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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Ost+Front - Dein Helfer In Der Not (2020)


Genre: Rock / Metal / Alternative

Release: 31.07.2020

Label: Out Of Line (rough trade)

Spielzeit: 50 Minuten

Pressetext:

Donnernde Gitarren, stampfende Beats und flammende Texte - OST+FRONT feiern ihre eigenen Trademarks und demonstrieren eindrucksvoll ihre Vormachtstellung in der Neuen Deutschen Härte. „Wer OST+FRONT will, der soll OST+FRONT bekommen. Immer auf höchstem Niveau. Immer am Limit!“, gibt Sänger Herrmann Ostfront die Marschrichtung vor. Die Band lässt seinen Worten Taten folgen und zeigt auf „Dein Helfer In Der Not“ ihre geballte Stärke.

Gleichzeitig setzen OST+FRONT ein Statement in diesen unsicheren Zeiten mit dem neuen Album „Dein Helfer In Der Not": „Das Album soll dir die Hand reichen und dich wieder aufbauen. Wir sind OST+FRONT - dein Helfer in der Not!“ Wo andere Bands mit der Zeit ihren Biss verlieren, zeigen OST+FRONT Zähne: „Dein Helfer In Der Not“ ist pures Adrenalin für die immer größer werdende Fangemeinde und ein provokantes Kunstwerk, das sicherlich dem einen oder anderen sauer aufstoßen wird. Zwischen morbiden Geschichten und scharfer Gesellschaftsbeobachtung spielen die Songs mit den Erwartungen der Hörer und sind bei aller Eingängigkeit keine leichte Kost: „Wir sind der Spiegel der Gesellschaft. Menschliche Abgründe, soziale Missstände, sexuelle Grenzbereiche, wir sprechen alles aus. Ein dokumentarisches Meisterwerk der feinsten Art“, kommentiert Herrmann.

„Dein Helfer In Der Not“ erscheint als einfache CD, als 2-CD Digipak inklusive einer Bonus-CD mit weiteren Tracks und Remixen, als limitierte 2-LP inkl. Downloadcode sowie als limitiertes Boxset inklusive dem Digipak, einem Flachmann, einem Notfall Set, einer Gesichtsmaske, einem von der Band signierten und handnummerierten Echtheitszertifikat sowie einer weiteren Bonus-CD mit exklusiven Songs. Das Album wurde in Schweden, in den Fascination Street Studios, gemischt und gemastert.

Kritik:

„Schau ins Land, schau nicht vorbei Mir ist dein Leben nicht einerlei

Und auch die Deinen sollen nicht weinen

Sie sind bereit für die gute alte Zeit"

