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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Nesta & The Blondes - Heimataerde - She Hates Emotions (2020)


Nesta & The Blondes - Come Inside (2020)

Genre: Indie / Pop

Release: 06.03.2020

Label: Partytown Records

Spielzeit: 27 Minuten

Fazit:

„Nesta And The Blondes“ sind befreundete Snowboardaficionados aus Graubünden, die zusammen lässig-catchigen Grunge-Pop kredenzen. Zusammen lebt der Flimser Fünfer in der Künstlerkommune „Villa La Fortunata“. Ein Ort voller Liebe, Magie und Inspiration, an dem alle Songs entstehen. Für die Aufnahmen ihres Debüts „Come Inside“ haben sie allerdings die zugeschneiten Berge verlassen und sonnigere Gefilde aufgesucht. In einem von Geistern bewohnten Haus in der Nähe von Barcelona wurden die Titel eingespielt. Und diese werden nun als vertonte Eintrittskarten jedem gereicht, der in die Welt der Bündner Band eintauchen möchte. „Come Inside“ ist vollgepackt mit catchy Gitarrenriffs und verträumten Melodien. Inhaltlich stehen die schonungslos ehrlichen Songs dabei in Kontrast zu den meist zauberhaft-lässigen Klängen. Textlich drehen sich diese oft um das Feststecken in depressiven Gedankenspiralen, das Ausbleiben von Gefühlen der Freude oder die Sehnsucht nach menschlicher Wärme. Angedeutet wird aber auch immer wieder die Hoffnung auf einen liebe- und lichtbringenden Ausweg. „Come Inside“ kann so als eine Art Aufforderung gedacht werden, diesen Aus- als Eingang anzusehen, um die Band aber auch sich selbst neu kennenzulernen. Das Erstlingswerk kommt ab dem 06.03.2020 via Partytown Records als Stream und Download, aber auch limitierte Vinyl für Sammler auf den (digitalen) Markt.

