Subway To Sally - „Eisheilige Nacht" - RuhrCongress, Bochum - 26.12.2018
Veranstaltungsort:
Stadt: Bochum, Deutschland Location: RuhrCongress
Kapazität: ca. 5.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Nein
Homepage: https://www.ruhrcongress-bochum.de
Einleitung:
Es ist Mittwoch, der 26.12.2018, zweiter Weihnachtsfeiertag. Während die meisten anderen Menschen zu dieser Uhrzeit jetzt wohl eher bei Glühwein, Gebäck oder einem festlichen Abendessen gemütlich beisammensitzen, zieht es mich in alter Tradition für mein letztes Konzert im bald schon endenden Jahr wieder hinaus vor die Tür. Denn wie bereits seit 2011 findet im RuhrCongress Bochum die „Eisheilige Nacht“ statt, von der ich stolz behaupten kann, noch keine einzige Ausgabe verpasst zu haben. Das von Gastgeber „Subway To Sally“ initiierte Event startete einst 2008 als eintägiges Indoor-Festival und hat sich seitdem zu einem großen Spektakel gemausert, das seitdem erfolgreich in jeweils verschiedenen Städten gastiert und demnach nun großes Jubiläum feiert. Wenn das mal kein Grund zum feiern ist? Wie ich während der angenehm kurzen Anfahrt feststelle, ist meine heutige Begleitung schon längst vor Ort angekommen und wartet auf dem Vorplatz, wo auch ich wenig später aussteige. Der Einlass hat bereits gegen 18.00 Uhr stattgefunden. Wir begrüßen uns und lassen anschließend die Taschen vom Personal kontrollieren, ehe wir zur Eingangstür gelangen. Die freundliche Dame am Schalter der Gästeliste, die sich sogar eine blinkende Lichterkette umgehängt hat, kann meinen Namen tatsächlich direkt und ohne Umschweife auf dem vor ihr liegenden Zettel finden. Das freut mich gerade deshalb so sehr, weil es mich eigentlich immer freut, wenn mal alles glatt läuft. Also lasse ich mir mein lila Bändchen geben und zeige es im Foyer vor, dann sind wir auch schon im Inneren. An dieser Stelle sei hier auch noch der super freundliche Mitarbeiter erwähnt, der uns zwischen den jeweiligen Bands extra den Rang in der ersten Etage aufgeschlossen hat, den wir später jedoch unversehens wieder verlassen mussten, da ein dort zufällig patrouillierender Security uns auf seinem Kontrollgang sah und dachte, dass wir uns unerlaubten Zutritt verschafft hätten... Trotzdem: Vielen lieben Dank dafür nochmals! Wie dem auch sei: Gerade eben angekommen, entscheiden wir uns aus Zeitgründen spontan gegen die Garderobe und eilen schnellen Schrittes in den Saal, in dem sich schon einige hundert Wartende zusammengefunden haben, um möglichst gute Plätze zu bekommen. Pünktlich um 19.00 Uhr verstummen alle Gespräche, als ein lautes Horn schließlich den nahenden Beginn verheißt und Eric Fish in der Rolle des Moderators die Bühne betritt. „Hallo Freunde! Ich wünsche euch ganz pragmatisch ein gesegnetes Fest und einen fröhlichen Abend hier im RuhrCongress. Es ist alles wie immer... Alle versammeln sich hier und keiner steht da hinten!“, lacht Fish über den seit jeher sonderlichen Fakt, dass die Gäste sich lieber vor den Türen tummeln, anstatt weiter zur linken Seite aufzurücken. „Wie dem auch sei, ich war heute auf einem little walk durch Bochum unterwegs und es war wirklich gespenstisch. Alles hatte zu, es waren keine Menschen unterwegs. Außer vielleicht ein paar Shisha-Bars und Trinkhallen, was gut war! So totenstill es auch in der Stadt war, hier geht’s heute Abend ab, oder? So soll es sein! Vorab noch ein paar Neuigkeiten, das Line-Up für das nächste Jahr steht schon. Wenn ihr wollt, an der gleichen Stelle und zum gleichen Datum.