„Was kostet Wasser? Was kostet Luft? Was kosten Blumen? Ein schöner Duft. Was kostet Liebe? Was kostet Sicherheit? Was kostet Hoffnung? Was kostet Lebenszeit?“, fragt die dunkel markante Stimme von Patrick „Herrmann Ostfront“ Lange zynisch auf dem hörbar angespannt brodelnden Unterbau aus bruchstückhaft verflochtener, nervös flirrender Elektronik und dem rhythmisch taktierenden Schlagzeug. Der von vornherein präsente Druck festigt sich unnachgiebig und steigt jetzt immer weiter bis zum äußersten Anschlag an. Kein Zweifel: Der doch sehr plötzliche Einstieg in das neue Studioalbum der mittlerweile fest in der Szene etablierten NDH-Provokateure aus der Hauptstadt hat es ordentlich in sich und gönnt sich ab der ersten Sekunde weder einen langen, einleitenden Vorlauf, noch eine atmosphärische Pause. Der wild rasende Up-Tempo-Song geht sofort in die Vollen, ist in allen nur erdenklichen Belangen ungleich direkt und gibt damit sogleich die perfekte Marschrichtung für die zugrundeliegende Essenz der übrigen Songs vor. Die klare und überdeutliche Antwort auf die erste Strophe folgt unmittelbar: „Geld, Geld, Geld“! Stetig von giftig grellen Industrial-Salven, einem peitschenden Riff-Gewitter und heftig donnernden Drum-Eskapaden untermauert, legen die Berliner hier die gesamtgesellschaftliche Versklavung durch den omnipräsenten Kapitalismus frei, der unser aller Leben lange schon infiltriert hat. Die Menschlichkeit auf die Probe gestellt, die Freiheit endgültig niedergerungen. Nur wenig später wird das recht klassische Arrangement dann von symphonisch inspirierten Elementen und einem femininen Background-Gesang entzerrt, jedoch ohne auch nur annähernd etwas von der nachdrücklichen Energie rauszunehmen oder gar zu entschleunigen. Im Gegenteil, denn trotz der durchweg prügelnden, rohen Power, präsentiert sich die Eröffnung als überraschend vielschichtig, abwechslungsreich und vor allem unberechenbar... Es soll und wird nicht das letzte Mal gewesen sein, denn schon das nachfolgende Stück, welches darüber hinaus auch als erste Single von „Dein Helfer In Der Not“ auserkoren worden ist, bietet einen komplett differenzierten Ansatz dar und zeichnet sich stattdessen durch einen deutlich langsameren Aufbau aus: So simuliert die nur unterschwellig eingesetzte und gemächliche Percussion eine Art stagnierend hypnotisches Uhrenticken, während es in der ersten Strophe einleitend heißt: „Bin ich ein schlechter Mensch, nur weil ich denken kann und Eins und Eins mir einen Sinn ergibt? Bin ich ein schlechter Mann, nur weil ich fühlen kann, wie nach und nach die Stimmung langsam kippt!?“. Die Stimme von Lange ist zart und dünn, wirkt vorsichtig zaudernd und dabei fast schon verzweifelt. Erst im darauffolgenden, epochal arrangierten Refrain stoßen dann wieder das satt donnernde Schlagzeug und die kraftvolle, geballte Macht der Gitarren in majestätisch powernder Manier dazu. Die zweite Strophe erfährt wiederum einen hymnisch inspirierten Break, wenn die bisher verfolgte Melodie schließlich heroisch erfüllt aufbricht und mit positiv behafteten, erstarkenden Zeilen die versteckt verschüchterte, zu oft zu Boden gerungene, doch noch immer keimende Hoffnung schürt. Der bewusst mit so einigen Doppeldeutigkeiten gespickte Text lässt sich hierbei durchaus vielseitig interpretieren, die scharfsinnig einschneidenden Worte „Dein Haus, dein Auto, dein Boot. Meine Frau, meine Kinder in Not!“ dürften zum Ende hin jedoch ausreichend Aufschluss über die beabsichtigte Intention geben. „Der Song ist etwas nostalgisch und fast schon etwas romantisch. Und nun in dieser Pandemie-Zeit ist er auch extrem aktuell. Ich habe jedoch ganz erschrocken erlebt, wie sich mein Umfeld verändert hat. Viele befanden sich plötzlich in einer Art Corona-Starre. Wie eine große, gleichgeschaltete Depression. Keine Freude, kein Lachen. Nur Ängste vor der Zukunft.“, erklärt Lange und führt aus: „Mein Umfeld besteht zu einem großen Teil aus selbständigen Musikern. Und wenn plötzlich alle Gigs wegfallen, bekommt man durch die fehlenden Gagen schon Angst. „Schau Ins Land" wird die Leute hoffentlich aufheitern, wenn er erscheint und hoffentlich der gröbste Teil dieses Ausnahmezustands bewältigt ist.“, äußert er sich weiter zu den genauen Hintergründen. „Schau Ins Land“ ist eine ungemein mutige, ja, fast gefährlich ambitionierte und nicht zuletzt kritische Reflexion des nationalen und gesamtgesellschaftlichen Ist-Zustandes, die nur zu gerne mit den verschiedenen, gegensätzlichen Perspektiven und somit nicht zuletzt auch mit dem bloßen Feuer unseres wankelmütigen Zeitgeistes spielt...