Der Schweizer Fünfer bestehend aus Schlagzeugerin Jennifer Kopp, Bassist Nesta Corona, Metallophon-Spielerin Tiziana Hossmann, Keyboarderin Michelle Früh, sowie Gitarrist und Sänger Andrea Corona macht Musik. Ziemlich eigenwillige Musik mit einer ausgewogenen Mischung aus Indie, Pop und Rock. „Grunge Pop“, um ganz genau zu sein. Laut eigener Aussage kommen viele der inspirativen Einflüsse etwa von Danny Brown und Charles Bradley, den Solo-Werken von John Frusciante oder auch den berühmten „Red Hot Chilli Peppers“. Das hier vorliegende Debüt „Come Inside“ ist somit die sorgsam kanalisierte Reinkarnation eigener Kreativität und zunächst lediglich spontaner Jam-Sessions, die erst sehr viel später zur zielgerichteten Arbeit an einer handfesten Form mit dem Ziel der klassischen Veröffentlichung werden sollte. Und das, obwohl zuvor tatsächlich keiner der fünf Musiker auch nur annähernd ein einziges Instrument beherrschte. Diese sympathische Unsicherheit ist es, welche man dem publizierten Ergebnis noch an wenigen Stellen durchaus leicht anmerkt, dennoch würde jenen langen Lern- und den damit verbundenen Schaffensprozess ganz sicher niemand vermuten oder dem Quintett gar das Können absprechen. So etwa gleich beim eröffnenden „Patience“, dessen zügige Sogwirkung sich hauptsächlich aus dem druckvoll marschierenden, knackigen Rhythmus und parallel dazu der markant-kratzigem Stimme Andrea Coronas speist. Der kurzweilige Einstieg wirkt trotz dem inhaltlich lastenden Gewicht extrem leicht und ziemlich catchy, was nicht zuletzt auch im verwegenen Flow der stylisch verzerrten, herb groovenden Gitarren begründet liegt. Es ist die lückenlose Verschmelzung zweier nur wenig verträglicher Gegensätze. Ganz so, wie die plötzliche Zusammenkunft von fast schon erdrückender (Bedeutungs-)Schwere und einer angenehm bekömmlichen Eingängigkeit, die darüber hinaus wahrlich richtungsweisend und äußerst repräsentativ für alle noch folgenden Songs sein soll. „Circles“ klingt beispielsweise trotz oder vielleicht gerade auch wegen seiner glockenklaren, hell arrangierten Melodie ungleich introvertiert und verzweifelt, irgendwie verloren. Die balladesk isolierte Ader wird zudem von traurig perlenden, retro-esquen Keyboard-Salven herausgearbeitet, welche die ihr innewohnende, zart dargestellte Einsamkeit mit ganz viel Gefühl und emotionaler Wärme befüllen. „Waiting For You“ und das sich anschließende „Cubelles“ sind zwei der insgesamt drei vorab veröffentlichten Singles und haben sich ihren separaten Release auch mehr als nur verdient! Während Ersteres etwa mehrstimmigen Gesang und das so charakteristisch klingelnde Metallophon in die schwelgerische Atmosphäre eines süßlich verpoppten Gewands weben, gibt sich Letzteres um einiges aufgeräumter und dadurch auffällig klar strukturiert. So unterschiedlich die beiden Songs auch sein mögen, der omnipräsente Indie-Spirit wohnt ganz deutlich beiden Stücken tief inne. Das bedrückende „Wolf“ stellt das kernige Schlagzeug und die leidenschaftlich gezupfte Gitarre jetzt wieder deutlich mehr in den Vordergrund, was eine wundersam betörende, warme Klangkulisse zur Folge hat und den Hörer so in den gespaltenen Gefühlswelten schwelgen lässt. Im wirklich berührenden Refrain darf dann noch passend der Mond im Angesicht der hier thematisierten Einsamkeit gesanglich angeheult werden, was jedoch absolut nicht kitschig oder gar unfreiwillig komisch anmutet, sondern exzellent zur ohnehin schon unglaublich starken Atmosphäre beiträgt und den emotional getriebenen, klagenden Touch wahrlich effektiv unterstreicht - Toll! „Three“ behandelt die sorgfältig konstruierte Fassade, die ein jeder so oft nach außen hin trägt, während die mühselig aufrechterhaltene Stärke dahinter auch langsam zu bröckeln beginnt. Die Trauer und der Schmerz bleiben von den meisten oftmals ungesehen... Zum Glück? Jene innere Sinnsuche wird von einem entschleunigten, heimeligen Sound aus reduziert piependen Synthie-Elementen und sanften Drum-Passagen getragen, ehe später darauf die Gitarre besinnlich einsetzt, um sich gegen Ende erst in leichten Disharmonien zu verlieren und dann in einem etwas chaotisch anmutenden Zusammenspiel zu gipfeln, welches sich zunehmend von seiner bluesigen Note entfernt und später kurzzeitig das ungeschliffene, behäbig walzende Rock-Segment streift. Immer wieder ist es allen voran Coronas warme und eindringliche Stimme, die diesen ganz besonderen Momente erst ihren finalen Schliff verleiht, so auch beim ruhigen „Jupiter“. Weitaus poppiger, jedoch ohne dabei auch nur ansatzweise seine melancholische Note einzubüßen, ist der letzte Song: „Embryo“ schildert in seinen zweieinhalb Minuten das schützende Gefühl im Mutterleib, abgeschirmt und frei von jeglichen Einflüssen negativer oder belastender Art, dafür umso erfüllter von hoffnungsfroher Erwartung. Und ebenso wohlig und positiv klingt das Album dann auch aus. Mit gerade einmal acht Songs und einer relativ knappen Spielzeit von unter dreißig Minuten, rangiert „Come Inside“ wohl eher in den Gefilden einer handelsüblichen EP, anstelle eines vollwertigen Studioalbums. Der charmante Amateur-Charakter ergibt sich hier unter anderem durch den übergreifenden Lo-Fi-Charakter des gesamten Materials, welchen man dem Output jederzeit entsprechend stark anhört, was jedoch keinesfalls störend auffällt, sondern zu einem gewissen Anteil auch den gewissen Flair dieser Veröffentlichung ausmacht. Dennoch bedarf es an manchen Stellen in Zukunft etwas mehr Politur bei Aufnahme und insbesondere der Produktion, um ein wirklich rundes Hörerlebnis erschaffen zu können. Rein musikalisch betrachtet gibt es allerdings wenig bis gar nichts zu beanstanden, denn „Nesta & The Blondes“ bieten auf ihrem ersten Longplayer wirklich gut gereiftes Liedgut an, das den vorab eventuell geschürten Erwartungshaltungen der Zielgruppe mehr als nur gerecht werden dürfte: Nahezu alle Lieder bieten einen wirklich hohen, aber nicht zu überladenen Pop-Appeal, der stetig zwischen einer hörbaren Unbeschwertheit und gleichwohl tief gehenden, lyrischen Melancholie pendelt, die doch niemals zu sehr überwiegt oder gar konstruiert wirkt. Nein, im Gegenteil, denn das ehrliche Herzblut und die non-kommerzielle ausgerichtete Leidenschaft für die Musik ist jederzeit klar erkennbar. In Zukunft dürfen sogar gerne noch weitaus mehr der größtenteils recht harmonischen gehaltenen, schmeichelnden Strukturen mutig aufgebrochen werden, um so auch der unangepassten, wilden Seite ihren verdienten Raum zu geben. Wie heißt es so schön? Was nicht ist, kann ja noch werden. Insgesamt legen „Nesta & The Blondes“ mit „Come Inside“ ein wirklich spannendes, einzigartiges und gerade für eingefleischte Indie-Fans ziemlich interessantes Debüt vor, das gerade wegen all seiner kleinen, sympathischen Ecken und Kanten doch sehr zu überzeugen weiß. Also dann: Tretet nur ein, lasst eure Ohren, Gedanken und Herzen darauf ein und euch von „Nesta & The Blondes“ verzaubern - Reinhören!

