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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Audiolaw - Faun - Die Krupps (2019)


Audiolaw - There Are Millions (2019)

Genre: Rock / Alternative

Release: 15.11.2019

Label: Recordjet (Edel)

Spielzeit: 61 Minuten

Fazit:

Das Cover des Albums „There Are Millions“ zeigt einen Sprung. Es ist ein Satz durch Raum und Zeit hinein ins Abenteuer. Diesen wagten „audiolaw“ und zogen aus der heimischen Eifel zu Live-Sessions nach Irland. Ort der Inspiration, ursprünglich und rau. Dies war der Auftakt einer Reise, die Energien freisetzen sollte. Und nach Aufbruch klingt der Langspieler dann auch: Kraftvoll, selbstbewusst, griffig und frisch. Alternative Rock mit luftigen Arrangements und tollen Melodien. Mit Songtexten zwischen: Frage und Antwort, Anklage und Verteidigung. Der Opener „Idiots“ ist ein Statement gegen die Mächtigen. Wer bitte kontrolliert die eigentlich? In der Single „I Told U B4“ geht es um Klugscheißer, die es mit ihrer Besserwisserei verdient haben, endgültig zum Teufel gejagt zu werden. In „R U Xistent ?“ stellen „audiolaw“ die Frage nach der Existenz eines höheren Wesens. Und im hymnischen „Locked In Pilgrim“ erzählen sie die Geschichte eines regungslos ans Bett gefesselten Locked-In-Syndrom-Erkrankten, der die Bilder an der Wand zu Reisen in seiner Phantasie nutzt. Beruhigend beschließt das Blöken von Schafen den Song „Blind Horses“, welcher übrigens gar nicht von Pferden handelt. „Tender“ wird von einem Streichquartett eröffnet und preist elegisch den Schlaf als Lebenselixier. Und der Titelsong „There Are Millions“ weist als Lullaby für ein trauriges Mädchen hinauf zu den Sternen und meint dabei doch die Wärme eines liebevollen Umgangs miteinander. Das mit Spannung erwartete Debüt „There Are Millions“ kommt ab dem 15.11.2019 via Recordjet (Edel) als digitaler Download und CD im Digipak auf den Markt.