“. Zwar jubeln einige Fans, ansonsten scheint das Publikum zu weiten Teilen jedoch noch nicht richtig warm geworden. Ein Umstand, den es spätestens jetzt zu ändern gilt. „Wenn ich die Bands gleich verkünde, möchte ich aber mehr Begeisterung. Im nächsten Jahr zusammen mit „Vogelfrey“, „Knasterbart“, „Fiddler’s Green“ und natürlich „Subway To Sally“! Zweitens gibt es ein neues Magazin. Eine neue Ausgabe vom „Knochenschiff“, dem Fanzine unseres Fanclubs. Das ist dieses Jahr besonders inhaltsschwer, unter anderem mit einem Interview mit unserem Basser, den sonst keiner so recht wahrnimmt und der sich hier unter anderem als besonders tierlieb outet. Auf jeden Fall sehr interessant. Danke an die Jungs und Mädels des schwarzen Meeres! Ihr, die meine Ansagen gewöhnt seid, sollt wissen, dass es diese nicht mehr vor jeder Band gibt, sondern nur einmal jetzt am Anfang. Aus dem einfachen Grund, dass so jede Band einen Song mehr spielen kann. Das ist natürlich bedauerlich, dass ihr meine Reden nicht mehr ertragen dürft, aber zum eigentlichen Tag habe ich mir noch etwas aufgeschrieben...“, holt er einen kleinen Zettel aus seiner Tasche hervor und beginnt damit, ein eigens verfasstes Gedicht über die Konzertreihe vorzulesen, die sich 2018 zum nunmehr zehnten Mal jährt. Die charmante Geste zu jenem feierlichen Anlass findet offensichtlich Anklang und so bleibt Fish am Ende nichts mehr zu wünschen, außer: „Viel Spaß heute Abend, Freunde!“. Und den wird Bochum ganz gewiss haben, denn schon in wenigen Sekunden geht es endlich los...
Paddy And The Rats:
Um 19.05 Uhr geht es auch schon mit der ersten Band des noch arg jungen Abends los: „Paddy And The Rats“ aus Ungarn konnten sich zuletzt etwa als Support von „In Extremo“ auf deren sommerlicher Burgen-Tournee einem breiteren Publikum beweisen und sind mit ihren mittlerweile fünf Alben bei Napalm Records gesigned. Lautes Möwengekreisch und sanftes Meeresrauschen dringen jetzt in den Saal hinein und werden jäh von karibisch anmutendem Flair abgelöst. Zum eröffnenden „Where Red Paints The Ocean“ und dem anschließenden „The Captain‘s Dead“ versammeln sich nun Seamus Connelly, Bernie Bellamy, Sam McKenzie, Vince Murphy, Joe MacOnkay und Paddy O‘Reilly unter dem Totenschädel ihres Backdrops und geben von Anfang an ordentlich Vollgas. Gerade in manchen Momenten des eher spärlich ausgeleuchteten „Pilgrim On The Road“ oder dem anfangs ruhigen „Ghost From The Barrow“, zu dem manche Arme in der Luft geschwenkt werden, erinnert die stimmige Mischung aus Folk, Punk und Rock nicht selten etwa an die stilistischen Kollegen von „Fiddler’s Green“. „Dankeschön, Bochum. Ihr seid großartig! Ich hab’s versucht, das ist mein bestes Deutsch.“, lächelt O‘Reilly etwas unsicher und fährt zur besseren Verständigung anschließend wieder in der englischen Sprache fort. „Danke auch an „Subway To Sally“, dass sie uns auf Tour mitgenommen haben. So viele nette Menschen in Deutschland... Und natürlich auch Dankeschön an euch, dass ihr rausgekommen und mit uns hier seid!“, freut er sich strahlend. Aber natürlich soll es neben warmen Worten jetzt wieder Musik geben und davon nicht zu wenig: „One Last Ale“, „Castaway“ und „Join The Riot“ fügen sich perfekt in den Sound ein und auch das percussionlastige „Freedom“ macht wirklich Laune. „Dankeschön, das ist der letzte Song!“, verkündet der Sänger und erwählt einen jungen Mann im Publikum zum Kapitän, um den sich nun zu „Time Is In My Hands“ eine beachtliche Wall of Death aufbaut. Danach verabschiedet sich der Sechser glücklich und lässt eine gut aufgetaute Meute zurück, die jetzt sichtlich mehr Lust auf das Kommende verspürt.