Informationen:

https://www.nestaandtheblondes.com

https://www.facebook.com/NestaAndTheBlondes

 

Heimataerde - Eigengrab (2020)

Genre: Electro / Folk / Alternative

Release: 24.04.2020

Label: Fully Packed Records (Alive)

Spielzeit: 57 Minuten

Fazit:

Es ist soweit: Nach mehr als drei Jahren kreativer Pause erscheint das langerwartete „Heimataerde“-Album „Eigengrab“. Mit dem brachialen Sound ihres unvergleichlichen Mix aus Electro und mittelalterlichen Klängen melden sich die untoten Templer mit einer vierzehn Track starken Produktion zurück. Nicht fehlen darf die Fortsetzung der Geschichte um die „Heimataerde“. Auf der exklusiven Hörbuch-CD des Doppel-Albums wirft der Träger des deutschen Sci-Fi-Preises, Michael Marrak, die Erzählung in die 60er Jahre voraus. Gelesen wird Hauptprotagonist „Krak Megalon“ vom unverwechselbaren Holly Loose („Letzte Instanz“). Das neue Studioalbum „Eigengrab“ katapultiert „Heimataerde“ direkt in die neue Dekade des 21. Jahrhunderts und erscheint am 24.04.2020 als digitaler Download, 2-CD und limitierte Fan-Box inklusive Hörbuch, der exklusiven Bonus-Disc „Kryptorium“ mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen und Takes, einem Gym-Bag mit Logo, Poster, Stickern und einer handsignierten Autogrammkarte samt Zertifikat über Fully Packed Records.