Fangen wir doch zunächst einmal ganz von vorne an: „There Are Millions“ ist nach der vorausgegangenen EP „Revolution Everyday“ aus 2014 das viel erwartete Fulltime-Debüt der ambitionierten Indie-Rocker „audiolaw“ aus Köln. Die junge Band bestehend aus Schlagzeuger Rolf Becker, Bassist Georg Manthey, Gitarrist Klaus Schnitzler und Sänger Ralf Thomas beschreibt ihren abwechslungsreichen Sound dabei selbst als „bleischwere und auch federleichte Songs - manchmal auch beides zugleich.“ oder als „Geschichten vom Leben im eigenen und in anderen Körpern, von Reisen durch Zeit und Raum.“. Ein interessanter Vorsatz, für den man sich alsbald unter anderem im Soulsdepartment Mechernich, Timelock Kerpen und nicht zuletzt den irischen Attica Studios ganze fünf Jahre lang Zeit zwischen den beiden Veröffentlichungen gelassen hat, um eine bestmöglich ausgereifte Produktion gewährleisten und somit dem eigenen, hohen Anspruch gerecht werden zu können. So entstand ein beeindruckend umfassendes Portfolio von insgesamt sechzehn Songs und rund sechzig Minuten an Spielzeit, die allesamt verschiedener wohl kaum sein könnten und es dennoch scheinbar ganz leicht vermögen, sich extrem schlüssig aneinanderzureihen. Das eröffnende „Idiots“ spielt etwa behände groovend mit organisch fließenden Übergängen irgendwo zwischen melodisch komplexem Pop und friedvoll proklamierendem Fingerzeig, „Love Or Enemy“ lässt eine zeitgemäße Classic-Rock-Prämisse und feierlich swingende Gospel-Einsätze für sich sprechen, „I Told U B4“ tänzelt stilistisch erfreulich befreit über alle ungnädigen Sorgen des alltäglichen Lebens und „R U Existent?“ denkt gar nicht erst daran, so manch charmantes Zitat an den funkigen Siebziger-Sound à la Hammondorgel und Hendrix-Riff zu verleugnen. Doch es gibt noch weitaus mehr zu entdecken, denn auf ein kurzes Preludium folgt erst das eingängig schmachtende „Locked In Pilgrim“, bevor sich das sehnsüchtig „Blind Horses“ und entspannte Lagerfeuer-Stimmung mit Streicher-Zusatz bei „Tender“ anschließen, die den Hörer einfach nur zum behüteten Träumen einlädt. Das hitverdächtige „Mercy (Devil Is A She)“ erinnert in seinen besten Momenten sogar zeitweise unterschwellig an den emotionalen Vibe eines „Love Hurts“ der legendären „Nazareth“, wohingegen „Revolution Everyday“ und „Rainday“ wieder vermehrt kantig rockende Gitarren in den Vordergrund spielen und mit viel angenehmer Lässigkeit bestechen. Das gefällt fraglos und ist dem allgemeinen Fluss stets zuträglich!„Can't Slow Down“ führt catchy Background-Gesänge und einen abgeklärten Rhythmus zusammen, welcher einfach sofort packt, der sanftmütig introvertierte Titeltrack „There Are Millions“ setzt danach wiederum besinnliche Akzente. Nach einem weiteren Zwischenspiel stehen abschließend noch „Dig Me A Hole“ und das achtminütige „Soon“ auf der Tracklist, die beide erneut ganz im Zeichen des herzlichen Crossover stehen. Es ist sicher kein Zufall, dass „audiolaw“ auf ihrem ersten Album zuweilen stark an die Genre-Kollegen von „R.E.M.“ und Co. erinnern, dennoch bleibt man zu jeder Zeit vorbildlich eigenständig. „There Are Millions“ gestaltet sich im Kern weitestgehend bedächtig, geschmackvoll melancholisch und ruhig, wirtschaftet parallel aber genauso gut mit seinen starken, kraftvollen und manchmal auch leicht poppig-affinen Momenten, in denen die sauber gebündelte Energie genau den richtigen Nerv trifft. Insbesondere kompositorisch präsentiert man sich dabei enorm ausgereift, wenn klassischer Indie-Sound mit kernigem Alternative-Rock und elektronischen Sprengseln beseelt gewürzt und zu einer denkwürdigen Melange zwischen authentischer Schwermut und leidenschaftlichem Aufbegehren garniert wird. Reinhören!

Informationen:

http://www.audiolaw.de

https://www.facebook.com/audiolaw.de/

 

Faun - Märchen & Mythen (2019)

Genre: Pop / Folk

Release: 15.11.2019


Label: We Love Music (Universal Music)

Spielzeit: 64 Minuten

Fazit:

Mit „Es war einmal…“ beginnen märchenhafte Geschichten, die von fantastischen Welten und von mutigen Helden erzählen. Es sind Geschichten, die uns seit Jahrtausenden begleiten und deren Ursprünge in der Fantasie des Menschen liegen. Die mit Gold und Platin ausgezeichnet Mittelalter-Band „Faun“ hat sich mit dem aktuellen Album „Märchen & Mythen“ von der Welt der heimischen Märchen inspirieren lassen. Die Band webt hierfür ein musikalisches Kunstwerk in die Traumwelt und Realität immer wieder spielend miteinander verbunden sind. Auch die aktuelle Single „Aschenbrödel“ spannt diesen Bogen. Die Melodie mag vielen bekannt vorkommen, ist sie doch von dem berühmten tschechischen Filmkomponisten Karel Svoboda für den weihnachtlichen Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ geschrieben worden. „Faun“ haben das Lied bearbeitet und einen stimmigen Text zu dieser berühmten Melodie geschrieben. Inhaltlich geht es hier vor allem um die Rolle der weiblichen Protagonistin, die sich trotz ihrer Plagen nicht unterkriegen lässt und durch ihre Naturverbundenheit sowie ihr nicht unterwürfiges Verhalten das Blatt wenden kann und letzten Endes zur Prinzessin wird. Seit „Von den Elben“ gelingt es „Faun“ immer wieder ihre mittelalterliche, folkorientierte Musik mit starken Hooks zu verbinden, die trotz der ungewöhnlichen Instrumentierung mit mittelalterlichen Instrumenten immer auch nach spannendem modernen Folk-Pop klingen. Das Lied „Aschenbrödel“ passt perfekt in diesen Kontext und der Song, basierend auf die faszinierende Melodie des bekannten Märchenfilms, hat in seiner faunschen Verspieltheit sogar so etwas wie Hitqualitäten. Da lohnt es sich mal genauer hinzuhören. Das neue Album „Märchen & Mythen“ erscheint am 15.11.2019 digital und physikalisch über Universal Music.