Russkaja:
Die Uhr zeigt 20.00 Uhr und das bedeutet Stage-Time für eine ganz besondere Band, die nach ihrem eisheiligen Gastspiel in 2012 bereits zum zweiten Mal dabei ist und seitdem sowohl in den eingefleischten Reihen des Metal- als auch Sally-Publikums zahlreiche Fans gewonnen hat. Die Rede ist von den 2005 in Wien gegründeten „Russkaja“, die in Kürze mit ihrem energiegeladenen Crossover aus Weltmusik, Ska, Polka und Rock mächtig Bewegung unter die Leute bringen sollen. Nichts leichter als das, für die verrückte Gruppe, die gleich fünf Studioalben und somit viel Material für eine wilde Party im Gepäck haben. Darunter selbstverständlich auch ihr neuestes Werk „Kosmopoliturbo“, welches es im Folgenden aktiv zu promoten gilt. Unter stark drückenden Electro-Beats begeben sich Drummer Mario Stübler, die beiden Blechbläser Hans-Georg „H-G“ und Rainer Gutternigg, Geigerin Ulrike Müllner, Bassist Dimitrij Miller und Gitarrist Engel Mayr an die Startlinie, um sogleich mit einem schwungvollen Instrumental einzusteigen, ehe auch Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria zur „Love Revolution“ breit grinsend ins Rampenlicht stapft. „Auf der Bühne für euch, „Russkaja“! Wir bringen euch Turbo-Polka für eure Gesundheit. Danke für die zweite Einladung auf die „Eisheilige Nacht“ und an euch, dass ihr jedes Jahr dabei seid!“, begrüßt der sympathische Hüne das Bochumer Publikum, das schon jetzt kaum mehr an sich halten kann. Da darf es zu „Hey Road“ dann auch gleich mal ein schwungvoller Tango mit dem Mikrofonstativ sein, ehe etwas mehr Aktion von den Gästen gefordert wird. So nimmt der Frontmann bei „Change“ auf einem klobigen Reisekoffer Platz und bittet darum, dass alle einen „krummen Kopf“ machen und gemeinsam im Takt nicken. Ein wirklich lustiges Bild, das wohl nur noch vom anschließenden Pit beim rasanten „Traktor“ überboten werden kann. Auch weitere Klassiker, wie beispielsweise „Druschba (You‘re Not Alone)“, der ansteckende „Hometown Polka“ und das zeitgenössisch konstatierende „No One Is Illegal“ dürfen keinesfalls fehlen und befeuern die sich immerzu aufheizende Atmosphäre. Wenig verwunderlich, sind die sieben gut gelaunten Österreicher mit ihrem Tun doch die geborene Live-Band schlechthin und seit jeher ein echter Garant für schweißtreibende Shows, dem man einfach nur zu gern dabei zusieht. Gegen Ende des leider viel zu kurzen Sets gibt es dann eine richtige Überraschung, als plötzlich das ungemein gelungene „Avicii“-Cover zu dessen absolutem Mega-Hit „Wake Me Up“ erklingt. Heavy Rotation auf „Russkaja“-Art - Wer kann dazu bitte schon „Nein“ sagen? Heute Abend zumindest wohl niemand, denn Bochum feiert die spaßige Combo so richtig ab. Zwei richtige Kracher haben sich Makazaria und seine Truppe jedoch für den Schluss aufgehoben: „Barada“ und „Energia“ lassen die Wände nochmals heftig wackeln, bevor man sich vor einem durchweg zufriedenen, laut grölenden Saal verabschiedet. Und so bleibt dem ein oder anderen Fan am nächsten Tag wohl nur zu sagen: „I changed my Vodka for the Whisky, that‘s why I got this voice!“.