Ganze vier Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „Aerdenbrand“ mittlerweile in die hiesigen Lande gezogen und in der Zwischenzeit hat sich wahrlich vieles im ritterlichen Lager der untoten Electro-Templer aus dem Ruhrgebiet getan: So verabschiedete sich etwa just Ansgar von Hucretha, dafür rückten Henry von Kent und Schwester Johanna Dikaja alsbald zur tatkräftigen Unterstützung im Kader nach und als wäre all das nicht schon genug, wurde seitdem ebenfalls ein eigenes Label aus der Taufe gehoben, über welches nun unter anderem auch das aktuelle Album veröffentlicht wird, das eingangs mit dem titelgebenden „Eigengrab (Introductio)“ startet und als rein instrumentales Intro in traditioneller Manier monumental in die neue Ära einführt. Hier liefert sich der finster pulsierende Bass mit verspielt fiependen, stark verzerrten Beats schon bald einen wahren Schlagabtausch, wenn exotische Choräle oder das historische Instrumentarium als organische Komponente konträr in den treibend drückenden Rhythmus eingebunden werden und somit auf das einstimmt, was da noch alles kommen mag. So beispielsweise der erste, vollwertige Song: „Kind Der Nacht“ wird anfangs von sphärisch wabernden Keyboard-Flächen und Vocoder-Einsatz eingeleitet, um dann in einem unaufgeregten, gediegenen Mid-Tempo-Gassenhauer zu münden. Durchaus überraschend gestaltet sich die helle, süßlich anmutende Melodie weiterhin mit leichten Anleihen an den Synth-Pop und geht dann in den Crossover mit Schlagzeug und E-Gitarren über. Die Strophen werden überdies von einem mal klaren und dann wieder verfremdeten Gesang getragen, der spätestens im Refrain mit seinem hohen Ohrwurm-Charakter punktet und zum Einstieg so erfreulich viel Altbewährtes mit typischem Wiedererkennungswert und auch neuen Nuancen bietet. Bei „Bald Schon“ prallen elektrisierende, hektisch flirrende Synthie-Linien in aggressiv vorpreschender Manier umso deutlicher auf die mystische Grundnote der Mittelalter-Fraktion mit Flöten und Sackpfeifen. Ein krachender Tanzflächen-Füller im besten Up-Tempo-Style, dem die unverkennbare Seele alter Tage überdeutlich innewohnt! Dem steht auch „Bei Meiner Ehr“ in rein gar nichts nach und drückt den kalten Stahl in eine ganz artverwandte Kerbe. Der kühle, messerscharfe Beat in minimalistisch harter EBM-Manier knallt nur so um die Ohren und erhöht den Druck fortan maßgeblich, später werden zusätzlich noch leicht symphonische Elemente damit verquickt, die den Höhepunkt in seiner schieren Intensität erheblich mitbestimmen. Auch „In Gottes Namen“ schlägt in jene Kerbe, bedient sich dabei anfangs aber einer etwas experimenteller gearteten und zwingenderen Ausrichtung. Wer jetzt bei all dem harsch peitschenden Industrial und Aggrotech meinen könnte, dass die nicht minder essenziellen Folk-Fragmente untergehen würden, wird spätestens dann eines besseren belehrt, wenn im Chorus die hypnotischen Dudelsäcke vollmundig einstimmen. Darauf folgt mit „Warum“ erstmal wieder ein instrumentales Interludium zur Hälfte der Tracklist, das epische Streicher zu brodelnder Elektronik freisetzt und als Bindeglied eine kurze Pause vor dem zweiten Akt gewährt. Wie der geneigte Fan natürlich schon lange weiß, haben Kooperationen mit namhaften Szene-Kollegen bei „Heimataerde“ eine sehr lange Tradition: So gaben sich in der Vergangenheit etwa schon Dennis Schober von „Solitary Experiments“, „Mono Inc.