Peter Heppner - Confessions & Doubts / TanzZwang (2018)
Genre: Electro / Pop / Alternative
Release: 28.09.2018
Label: RCA Deutschland (Sony Music)
Spielzeit: 79 Minuten
Pressetext:
Gleich zwei neue Alben von Peter Heppner werfen unweigerlich die Frage auf, ob der Mann mit der charakteristischen Stimme und der nachdenklichen Songwriter-Handschrift größenwahnsinnig geworden ist. Macht man doch heute nicht mehr, richtig viel Musik auf die ewig gehetzte Menschheit loslassen! Normalerweise. Aber um die Norm hat der Künstler aus Hamburg seit jeher einen weiten kreativen Bogen gemacht, der weitreichendes Interesse an seiner Musik nach sich zog. Die Antwort auf die Frage ist entsprechend ein klares Nein. Heppner frönt mit seinem neuen Pop-Album „Confessions & Doubts“ und dem neuen Dance-Album „Tanzzwang“ keinem übersteigerten Geltungsdrang. Vielmehr sammelte sich in den sechs Jahren seit seinem letzten Soloalbum ein potentes Song-Material-Füllhorn an, das Heppner in seiner vielfältigen Essenz zeigt. Entsprechend ist es ein schönes Glück, dass der Mann, der sich in seinem kreativen Ausdruck ungerne festlegen lässt, diese Essenz mit seinen beiden neuen Alben so konsequent offenbart wie noch nie.
Am Anfang von „Confessions & Doubts“ und „Tanzzwang“ standen zwanzig Songs, die Heppner überwiegend mit Dirk Riegner geschrieben hatte. Die eine Hälfte wies romantisch-melancholisch Richtung Pop. Die andere Hälfte hielt die Körper ihrer beiden Autoren tänzelnd in Bewegung. Wann immer Heppner das Gefühl hatte, dass ein Lied tanzbar sein sollte, rief er Riegner den Begriff „Tanzzwang!“ zu. „Er sollte uns beide, die wir wirklich keine Tänzer sind, dazu zwingen, tanzen zu wollen“, lacht er. Die Glanzpunkte des Albums sind nicht nur die Pulse, die bisweilen sogar im HipHop verortet werden können. Auch die eigentlichen Produktionsarbeiten unterstreichen den Ausnahmestatus von „Tanzzwang“ in Heppners Karriere. Jedes der zehn Lieder wurde jeweils vertrauensvoll in die Hände eines anderen Produzenten gelegt. Die einzige Vorgabe, die es von Heppner gab, war, das jeweilige Stück gemäß dem Plattentitel zu gestalten. Davon abgesehen galt das Freiheitsprinzip. Auch der Überraschung wegen. Das Resultat ist eine Art äußerst spannender Dance-Sampler, der zwischen den Ideen der Produzenten (u.a. Apoptygma Berzerk, PixTom, Schiller), Heppners Songwriting und seiner Stimme, die als roter Faden dient, korrespondiert.
„Confessions & Doubts“ ist klassischer Heppner: Romantisch in den Melodieführungen, tief in den Beats und kathartisch im Gesang. Den Heute-Sound des Albums designte Heppner gemeinsam mit Alex Lys, von dessen Tonregisseur-Sensibilitäten er schwärmt. Die sind in Form von Zwischentönen, die klar den klanglichen Reiz der Platte ausmachen, allgegenwärtig in den 10 Songs des Albums. Deren Verankerung in der Elektronischen Musik ruft immer wieder Nachhall auf: Kraftwerk, Jean-Michel Jarre, Moog- und Prophet-Synths, die ganzen großartigen Signet-Sounds der 70er-Jahre tragen in Lys'/Heppners Klangkunst neuartige DNA in sich. Die Haltung der Platte wiederum huldigt der Szene des London der frühen 80er-Jahre. Sie hätte auch „off Portobello Road“ entstanden sein können. Oder unter der Ägide von 4AD und den vielen anderen wegweisenden Indie-Labels dieser Zeit, die heutige britische Pop-Nationalheiligtümer wie The Cure und New Order hervorbrachte. Es ist die demokratische Sichtweise auf Musikproduktionsmittel, die „Confessions & Doubts“, zeitgemäß klingend, einen Bogen zwischen Early 80's und 2018 spannen lässt. Damals wie heute brauchte es keinen teuren Technik-Schnickschnack, sondern Ideen und Visionen, um echte musikalische Alternativen für die Ewigkeit kreieren zu können. Und weit verzweigte künstlerische Koordinaten.