Nach Karl Denke, Anders Breivik und so manch anderer, bestialischer Schreckgestalt nimmt man sich auf Album Nummer Fünf nun dem nächsten Massenmörder samt seiner schauerlichen Gräueltaten an: „Honka Honka“ thematisiert den medial bekannten Kriminalfall des 1935 in Leipzig geborenen Friedrich Paul „Fritz“ Honka. Einem deutschen Serienmörder, der in den Siebzigerjahren auf dem Kiez von Hamburg sein grausames Unwesen trieb. So machte Honka in den traditionsreichen Kneipen „Hong-Kong“, „Elbschlosskeller“ und „Zum Goldenen Handschuh“ planmäßig die nächtliche Bekanntschaft mit sozial schwachen Frauen oder Prostituierten, die er erst zu sich nachhause einlud und sie anschließend nach ausschweifenden Alkohol- und Sex-Exzessen im Vollrausch umbrachte, die Leichen zerteilte und im Dachgeschoss seines Wohnhauses einlagerte. Wem die abscheulichen Taten auf St. Pauli deutlich von der englischen Killer-Legende des „Jack the Ripper“ inspiriert scheinen, liegt gar nicht so falsch, denn angeblich soll ebendieser Honka laut eigener Aussage im Prozess die Morde aufgetragen haben... Eine waschechte, blutrünstige Gruselgeschichte vor realem Hintergrund also, die sich für die ost+front‘sche Liedersammlung wie maßgeschneidert eignet! Um dem aufmerksamen Hörer auch sogleich das passende Gefühl für das Szenario zu vermitteln, startet man eingangs musikalisch in zeitgenössischem Gossen-Chanson mit fröhlich hüpfender Polka-Attitüde und verspieltem Stummfilm-Charakter. Doch keine Sorge: Wer „Ost+Front“ gut genug kennt, weiß, dass die Spielart des bizarren Intros nur der trügerische, charmant augenzwinkernde Vorhof zur feurig heißen NDH-Hölle ist. Schon sehr bald bröckelt die humorig gewitzte Fassade beträchtlich, bevor aggressiv verzerrte Gitarren durchbrechen und in einem ausgelagerten Part münden, in welchem Honkas Opfer Gertraud Bräuer, Anna Beuschel, Frieda Roblick und Ruth Schult aufgezählt werden. Zwar gelingt auf diesem Weg eine stilistische Überleitung zum härteren Fahrwasser, dafür nimmt jener zwischengeschobene Teil durch seine intensive Ausführlichkeit jedoch zugleich auch etwas den Schwung und die zuvor sorgsam aufgebaute Spannung. Der schäumende Hauptteil präsentiert sich im Gegenzug dann als extrem temporeiches, bitterböse pumpendes Massker aus tobend rauen Riffs und tiefen Shouts. Ein makaber prügelnder Dampfhammer, der sich nahtlos in die bisherige Diskographie einreiht und die gewohnt hohe Hit-Qualität dabei scheinbar mühelos hält! Ein weiterer Up-Tempo-Song aus dieser stilistischen Sektion ist das rabiate „Sex, Schnaps und Gewalt“, das sich entgegen seiner drei Vorgänger musikalisch doch ziemlich vom übrigen Genre-Standard abhebt. Wie schon beim Bonus-Track „Ost+Front 2008“ oder der Jubiläumshymne „10 Jahre Ost+Front“ erlaubt man sich kurzzeitig der stoisch stampfenden Viervierteltakt-Monotonie der NDH abzuschwören und sich stattdessen verstärkt dem typischen Deutsch- und Punk-Rock zuzuwenden. So gestattet die temporäre Flucht aus dem engen Szene-Korsett hier die organische Einbindung artverwandter und gleichermaßen doch neuer Elemente, wie beispielsweise kehligen Gesang, ungeschliffene Instrumentierung oder eine schnellere, flexiblere Rhythmik. Auf dieser Basis pflügt sich Lange in sehr direkter, rücksichtsloser Didaktik durch die Strophen und beleuchtet erschreckend verrohte Szenen zwischen Drogenkonsum, Sexismus und lange schon krepierter Empathie. Ein Spiegel der heutigen Gesellschaft, die scheinbar immer auf der rastlosen Suche nach dem nächsten Extrem ist, um überhaupt noch empfinden zu können. „Nur das gibt mir im Leben Halt...“. „Ikarus“ ist eine Sagengestalt aus der griechischen Mythologie und zugleich der Sohn des Daidalos, der ihm einst Flügel aus Wachs fertigte und ihn vor seinem Flug noch beschwor, nicht zu nahe am Meer oder an der Sonne zu fliegen, da jene sonst schmelzen würden. Der aus Trotz und Ignoranz resultierende Sturz gilt als Strafe der Götter für den Übermut und soll dem Rezipienten eine moralische Lehre für das Leben sein. „Da geht es um das Ausloten von Grenzen. Wie weit kann ich gehen? Ich will nicht mehr fremdbestimmt sein. Ich fühle mich eingesperrt. Im Prozess des Albums habe ich in meinem direkten Umfeld erlebt, wie jemand vom Jugendlichen zum Erwachsenen wird. Das kann wirklich sehr anstrengend für alle Beteiligten sein. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Ich war in der Phase aber viel schlimmer.“, erklärt Lange seine initialzündende Inspiration für den Song. Musikalisch setzt man ab der ersten Sekunde auf ein wütend peitschendes Industrial-Rock-Gewitter aus brachialem Drumming, greller Elektronik und infernalischen Riffs, während die pulsierenden Strophen von choralen Einsätzen und einem zurückhaltenden Saiten-Einsatz ausgefüllt werden. Die knackige Bridge greift danach wieder das Eingangsprinzip auf und arbeitet mit einem fließenden Wechsel zwischen tiefen Shouts und konträr cleanen Passagen, bis der melancholische Chorus dann schließlich elegischen Bombast freisetzt, der zudem von weiblichen, operettenhaften Gesängen begleitet wird. Die energetische Symbiose aus tanzbarem Metal und orchestraler Klassik-Note funktioniert wunderbar harmonisch und unterstreicht somit abermals die instrumental wandelbare Komplexität der neuen Stücke.