Versengold:
Etwa um 21.10 Uhr steht der finale Support-Act auf dem Programm, der von nicht gerade wenigen Besuchern bereits seit dem Einlass sehnlichst erwartet wird. Kein Wunder: Die 2003 bei Bremen gegründeten „Versengold“ vermochten es nämlich schon zu ihren jüngsten Anfangstagen, unter anderem die zahlreichen Besucher des MPS oder anderer Festivals in zuverlässiger Regelmäßigkeit mitzureißen. Dabei sollte die jederzeit spürbar aufrichtige Dankbarkeit und enorme Spielfreude ihren Fans gegenüber dem lang anhaltenden Erfolg verdient zuträglich sein, denn spätestens seit Alben wie „Zeitlos“ oder „Funkenflug“ können die sympathischen Sechs eine stets steigende Beliebtheit bei einem immer weiter wachsenden Publikum verzeichnen, das sich mittlerweile auch über das eigene Genre hinaus erstreckt. So hat man die kleinen Clubs nunmehr weitestgehend hinter sich gelassen, kann dafür oftmals ausverkaufte Shows und gar hohe Platzierungen in den Charts vorweisen. Auch im Rahmen der eisheiligen Nächte ist die von Grund auf geerdete Formation längst kein unbeschriebenes Blatt mehr und wärmte die Menge bereits 2015 auf. Demnach ist der Empfang auch hier im Ruhrgebiet äußerst herzlich, als Sean Lang, Eike Otten, Alexander Willms, Florian Janoske, Daniel Gregory und Malte "Snorre Snoerkelfrey" Hoyer zum mitreißenden Opener „Niemals Sang- Und Klanglos“ unter lautem Donnergrollen die Bretter stürmen. „Frohe Weihnachten, Bochum! Habt ihr Bock, ein bisschen zu feiern?“, ruft Hoyer in den Saal hinein. Natürlich haben die Zuschauer den und lassen es die Nordlichter lautstark wissen. „Herzlich Willkommen. Ich hoffe, ihr hattet schöne Feiertage? Mir persönlich hat der Weihnachtsmann ja leider eine Erkältung unter den Baum gelegt... Aber keine Sorge, bis auf die üblichen Texthänger habt ihr nichts zu befürchten!“, scherzt er lächelnd und gibt einen kurzen Ausblick auf den Abend. „Wir werden für euch heute ein kleines Potpourri aus alten und natürlich auch ein paar neuen Sachen spielen, okay? Der nächste Song beschreibt die alten Zeiten übrigens sehr gut. Also nehmt alle mal die Hände aus den Taschen!“, wünscht sich der Sänger, bevor es dann erstmal „Spaß Bei Saite“ heißt. „Wer uns kennt, weiß, dass wir irische Musik und vor allem irisches Bier lieben. Den Titel, den wir geschrieben haben, um die Pubs, die sich über die ganze Welt verstreut haben, angemessen zu würdigen, kriegt ihr jetzt auf die Ohren.“, lautet danach die Ankündigung zur charmanten Verbeugung „Verliebt In Eine Insel“, dem sich das rein instrumentale „Luna’s Reel“ anschließt, bei dem sich Janoske weiterhin musizierend auf Händen durchs Publikum tragen lässt.
Ein großer Spaß! Folglich öffnen sich nun Tür und Tor für „Samhain“, ehe es eine erste, kleine Überraschung gibt. „Wir haben eine lange Zeit des Jahres in den Studios verbracht, um unser neues Album für euch aufzunehmen. Wann genau es soweit ist, erfahrt ihr dann natürlich über Social Media. Wir haben dieses Mal wirklich sehr viele Lieder gemacht und uns gedacht, dass wir vielleicht schon mal ein paar davon auf die Bühne bringen sollten. Das nächste Stück ist dabei ein bisschen älter, das haben wir im September in Köln zum ersten Mal gespielt. Zwei Weitere sind brandneu. Und zwar geht es hier um die Schöpfungsgeschichte der Welt, wie wir sie uns vorgestellt haben.