Für Leute, die heute 25 Jahre alt sind, gab es nie eine Zeit ohne Peter Heppner. Immer in Bewegung geblieben, nie auf der Stelle getreten, hat der 50-Jährige in mehr als drei Jahrzehnten als vielfältige Musikproduktivkraft nicht den Hauch Staub angesetzt. Vielleicht, weil er ein neugieriger Mann geblieben ist. Fragt man zehn Menschen, wer Peter Heppner ist, erntet man auch zehn verschiedene Antworten: Sänger, Produzent, Komponist, Hörspielsprecher, Maler, die Stimme einiger Hits des Elektronik-Projekts Schiller, viel gespielte Duo-Hälfte von Wolfsheim und Witt/Heppner. Erkundigt man sich bei ihm direkt danach, wer er seinem Selbstverständnis nach ist, erntet man ein Lachen: „Ich gab mir viel Mühe, mich als Künstler nicht festlegen zu müssen“, sagt er. „Ich habe mich ja nicht mal an eine Sprache gebunden, singe entgegen aller Widerstände auf Deutsch und auf Englisch, worauf ich auch ein bisschen stolz bin. Wenn man aufrichtige und authentische Kunstwerke schafft, sagen die auch immer etwas über den Künstler aus. Sie sind wie Geständnisse. Man kann viel über mich und meinen Charakter erfahren, wenn man sich mit meiner Musik beschäftigt. Zweifel sind auch zentrale Dinge, wenn man Kunst macht. Ich finde, dass der Albumtitel ‚Confessions & Doubts‘ mich als Künstler an diesem Punkt der Momentaufnahme gut beschreibt.“
Dass Popmusik nicht nur für Menschen aufgenommen wird, deren Hormone Zirkus spielen, ist Peter Heppner schon lange ein Anliegen. „Die Flut“, „Wir sind Wir“ oder „Kein zurück“ hätte er erst gar nicht angefasst, wenn er sich als Liedermacher nicht des Bewusstseins bemächtigen könnte, außerhalb der Larifari-Lyrics-Fabrik zu schreiben. „Ich habe keine Angst vor schwierigen Themen, ich habe keine Angst vor erwachsenen Titeln“, unterstreicht er und verweist auf „Was bleibt“, die erste Single-Auskopplung von „Confessions & Doubts“. Ähnlich wie im Hit „Die Flut“, nehmen Heppner und Witt auch in der neuen Duo-Einspielung „Was bleibt“ im Gesang gegenseitige Charaktere ein. Vergänglichkeit ist hier das Thema. Reizvoll gegensätzlich spielt Vieles bei Heppner 2018. Nicht zuletzt sowohl die „normale“ LP „Confessions & Doubts“ wie auch die Dance-Platte „Tanzzwang“ selbst. Von der dunklen Seite der großen Macht ist „Unloveable“ geprägt, während die Musik den inhaltlichen Moll-Tönen etwas Hoffnungsvolles entgegensetzt. Der Selbstverlorene in „Gib mir doch 'n Grund“ findet im Refrain, der mit Reggae flirtet, möglicherweise tatsächlich einen Grund dafür, die Grubenlampe dauerhaft außer Betrieb setzen zu können.
„Nebel“ von der Tanz-Platte hebt die Dunkelheit der Vertonung eines Herman-Hesse-Textes mit warmen Sounds auf. Das atemstockende „Theresienstadt hinter der Mauer“ wurde vom Musikdrama „Die Kinder der toten Stadt“ inspiriert, für das Heppner die Schirmherrschaft übernommen hat - wohlwissend, dass die Zeitzeugen des damaligen Wahnsinns zunehmend wegsterben. „...und ich tanz'“ ist die selbstermächtigte Hymne einer Person, die der Funktionalität der Gegenwart ein Gefühl entgegensetzt. Getrennt hat Heppner die Songs beider Platten „nach Gefühl“, wie er erzählt. Genauso soll schließlich auch entweder zu „Confessions & Doubts“ oder zu „Tanzzwang“ gegriffen werden - nach Gefühl. Gut, dass Peter Heppner kein Doppelalbum aus der Materialfülle kompiliert hat. Die beiden separaten Alben stammen zwar im Ursprung aus dem gleichen Haus, funktionieren aber vor allem als Gegenpole zueinander bestens. Wie alles im Leben. In der Kunst, in der Liebe, in „Confessions & Doubts“ und „Tanzzwang“.
