ASP - Horrors - A Collection Of Gothic Novellas (2023)
Genre: Rock / Alternative
Release: 09.09.2023
Label: Herz und Verstand Merchandising GmbH
Spielzeit: 52 Minuten
Pressetext:
Seit fast fünfundzwanzig Jahren begeistert das 1999 in Frankfurt am Main aus der Taube gehobene Projekt „ASP“ das Publikum der schwarzen Szene und gewinnt zunehmend Hörer sogar weit über ihre Grenzen hinaus. Nachdem im Spätherbst 2021 mit „ENDLiCH!“ schließlich das von den treuen Fans lang erwartete Grande Finale des 2011 begonnenen „Fremder“-Zyklus erschien und nach einer einjährigen Verschiebung dann sowohl in dreizehn Städten und gleich auf mehreren namhaften Festivals betourt werden konnte, wird bereits jetzt das nächste Kapitel das nächste Kapitel in der langen Erfolgsgeschichte der Band aufgeschlagen…
Doch soll es sich dabei nicht etwa um den ersten Part des mit allerhand tatkräftigem Crowdfunding realisierten „Turm“-Zyklus handeln, der die sogenannte „Flammenkreis“-Saga als Trilogie endgültig beschließen wird. Nein, „Horrors - A Collection Of Gothic Novellas“ ist, wie der Titel mitunter schon vermuten lässt, ähnlich der zweiteiligen „Verfallen“-Geschichte, ein davon losgelöstes Werk und bezeichnet ein Sammelsurium an eigenständigen, musikalischen Kurz-Gruselgeschichten.
Einen ersten Vorgeschmack darauf lieferte dann das auf den zurückliegenden Konzerten der „ENDLiCH!“-Tour live dargebotene „Ich, Der Teufel Und Du“, welches am 01.05.2023 in Form einer gesondert vorausgeschickten EP erschien, drei rein digital erhältliche Vorab-Singles schlossen sich dem an. Asp dazu: „Wir sind unfassbar stolz auf dieses wieder komplett andere und außergewöhnliche Album. Es ist meines Erachtens nicht nur ein gruseliges, sondern auch ein sehr nachdenklich stimmendes, mega abwechslungsreiches und außerordentlich hit-lastiges Album geworden. Wir freuen uns schon auf eure Reaktionen, wenn es dann endlich das Licht der Welt erblickt, oder sollte ich besser sagen: den Schatten der Welt?“.
Das fünfzehnte „ASP“-Studioalbum namens „Horrors - A Collection Of Gothic Novellas“ erscheint am 09.09.2023 via Eigenvertrieb als Stream und digitaler Download. Erstmals gibt es die physischen Editionen exklusiv über den Online-Shop der Band in diversen Konfigurationen: Als CD im 8-Panel-Digipak und Vinyl in Clear oder Rot. Wahlweise auch als streng limitierte LP-Deluxe-Version in transparentem Rot oder 4-CD mit sechzigseitigem Hardcover-Buch im Earbook-Format inklusive Artwork von „Heilemania“ und allen Texten, fünf Bonus-Tracks und einer ungekürzten Autoren-Lesung der Novelle „Der Fluch“. Zusätzlich sind (fast) alle Versionen auch wieder als Supporters-Edition mit handsigniertem Echtheitszertifikat und Widmung erhältlich.