“-Frontmann Martin Engler, Alexander Frank „Asp“ Spreng oder zuletzt Joachim Witt die Ehre, um die Tempelritter im Gefecht stimmgewaltig zu unterstützen. Dieses Mal ist es „Letzte Instanz“-Mastermind Holly Loose, der für ein gemeinsames Feature gewonnen werden konnte. „Und Es Ist“ besticht zunächst mit hauchfein perlenden Synthies, leicht zwischengelagerten Breaks und sakralen Chören, die sogleich eine mystische Atmosphäre als Fundament erschaffen, bis die breiten Wände aus straight rockenden Gitarren und hymnischen Beats das Arrangement danach weiterhin satt ausgestalten. Unterdessen harmonieren die beiden Stimmen vor dem Hintergrund der schwelgerischen Power-Ballade ganz hervorragend miteinander, denn von Megalon und Loose liefern sich hier ein durchgängig harmonisches Wechselspiel, ohne sich dabei gegenseitig zu überschatten oder farblos zu wirken. Ganz im Gegenteil, das Duett ist einmal mehr perfekt gewählt und zählt nicht zuletzt aufgrund seiner enorm eingängigen, melancholisch behafteten Melodie zu den bisherigen Höhepunkten mit absoluter Gänsehaut-Garantie par excellence! „Vor Langer Zeit“ schlägt als fließender Übergang mit technoider Elektronik und nachdenklichen Textpassagen dann einen passenden Bogen zum sich direkt anschließenden „Die Welle“, das wiederum merklich rasanter zu Werke geht. Wild rotierende Electro-Spitzen, ein druckvoll pulsierender Bass und die raue Power der Gitarren dominieren hier klar und überdeutlich, stagnieren mit zunehmender Spielzeit musikalisch jedoch leider doch etwas zu sehr. Ganz anders hingegen der energisch stampfende Dampfhammer „Alptraum“, der sich erneut vollends auf die mächtig powernde Kraft der leidenschaftlichen Synthie-Beats beruft und in einem wahrhaft toughen Ohrwurm gipfelt, dessen Bann man sich fortan so leicht nicht mehr entziehen kann! Im krassen Gegensatz dazu steht die lyrische Komponente, die nur zu gern in die Irre führt und dann ganz besonders im Refrain mit den Erwartungen des Hörers bricht, um am Ende für eine böse Überraschung zu sorgen... Helle Glockenschläge und ein röhrendes Horn leiten das bereits aus 2018 bekannte und vorab als erste Single ausgekoppelte „Tanz“ ein, das von finster rollenden Keyboard-Parts und satter Percussion schließlich in eine extrem mitreißende Dudelsack-Weise samt einem übermäßig starken Refrain übergeht, der nicht nur ein ungemein hohes Live-Potential birgt, sondern seiner Betitelung alle nur erdenkliche Ehre macht und somit alles in sich vereint, wofür die vielfältige Musik der „Heimataerde“ steht. Und auch die bewegend schöne Ballade „Nur Du Und Ich“ kommt genauso wenig um eine kraftvoll powernde Melodie wie das wieder deutlich härtere „Weil Wir Zuviel Vom Tod Erzählen“ oder das abschließende „Treibjagd“. Die rund vierjährige Wartezeit hat sich gelohnt, denn die Tempelritter von „Heimataerde“ sind endlich wieder zurück und das vermutlich sogar noch stärker, als jemals zuvor! Der innovative Mix aus tanzbarem Electro mit harten EBM- und peitschenden Industrial-Einflüssen, subtilen Rock-Elementen und natürlich nicht zuletzt auch dem Mittelalter, funktioniert noch immer bahnbrechend gut, klingt nach wie vor angenehm erfrischend und wird in den vierzehn Tracks auf „Eigengrab“ einmal mehr bis zur feinfühlig ausbalancierten Perfektion exerziert, wenngleich der Fokus dieses Mal stellenweise deutlich mehr auf der elektronischen Komponente liegt. Nichtsdestotrotz wissen fast ausnahmslos alle Songs auf ihre eigene Art und Weise zu fesseln, das gesamte Material ist stets extrem eingängig und hochmelodisch. Wer an der Fortsetzung der zugrundeliegenden Hintergrundgeschichte interessiert ist, freut sich bei der 2-CD-Variante zudem über ein unterhaltsames und toll produziertes Hörbuch-Erlebnis, das keine Wünsche offen lassen dürfte, die hiermit voll bedient werden. Fans und Freunde der jeweiligen Genre-Kreuzungen greifen sowieso zu, alle anderen erhalten mit „Eigengrab“ eine Band in Top-Form und ein echtes Füllhorn an neuen Hits für den schwarzen Dancefloor - Zu den Waffen!