Kritik:
"Wo es auch hingeht, frag' dich nicht was bleibt
Was auch geschehen mag, sei dafür bereit
Das Ende der Angst und all' deiner Sorgen, hast du jetzt erreicht
Was bleibt?"
Dieser Mann hat wohl eine der markantesten Stimmen in der nationalen Musikbranche: Peter Heppner. Der in Hamburg-Wilhelmsburg geborene Songwriter und Produzent fühlte sich schon früh mit der Musik verbunden, sang als Kind beispielsweise im Kirchenchor. Bereits zu Schulzeiten lernte er Markus Reinhardt, mit dem er 1987 das Duo „Wolfsheim“ ins Leben rief, im gemeinsamen Kunstkurs kennen. Von dort an war seine Karriere nicht mehr aufzuhalten, das einstige Hobby wurde mit dem Unterzeichnen eines Plattenvertrages für Heppner, der eigentlich bildender Künstler oder Schriftsteller werden wollte, plötzlich zum Beruf. Offenkundig war es im Nachhinein genau die richtige Entscheidung, sollte durch die ersten beiden Alben „No Happy View“ und „Popkiller“ doch ein schneller Durchbruch in der Szene und sogar auf dem breiten Massenmarkt definiert werden. So konnte sich etwa „The Sparrows And The Nightingales“ gegen Ende der Neunziger an die Spitze der Charts setzen, „Die Flut“ erreichte mit über 900.000 verkauften Einheiten gar Platin-Status. Im Jahr 2007 versuchte Reinhardt, Heppner mittels einen Gerichtsverfahrens aus dem Projekt auszuschließen. Sowohl die Klage als auch die Revision wurden abgewiesen, Heppner zeigte sich jedoch nach wie vor an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Bis zum heutigen Tage ist es um „Wolfsheim“ still geblieben, wenngleich sich die treuen Fans noch immer die eher unwahrscheinliche Reunion herbeisehnen. Bereits Ende 2005 unterzeichnete der talentierte Sänger daher bei der Warner Music Group, drei Jahre darauf folgte mit „Alleinesein“ die erste Single zum gefeierten Debüt „Solo“, dem sich eine Tournee durch Deutschland und Russland, später auch Griechenland anschloss. Mit „My Heart Of Stone“ erschien 2012 der Nachfolger, ebenfalls von zahlreichen Konzerten auf nationalem und internationalem Boden begleitet. Nach einer etwas längeren Pause wurde im Sommer 2016 bekanntgegeben, dass Heppner seit seinem sechzehnten Lebensjahr an einer Herzkrankheit leide, welche erst spät entdeckt worden sei. Ans Aufhören dachte er aber keineswegs, im absoluten Gegenteil. Nach einer Unplugged-Reise in exklusiven Locations schlossen sich sowohl ausgewählte Festival-Gigs als auch die Jubiläumstour „30 Years Of Heppner“ an, zudem wurden die Arbeiten an neuem Material bekanntgegeben. Jetzt ist es soweit: Am 28.09.2018 und somit insgesamt sechs Jahre nach dem letzten Solo-Werk, erscheinen mit "Confessions & Doubts" und "TanzZwang" gleich zwei neue Studioalben, die wohl unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der Einstieg in das neue Studioalbum ist durch „Unloveable“ gegeben, einer zarte Pop-Ballade im gemäßigten Tempo, die nicht nur gemäß ihrer verzagten Betitelung einen typischen Heppner repräsentiert, sondern auch in nahezu jeder einzelnen Zeile von den starken Selbstzweifeln und tiefer Traurigkeit kündet. Die merklich reduzierte Instrumentierung rückt hier bewusst in den Hintergrund und überlässt dem charakteristischen Gesang somit freimütig seinen verdienten Raum, welcher ohne Weiteres komplett ausgefüllt werden kann. Mit „Was Bleibt?