Seit über zwei Dekaden bereichern Rüdiger Maul, Niel Mitra, Stephan Groth, Fiona Frewert, Laura Fella und Oliver „SaTyr“ Pade als „Faun“ die facettenreich aufgestellte Mittelalter-Szene nun schon mit ihrem signifikant gefühlvollen Pagan Folk und können nach all der langen Zeit mittlerweile nicht nur auf eine beeindruckend umfassende Diskographie, sondern auch große Fangemeinde zurückblicken. Es ist das logische, wohlverdiente Resultat aus viel harter Arbeit, kreativer (Selbst-)Verwirklichung, erfreulich frischer Andersartigkeit, glaubwürdiger Passion und nicht zuletzt auch dem mutig ausgeführten Spagat zwischen den einstigen Wurzeln und einem breiten Mainstream-Publikum, welcher nach dem anno 2012 erfolgten Wechsel zum weltbekannten Label Universal Music erfolgte. Rund drei Jahre nach ihrem letzten Langspieler „Midgard“, erscheint dieser Tage also das nunmehr zehnte Studioalbum des erfolgreichen Sextetts aus Bayern auf dem Markt. Falls es dem Rezipienten trotz des eigentlich aussagekräftigen Titels dennoch irgendwie entgangen sein sollte, wird spätestens mit dem von Synchronsprecher Otto Mellies wunderbar vertonten, atmosphärischen Intro „Es War Einmal...“ unmissverständlich verdeutlicht, wohin die wundersame Konzept-Reise denn geht. „Faun“ laden die willige Hörerschaft dieses Mal nämlich in die eigenen Kindheitserinnerungen und zauberhaften Welten von mutigen Prinzessinnen, tapferen Recken und mystischen Sagengestalten ein, die auf ihre eigene Art und Weise allesamt viel Stoff für spannende Geschichten und wundersame Erzählungen aufbieten. So nehmen sich die Musiker während der zwölf Songs vielen bekannten Vorlagen deutscher Dichter und Denker, wie etwa der Gebrüder Grimm oder Goethe, aber auch volkstümlichen Legenden aus fernen Ländern an, sodass hier thematisch beherzt aus den Vollen geschöpft werden kann. Der süßliche Auftakt mit „Rosenrot“ zielt durch das enorm hohe Mitsing-Potential und den ohrwurmig gefälligen Tanz-Rhythmus bewusst auf die Radiotauglichkeit ab, was nostalgische Alt-Fans vermutlich sofort verschrecken dürfte, doch schon das folgende „Seemann“ und insbesondere das mystisch ausgefüllte „Hagazussa“, altdeutsch für Hexe, Heilerin oder Seherin, knüpfen ein gutes Stück weit in der einstigen Vergangenheit der Band an. Hier regieren teils hypnotisch treibende Harmonien und eine wunderbar dichte Instrumentierung, die der jeweiligen Atmosphäre extrem beitragen und somit einfach nur zu gefallen wissen! „Sieben Raben“ bietet danach vor allem Neuzugang Laura Fella eine verdiente Bühne, ihr stimmliches Können unter Beweis zu stellen, das sich in all seinem beeindruckend glockenklaren, hellen Klang in der Tat deutlich und eigenständig von den bisherigen Vorgängerinnen abgrenzt. Gerade für die mehrstimmig arrangierten Passagen, die seit jeher unabdingbar als eines der absoluten Aushängeschilder der Band gelten, ein echter Gewinn. Alles andere als das, ist dann das zutiefst kitschige, lieblich überladene „Aschenbrödel“, welches zwar den Soundtrack des bekannten Films „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ von Karel Svoboda aufgreift und mit einem eigenen Text versieht, aber in allen nur erdenklichen Belangen viel zu oberflächlich und gewollt bleibt. Das geheimnisvoll getragene „Die Weisse Dame“ macht mit einer ungemein dichten Atmosphäre und dem weiblichen, dualen Gesang wieder einiges an Boden gut und auch die romantische Ballade „Jorinde“ weiß wirklich durchaus zu gefallen. „Spieglein, Spieglein“ erzählt sodann mit schlageresker Grundnote von einem bedeutenden Schicksal für das gesamte Märchenland, der prägende Stil ist dabei deutlich in die jüngere Ära seit „Von Den Elben“ einzuordnen. Die Geschichte der „Drei Wanderer“ kommt dann als Featuring mit den Kollegen von „Versengold“ daher, die seit einigen Jahren ebenfalls einem breiteren Publikum zugänglich gemacht und so in aller Munde sind. Die Tanzbarkeit wird sogleich wieder erhöht, wenn vom Wettstreit mit Gevatter Tod höchstselbst berichtet gekündet wird, den es hier einmal mehr zu überlisten gilt. Das zarte „Holla“ ist ein schön anzuhörender Lobgesang auf die gleichnamige Erdgöttin, hier solistisch von Drehleier-Virtuose Stephan Groth intoniert, der mit seiner warmen Stimmfarbe in der Vergangenheit schon „Blaue Stunde“ oder „Brandan“ überzeugend Leben einhauchte. Das standardisierte Album wird dann mit dem englischsprachigen „The Lily“ abgeschlossen, welches durch das einzige Märchen von Johann Wolfgang von Goethe inspiriert worden ist und eine sagenumwobene Figur behandelt, deren Berührung es vermag, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Wer jetzt noch nicht genug gehört hat und noch ein wenig länger in den fantastischen Welten schwelgen will, sollte unbedingt zur limitierten Deluxe Version greifen, die mit den exklusiven „Falada“, „Thalia“ und einer rein akustisch instrumentierten Variante von „Sieben Raben“ gleich drei Bonus-Tracks bereithält, die genauso gut in der regulären Tracklist ihren berechtigten Platz hätten finden können und sich wirklich lohnen. Wer sich weiterhin nach den experimentellen, komplexen Auswüchsen und der fast schon rituellen Epik eines „Renaissance“, „Licht“ oder „Eden“ sehnt, wird hier zwar nicht enttäuscht, vermutlich aber erneut etwas ernüchtert sein. Wer den letzten drei Veröffentlichungen jedoch etwas abgewinnen konnte, der findet auch hier wieder sein Glück. Das Fehlen besonders stark herausstechender Songs macht sich rückwirkend doch bemerkbar, stört den guten Gesamteindruck aber keineswegs auffällig. Die ausgewählten Geschichten wurden allesamt gut ausgearbeitet und abwechslungsreich vertont, trotz vereinzelter Ausflüge in nur allzu kommerzielles Territorium schaffen es „Faun“ weitestgehend, ihre ursprüngliche Intensität und spezielle Magie zu wahren.... Streckenweise vielleicht sogar mehr, als noch in den letzten Jahren. So ist „Märchen & Mythen“ tatsächlich ein Album geworden, dass dem Hörer eine zauberhafte Flucht aus dem grauen Alltag ermöglichen kann, wenn dieser es nur zulässt. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...“