Informationen:

https://heimataerde.de

https://www.facebook.com/HeimataerdeOffiziell

 

She Hates Emotions - Melancholic Maniac (2020)

Genre: Electro / Pop / Alternative

Release: 15.05.2020

Label: Out Of Line (rough trade)

Spielzeit: 51 Minuten

Fazit:

Die Achtziger - Jahrzehnt der musikalischen Freiheit, die Blütezeit von New Wave und Dark Wave, Pionierjahre der Bewegung, aus der die Schwarze Szene entstanden ist. Diese Zeiten waren es, die den künstlerischen Pfad von Chris Pohl („Blutengel“) prägten. Nun will er den Einflüssen mit seiner Musik Tribut zollen: „She Hates Emotions“. „Das Projekt ist minimalistische Synth-Musik mit 80er-Jahre-Einschlag. Der Schwerpunkt liegt nicht auf Bombast oder Produktion, sondern auf der eingängigen, melancholischen Melodie!“, kommentiert Chris Pohl und gerade dieser reduzierte Ansatz ist es, der den hoch emotionalen Liedern ihre Strahlkraft verleiht. Bei aller Tanzbarkeit und Eingängigkeit passt der „She Hates Emotions“-Albumtitel „Melancholic Maniac“ einfach perfekt. „Die Lieder handeln viel von der Angst, verlassen zu werden oder von Einsamkeit im Allgemeinen, von Liebe und Tod.“, so Chris, der damit auch seinen treuen „Blutengel“-Fans einen Anknüpfungspunkt gibt. Dennoch: „Melancholic Maniac“ ist kein „Blutengel“-Album, sondern transferiert die besten Zeiten von Bands wie „Depeche Mode“, Anne Clarke, „The Human League“, „Fad Gadget“, „Camouflage“ oder „Alphaville“ ins 21. Jahrhundert. Das mit viel Spannung erwartete Debüt des Projekt-Spitzenreiters der schwarzen Szene erblickt am 15.05.2020 unter Stamm-Label Out Of Line das Licht der Welt, digital und als reguläre Standard-CD.