“ folgt darauf die erste Single-Auskopplung, die darüber hinaus ein echtes Highlight darstellt: Exakt zwanzig Jahre nach der berühmten Kollaboration mit Joachim Witt zum unerschütterlichen Feature-Klassiker „Die Flut“, gibt es nun die langerwartete Wiederholung dieser Zusammenarbeit. Diese vermag es natürlich keinesfalls, dem legendären Everblack der 90er den fest etablierten Rang abzulaufen, was jedoch auch nicht das Ziel der beiden Künstler gewesen sein wird. Ursprünglich aus dem Songwriting zu „Mut Eines Kriegers“ für Witts Comeback mit „Dom“ geplant, scheiterte der Coup letztlich am damaligen Label, welches einen sofortigen Release verlangte. Aufwändig umgeschrieben, frisch produziert und selbstverständlich neu eingesungen, gelang die Veröffentlichung rund sechs Jahre später dennoch. Das Wechselspiel der beiden gegensätzlichen Stimmen harmoniert damals wie heute perfekt und erklingt im Gewand einer dunklen Perle über das Los- und Geschenlassen, die alle Nostalgie-Reserven aktiviert und trotzdem wunderbar modern auf den Hörer einwirkt, bevor „Nothing Ends“ dann behände tänzelnden Soft-Electro irgendwo zwischen entspannter Lounge-Affinität und introvertierter Zurückgezogenheit darbietet. „Viele Schöne Stunden“ thematisiert sodann, in einen verhältnismäßig einfachen Text eingebettet, die traute Zweisamkeit und ihre jähe Vergänglichkeit, die gerade auf diese Weise zielsicher in das emotionalenZentrum des Hörers trifft. Wie dem ein oder anderen bereits jetzt aufgefallen sein dürfte, zieht sich die bittere Erkenntnis, das alles Schöne irgendwann enden muss, wie ein roter Faden durch den Löwenanteil der Songs. So auch in „Good Things Break“ oder „Gib Mir Doch‘n Grund“, bei welchem Heppner im fahlen Kneipenlicht über das nahende Ende einer Liebesbeziehung nachsinnt. Zwischen all der Schwermut schimmern stetig dezent angedeutete Reggae-Einflüsse durch, die Lyrics sind ob ihrer erwünschten Authentizität viel eher in direkter Sprache, denn gewandter Metaphorik gehalten. Leider gibt man sich hier zu klischeebeladen und ungewohnt plump, was nicht zuletzt in der arg einseitigen Beleuchtung entsprechender Situation begründet liegt, die augenscheinlich viel lieber in unangenehm triefendem Selbstmitleid zerfließt, als die Chance mehrerer Perspektiven aufzugreifen. Deutlich besser gelingt dieser Griff danach „You Don‘t Love Me (feat. Kim Sanders)“. Wie auch schon auf dem letzten Album „My Heart Of Stone“ und dessen absoluter Vorzeige-Ballade „Deserve To Be Alone“, hat sich der gebürtige Hanseat für dieses gefühlvolle Stück abermals Sanders für ein stimmiges Duett ins Boot geholt, das seinen finster angehauchten, lässig groovenden Rhythmus mit samtig verführerischen Versatzstücken synthetisch-unheilvoller Streicher und verzerrten Gitarrensaiten im besten Stil eines eleganten James Bond-Soundtracks in sich vereint. Mit positiv aufgeladenen Vibes und zurückhaltend powernd gibt sich danach „Herz (Metropolis)“, dessen enorm bestärkende Message besonders im Refrain zur Geltung kommt, der jeden noch so großen Zweifel in selbstbewussten Durchhalte-Parolen erstickt, bis das artverwandte „Chance“ sich mit all seiner hinterfragenden Nachdenklichkeit im forsch vibrierende im Mid-Tempo schlüssig eingliedert. Der Reigen schließt sich durch „Theresienstadt (Hinter Der Mauer)“ aus dem bereits erhältlichen Gesamtwerk „Die Kinder Der Toten Stadt“, in welchem der Sänger aus der Sicht eines jüdischen Kindes in Gefangenschaft der Nationalsozialisten erzählt, das sich, eingepfercht im Konzentrationslager, die verheißungsvolle Freiheit hinter der Grenze ausmalt, die es doch niemals kennenlernen wird. Das tragische Musik-Drama brilliert in all seiner Ausarbeitung und nähert sich dem Inhalt gewohnt respektvoll an. Ein absolutes Glanzstück und formvollendeter Schlusspunkt, der noch sehr lange nach seiner letzten Spielminute im Gedächtnis bleibt.