“. Und wie genau dieser Prozess ausgesehen haben soll, beschreibt jetzt „Der Tag An Dem Die Götter Sich Betranken“ auf gewohnt humoristische Weise. Der sich anschließende Applaus zeigt, dass die Band hier wohl alles richtig gemacht hat. „Kommen wir zum nächsten neuen Song. Wir widmen uns auf unseren Alben ja immer verschiedenen Themen. Dieses Mal ist es unsere Heimatregion... Fünf von uns sind im Teufelsmoor auf verschiedenen Landstrichen aufgewachsen, bis uns das Schicksal zusammengeführt hat. Um das Moor ranken sich so einige Sagen und Legenden, also haben wir ein paar Texte dazu gemacht und dieses Stück ist jetzt auch etwas düsterer!“, bittet Hoyer nun zum „Teufelstanz“, der erst noch ganz sanft beginnt und plötzlich umso effektiver seine gesamte Power entfaltet. „In Verbindung mit unserer letzten Single haben wir ein Video gedreht, übrigens auch im Moor. Da schließt sich dann einer der Kreise wieder. Zum anderen hatten wir in den rund fünfzehn Jahren Geschichte eine dermaßen hohe Resonanz, die wir so bisher auch noch nicht kennengelernt haben. All eure Nachrichten zu diesem Lied haben uns wirklich sehr berührt. Das ist schön für uns, deshalb machen wir ja auch Musik und deswegen heute Abend auch in Bochum.“, gibt Hoyer einen tieferen Einblick zur ergreifenden Ballade „Haut Mir Kein‘ Stein“, die ebenso viel Anklang bei den Gästen findet, wie der „Feuergeist“. „Das ist ja auch mal eine Premiere... Prosit, Bochum!“, nippt der Sänger an seinem Tee, der ihm just vom Backliner gebracht wird. Frisch gestärkt, geht es somit zum beliebten Frage-Antwort-Spiel „Wem? Uns!“ über, das Bochum einmal mehr perfekt beherrscht. Immerhin gibt es dafür auch genügend Anreiz, denn je lauter das Publikum der Band zuruft, desto mehr ist Janoske dazu angehalten, in den instrumentalen Zwischenpassagen ein Tänzchen hinzulegen. Das motiviert die belustigten Fans natürlich! „Kommen wir nun zu einem weiteren, neuen Song. Wie schön gesagt, wir haben viel mehr geschrieben, als je zuvor. Unter anderem auch über ein besorgniserregendes Thema in dieser Welt. Wir wollen sicher keinem erzählen, was er zu denken oder zu glauben hat, aber gerne ein Statement dazu abgeben, wie wir das so sehen.“. Eine sehr gute Entscheidung, denn „Wir Tanzen Nicht Nach Braunen Pfeifen“ wohnt eine Aussage inne, der man dieser Tage wohl nicht oft genug eine Plattform bieten kann. Und wenn nicht auf den Bühnen dieser Welt, wo dann? Zu „Hoch Die Krüge“ wird es dann aber wieder um einiges gelöster und die zahlreichen Becher, ob imaginär oder tatsächlich vorhanden, dürfen nun wieder eifrig in die Höhe gereckt werden. Jene passen auch zum Closer bestens, bei welchem mit dem Nebenmann nochmals geschunkelt wird, um in Form eines wogenden Meeres maritimes Flair zu erzeugen: „Ich Und Ein Fass Voller Wein“. „Das war „Versengold“ auf der „Eisheiligen Nacht“ 2018! Lasst doch die Hände für ein kleines Erinnerungsbild oben, ja?“, fragt Hoyer die Fans, die dieser Bitte natürlich nur allzu gerne nachkommen. Mit einem spaßigen A-Capella-Ständchen zum Schluss, endet das kurzweilige Set schließlich nach rund einer Stunde vor einem freudig applaudierenden Publikum.