Der Berliner Musiker Chris Pohl gehört unbestritten zu den wohl aktivsten Künstlern der schwarzen Szene, was neben dem extrem hohen, regelmäßigen Output insbesondere auch in seinen zahlreich vorhandenen Projekten begründet liegt. Sein jüngstes Baby läuft unter dem zunächst vielleicht etwas irreführenden Namen „She Hates Emotions“ und soll der Hörerschaft anstelle von dunkelromantischen Gothic-Songs vorrangig minimalistischen Synthie-Pop unter dem prägenden Einfluss der ikonischen Achtzigerjahre bieten, mit welchem der vielseitig beschäftigte Allrounder seinen persönlichen Heroen, die ihn zu jener Zeit in seiner Jugend stilistisch beeinflussten und so zum eigenständigen Musizieren inspirierten, ihren verdienten Tribut auf ganz eigene Art zollen will. Nach dem rein instrumentalen und zudem sehr stimmungsvollen Intro „She's A Dreamer“, das mit seinen knarzenden Sounds, finster verzerrten Synthies und glockenhellen Kontrasten gleich dem Soundtrack einer 80er-TV-Sendung entsprungen sein könnte, geht es mit „Edge Of The Night“ dann schließlich in die Vollen, welches den instrumentalen Hintergrund seines Vorgängers gekonnt aufgreift: Harmonisch flirrende Beats und ein rhythmisch pochender Basslauf, der für diese Zeit wohl kaum typischer sein könnte, lassen schnell ein charmantes Retro-Feeling aufkommen. Die gespenstisch heulenden Synthie-Fragmente und taktierenden E-Drums verbleiben zwar durchgängig im Mid-Tempo, regen aber dennoch schnell zum Tanzen an und unterstützen eine von Pohls unumstrittenen und mittlerweile bis zur Obergrenze verwendeten Lieblingsthematiken, die Nacht, musikalisch passend. „City Lights“ behält zwar den bereits zuvor unterschwellig mitschwingenden, dunklen Touch, zieht das Tempo jedoch gleichzeitig an. Die Grundnote ist somit ungleich poppiger und überrascht darüber hinaus mit einigen wirklich stimmigen, melodiösen Backing Vocals, wodurch Pohl angenehm aus dem Rahmen des lange schon Gewohnten ausbricht - Schön! Das folgende „The Final Dance“ gliedert sich perfekt in das vermittelte Gefühl ebendieser Marschrichtung ein und ruft mit seinem knackigen Minimalismus-Style schnell lebendige Erinnerungen an das grandiose „The Safety Dance“ von „Men Without Hats“ wach. Ein sehr solider, gut gelungener Track, der seinem Titel wahrlich alle Ehre macht und sich so bestens für den schwarzen Dancefloor eignet. Das erste Lebenszeichen des Projekts, die vorausgeschickte Single-Auskopplung „See The Light“, wurde im Vorfeld nicht ausschließlich wohlwollend aufgenommen, sondern rief gleich auch zahlreiche Kritiker auf den Plan, die hier aufgrund von zu wenig musikalischer Varianz und der Verwendung bereits bekannter, kompositorischer Strukturen übergebliebenes Ausschussmaterial der Hauptband sahen... So ganz Unrecht hatten jene Stimmen damit nicht, denn so manches Mal lassen sich die Parallelen tatsächlich nicht verleugnen und verweisen schon bei oberflächlichem Hören schnell auf ihre Herkunft. Nichtsdestotrotz regt auch dieser Song amtlich zum Tanzen an und geht mit all seiner typischen Catchyness vor allem schnell ins Ohr! Merklich differenzierter kommt da schon „Leaving“ daher, was insbesondere im stimmlichen Einsatz und damit einhergehend auch der entsprechenden Intonation Pohls begründet ist, die sich doch sehr vom sonst so dunklen angehauchten Organ bei „Blutengel“ unterscheidet und mit ihren klagenden Höhen stattdessen sehr viel facettenreicher auf den Plan tritt. Das treibende „Cry Wolf“ erinnert nur im ersten Moment durch seine Titelgebung an das gleichnamiges Stück der Pop-Legende „a-ha“, denn musikalisch wird hier viel eher der Bogen zu den frühen „Camouflage“ oder gar „Pet Shop Boys“ geschlagen. Der energisch fordernde, kickende Beat gemahnt unterdessen verdächtig an den legendären Über-Gassenhauer „Relax“ von „Frankie Goes To Hollywood“, erreicht aber bei weitem nicht dessen rough powernde Intensität. Trotzdem ein launiger Song, der für einen brauchbaren, abwechslungsreichen Unterschied gegenüber der