ASP - Interview (2021)
Roggenfaenger: Hallo und herzlich Willkommen zurück, lieber Asp! Es ist ja mittlerweile auch schon wieder etwas länger her, seitdem wir das letzte Mal die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Interview hatten. Ich freue mich jedenfalls sehr darüber, dass du dir zwischen dem ganzen Release-Stress die Zeit dafür genommen hast und dich den neuen Fragen annimmst. Eingangs möchte ich aber erst einmal gerne mit einer sonst eher floskelhaften Frage eröffnen, die man nun seit rund anderthalb Jahren aber umso häufiger gestellt bekommt: Wie geht es dir gerade? Ich hoffe, du erfreust dich bester Gesundheit und dass du die Strapazen der aktuellen Zeit, in welcher es insbesondere der Kulturbranche so schlecht wie selten zuvor geht, bisher verhältnismäßig gut überstanden hast?
Asp: Ja, heutzutage fragen tatsächlich öfter mal Interview-Partner, wie es einem so geht. Müde, ist das erste, was mir momentan einfällt. Ausgelaugt. Mir geht es wie vielen Menschen in dieser Zeit. Rein rational wusste ich, was in diesem Herbst auf uns zukommen würde, aber auch ich habe mich von der Hoffnung wohl etwas euphorisieren lassen, und nun kommt die „eisige Wirklichkeit“. Da kann man, selbst wenn man so ein wunderschönes Album positiv auf dem Freude-Konto verbuchen kann, doch auch mal den Mut verlieren. Aber es ist nun, wie es ist, und man wird sehen müssen, wie es weitergeht und vor allem ob die Gesellschaft sich auch nach so langer Zeit nur für die Sorgen und Nöte der Restaurantbesitzer und der Tourismusbranche interessiert. Bitte nicht falsch verstehen, beide Bereiche haben mein vollstes Mitgefühl, aber Veranstalterbranche und Künstler werden schlicht und ergreifend ausgeblendet. Das ist hart. Punkt.
Roggenfaenger: Euer neues Studioalbum, welches dieser Tage erscheint, trägt den verheißungsvollen Titel „ENDLiCH!“ und bildet zugleich den mit Spannung erwarteten Abschluss des 2011 begonnenen „Fremder“-Zyklus. Wie gestaltete sich für dich und deine Band denn die Arbeit an diesem Mammutprojekt auf zwei CDs, natürlich insbesondere im Hinblick auf all die Steine, die euch die vorherrschende Pandemie mit Sicherheit in den Weg gelegt hat. War es sehr viel anders als sonst und wo gab es dieses Mal die größten Herausforderungen zu bewältigen?
Asp: Ja, die gab es natürlich. Wir haben eine ganze Menge der Aufnahmen unter strengsten Hygiene-Bedingungen und teilweise während Lockdownphasen organisieren müssen. Das war anstrengend und nervig. Und umso wichtiger war es, dass man all diese Herausforderungen auf dem kompletten Album nicht hört. Weder im technischen Sinne noch inhaltlich. „ENDLiCH!“ ist am Ende glücklicherweise genau die große, spannende und abenteuerliche Reise geworden, die man im Endergebnis als Hörer erfahren darf. Umso stolzer sind wir, wenn ich das einmal sagen darf, auf dieses Werk. Es wird immer einen ganz besonderen Stellenwert in unseren Herzen einnehmen, nicht nur weil es das letzte Kapitel einer Geschichte ist, die nun eine Dekade lang erzählt wurde.
Roggenfaenger: Wie gerade schon kurz erwähnt, markiert „ENDLiCH“ das große Finale des zweiten Zyklus, weswegen ich mit diesem Interview sehr gerne gemeinsam mit dir eine kleine Retrospektive durch die vergangenen zehn Jahre wagen würde. Den Auftakt dieser Reihe machte 2011 das Album mit dem schlichten Titel „fremd“. Auf diesem und auch seinen Nachfolgewerken nimmst du dich dem (unfreiwilligen) Lebensgefühl des Andersseins in dieser „eisigen Wirklichkeit“ an, was auch viele deiner Fans teilen und sich in ihnen verstanden fühlen. Hat sich deine Eigenwahrnehmung seitdem eigentlich maßgeblich geändert oder fühlst du dich noch immer nicht dieser Gesellschaft zugehörig und von ihr akzeptiert? Anders gefragt: Bist du deiner eigenen Ansicht nach noch immer der „Eternal Stranger“? Falls ja, was lässt dich in dieser Welt ganz besonders fremd fühlen?