Kritik:
„Ich bin der Fürst der Finsternis
Ich bin dein Stern in tiefster Nacht
Wir werden fliegen, den Tag besiegen
Wir wollen das Leben auswringen, die Welt zum Beben bringen
Blendwerk Ich hab' dir Schatten mitgebracht!“
Nervös schabender Electro kratzt mit langen, kalten Fingern unruhig und schrill an der schweren Eingangspforte zum schwarzbunten Reigen neuer Geschichten und vermischt sich dabei mit einer unterschwellig sphärischen Grundnote, bevor sich dann die E-Gitarre grundierend bemerkbar macht, die nur wenige Sekunden später zusammen mit dem fordernd pochenden Schlagzeug den endgültigen Kick-Off zum eröffnenden „Fürst Der Finsternis“ liefert, welches die schweren Tore mit gar mächtig viel Up-Tempo-Power aufstößt! In den ruhig ausgestalteten Strophen begibt sich Sänger Alexander Frank „Asp“ Spreng augenscheinlich in die titelgebende Rolle eines geheimnisvollen Blutsaugers und verführt den angesungenen Gegenpart mit seinen umgarnenden Worten von unerfüllten Wünschen und tiefen Sehnsüchten. „Schmerzlich Willkommen, welchen Traum willst du heut’ träumen? Was mag dir frommen? Welcher Wunsch wird nun erfüllt? Im Haus der Sehnsucht forsch' ich in geheimen Räumen. Ich zeig dir den Fluchtweg gern, wir können fliehen - frei und wild!“, singt er da etwa verheißungsvoll. Trotz oder gerade wegen dem hörbar geheuchelten Verständnis und all den falschen Versprechungen des Protagonisten, blitzt zwischen seiner sanften Intonation auch immerzu die lauernde Gefahr auf und jagt eisige Schauer über den Rücken. „Blendwerk“. Die pumpend powernde und teils mehrstimmig dargebotene Bridge zieht das Tempo dann unweigerlich an, der von gespenstisch-zarten Piano-Salven getränkte Refrain reißt energetisch mit: „Du hängst an meinen Lippen, fieberst dem was kommt so heiß entgegen. Mit einem Fingerschnippen lösche ich das Licht… Der Spannung wegen. Ich bin der Fürst der Finsternis! Ich bin dein Stern in tiefster Nacht! Wir werden fliegen, den Tag besiegen. Wir woll'n das Leben auswringen, die Welt zum Beben bringen!“. Das sehr dynamische Verhältnis der Instrumente zueinander, ihr signifikanter Trademark-Klang und allgemein der gesamte Aufbau erinnern zuweilen stark an die typisch asp‘sche Manier der „Fremder“-Zyklus-Ära und wirken damit gerade zum Einstieg angenehm vertraut. Die vielen kleinen Sound-Details, welche das Gesamtbild nahezu perfekt rahmen, und die relativ kompakte Ausrichtung tun hingegen viel für einen Hörgenuss mit steter Wiederholungsgefahr und runden diesen samtschwarzen Goth-Rocker wunderbar ab. Kein Zweifel: „ASP“ haben ihren Fans „Schatten mitgebracht“! Es folgt mit „Gefesselt“ eines der insgesamt zwei kurzen Stücke des Albums, welche mehr als Interludien denn vollwertige Songs anzusehen sind. Das merklich reduzierte Arrangement legt den Fokus verschärft auf die beängstigenden Textzeilen, die ihre erschreckende Wirkung so vollends vor dem Hörer entfalten können. So besteht die extrem morbide Instrumentierung hier hauptsächlich aus beunruhigenden Sound-Fragmenten, bedrohlich säuselndem Flüstern, dröhnend hallender Percussion und konträr den süßlichen Klängen einer Spieluhr, die sich mit zunehmender Spieldauer zu finster knarzendem Dark Ambient steigern, dessen klaustrophobischer Atmosphäre man sich schon bald kaum mehr entziehen kann. „Schön, so abartig schön. So schön, dass du gefesselt bist… Nah. So unfassbar. Nahbar. Nah. Willst du noch etwas mehr? Ein Löffelchen für dich, ja und neun für mich. Bitte sehr! Mund auf, nimm Medizin zum Flieh‘n!