Subway To Sally:
Gegen 22.30 Uhr gehen die Lichter im RuhrCongress zum letzten Mal an diesem Abend aus und somit ist es an der Zeit für den mit Spannung erwarteten Gastgeber, der das etablierte Indoor-Festival wie gewohnt zum nunmehr zehnten Mal beschließen wird. Auf einen Schlag verstummen jetzt alle Gespräche und letzte Nachzügler suchen sich hektisch ihren Weg aus dem Foyer ins Innere, während der große Saal zunehmend in tiefer Dunkelheit versinkt. Plötzlich schraubt sich ein dröhnendes Vibrieren aus dem Nichts heraus, steigt immer weiter an, bohrt sich erbarmungslos in die Magengrube und lässt den Boden zunehmend bedrohlich erzittern, bis ein markerschütternder Schrei die Finsternis endgültig zerreißt. Zu majestätisch-folkigen Klängen klart sich die gesamte Szenerie etwas mehr auf, als gleißend helle, gebündelte Lichtkegel ihre weiten Bahnen durch den Innenraum ziehen. Unter schallendem Applaus betreten nun Schlagzeuger Simon „Michael“ Schmitt, Bassist Silvio "Sugar Ray" Runge, Geigerin Almut „Ally“ Storch und Saitenvirtuose Ingo Hampf in den neuen Outfits zum kommenden Studioalbum „Hey!“ zusammen die Bühne. Unterdessen nehmen Leierspieler Michael "Bodenski" Boden, der die folgenden neunzig Minuten gesundheitsbedingt auf einem Hocker sitzend zubringen muss, sowie Gitarrist Simon Levko ihre angestammten Positionen am vorderen Rand ein. Zu guter Letzt beschreitet auch Frontmann und Sänger Eric Fish mit einer Verbeugung die Bretter, anstelle des Bandana mit schwarzer Kriegsbemalung im Gesicht und einer Kapuze aus dünnen Leinen über dem Haupt, unter welcher er seine Haare zu einem kurzen Zopf zusammengebunden trägt. Generell mutet das stilistische Erscheinungsbild der Band wie eine düstere Version des Endzeit-Klassikers „Mad Max“ an, kommt angenehm frisch daher und lässt das neue Material mit freudiger Neugierde erwarten. Auch ansonsten hat sich eine Menge getan: Anstelle des obligatorischen Backdrops mit dem Logo darauf, säumen nun vier hohe Säulen mit je fünf längliche LED-Bildschirmen den Hintergrund, dazwischen wurden zahlreiche Scheinwerfer montiert. Mit der aktuellen Single „Königin Der Käfer“ als überraschender Opener, gelingt der düstere Einstieg ins eisheilige Set. Die allgemeine Ausleuchtung bleibt dabei zunächst noch arg reduziert, wodurch die einzelnen Musiker lediglich als schemenhafte Silhouetten wahrzunehmen sind, was der unheilvollen Atmosphäre des horroresken Schauermärchens allerdings besonders zuträglich ist. Erst im eingängigen Refrain, den schon so einige Fans äußerst textsicher mitsingen können, erhält das Publikum komplette Einsicht auf das Geschehen. Nach dem live bereits etablierten Titeltrack des letzten Werks „MitGift“, der hier visuell von blutroten DNA-Strängen auf den Screens unterstützt wird, wendet sich Fish mit einigen Worten zur Begrüßung an die jubelnden Gäste. „Hallo Freunde und vielen Dank für den herzlichen Empfang in Bochum! Ein kleiner Hinweis vorab, dieser Mann hier hat sich den Fuß gebrochen... Im Proberaum, wo auch sonst?“, deutet er mit einer kleinen Geste auf Boden. „Gibt’s vielleicht ein paar Mitleidsbekundungen? Das heilt, das hilft!“, lacht der Fronter spaßend und greift den Faden sogleich wieder auf. „Wäre der nächste Song auf Spanisch, würde er „Tierra del Fuego“ heißen.“, lautet die zugegeben leicht irritierende Ansage zum folgenden „Feuerland“, welches seinem Namen alle Ehre macht und die Stimmung weiterhin zuverlässig anheizt. Schnell tanzen und singen die Besucher zu den metallischen Riffs des beliebten Up-Tempos von „Nord Nord Ost“, der mittlerweile zurecht seinen festen Platz bei dieser Konzertreihe gefunden hat. Schöner könnte man die vor den Eingangstoren tobende Kälte auch wohl kaum vertreiben. „Lasst die Hände oben und wenn sie noch nicht oben sind, nehmt sie jetzt hoch!“, fordert der Sänger verschwörerisch zur baldigen Ankunft der berüchtigten „Henkersbraut“, die jetzt gerade in den vorderen Reihen mit rhythmischen Sprüngen kräftig begleitet wird. So war es immer, so soll es sein!