Asp: Wer hat gesagt, dass ich selbst der „Eternal Stranger“ bin? Bist das nicht eher du? Oder jeder einzelne der Hörer, die dem Album lauschen? Oder sogar eine ganz andere Figur, die sich der Autor sowohl als Projektionsfläche als auch als Projektor ausgedacht hat?
Aber gerne teile ich meine eigenen Projektionen und meine ganz privaten Verkörperungen dieser Gestalt: Ich fühle mich nach wie vor fremd in einer Welt, die in meinen Augen statt zur Harmonie immer mehr zum aggressiven Chaos neigt. Nach meinem Empfinden leben wir in der Ära Ego, ohne Demut, in der die Empathie der Menschen schneller aus der Welt verschwindet als das Polareis. Keine sehr optimistische Weltanschauung, ich weiß. Aber ich fürchte, diese habe ich komplett in meine Werke investiert, nun muss ich mir erst einmal einen neuen Vorrat ansparen, was in Zeiten der Pandemie natürlich umso schwerer fällt, da sie nicht gerade das Beste in den Menschen zum Vorschein gebracht hat.
Roggenfaenger: Mit „MaskenHaft“ erschien zwei Jahre später der direkte Nachfolger, der mit dem bildhaften Zwang, sich immerzu verstellen zu müssen und sich so langsam selbst fremd zu werden, eine weitere Facette der eigentlichen Kernthematik aufgriff. Leider erfordern der Alltag und gesellschaftliche Konventionen nicht selten eine gewisse Maskierung. In welchen Momenten trägst du selbst eine Maske und wie hast du gelernt, sie regelmäßig abzusetzen, damit du nicht irgendwann zur „Kreatur mit der stählernen Maske“ wirst? Wann hast du in deinem Leben hingegen besonders starke „Aufbruchstimmung“ verspürt und glaubst du, dass wir alle vielleicht manchmal eine Maske brauchen?
Asp: Ich trage fast immer eine Maske. Mein wahres Ich zeige ich nur ausgewählten Menschen, die ich an einer Hand abzählen kann. Ab und zu lasse ich diese Masken auch in meinen Songs und Gedichten fallen, ich werde aber einen Teufel tun zu verraten, an welchen Stellen. Sonst bin ich als kleine Kerzenflamme dem Sturm ausgesetzt. Bitte versteh mich nicht falsch, aber in meinen Songs wird alles gesagt, was ich aus meinem tiefsten Inneren, dem tiefsten Seelenschacht schürfe und danach verarbeite.
Roggenfaenger: Das eigene „Panzerhaus“ verspricht, einem gewissen Turm nicht ganz unähnlich, oftmals eine rettende Zuflucht zu sein und uns eine sichere Abschirmung vor allen äußeren Impulsen zu bieten… Gleichzeitig kann es auf Dauer aber auch zur tonnenschweren Last werden. Wann ist Rückzug die klügste Taktik und wann sollte man sich seinen Ängsten und entsprechenden Einflüssen, können sie auch noch so verletzend sein, lieber stellen? Wie findest du privat das richtige Gleichgewicht zwischen maßvoller Zurückgezogenheit als Ruhepol und der unumgänglichen Interaktion mit der Außenwelt? Also: Wie gelingt dir die Kontrolle über deine Schale?
Asp: Sie gelingt mir, indem ich Songs schreibe. Das ist keine Therapie. Ich bin kein Therapeut.
Roggenfaenger: Eine eigene Meinung zu haben, zu seinen Werten und Idealen zu stehen und dabei doch stets aufmerksam, kritisch und trotzdem jederzeit offen für den Austausch zu sein, um nicht einfach blind der Masse zu folgen, ist ohne Frage essenziell. Wie wichtig ist es dir in welchen Situationen, als „GeistErfahrer“ gegen den Strom zu schwimmen und wann gehst du einer Konfrontation lieber still aus dem Weg?