“… Worum es in diesem Zwischenspiel im Detail geht, ist dabei nicht in Gänze zu erfassen und steht höchstens zu erahnen, wobei eine Art Entführung oder (psychische) Gefangenschaft unter Zuhilfenahme manipulativer Taktiken und Substanzen naheliegt. Vor allem die gesangliche Interpretation zwischen scheinheilig gutem Zureden und gnadenloser Gewalt, die das Opfer zuweilen mit spöttischen Zeilen wie „Du kannst ja gerne gehen… Weißt du, wo der Schlüssel ist!?“ geradezu verhöhnt, könnte authentischer und überzeugender wohl kaum sein. Ferner ist es am Ende jedoch genau jene quälende Ungewissheit, die das Kopfkino des Rezipienten ganz besonders ankurbelt und einen großen Teil des wirkungsvollen Horrors ausmacht. Umso mehr ist es gerade deshalb doch auch ein wenig schade, dass mit etwas längerer Spieldauer nicht mehr aus dem wirklich grandiosen Fundament herausgeholt worden und beispielsweise auf einen eruptiven Refrain und weitere lyrische Doppelbödigkeiten verzichtet worden ist. Das enorm hohe Potential dazu wäre nämlich auf jeden Fall gegeben gewesen, erweist sich dieser Track im Nachgang doch als eine der intensivsten und schauderhaftesten Horror-Stories des gesamten Werks…
Die ebenfalls vorab veröffentlichte „Flickenpuppe“ steht dem jedoch in absolut Nichts nach und markiert ein weiteres Juwel der aktuellen Schauermärchen-Sammlung: Das sanfte Zusammenspiel von Harfe und Spieldose lässt von Beginn an eine verquer-überzuckerte Grundstimmung auferstehen, der ungewohnt fragile und beinahe ängstlich zitternde Gesang von Asp tut dann sein Übriges dazu: „Einst war ich unbeseelter Stoff. Ein Spielzeug, achtlos weggeschmissen. Hab nichts gespürt und nichts gehofft. Der Kopf hing tief, halb abgerissen. Doch dann kamst du und hobst mich auf und blicktest mich sehr lange an. Du flüstertest: „Lauf, Püppchen, lauf!“ und ich fing prompt zu leben an!“. Und doch kann das trügerische Arrangement keinesfalls verleugnen, dass hier noch so einiges im Argen liegt. Ein ungutes Gefühl beschleicht beim Hören und sucht sich immer weiter einen Weg in die Magengegend. Die Gänsehaut ist praktisch vorprogrammiert und nimmt jetzt weiter Gestalt an, als plötzlich düster knurrender Electro bedrohlich unter der instrumentalen Zerbrechlichkeit zu beben beginnt und schon bald darauf in einem zornig peitschenden Industrial-Metal-Orkan mündet - Wow! Die schwermetallischen Drums knüppeln und die Gitarren entsenden harsche Riffs, während die grellen Beats zucken und die pure Ausweglosigkeit, Enttäuschung und Wut greifbar machen. Der Song wird aus der Rolle eines achtlos weggeworfenen Spielzeugs, der namensgebenden Puppe, erzählt, die wie durch Zufall einen neuen Besitzer findet, der sich zunächst liebevoll um sie zu kümmern scheint, in Wahrheit jedoch ihre schiere Hilf- und Hoffnungslosigkeit ausnutzt, um sie, einer sich willenlos aufopfernden Marionette gleich, immer mehr nach seinen eigenen Vorstellungen zu (ver-)formen. Dabei verweben „ASP“ äußerst geschickt eine weitere Bedeutungsebene als kritischen Unterton in Richtung toxischer Beziehungsgefüge und gefährlicher Co-Abhängigkeit in die eigentlich fiktive Geschichte, was den Horror nochmals umso grausamer und wirkungsvoller werden lässt. Der mit abgrundtiefer Stimme intonierte und herrlich doppeldeutige Refrain, Stichwort: „Flick mich!