„Was Einmal War“ ist die erste von insgesamt zwei Balladen des neuen Albums und erzählt die Geschichte eines Paares, dem das selige Kinderglück nicht hold sein will. Die tiefsitzende, zerrissene Tragik zweier Totgeburten wird hier von den verzerrten Gefühlslagen der beiden Protagonisten und einem dramatischen Aufbau getragen, der in den Strophen vornehmlich durch das hell perlende Klavier und die klagenden Streicher-Versatzstücke gestaltet wird, später kommen dann die Gitarren samt ausgiebigem Solo dazu. Ganz besonders bemerkenswert ist, dass dem Song trotz seiner emotionalen Ebene eine gewisse distanzierte Kälte innewohnt, die nicht zuletzt durch die teilweise süffisante, nüchterne Intonation entsteht und über die gesamte Spielzeit ein merkwürdig angespanntes, sonderbar ungutes Gefühl heraufbeschwört, das sich einfach nicht mehr legen will. Generell lebt in diesem Stück ein gewisser Oldschool-Charakter auf, der sich in seinem obskuren Zwiespalt aus Empathie und Gleichgültigkeit speist und somit zuweilen an das Debüt „Ave Maria“ erinnert. Eine ebenso auffällige Selbstreferenz folgt danach mit „Mein Eigentum“ und einem tosenden Sturm aus vernichtenden Blechbläsern und ekstatisch metzelnden Riff-Eskapaden. Der zugegeben recht solide Text wird dabei ausschließlich von finsteren Synthie-Flächen bestimmt, ist zugleich aber auch der größte Schwachpunkt des leider zu gewollt provokativen Mid-Tempo-Stampfers: Wie sich nur unschwer erraten lässt, ist es der (erneute) Versuch einer Ode an die verschiedenen Spielarten des SM. Leider bleibt der Song komplett vorhersehbar, platt und uninspiriert und macht so ziemlich alles langwieriger und -weiliger, als „Ich Liebe Es“ vom Erstlingswerk. Vermutlich liegt es auch daran, dass sich in dem Genre mittlerweile schon zur Genüge und allen voran besser an dieser Thematik abgearbeitet worden ist. Schade, dass es „Ost+Front“ hiermit nicht gelingt, dem Ganzen eine frische Nuance oder gar einen überraschenden Twist hinzuzufügen. Der eingängige, doch viel zu softe Refrain nimmt den restlichen Wind aus den Segeln... Schade. Dass die Berliner jedoch nicht nur sozialkritisch und ernst sein können, sondern sich auch vor absolutem Nonsens mit viel schwarzem, selbstironischem Humor nicht scheuen, haben sie schon in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. „Schwarzer Helmut“ macht da keinerlei Ausnahme und verblüfft sogleich mit viel elektronischer Grundausrichtung: Die technoid pluckernden Retro-Beats sorgen schnell für einen kruden NDH-Ballermann-Style, welcher quasi nur zu gerne der gedankenlos beschwingte Szene-Sommerhit schlechthin sein möchte und eventuell auch könnte, wäre da nicht der überdeutliche und fast schon extrem dreiste Versuch einer ganz schlechten Kopie. Mit dem absichtlich unpassenden Billig-Techno, viel gebrochenem Deutsch und internationalen Party-Vibes erinnert der Spaßmacher vehement an einen peinlich abgekupferten, seichten „Ausländer“-Abklatsch von „Rammstein“. Wenn Lange von zügelloser Mallorca-Flatrate-Feierei, eiskalten Getränken und verramschten Sonnenbrillen-Souvenirs am Strand singt, werden schnell Plagiatsvorwürfe laut und das völlig zurecht. Die vollkommen sinnbefreite Frage „Weiß jemand, wem die Uhr gehört?“ vor dem catchy Refrain mit integriertem Mitgröl-Faktor, setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Nichtsdestotrotz eine durchaus kurzweilige, launige Nummer, die jedoch so viel kreativer und besser gewesen wäre, wenn man sie selbst gehabt hätte...