Asp: Gerade in der heutigen Zeit, in der aktuell herrschenden Lage ist ein Statement dieser Art heikel. Ich würde zumindest aktuell auch die erste Aussage mit der eigenen Meinung nur ungern pauschal so stehen lassen, denn eine eigene Meinung zu haben und sie dem Rest der Welt lautstark aufzunötigen, sie als relevant bis hin zu allgemeingültig zu erhöhen, ist für mich eine der absoluten Krankheiten der modernen Gesellschaft. Dies mag elitär und ausgrenzend klingen, aber die Meinungsfreiheit ist meines Erachtens ein zu hohes, ein zu hart erkämpftes Gut, um es mit dem impulsgesteuerten Herausposaunen eines jeden Hirnfurzes von Hinz und Kunz zu verwechseln – und dem egomanischen Meinungs-Tourette von Leuten, die denken, nur weil sie ein Smartphone bedienen können und ihren Senf in die Kommentarspalten des weltweiten Netzes zwangsejakulieren, seien sie der Mittelpunkt der Welt. Auch gegen diesen Strom muss man schwimmen. Aber das ist schwer. Anderssein ist nicht immer heroisch, manchmal ist es auch nur eine weitere Worthülse, eine selbstgewählte Uniform. Sein Weltbild immer wieder mit der Realität abzugleichen, stets abzuwägen und vor allem der unbedingte Wille, die Welt durch die eigene Existenz zu einem harmonischeren Ort zu machen, das ist die hohe Kunst. Meiner Meinung nach. Aber was weiß ich schon. Weiß ich etwas? Ich bin nur ein Dichter und Songwriter.
Roggenfaenger: Wem bist du „zutiefst“ dankbar?
Asp: Meiner Familie, meinen Freunden und meinen Hunden. Und den Hörern, die uns unterstützen.
Roggenfaenger: Mit „Abyssus 2“ hast du auf dem letzten Album eine wundervolle Ode an die Musik geschaffen. Wie hast du einst den endgültigen Zugang, also quasi die Initialzündung, zu ihr gefunden und was bedeutet sie dir?
Asp: Schon als Stops fand ich Musik wunderbar. Ich bin länger Musik-Fan, als ich aufrecht gehen kann, es ist, außer der Liebe zur Mutter, die am längsten anhaltende meines Lebens, und ich bin dankbar, dass sie mir schon in frühster Kindheit nahe gebracht wurde. Als Musikschaffender habe ich meine Karriere viel zu spät und viel zu desorientiert gestartet. Das lag daran, dass ich mich lange Zeit nicht zwischen dem reinen Schreiben und einem Weg als Sänger entscheiden konnte, aber auch daran, dass ich als Musikfan eigentlich ganz zufrieden war und es bis heute bin. Es hat etwas gedauert, bis ich das alles unter einen Hut bekommen habe. Natürlich bedeutet mir das Musikschaffen wahnsinnig viel. Ich versuche, meinen Frieden damit zu machen, es als Trost zu empfinden, dass ich, sollte es mir in Zukunft nicht mehr möglich sein, eigene Musik in die Welt zu bringen, immer noch der glühende Verehrer anderer Künstler sein kann. Das ist schön. So fällt man nicht ins Nichts.
Roggenfaenger: Kommen wir jetzt natürlich noch auf das aktuelle Werk zu sprechen, dessen instrumentales Intro und erstes Stück sich in ihren jeweiligen Betitelungen zusammen auf eine ganz bestimmte Zeile aus dem Song „Wechselbalg“ beziehen, welches wiederum nach „A Prayer Of Sanctuary“ einst das erste Album des „Fremder“-Zyklus eröffnete: „Was du dir wünschst, bedenke gut.“ Was wünschst du dir eigentlich und warum sollte man seine Wünsche manchmal lieber gut überdenken?
Asp: Es geht in diesem Song nicht um das, was ich mir wünsche, es geht darum, was du dir wünschst. Du und alle anderen. Wenn ich dir beantworte, warum man Wünsche gut überdenken soll, dann nehme ich dir und den anderen doch die Chance, diese Frage und die Antwort darauf selbst zu ergründen.
Roggenfaenger: Was sagt dein inneres „Echo“ zu dir, wenn du einmal ganz tief in dich hineinhorchst?
Asp: Mein inneres Echo flüstert meist: „Gib besser acht!“, und ich versuche mich zu erinnern, wann ich das gerufen haben soll.
Roggenfaenger: In einer neuen Video-Reihe, dem großen Fan-Interview, auf eurem YouTube-Kanal, hast du bereits verraten, dass eure zweite Single, „Spät“, für dich der persönlichste Song des aktuellen Albums ist. Wie einige andere Stücke auf „ENDLiCH“ auch, behandelt dieses Lied das Thema Abschied und die schiere Fassungslosigkeit über einen Verlust. Lyrisch ist dir zudem das scheinbar Unmögliche gelungen, nämlich Worte für das schreckliche Gefühl zu finden, wenn einem die Worte vor lauter Leere und Schock gänzlich fehlen. Bitte verzeih mir, wenn dir diese Frage zu persönlich erscheint, aber wie schwer ist dir die Arbeit an diesem Stück gefallen und wie gehst du mit Trauer um? Hast du eventuell einen kleinen Ratschlag für die Leser, auch wenn dahingehend selbstverständlich jeder seinen individuellen Weg finden muss?