“, ist dann noch das schauerliche und zugleich livetaugliche Sahnehäubchen dieses meisterhaft vertonten Kapitels! „Ich weiß nicht, was an jenem Tag im Februar nicht war wie sonst, was die Situation herbeigeführt hat. Nicht, was plötzlich los war. Vielleicht eine vermiedene Kollision? Sie kam mir auf dem Bürgersteig entgegen. Lief direkt auf mich zu, und ich wich aus. Sie tat dasselbe, lächelte im Regen. Ich fühlte mich schockiert und wie zu Haus. War mutig wie noch nie, nach vielen Jahren. Hob an zu sprechen, doch da war sie weg… Wo eben noch die schönen Augen waren, blieb nichts mehr als ganz kurz ein blinder Fleck. Der Regen den Bruchteil eines Augenblicks. Ansonsten hinterließ sie keine Spuren. Verschwand, geräuschlos fast, bis auf ein „Klick“…“: Mit fast elf Minuten Spielzeit stellt das so knapp wie gleichsam mysteriös betitelte „Klick“ das längste Lied auf dem neuen Album dar und wird auch sogleich durch ebenjenes markante Geräusch eingeleitet. Dementsprechend nimmt man sich hier auch viel Zeit für Aufbau und Aufrechterhaltung der Spannungskurve: Zunächst rauschen reduzierte Keyboard-Flächen sanft zur melancholischen Klaviermelodie und wehklagenden Streichern, erst viel später sucht sich die E-Gitarre dann verhohlen unterstützend einen Weg, um dann ein ausgedehntes Solo von rund einer Minute aufzubieten, welches wiederum fließend in die zweite Strophe überleitet, in der sie fortan gemeinsam mit den Drums sehr viel präsenter dominiert: „Und seitdem hört man es zuweilen klicken. Ein Mensch verschwindet einfach so ins Nichts. Es klingt fast wie ein leises Uhrenticken. Ein zuschnappendes Türschloss. Angesichts der ungeklärten Fälle von Verschwinden, rief man im nächsten Jahr den Notstand aus. Man konnte die Vermissten niemals finden: Auf leeren Gräbern lagen Kranz und Strauß…“. So steigert sich die Intensität der Musik parallel zur immer weiter zunehmenden Dramaturgie des Geschehens, welches sich von einem scheinbaren Einzelfall langsam auf den gesamten Planeten auszuweiten scheint. Die hymnischen „Ohoho“-Choräle vor dem eingängig wogenden Refrain rufen unterdessen Erinnerungen an den 2017er Titeltrack „zutiefst…“ wach, die charmante Zeile „Es macht „Klick“ zwischen uns…“ sticht dabei ganz besonders hervor, dreht sich der Text doch um das mysteriöse wie plötzliche Verschwinden aller Menschen auf der Welt, bis am Ende einzig das lyrische Ich noch übrig ist… Oder nicht? Ob es sich dabei auch um einen bildhaften Vergleich für die zunehmende Verlagerung des sozialen Lebens in digitale Welten oder um die Verarbeitung der zurückliegenden Pandemie und Vereinsamung handelt, bleibt natürlich offen und einmal mehr ganz dem Hörer überlassen. Danach zieht das Tempo erneut an, der Nachdruck wird zusätzlich durch epische Chöre angepeitscht, welche den anfänglich balladesken Grundton mehr und mehr kippen. So stellt sich abschließend der inszenatorische Aufbau des Klimax mit seiner Unterteilung in drei Akte als ganz besonders einzigartig und prägend heraus, sodass hier mit Fug und Recht von einem wahren Grusel-Epos gesprochen werden kann.