Informationen:

http://www.faune.de/faun/pages/start_de.html

https://www.facebook.com/FaunOfficial/

 

Die Krupps - Vision 2020 Vision (2019)

Genre: Metal / Alternative

Release: 15.11.2019

Label: Oblivion (SPV)

Spielzeit: 57 Minuten

Fazit:

Stahl, Arbeit, Muskelkraft, Schweiß, Maschinen, Industrie... Aber auch Strukturwandel, Arbeitslosigkeit, Entwurzelung, Fremdenfeindlichkeit und Zukunftsangst: Mächtiges Vokabular, dessen sich „Die Krupps“ seit jeher bedienen und das sie mit Inhalten füllen, an das sie Visionen binden, das sie zu soliden Fundamenten für Musik gießen für ihren ureigenen Sound, der sich in fast vier Jahrzehnten stetig wandelte und doch unverkennbar blieb. „Die Krupps“ sind wahre Pioniere, die nicht nur in mehreren Klangwelten zu Hause sind, sondern die Weichen für Ungehörtes stellten und maßgeblich für die Entwicklung neuer Genres verantwortlich waren und sind. In den ausklingenden 70er Jahren brachte Jürgen Engler mit seiner Band „Male“ den Punk nach Deutschland, in den 80ern und 90ern etablierten er und sein kongenialer Partner Ralf Dörper EBM und Electro-Metal. „Vision 2020 Vision“ ist das Konzentrat der wegweisenden Bandphase zwischen 1992 und 1997, die endgültige, vollkommene Verschmelzung zweier musikalischer Welten. Analog- Synthesizer klingen roh und kraftvoll, unterfüttern die heftigen Thrash-Riffs von Gitarrist Marcel Zürcher und machen den aktuellen „Die Krupps“-Sound so treibend und dynamisch wie nie. Knackige Strophen, griffige Hooklines, markante Breaks, marschierende Bässe, packende Refrains Dörper und Co-Autor Engler schrieben für „Vision 2020 Vision“ einige ihrer besten Songs überhaupt. Musik, Artwork und Texte sind untrennbar miteinander verbunden, befeuern und befruchten sich gegenseitig. Jürgen Englers Welt auf dem Cover ist grau und trist, doch die unmittelbar bevorstehende, die er durch seine Brille sieht, soll und muss Angst machen. Dabei bleiben „Die Krupps“ thematisch aktuell und relevant: „Extinction Time“ und „DestiNation Doomsday“ beschreiben unsere Welt am Abgrund, „Alllies“ und „Fuck You“ sind an Übersee adressiert, wo Egoismus, Abgrenzung und Rücksichtslosigkeit von oberster Stelle diktiert werden, „Human“ rechnet mit der kompletten Menschheit ab und im Titelsong heißt es: „Violence will soon explode, frustration reaches overload. Revolution is imminent, we re in the year of discontent!“. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass „Die Krupps“ in diesem Fall nicht Recht behalten werden. Das mittlerweile zwölfte Studioalbum „Vision 2020 Vision“ erscheint ab dem 15.11.2019 als digitaler Download, 2-CD-Version, Doppel-Vinyl und streng limitierte Fan-Box über SPV.