Asp: Es geht in diesem Lied vor allem um die Ohnmacht, seine Trauer in Worte zu fassen. Mein einziger Rat ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, selbst wenn es eine unmögliche Aufgabe zu sein scheint. Es müssen auch nicht die eigenen Worte sein, die man benutzt.
Roggenfaenger: Die erste Single, die dem aktuellen Album im Oktober vorausging, trägt den aufrüttelnden Titel „Raise Some Hell Now!“. Bei welchen Baustellen in dieser Welt wünschst du dir von der Gesellschaft aktuell ganz besonders, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um etwas zu ändern?
Asp: Das Album „ENDLiCH!“ ist ein erzählerisches Werk. Dieses Stück ist absichtlich relativ kurz vor dem Ende der Geschichte als Aufbäumen gemeinsam mit den Hörern platziert, sozusagen als Sturm vor der Ruhe. Das Durchbrechen der Vierten Wand ist gleichzeitig eine Art Dank und letzte Beschwörung des Wir-Gefühls, schließlich hat der Rezipient bis zu diesem Zeitpunkt Beachtliches geleistet, manch einer sogar zehn Jahre lang. Da darf man zusammen auch mal Chaos losbrechen lassen und so richtig Krach schlagen, schließlich ist es Kunst, keine Straßenschlacht. Wenn ich mir außerhalb der Song-Aussage trotzdem noch etwas wünschen darf, worum sie sich kümmern soll, dann beantworte ich das aber natürlich auch noch gerne: Bitte die Welt retten, in all ihrer wunderbaren Vielfalt. Bitte den eigenen Wohlstand nicht immer über alles stellen. Wir haben die Zukunft unserer Kinder zu lange gestohlen. Nun, da ich das so lese, wird mir klar: Ich kann besser Songs schreiben als Wünsche. Da bleibe ich doch besser als alter Schuster bei meinem Leistenbruch.
Roggenfaenger: Wer bei den Read-Along-Streams sehr aufmerksam war oder besser noch, bereits euer neues Album erworben hat, dem dürfte auf den letzten Seiten des umfassenden Booklets ein unheimlich spannender Fingerzeig in Richtung Zukunft wohl nicht entgangen sein. Stichwort: „Turmbau“ und „Flammenkreis“-Saga. Wenngleich schon einige Fragen auf der dort angegebenen Homepage ausführlich beantwortet werden, so möchte ich dir hier dennoch von Herzen gern den Raum geben, um etwas dafür zu „werben“, sofern die Leser noch nicht von diesem neuen Projekt gehört haben sollten.
Asp: Ein Großteil des Asp‘schen Schaffens wurde bisher in zwei großen Erzählzyklen veröffentlicht, dem Schmetterlings-Zyklus und dem Fremder-Zyklus, wobei letzterer nun mit dem Grande Finale „ENDLiCH!“ seinen Abschluss findet. Beide Reihen sind jedoch Teil einer übergeordneten Geschichte, der Flammenkreis-Saga, welche in einem dritten und letzten Abschnitt, dem Turm-Zyklus, fortgeführt werden soll. Nach sehr intensiven Berechnungen musste ich feststellen, dass es mir ohne fremde Unterstützung nicht möglich sein wird, dieses Werk fertigzustellen, in der mir noch verbleibenden optimistisch geschätzten Lebenszeit. Deswegen suche ich die Hilfe der Fans. Denn bekanntlich ist Zeit ja Geld und vor allem Geld Zeit, weswegen die Spender mir durch eine spannende Crowdfunding-Aktion eben diese Zeit verschaffen können, wenn sie mögen. So kann man mir helfen, den Turm entstehen zu lassen. Ich bin schon sehr gespannt, ob das klappen wird.
Roggenfaenger: Du hast es geschafft! Wir sind am Ende dieser hoffentlich auch für dich schönen und interessanten Interview-Zeitreise angekommen. Ich danke dir nochmals ganz herzlich für deine Zeit und möchte dir zum Abschluss wie immer sehr gerne das letzte Wort überlassen, wenn du magst …
Asp: Wir haben ein Album mit dem Titel „ENDLiCH!“ veröffentlicht. Es ist wunderschön. Bitte kennenlernen!