Der erste Vorbote, „Ich, Der Teufel Und Du“, wird danach durch die schwelgerische Weise einer Violine eingeleitet. Rein musikalisch gesehen erweist sich die Wahl zur vorab veröffentlichten Single durchaus als klug, steht der Song der jüngsten Veröffentlichung „ENDLiCH!“ musikalisch noch am nächsten. Nur wenig später rockt die E-Gitarre dazu im mittleren Tempo, die von kurzen Breaks durchzogenen Strophen werden hauptsächlich von Schlagzeug und Geige bestimmt. „Wo sich die Pfade kreuzen liegt, mein Herz in einer Eichentruhe. Sieben Fuß begraben, könnt’ ich es nur wiederhaben? Bitte bitte! Lehmige Erde und der alte Muskel zuckt dort ohne Ruhe. Sechsunddreißig Jahre wart' ich und ich habe so abartig stark gelitten!“, singt Asp in der Rolle des gehörnten Höllenfürsten, bis der geradezu apokalyptisch-hymnische Refrain viel Mitmach-Potential birgt: „Blutrot leuchtet der Mais, wenn ihn Mondlicht in Farbe taucht. Endlich schließt sich der Kreis, weil er dich zur Vollendung braucht. Mach die Augen nicht zu, bald schon ist es vorbei. Ich, der Teufel und du sind im Augenblick frei. Ich, der Teufel und du… Ja, ich, der Teufel und du!“. In den zunächst noch etwas kryptischen Zeilen betreiben „ASP“ einmal mehr ganz und gar großartiges Storytelling, wobei besonders das kleine Wortspiel im Titel selbst gefällt, welches im weiteren Verlauf verhohlen nahegelegt, dass es sich bei den dort genannten Protagonisten nicht etwa um drei verschiedene Akteure handelt… Ein sanft ziehender und zugleich doch eindringlich bebender Electro-Beat setzt ein, die nebulös verzerrte E-Gitarre mischt sich wabernd darunter, während sich eine Violine verspielt durch den Rhythmus fräst, der schwer schleppt und zugleich doch sonderbar behände umher tänzelt. Unheimlich perlende Synthie-Tropfen verleihen der Atmosphäre zusätzlich einen bizarren Touch, dem etwas von düsterer Jahrmarktmusik bei Nacht innewohnt: Der so titulierte „Schattenfraß“ wird als ständiger, ungewollter Begleiter gezeichnet, welcher trotz aller verzweifelten Versuche nicht von der Seite des lyrischen Ichs abweicht, wobei sein Verhalten sich von dem gewöhnlicher Schatten merklich unterscheidet und gar ein grausames Eigenleben führt. Ja, beinahe scheint es so, als würde der ungebetene Dauer-Anhang seinem großen Vorbild fortwährend nachstellen und sich von den Abbildern seiner Mitmenschen nähren: „Du hörst mir zu und äußerst deine Zweifel und glaubst nicht den Bericht von meiner Qual? Mein Schatten ist jedoch ein echter Teufel und im Vergleich zu deinem nicht normal. Auf allen meinen Reisen sah ich ihn entsetzlich speisen und die Schatten anderer Menschen war’n sein Mahl!“… Oder spielt sich die ständige Treibjagd vielleicht doch nur in der wirren Psyche des hörbar geängstigten Protagonisten ab, der panisch vor sich selbst zu fliehen scheint und seinem Verfolger doch niemals entkommen kann? Stilistisch zeigt sich der Track verblüffend eng mit dem „Fremd“-Album aus dem Jahr 2011 verbandelt, da gewisse Parallelen auf Seiten der Musik nicht zu verkennen sind. So erinnern bestimmte Elemente an die gewaltige „Angstkathedrale“ oder auch an „FremdkörPerson, Erstens“ und sorgen als kleine, im Sound verortete Déjà-vus für das wohlige Gefühl des Bekannten im Neuen. „Hungrig, hungrig, hungrig. Welch ein grässliches Gebaren! Denn wo viel Licht ist, streckt er sich im Übermaß. Hungrig, hungrig, hungrig. Immer muss ich Abstand wahren! Nimm dich in Acht, Tag oder Nacht, vorm Schattenfraß!“.
