf den flackernden Röhrenfernseher vor einem starren, bleibt zumindest musikalisch bald nicht mehr übrig. Bereits nach ein paar vereinzelten Keyboard-Schüben schwillt der düstere Bass bedrohlich an und so brettert schon bald eine übermächtige Walze aus scheppernden Stakkato-Drums und fies sägenden Riffs über einen hinweg. Unruhig surrende Keyboard-Parts füllen die bissigen Strophen zu schiefen Gitarren-Versatzstücken aus. Im Mittelteil wartet dann ein knackiges Heavy-Intermezzo, welches sich zusammen mit den mysteriösen Synthies aufbäumt, der zornige Brutalo-Refrain prügelt ohne Rücksicht auf Verluste auf die Gehörgänge ein und jagt das rasende Tempo immer weiter in die Höhe - Bravo!
Da fällt „Sonic Witch“ im direkten Vergleich beinahe schon unspektakulär und handzahm aus: Schlagzeug und Gitarren kreieren einen düster brummenden Reigen von eher behäbiger Geschwindigkeit und geringer Abwechslung, sodass hier einzig der ziemlich knapp geratene Chorus mit kraftvoll wütenden Shouts eine kleine Prise Power in das uninspirierte Gesamtbild einbringt. Das mit nicht einmal einer Minute viel zu kurz geratene, rasende Hardcore-Zwischenspiel„Violence Solves Everything PTI“ mutet wie die orientierungslose Resteverwertung eines losen Parts an und ist damit eher als (unpassender) Übergang zum finalen Stück zu sehen. Gebraucht hätte es jenen Flicken aber ganz bestimmt nicht… Dafür lässt das abschließende „Violence Solves Everything PTII (The Ende Of A Dream)“ es zum Schluss umso lauter krachen und legt zunächst mit einem typisch treibenden Electro-Beat zu rhythmisch grundierenden Drum-Fetzen vor. Erst die hitzige Bridge führt wieder die Gitarren ins Feld, während LaPlegua die Zeilen gar zynisch säuselt und damit die spannungsgeladene Vorlage für den genialen Refrain liefert, welcher sich in zwei kontrastreiche Parts aufgliedert: So folgt kurz auf die hell gesungene, sphärisch-chorale erste Hälfte von hymnischem Charakter direkt eine schlachtrufartige Shout-Einlage unter kreisenden Riff-Salven, welche zum grölenden Einstimmen durch die Fans auf den Konzerten animieren dürfte und diesen vielschichtigen, epischen Closer zu einem echten Brett macht!
Tracklist:
01. Children Of Violence
02. D For Demonic
03. Heads Off
04. Only Death Is Immortal
05. Compliance
06. Northern Path
07. Through The Ravens Eyes
08. Wolves Eating Wolves
09. Not My Enemy
10. Modern Demon
11. Planet Doom
12. Sonic Witch
13. Violence Solves Everything PTI
14. Violence Solves Everything PTII (The End Of A Dream)
Fazit:
Die berüchtigten Industrial-Berserker von „Combichrist“ melden sich rund fünf Jahre nach „One Fire“ mit ihrem nunmehr zehnten Studioalbum zurück und schrecken natürlich auch dieses Mal nicht davor zurück, mit den möglichen Erwartungen der Szene zu brechen! Denn vor dem Release einer jeden neuen CC-Scheibe stellt sich spätestens seit „We Love You“ aus dem Jahr 2014 die Frage, wohin die ungewisse Reise wohl führen wird… Hat Mastermind Andy LaPlegua nach der extrem erfolgreichen Oldschool-Set-Tour etwa wieder frisches Aggrotech-Blut geleckt und kehrt zu den elektronischen Wurzeln des Projekts zurück? Erwartet die hungrigen Fans stattdessen vielleicht eine weitere Death-Metal-Exkursion wie schon 2016 mit dem stark kritisierten „This Is Where Death Begins“ oder gibt es abermals einen zwar bemüht kompromissbereiten, doch dafür nur wenig homogenen und stilistisch zerrissenen Hybriden, der es möglichst beiden Lagern recht machen will? Die erlösende Antwort dürfte wahrscheinlich längst nicht allen Interessierten gefallen, denn auch „CMBRST“ wird definitiv