„Manchmal haben Musiker so eine Phase, in der sie sich auf YouTube oder Spotify so durchhören und nur denken, „Mensch, warum ist mir das nicht eingefallen!?“. Es ist nicht gerade zu empfehlen, sich diese Haltung anzueignen... Aber heute Abend ist es vielleicht genau umgekehrt, denn es kommen bestimmt noch ein paar Titel, bei denen manch ein Musiker dasteht und sich denkt, „Mensch, warum ist mir das nicht eingefallen!?“, oder?“, lächelt Fish verschmitzt. Und tatsächlich: Echte Klassiker, wie etwa das unerschütterliche „Kleid Aus Rosen“, bei dem der Sänger ein kleines Mädchen aus dem Publikum auf die Bühne holt, oder die emotionale Szene-Hymne „Eisblumen“, dürften fraglos ihre unverkennbaren Spuren in der Musiklandschaft hinterlassen haben. „Und jetzt ihr alleine. Singt den Refrain doch noch einmal für uns, ja?“, erbittet der Frontmann die Teilnahme vom Publikum, das sich da natürlich nicht lange bitten lässt. „Wunderschön, Danke! Jetzt ist eine gute Gelegenheit, euch für ein paar Minuten mit dieser Frau hier alleine zu lassen. Es ist ein großes Glück für uns, dass sie dabei ist... Die Rede ist natürlich von Ally!“, überlässt Fish der begnadeten Violinistin, welche vor rund zwei Jahren die Nachfolge von Silke „Frau Schmitt“ Meyer angetreten ist, das Scheinwerferlicht, in dem sie folglich ihr Können mit einem ausgedehnten Solo unter Beweis stellt, das schließlich in der blutrünstigen Mördergeschichte „Für Immer“ mündet. Danach ist es zwischen all den winterlichen Festivitäten der letzten Tage jedoch auch an der Zeit, einige kritische Töne zu üben, die schon immer fest zum bisherigen Schaffen der Potsdamer Institution gehörten und wohl auch einen erheblichen Teil des kommenden Albums ausmachen werden. „Der nächste Song hat in all der Zeit nichts von seiner Aktualität verloren... Leider, muss man sagen. Ich habe die letzten Jahre immer wieder versucht, eine passende Ansage dafür zu finden. Es sei vorab nur so viel gesagt, dass es hier nicht um das „Hallelujah“, sondern viel mehr um das „Genug ist genug“ geht. Lasst euch hören!“. Selbstverständlich haben so ziemlich alle Fans den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und verleihen ihrem kollektiven Unmut zu „Falscher Heiland“ stimmgewaltig Ausdruck. „Und weil es in der Vergangenheit immer wieder gefragt wurde, es ist ein Anti-Kriegslied!“, stellt Fish abschließend nochmals klar und bittet sodann zum feurigen „Tanz Auf Dem Vulkan“, der, wie auch schon im vergangenen Jahr und darüber hinaus die komplette, heutige Show, leider ganz und gar ohne die stimmungsvolle Pyrotechnik auskommen muss. Sehr schade, verliehen die spektakulären Effekte den einzelnen Songs doch eine ganz eigene Dynamik und besonders starke Intensität. Der allgemeinen Stimmung im Saal tut dieser Umstand aber natürlich keinen Abbruch. Gut so!
„Es ist völlig egal, in welchem Backstage man sich auf der Welt befindet. Ob Frankreich, Russland, Spanien oder Deutschland... Überall sieht man mittlerweile so Schilder, auf denen geschrieben steht, „Beware of Circle Pits!“. Auch wenn es euch jetzt danach verlangt, macht es nicht. Auf keinen Fall!“, warnt der Mastermind vor dem beliebten Up-Tempo „Besser Du Rennst“ und bricht so mit einer lang gehegten Publikumsinteraktion. Da hier niemand so recht zu wissen scheint, wie ernst die Ansage denn tatsächlich gemeint war, übt man sich in Vorsicht und wider Erwarten bilden sich tatsächlich weder Pogo oder Pit. Zugegeben, ein etwas ungewohntes Bild. Dafür wird allerdings bei „Sieben“ ein anderes Ritual beibehalten und jetzt umso mehr zelebriert, als der komplette RuhrCongress eifrig mitzählt. „Das folgende Lied ist auch neu und von unserer kommenden Platte „Hey!