Dass „ASP“ sich jedoch nicht einzig nur im schwarzen Szene-Fahrwasser des einst eigens aus der Taufe gehobenen Gothic Novel Rock bewegen, sondern sich immer wieder auch zu den Grenzgebieten des Genres und sogar weit über diese hinaus wagen, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Ganz egal, ob rein akustisch, semi-unplugged oder orchestral. Ob stets durchdachte und respektvolle Tributes an eigene große Idole, lauschige Kammermusik, Vertonung literarischer Vorlagen oder gar dem Zeitgeist ihrer spannenden Konzeptalben entsprechenden Chanson: Die ursprünglich in Frankfurt gegründete Band zeigt sich schon seit vielen Jahren so ungemein facettenreich, wie nur wenige andere Projekte! Da überrascht es nur bedingt, dass sich Asp und seine Mannen beim nun folgenden Stück ganz dem Swing inklusive gloriosem Blechbläser-Einsatz und Big-Band-Charakter verschrieben haben… Und meine Güte, hat diese schmissige Nummer einen packenden Groove! Könnte das alles auf den ein oder anderen Hörer anfangs vielleicht noch etwas befremdlich wirken, entfaltet der Song im engen Zusammenspiel mit den wunderbar süffisant intonierten Lyrics doch schon sehr bald eine herausragende Dynamik, der man sich mitsamt seinem zuckenden Tanzbein einfach nicht entziehen kann… Mit dem bloßen Verstand übrigens auch nicht: „Überlass mir gern das Denken, dann kann ich noch viel besser schenken. Nun nimm doch deine Arme runter! Ich hab’ hier was, das macht dich munter. Deine Augen wirken glasig, du brauchst nur wieder etwas Neueres. Komm mit mir, es wird endlos spaßig! Ich geb’ dir danach etwas Teures!“, startet die Gehirnwäsche der verschlagenen Verkaufsprofis aus der perfiden Traumfabrik. Ganz ähnlich, wie schon einst beim oftmals missinterpretierten Evergreen „Werben“ vom in 2005 erschienenen Album „Aus Der Tiefe“, äußern „ASP“ hier auf geschickte Weise scharfe Kritik an Werbung und übermäßigem Konsumverhalten, denn die sogenannte „Sandmann GmbH & Compagnie“ bezeichnet hier eine fiktive Firmengesellschaft, welche ihren potentiellen Neukunden mit allerhand hypnotischen Tricks und manipulativen Kniffen einredet, die innere Leere einzig im wilden Kaufrausch temporär füllen zu können. Haben die „Damen und Herren vom Fach“ erst einmal den Sand in die Augen ihrer unfreiwilligen Kunden gestreut, ist ein Entkommen praktisch unmöglich. „Hallo, hallo, kannst du mich noch verstehn!? Mein Fingerschnippen sollte dich doch wecken. Ich sehe schon, du möchtest in dich gehen. Wahrscheinlich, um dich vor uns zu verstecken… Du bleibst schön hier, mein Schatz! Wie leer die Augen in die Ferne stieren. Ach, wird dir langsam alles doch zu viel?“, kommen ihre Worte im halbwachen Zustand später schon beinahe einer Drohung gleich, den Willen des „Stammkundenstamms“ endgültig zu brechen. „Wir bieten euch so viele Sachen: Zauberspielzeug! Wunderwerke! Damit die Herzlein immer lachen. Ihr müsst euch unseren Marken-Namen merken: Sandmann GmbH und Compagnie!“ - Ganz ehrlich… Wer kann da schon widerstehen!?
Das markante Riff einer E-Gitarre erklingt hymnisch, immer wieder vom voluminös drückenden Drumming durchbrochen und verweist damit auf einen erneuten Stilwechsel. Schon bald erklingen helle Glockenschläge dazu und gestalten fortan eine schaurige und zugleich auch erhabene Melodie, welche den genannten Hörer akustisch auf einen verlassenen Friedhof zu entsenden scheint. „All the years of searching. Years of shattered hopes and endless grief. So lost and lonely. Eyes and heart wide open in disbelief…“, singt Asp in der ersten Strophe, die sich im Anschluss daran um einiges ruhiger und geradezu sanft zeigt. Von sphärisch-dezenten Keyboard-Flächen umspielt, setzt er seinen warmen Gesang einmal mehr extrem melodiös und pointiert ein, was eine herrliche Harmonie ergibt. „The Shadows Beneath The Roots“ beheimatet den ersten und einzigen