Was darf‘s denn heute sein: Alternative, EBM, Metal oder Post-Industrial? In nur wenigen Monaten feiert die für viele Künstler und Genres wegweisende Crossover-Legende aus Düsseldorf tatsächlich schon ihr vierzigjähriges Jubiläum. Eine wirklich lange Zeit, die es als Band erst einmal gemeinsam zu bestehen gilt, in der „Die Krupps“ so manches Mal fraglos wahre Pionierarbeit geleistet haben. Weit über die Szene-Grenzen hinaus bekannte Werke, wie beispielsweise die „Stahlwerksynfonie“, „II: The Final Option“ oder „IV: Paradise Now“ schrieben unvergleichliche Musikgeschichte und inspirierten viele junge Musiker. Hier trafen radikale Rhythmen, kompromisslose Stil-Überschneidungen und ungezähmter Freigeist auf harsche Gesellschafts- und Politkritik direkt am Puls der Zeit. Ralf Dörper und Jürgen Engler hatten sich ihrer Zeit eine eigene Nische geschaffen, die zur mutigen Bewegung einer ganzen Generation werden sollte. Für viele Fans ein echter Glücksfall also, als das Projekt nach einer längeren Pause vor rund vierzehn Jahren wieder reanimiert wurde. Seitdem sind im nostalgischen Geiste der Vergangenheit vor allem viele Remixe, Best-Of-Compilations und Live-Retrospektiven auf dem Markt erschienen, mit „The Machinists Of Joy“ und „V - Metal Machine Music“ bis jetzt jedoch nur zwei vollwertige Longplayer. „Vision 2020 Vision“ soll hier deutlich Abhilfe schaffen, doch wie wird es dieses Mal klingen? Nach harter Elektronik oder doch eher wütendem Industrial-Metal? Achtziger oder Neunziger? Die erfreuliche Antwort: Beides! Der eröffnende Titeltrack „Vision 2020 Vision“ und das folgende, martialisch stampfende „Welcome To The Blackout“ präsentieren sich ganz so, wie man es erwarten und sich wünschen würde: Aggressiv, angriffslustig, energiegeladen und raubeinig. Hier trifft metallische Härte auf tanzbar elektronischen Pfiff, ganz die alte Schule. „Die Krupps“ sind zurück und zelebrieren ihren althergebrachten Style mit angenehmer Frische und Bravour! Auch „Trigger Warning“, „Wolfen (Her Pack)“ und „Extinction Time“ bilden da keine Ausnahme, denn auch hier gibt es die bewährt kompromisslose Kost mit aufrüttelnder Message. Analoge Synthie-Sounds und thematisch passende Samples geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand und brutale Shouting-Einlagen wechseln immer wieder mit cleanen Passagen, während heftig groovender Rock und melodiöse Parts bis zum Ohrwurm-Refrain hin und herspringen. Wer sich bei „The Carpet Crawlers“ an den gleichnamigen Klassiker des progressiven Rock aus 1974 erinnert fühlt, liegt damit tatsächlich goldrichtig. Es ist kein Geheimnis, dass Peter Gabriel den krupps‘schen Sound einst als Einfluss angab und so zollt man der britischen Ikone „Genesis“ mit dieser Cover-Version ihren verdienten Tribut. Das grundlegend elektronisch arrangierte Ergebnis ist fast schon erschreckend arm an Biss und vor allem stimmlich dürftig, aber trotzdem eine emotional glaubwürdige Verbeugung, welche zeitgleich als Wendepunkt des Albums gesehen werden kann, der im Mittelteil noch mit so manch musikalischer Überraschung aufwarten wird. Auch das melodiös gesungene, harmlose „Fires“ schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe und trägt etwas verwirrend zum stilistischen Bruch bei, wenngleich der Mut zur Experimentierfreude und dem Verlassen der eigenen Komfortzone löblich ist. Das deutschsprachige „Obacht“ birgt mit seinen finsteren Sequenzer-Einsätzen dann eine dunklere Atmosphäre und geht wieder gut nach vorne, erinnert ironischerweise aber doch sehr an die Berliner NDH-Könige von „Rammstein“, deren Tun einst nämlich überhaupt erst durch Engler und Co. motiviert wurde. Mit „DestiNation Doomsday“, „Allies“ und „Fuck You“, die sich lyrisch allesamt Fake News, verschleierten Wahrheiten, politisch verblendeten Fehlentscheidungen und besorgniserregenden Denkweisen annehmen, gibt es dann nochmal drei rabiate Dampfhammer-Walzen nach Maß auf die Ohren, die ungeniert direkt an Übersee adressiert werden, um die Scheuklappen endgültig niederzureißen. „Active Shooter Situation“ könnte fast dem 1992 veröffentlichten „I“ entsprungen sein und begeistert mit minimalistischem Oldschool-EBM, sorgfältig mit kesselnden Beats und griffigen Riffs garniert, während „Human“ sich als finaler Weckruf gleich an die ganze Menschheit richtet. Selbst nach vierzig Jahren haben „Die Krupps“ noch immer viel zu sagen und scheuen sich auch nicht, ihre durchaus berechtigten Bedenken und Sorgen unmissverständlich kundzutun. Was wäre es zu diesem Anlass wohl passender, als eine neue Veröffentlichung? „Vision 2020 Vision“ ist so hörbar emotional, schonungslos ehrlich, mitreißend kraftvoll und zähnefletschend rockend, wie eh und je. Besonders erfreulich, dass Jürgen Engler und seine Manne mit ihrem einzigartigen Sound abermals zuverlässig viele Zitate aus der Vergangenheit heranziehen und jene selbstbewusst in die Gegenwart transferieren, ohne dabei zu berechenbar oder gar altbacken zu sein. Nein, die rheinländische Stahlwerk-Koryphäe hat es noch immer voll und ganz drauf, woran mit Sicherheit auch niemand jemals den geringsten Zweifeln gehabt haben dürfte, oder?

Informationen:

https://www.diekrupps.com/

https://www.facebook.com/diekruppsofficial/

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