Das epische Horror-Märchen „Die Räuber“ verfolgt mit seinen wild galoppierenden Saiten und kraftvollen „Hey!“-Rufen dann wieder einen deutlich ernsteren Ansatz und erzählt die Geschichte von einer jungen Magd, die sich zufällig in ein Haus voll mörderischer Banditen verirrt, doch diese durch eine List schlussendlich an den Galgen bringen kann. Wenngleich sich durch die eher gemächliche Struktur ohne lyrische oder musikalische Höhepunkte alsbald auch eine gewisse Monotonie einstellt, so punktet das Epos doch durch seine durchweg dichte Atmosphäre und den starken Refrain. Schon mit „Porco Dio“, aus dem italienischen Sprachgebrauch lästerlich für „Schweinegott“, wendet man sich abermals einem der NDH-Steckenpferde zu. Inhaltlich eine äußerst zynische und vulgär dargebotene Betrachtung unerfüllter Teenager-Träume und zwanghafter Selbstbefriedigung durch entsprechendes Videomaterial, treibt das schwer drückende, fordernd klopfende Schlagzeug alsbald die tänzelnde Rhythmik in bizarr-verspielter Instrumentierung voran. Der brutal gebrüllte, wütend pumpende Refrain geht sogleich in Fleisch und Blut über, wirkt durch die mehrsprachigen Parts jedoch auch ein wenig zu aufgesetzt und cheesy, was aber gut zum recht angestaubt dargebotenen Thema passt. Später dringen zudem noch ungemein fiese Synthie-Spitzen hindurch, wenn Lange aus der Perspektive Pubertierenden mit verzweifeltem Gesang über die eigene Jungfräulichkeit klagt. Die konträre Doppelbödigkeit weiß durchaus zu gefallen und wertet das musikalische Gefühlschaos sehr gelungen auf! Der „Zaubertrank“ zeichnet sich durch ein grelles Riff und eine enorm temporeiche Grundausrichtung aus, die sich fortan durch den gesamten Song zieht und mit verschiedenen, unvorhersehbaren Wechseln punktet, die sodann in einem treibenden Power-Chorus münden. Lyrisch gibt man sich hier eher kryptisch, denn direkt. Es geht um schädliche Sucht und grenzenlose Willenlosigkeit. Mit dem bezeichnenden Hexengebräu könnten sowohl ein Betäubungsmittel als auch manipulierte Emotionen gemeint sein. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt... Die vorletzte Nummer übt sich dann in extrem geschmackloser Prämisse, spielt auf bitterböse Weise mit der innewohnenden Doppeldeutigkeit des Titels und schildert die Verlockung der weiblichen Reize aus der Sicht eines gierenden Triebtäters, der mit gar widerwärtiger Selbstverständlichkeit davon schwärmt, die „Frauenzimmer“ dieser Welt gerne „rabiat und ungebeten“ zu betreten. Anfangs konzentriert sich das Arrangement auf schnelle Sprünge zwischen elektronischer Grundierung und metallisch harschen Zwischenspielen, im Kontrast dazu steht dann die betont leidenschaftliche, süßliche Darbietung im Refrain. Dass „Ost+Front“ aber auch sehr viel tiefsinniger sein und den Hörer aufrichtig berühren können, zeigten die Berliner in der Vergangenheit schon so manches Mal mit „Feuer Und Eisen“, „Suizid“, „Winter Ade“ oder auch dem grandiosen „Vergiss Mein Nicht“, zu welchem das finale „Untermensch“ sogar textliche Parallelen zulässt. Die traurige Power-Ballade über Einsamkeit, Verzweiflung und Depression schraubt die stets präsente Härte zugunsten einer introvertierten Stimmung hier erstmalig frappierend zurück. Stattdessen vervollständigen jetzt behutsam eingestreute Keyboard-Sprengsel und zweistimmiger Gesang bei anrührender Melodieführung das stimmungsvolle Gesamtbild, welches in seinen letzten Sekunden verloren und einsam ausklingt. Ein perfekt akzentuierter Schlusspunkt, der nach all der erbarmungslosen Brutalität umso treffender nachwirkt.