englischsprachigen Text des aktuellen Albums und erzählt die Geschichte eines Protagonisten, der sich bereits jahrelang auf der Suche nach etwas oder vielleicht sogar jemandem befindet, doch niemals an sein Ziel gelangt. Gepeinigt von schwindender Hoffnung und Trauer trifft er plötzlich auf eine unbekannte Frau, welche sein Leben nur wenig später auf eine gefährliche Probe stellen wird, als er ihr in den dunklen Wald folgt, wo sie plötzlich wieder spurlos verschwindet. Dort im tiefen Unterholz begegnet er schließlich einer dunklen Macht, die jetzt erwacht und ihre Schatten ausschickt, die nichts als leere Hüllen zurücklassen. Dennoch sucht er weiter nach der Unbekannten. So allein und verlassen wie zuvor, doch immerzu hoffend, endlich Frieden zu finden… Die von mehrstimmigem Gesang getragene Bridge wird zusätzlich von Streichern geprägt, bevor die musikalische Richtung dann unversehens komplett ins Gegenteil umschlägt und stattdessen in rasend niederdonnernden Metal verfällt, der auch die eben noch so gefühlige Intonation in aggressive, krächzend keifende Shouts umschlägt. Das Ende dieser versinnbildlichten Allegorie auf Verlust, Sehnsucht und Sinnsuche bleibt offen und die Interpretation wie so oft ganz dem Hörer überlassen. Es kann äußerst gefährlich sein, vom Pfad abzukommen und sich in unberechenbarer Ungewissheit zu verrennen… Vielleicht findet man nie mehr zurück? Das rein instrumentale „Light Heart’s Lot“ markiert dann das zweite und insgesamt letzte Kurzstück. Dieses dient als überleitendes Interludium vor dem letzten Song, weswegen es in vorbereitender Funktion auch dessen Melodie aufgreift: Zum energetisch pulsierenden Beat gibt die leidenschaftlich gespielte Gitarre hier das leitende Kernelement und arbeitet die melancholische Stimmung des nachfolgenden Stücks bereits vorab ganz hervorragend heraus. Percussion im marschierenden Rhythmus, synthetische Streicher und Bläser befeuern derweil die Dramaturgie weiter und entfachen somit die knisternde Spannung, bis schlussendlich alle Fäden bei „Was Mich Besiegt“ zusammenlaufen. Umspielt von elegischen Streichern bestimmt die Gitarre auch hier den Beginn, bis sie sich zu einem unerwartet harten Riff im schwer walzenden, behäbigen Tempo formt. „Wenn kalter Wind von Norden weht. Der letzte Sommertag vergeht und darauf nur mehr Winter bleibt. Der Frost, was lebt, grausam zermalmt. Wenn meine Flucht kein Ende nimmt. Nicht klar ist, ob die Richtung stimmt. Mich Brände immer weitertreiben. Das letzte Heim zerfällt und qualmt…“, singt Asp mit nüchtern belegter Stimme, während dazu ein elektronischer Beat pulsierend knistert und sanfte Klavier-Tupfer wie klirrend kalte Sprengsel tänzelnd in der Leere verhallen. „Mit alldem kann ich existieren… Irgendwie. Vielleicht auch nur vegetiеren… Agonie! Was mich am Ende еrst besiegt, ist, wenn man dich zu fassen kriegt…“, heißt es dann in der Bridge, die kurz darauf in den herzzerreißenden Refrain übergeht: „Dich zu verlieren, heißt, die Welt gerät und bleibt aus den Fugen. Dich verlieren, heißt, am Punkt sein, an dem nie mehr etwas geht. Dich zu verlieren, die Säulen, die zuvor die Wirklichkeit trugen. Dich verlieren, allein und Asche der Planet!“. Dieser Song ist eine aufrichtig ergreifende Power-Ballade voller Emotion und Schmerz, die ungemein tief geht und einfach zu berühren weiß. Damit lenken „ASP“ den auf dem aktuellen Album oftmals finster-fantastisch gearteten Horror von dunklen Fürsten, lebendigen Puppen, Teufeln und Dämonen auf eine bedeutend schockierendere, da sehr viel realitätsnähere Ebene um, welche, dem Spuk aller ängstigenden (Un-)Wesen zum Trotz, am Ende den wohl größten aller existierenden Schrecken offenbart: Den Verlust eines geliebten Menschen…
Tracklist: 01. Fürst Der Finsternis 02. Gefesselt 03. Flickenpuppe 04. Klick 05. Ich, Der Teufel Und Du
06. Schattenfraß