erneut die Geister scheiden und scheut sich in all seiner Konsequenz keinesfalls, so manchen Hörer weiterhin böse zu verprellen. Wie eigentlich schon nach den vorausgegangenen fünf Singles relativ sicher zu erwarten war, hat die Band nicht zum beatlastigen Sound eines „Everybody Hates You“ und Co. ihrer ikonischen Anfangstage zurückgefunden. Wer sich der vergangenen Dekade hinsichtlich Live-Shows und Veröffentlichungen einmal klar sehenden Auges und aufmerksam hörenden Ohres annähert, wird schnell zu der (eventuell ernüchternden) Erkenntnis kommen, dass eine Rückkehr zu seligen Industrial-Zeiten so bald oder vermutlich sogar niemals mehr stattfinden wird. Allen Unkenrufen zum Trotz ziehen LaPlegua und seine vier Mitstreiter die eingeschlagene Abwendung vom elektronischen Sektor unbeirrt durch und entfernen sich damit ein weiteres Stück von ihrer einstigen Genre-Heimat. Anstelle von drückenden Bässen und tanzbaren Beats gibt es einmal mehr knüppelhartes Drumming und schreddernde Gitarren. Die im Pressetext bestimmt nicht unbewusst erwähnte „Beibehaltung des zentralen elektronischen Hintergrunds“ und „Demonstration der Wurzeln der Band“ beläuft sich dabei also lediglich auf die elektronisch geprägte Basis, welche dem Großteil der vierzehn Songs zugrunde liegt und damit der combichrist‘schen Definition von Industrial Metal entsprechen. Und tatsächlich ist der Electro noch in vielen Songs wie beispielsweise „Children Of Violence“, „Compliance“, „Not My Enemy“, „Modern Demon“ oder auch „Violence Solves Everything PTII (The Ende Of A Dream)“ stets hörbar präsent, nimmt in den jeweiligen Arrangements allerdings doch eine eher untergeordnete und ergänzende Rolle ein, welche den metallisch geprägten Songs einige vielschichtige Facetten eröffnet. Trotzdem dominiert hier zu weiten Teilen glasklar der Metal, wahrscheinlich mehr noch als zuvor und in vergleichbarer Gewichtung zum 2016er Ableger. Macht dieser Umstand die Songs also gleich automatisch schlecht? Mitnichten, denn wer seine engstirnige Erwartungshaltung vor dem Hören senkt und sich dafür einem weitestgehend gelungenen Genre-Spagat gegenüber offen zeigt, wird dafür mit einer explosiven und grenzgängerischen Mixtur belohnt, die herrlich rücksichtslos auf jegliche Konventionen pfeift. Dennoch muss auch gesagt sein, dass die pflichtbewusste Einbindung der elektronischen Schlagseite zwar durchaus sehr erfreulich ist, jedoch teilweise etwas arg gezwungen und wie konstruierter Fan-Service wirkt. Eine klarere Trennung der stilistischen Elemente oder zumindest etwas weniger von allem wäre sicher keine allzu schlechte Entscheidung gewesen, denn auf diese Weise irren einige Songs so dermaßen unentschlossen wie gleichwohl überladen umher und enden leider in vielen Momenten als orientierungsloser, nur wenig runder Overkill ohne eindeutige DNA. So präsentiert sich „CMBRST“ am Ende als höllischer und etwas diffuser Schmelztiegel zweier gegensätzlicher Welten, welcher seine hitzige Essenz aus grundierendem Electro und federführendem Metal gewinnt, dabei aber vor lauter entfesselter Energie und tobender Aggressivität stellenweise ins Wanken aus reinem Übermut gerät. Nichtsdestotrotz kredenzen „Combichrist“ mit Album Nummer Zehn eine weitere infernalisch Schlachtplatte für alle Freunde der lauten Töne, welche mit großer Wahrscheinlichkeit in Kombination mit alten Gassenhauern insbesondere live zustimmenden Anklang und wohlgesonnene Freunde finden, dafür aber auch einige Alt-Fans mehr verlieren wird.
Informationen:
http://www.combichrist.com
https://www.facebook.com/combichrist/