“, die im März erscheint. Es ist wieder ein multilinguales Stück, das Simon für euch singen wird, da er der Einzige von uns ist, der das große Latinum hat!“, kündigt Fish den „Imperator Rex Graecorum“ an, der anfangs noch von schwer donnernder Percussion getragen wird, im Refrain mit ohrwurmiger Power punktet und damit sofort ins Ohr geht. Im finalen Part kommt dann zusätzlich noch jene Passage zum Tragen, für welche kürzlich die Mitmach-Aktion zum größten Chor gestartet wurde. „Kommt schon, ihr seid Zehntausende... So muss es zumindest klingen!“, lacht der Sänger und animiert zum gemeinsamen „Nanana“, was immer besser funktioniert. „Was für ein Gefühl, ein neues Lied so ganz am Ende des Programms zu spielen. Das ist euer Ohrwurm für den restlichen Abend, für morgen und für das ganze nächste Jahr, okay? Wie gesagt, im März erscheint das neue Album, aber jetzt kommen wir zum Grande Finale. Es ist mittlerweile zu einer Tradition geworden, dass wir den nächsten Song zusammen mit Freunden immer am Ende spielen. Begrüßt mit mir den Paddy!“, bittet er Fronter der ersten Support-Band auf die Bretter... Doch der erscheint selbst nach mehreren Sekunden des Wartens einfach nicht. „Naja, das kann schon mal passieren. Guckt euch das Video-Interview von heute an, dann wisst ihr Bescheid. Hier sind „Russkaja“ und „Versengold“. Seid ihr am Start? Dann schenkt uns einen Schrei!“. Gesagt, getan. Bochum gibt jetzt nochmal alles, brüllt sich zu Beginn des berühmten „Veitstanz“ die Seele aus dem Leib und gibt sich zuweilen äußerst agil ganz der Musik hin. Wie es seit 2014 erstmalig eingeführt wurde, kommt es nun zum spaßigen Gipfeltreffen aller Formationen des Abends und so feiert man den großen Abschluss der zehnten, eisheiligen Nacht mit ganz viel ersichtlicher Spielfreude, Kollegen und Freunden, ehe sich alle Beteiligten unter tosendem Jubel breit lächelnd verabschieden. Doch wer „Subway To Sally“ gut genug kennt, weiß genau, dass ihre Konzerte niemals ohne einen ganz bestimmten und stets lautstark eingeforderten Song enden. „Blut, Blut, Räuber saufen Blut. Raub und Mord und Überfall sind gut!“, schallt es jetzt immer wieder voller Innbrunst durch den breiten Saal, aber anstelle der markanten Dudelsack-Melodie tönen Meeresrauschen und eine klagende Frauenstimme durch die Halle, während die Bühne in blauen Farben erstrahlt: Zu „Grausame Schwester“ kehren die sieben Mitglieder zurück und reaktivieren nochmals alle verfügbaren Reserven, bevor es dann soweit ist: „Da gibt es so ein lokales Volkslied, das beginnt mit „Blut“... Kennt ihr das?“, witzelt der Gitarrist und erprobt zuvor die Stimmgewalt aller Anwesenden, bevor „Julia Und Die Räuber“ samt schwarzer Weihnachtsmützen, blinkender Sonnenbrille und allerhand anderer, lustiger Verkleidungen den endgültigen Schlusspunkt für die nunmehr zehnte Ausgabe „Eisheilige Nacht“ setzt. Bestens gelaunt verlassen die rund zweitausend Fans das Innere und begeben sich ins Foyer, um noch das ein oder andere Autogramm am Merch zu ergattern oder sich, wie wir auch, langsam auf den Nachhauseweg zu machen. Kein Grund zur Traurigkeit, denn bereits im kommenden Jahr geht es auch schon wieder weiter. Ob ab Ende März auf großer „Hey!“-Tournee oder erneut am 26.12.2019 im RuhrCongress Bochum mit „Vogelfrey“, „Knasterbart“ und „Fiddler’s Green“. Auf ein baldiges Wiedersehen!
Setlist:
01. Intro
02. Königin Der Käfer
03. MitGift
04. Feuerland
05. Henkersbraut
06. Kleid Aus Rosen
07. Eisblumen
08. Für Immer
09. Falscher Heiland
10. Tanz Auf Dem Vulkan
11. Besser Du Rennst
12. Sieben
13. Imperator Rex Graecorum
14. Veitstanz
15. Grausame Schwester
16. Julia Und Die Räuber
Impressionen:
Jobst Meese - Jodocus Obscurus Photography
http://www.jobstmeese.de
https://www.facebook.com/Jodocus.Obscurus/