Tracklist:

01. Geld, Geld, Geld

02. Schau Ins Land

03. Honka Honka

04. Sex, Schnaps Und Gewalt

05. Ikarus

06. Was Einmal War

07. Mein Eigentum

08. Schwarzer Helmut

09. Die Räuber

10. Porco Dio

11. Zaubertrank

12. Frauenzimmer

13. Untermensch

Fazit:

Hart, härter, „Ost+Front“! Für den brandneuen Fulltime-Longplayer der mittlerweile fünf Alben umfassenden Diskographie, haben sich die sechs Frontler aus der berühmten Hauptstadt offensichtlich hörbar den zahlreichen Wünschen ihrer treuen Fans angenommen und kehren jetzt mit einem deutlich verschärften Fokus auf die brachiale Härte des Debüts aus 2012 zurück, die auf den letzten beiden Werken zugunsten erhöhter Experimentierfreude nur noch bei einigen Songs in ganzer Pracht durchschimmerte. Dabei fahren die maskierten Mannen um Chef-Denker und Sänger Patrick „Herrmann Ostfront“ Lange wieder einmal nahezu das komplette Kabinett der (un-)menschlichen Scheußlichkeiten auf, um ihre ureigene Stärke voll ausspielen und unserer kranken Gesellschaft mit bekannten Mitteln einmal mehr zynisch den erbarmungslos reflektierenden Spiegel vorhalten zu können. Das funktioniert so gewohnt gut, wie schon auf allen vorherigen Releases, birgt nach all den Jahren jedoch auch gewisse Fettnäpfchen und künstlerische Risiken. Gar keine Frage, der ungemein gnadenlose und zugleich doch immer extrem eingängige Sound aus voluminösen Drums, harsch bretternden Riffs und hochmelodiösen Refrains geht nach wie vor hervorragend gut ins Ohr und festigt den beliebten O+F-Standard, der mittlerweile fast schon zu einer kleinen Referenz des Genres herangewachsen ist. Nur versteifen sich „Ost+Front“ hier so manches Mal zu sehr auf lyrische Provokation und musikalische Härte, sodass sie gegen Mitte des Albums leider große Gefahr laufen, sich viel zu gewollt zu präsentieren und dabei sogar zur arg auffälligen Selbstwiederholung zu neigen. So bedient man sich in der aktuellen Zusammensetzung mal thematisch („Schau Ins Land“ - „Deutschland“) und mal musikalisch („Schwarzer Helmut - „Ausländer“) wieder überdeutlich beim einstigen Vorbild mit dem großen „R“, was die Band eigentlich überhaupt nicht (mehr) nötig hat. Doch damit nicht genug, denn auch vom eigenen Output gibt es so manche Kopie, so erinnert „Geld, Geld, Geld“ etwa vehement an „Arm Und Reich“ oder „Mein Eigentum“ unweigerlich an „Ich Liebe Es“, was zum Teil sicher auch dem eher begrenzten Themen-Pool der altgedienten NDH geschuldet ist. Dass es eigentlich auch ganz anders geht und die Männer an der Front in kreativer Hinsicht zu weitaus mehr im Stande sind, beweisen dafür die erneut wahnsinnig gelungenen Bonus-Tracks, welche im Austausch mit mancher Nummer wohl eher einen Platz in der regulären Tracklist verdient hätten. Im Gegenzug fahren „Ost+Front“ instrumental so satt ausproduziert, vielschichtig und bombastisch auf, wie selten zuvor. Die Arrangements strotzen fast ausnahmslos vor kleinen Details, unerwarteten Tempo-Wechseln, kompositorischer Finesse und musikalischer Vielfalt, was das Hörerlebnis enorm abwechslungsreich werden lässt. So lässt sich „Dein Helfer In Der Not“ fraglos als eine Art kleines Best-Of ansehen, das viele Stilmittel und Stärken aller bisheriger Alben fein säuberlich destilliert in sich zusammenfasst, wenngleich die durchgängige Hit-Dichte dieses Mal nicht ganz so stark ist, wie bereits aus der Vergangenheit gewohnt... Zumindest nicht sofort beim ersten Durchgang.

Informationen:

http://www.ostfront.tv https://www.facebook.com/ostfrontberlin/

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