übrigen, ersten Hälfte sorgt. Auch das geheimnisvolle „Ghost Town“ besticht vornehmlich durch einen hervorragenden Beat und die schrill verzerrten, skurrilen Synthesizer, die eine ziemlich erfrischende Wirkung auf den gesamten Verlauf erzielen. „Turn Back Time“ schlägt musikalisch in eine ganz ähnliche Kerbe und allmählich wird immer deutlicher, wie sehr sich doch eigentlich vieles auf Dauer ähnelt. Überhaupt keine Frage: Ausnahmslos alle Stücke weisen in ihrer Produktion und Ausarbeitung die gewohnte Qualität auf, echte und erinnerungswürdige Höhepunkte gibt es hier aber leider genauso wenig, wie Ausreißer nach unten. Na, immerhin. Deutlich intensiver wirkt danach „In Your Arms“, welches erstmalig eher balladeske Anleihen auf dem Album anklingen lässt. Die sphärischen Synthies auf Basis eines leicht drückenden Beats verbleiben gerade durch die sich stetig steigernde Dramaturgie besonders erinnerungswürdig. Zudem setzt man zwischenzeitlich immer wieder auf vereinzelt eingeschobene Percussion-Elemente, die den sich über die fortwährende Spielzeit langsam eingeschlichenen, stagnierenden Turnus allmählich gekonnt auflockern, der dann mit dem letzten Song, dem etwas textlich doch arg stereotypen geratenen „Don't Leave Me“, teilweise wieder Einzug hält. Der Bonus-Track „Lieben“ ist offensichtlich das einzige Stück in deutscher Sprache und nicht nur deshalb erfreulich frisch, denn entgegen der vorherigen Lieder wird sich hier nicht dem klassischen 80er-Pop, sondern der elektrolastigen Seite der späten NDW und des Wave angenommen, was sich unter anderem in der nochmals minimalistischeren, da bewusst reduzierten Grundausrichtung bemerkbar macht. Lyrisch erinnert das alles sogar (weit) entfernt an die ikonischen Pioniere „DAF“ oder „Grauzone“. Was sich im ersten Moment vielleicht anmaßend liest, fällt abschließend erfreulich aus dem Rahmen und setzt einen schönen Akzent, von dem es zugunsten von mehr Variation gerne mehr hätte geben können. Vorab: „Melancholic Maniac“ ist keine „Blutengel“-Kopie, denn anders, als der zuweilen doch sehr stark mit reichlich Pathos und Kalkül konzipierte Gothic-Bombast, der sich oftmals nur zu gerne in den immer gleichen Phrasen verliert, wagt sich Mastermind Chris Pohl mit seinem Synthie-Pop-Debüt doch auf ein merklich differenziertes Terrain... Zumindest teilweise. Der gesamte Sound präsentiert sich in instrumentaler Hinsicht deutlich reduzierter und besticht vor allem durch seine angenehm eingängige, selten zu überladene Einfachheit, obgleich der „Blutengel“-Frontmann zu keiner Zeit einen Hehl aus seinen ursprünglichen Inspirationen und Vorbildern macht, wenn wohlige Nostalgie, ohrwurmiger Pop und mystisch wabernder Wave sich in den zwölf Tracks die 80er-Klinke in die Hand geben. Keine Sorge, hier gibt es sicher keine lieblose Resteverwertung oder B-Seiten des von vielen Szene-Interessierten so geliebten und gleichzeitig verhassten Hauptprojekts des Berliners, obwohl die charakteristische Handschrift insbesondere in puncto Songwriting dennoch an vielen Stellen vehemente Rückschlüsse auf ihren jeweiligen Ursprung ziehen lässt und so manches Mal unweigerlich an „Blutengel“ in elektronisch komprimierter Light-Version erinnert. Ein weiterer Kritikpunkt ist die stark herausstechende Gleichförmigkeit der Songs bei Rhythmus, Tempo und genereller Melodieführung, die sich vornehmlich in einem kompletten Durchgang enorm bemerkbar macht... Aber irgendwo möchte der geneigte Fan ja auch genau das, oder? Alle Hörer, die schon vorher keine allzu großen Freunde von Chris Pohl und seinem musikalischen Schaffen waren, werden also auch hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt ihr neues Lieblingsalbum vorfinden. Für diejenigen, die hingegen einen ausgeprägten Faible für leicht modernisierten Achtziger-Sound haben oder generell Sympathien für Pohl und seine Musik hegen, heißt es: Gerne reinhören!

Informationen:

https://www.facebook.com/SheHatesEmotions

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