07. Sandmann GmbH & Compagnie 08. The Shadows Beneath The Roots 09. Light Heart's Lot 10. Was Mich Besiegt
Fazit:
„This is Gothic Novel Rock“! Und tatsächlich könnte das plakative Motto der beliebten Szene-Koryphäe für die hier vorliegende Sammlung wohl kaum treffender gewählt sein. Innerhalb dieser finden sich insgesamt acht vollwertige Songs, ein erzählerisches Stück („Gefesselt“) und ein rein instrumentales Interludium („Light Heart’s Lot“). Ganz anders, als noch bei den vorherigen Studioalben, deren jeweilige Songs als selten chronologisch zu wertende Puzzleteile und narrative Fortsetzungen innerhalb der ihnen übergeordneten Zyklen anzusehen waren, steht auf „Horrors - A Collection Of Gothic Novellas“ nahezu ein jedes Lied geschlossen für sich allein. Dabei herausgekommen ist eine äußerst abwechslungsreiche Kollektion kleiner und großer Geschichten, beständig irgendwo zwischen klassischem Grusel und dunkler Fantasterei, psychologischem Horror und melancholischen Untertönen, fiktiven und realen Schrecken balancierend. Das gelingt so gut und stilsicher, dass selbst eher zartbesaitete Hörer sich zu keinem Zeitpunkt zu fürchten brauchen und ihren Mut gerne zusammennehmen dürfen. Der Schreck-Faktor bleibt stets human, der Grusel zumeist sehr subtil und gewohnt ästhetisch, ohne dabei zum reinen Selbstzweck je aufmerksamkeitsheischend zu sein oder gar die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten. Ja, bis auf oben bereits erwähntes „Gefesselt“ und die „Flickenpuppe“ agieren „ASP“ hier für wahre Schock-Veteranen vielleicht sogar ein bisschen zu vorsichtig, zurückhaltend und brav, doch steht einem zweiten Teil in Zukunft ja nichts im Wege… Eventuell ja zwischen den geplanten drei Teilen des „Turm“-Zyklus, um den Fans die zwischenliegende Wartezeit zu versüßen? Auch fördert das diesmalige Eindampfen der unterschiedlichen Mini-Stories auf die Spiellänge nur eines einzigen Songs natürlich eine differenzierte Herangehensweise bei der Gestaltung des Grusel-Gesamtpakets und dessen Wirkung im Einzelnen: So zur angenehmen Kompaktheit destilliert, kommen die Lieder heuer sowohl in ihren jeweiligen Erzählungen als auch Arrangements logischerweise deutlich mehr auf den Punkt, wodurch diese nicht nur sehr viel eingängiger und zugänglicher erscheinen, ohne dabei an Vielschichtigkeit und Komplexität einzubüßen, sondern auch musikalisch und stimmungstechnisch mehr Facetten aufbieten können. Die Tracklist wartet mit dermaßen unterschiedlich gearteten und spannenden Szenarien, kreativen Einfällen, großen Melodien und erinnerungswürdigen Refrains auf, dass es ein wahrer Genuss ist und schnürt ein durchgängig dichtes Hit-Paket. Wer sich, ähnlich wie meine Wenigkeit, mit den jüngsten Veröffentlichungen aus dem „Fremder“-Zyklus aufgrund ihrer zeitweisen (Über-)Längen und musikalisch zuweilen recht ähnlichen Motive also ein wenig schwer getan hat, dürfte sich über diese wohltuende Abwechslung definitiv freuen. Auch Asp selbst dürfte diese kleine Auszeit vom Festhalten an einer mittlerweile doch extrem komplex gewordenen Storyline über drei zusammenhängende Zyklen mit Sicherheit sehr guttun, agiert die Band auf „Horrors - A Collection Of Gothic Novellas“ doch so befreit, experimentierfreudig und zugleich hitlastig, wie zuletzt schon lange nicht mehr. Einzig die gefühlt etwas zu kurz geratene Tracklist, die mit einer Gesamtspieldauer von circa fünfzig Minuten zumindest für asp‘sche Verhältnisse eher einer randvollen EP ähnelt, ist ein kleiner Wermutstropfen, weshalb dringend die limitierte Deluxe-Edition zu empfehlen ist, um noch einige Minuten länger in den schaurig-schönen Klangwelten verweilen zu können. Doch auch in diesem speziellen Fall gilt ganz bestimmt eines Tages: „Fortsetzung folgt“…
Informationen:
https://www.aspswelten.de
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