Der zweite Part läuft unter dem unmissverständlichen, plakativen Slogan „TanzZwang“ und soll dem geneigten Hörer eben genau das bieten: Ein zunehmend starker Fokus auf facettenreichen Electro, hohe Club-Affinität und treibende Sounds zum Träumen, Loslassen und nicht zuletzt natürlich Tanzen. Peter Heppner offenbarte stilistisch schon immer mehr als nur eine einzige Seite und somit ist die kanalisierte Aufspaltung und Bündelung der Essenzen nur die logische Konsequenz seiner bisherigen Diskographie. Eine bloße Ansammlung von Ausschussmaterial oder B-Seiten steht also nicht zu befürchten, denn viel mehr überrascht der Mann mit der markanten Stimme hier unter der instrumentalen Zuhilfenahme namhafter Kollegen mit einem gleichwertigen, aber eben doch völlig anderen, zweiten Album. Dieses beginnt auch sogleich mit dem Quasi-Titeltrack „...Und Ich Tanz‘“, welcher hier gleich von „Latches“ und Pascal Reinhardt in zwei Remix-Varianten präsentiert wird, die, zugegeben, in Abfolge der Tracklist etwas unglücklich genau aufeinander folgen. Mit erstarkender Euphorie löst sich das lyrische Ich von allen Zweifeln, wirft jedwede Last ab, genießt und lebt jeden Augenblick... Ein Befreiungsschlag, der sich mit seiner rasant ansteckenden Leichtigkeit poppig einschmeichelt und immerzu in neue Höhen aufschwingt, wohingegen die zweite Version eher kantig verfremdet anmutet und somit durchaus ihre Berechtigung innehat. Die Norweger Ikone „Apoptygma Berzerk“ nimmt sich mit ihrem signifikanten Stempel aus gotischer Schwermut und temporeichem Spirit danach „All Is Shadow“ an, „Best Things In Life“ wird hingegen von „Salt & Waves“ durch organischen Ambient äußerst atmosphärisch veredelt. Ein Featuring gibt es natürlich auch und zwar „Fremd In Diesem Land“ mit Volkan im sogenannten „VIZE“-Mix. Wie der Name des Songs bereits vielleicht vermuten lässt, wendet man sich thematisch weltpolitischer Aktualität zu, hier allerdings ohne erhobenen Zeigefinger oder aufdringliche Meinungsmache. Stattdessen werden die Strophen als Zwiegespräch aufgezogen und so zwei Positionen gleichermaßen beleuchtet, die sowohl die Gefühlswelt eines Flüchtenden in einem fremdem Land als auch gegenteilig der Person behandelt, die sich im eigenen Land fremd zu fühlen beginnt. Das gewünschte Ziel wird dennoch abermals nicht verfehlt, trumpft stattdessen als dunkel instrumentierte Alternative zum Euro-Dance-Style auf und zeigt, dass Tanzbarkeit nicht Stumpfsinn bedeuten muss, sondern mit klugen Statements tatsächlich Hand in Hand gehen kann. Etwas ungewöhnlich erscheint danach „Im Nebel“, die Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Hermann Hesse. Hier hat sich Co-Komponist und Live-Keyboarder Dirk Riegner dem Arrangement angenommen, der mit seiner Interpretation einen schweren, düsteren Mantel webt, der mit seiner mystischen Melancholie fast zu erdrücken droht. Die albtraumhafte Klangkulisse widerspricht dem gewünschten Konzept mit seinen merklich entschleunigenden, jedoch zugleich auch beunruhigenden Kontrasten, bis „I Will Hurt You“ in „Temple.“-Manier dafür umso mehr nachlegt: Exotische Voice-Samples, ein druckvoll pochender Bass und peitschende Beats machen dem Aufhänger alle Ehre und erheben diesen Track zu einem der absoluten Highlights der zweiten Disc. Typischen Dark Electro mit kantigen Sounds und minimalistisch geprägten Feinheiten, kredenzt „Pix Tom“ bei „Just One Word“, weitaus gemäßigter ist danach „Once Again“, für welches niemand Geringeres als Electro-Pop-Ikone Christopher „Schiller“ van Deylen verpflichtet werden konnte, der die Vorlage in seiner unverkennbaren Manier bearbeitet. Anders, als etwa bei den bisherigen, brillanten Kollaborationen „I Feel You“ oder „Dream Of You“, beruft man sich hier allerdings nicht auf schnelle Eingängigkeitsformel massenmarkttauglicher Singles, sondern nimmt sich stattdessen die Zeit für einen komplexen Aufbau, der immer mehr die auszeichnenden Merkmale annimmt. Zum endgültigen Abschluss bitten schließlich „Yann Lauren“ mit einem Trip-Hop-Ausflug zu „Sedate Yourself“ und „Sand & Pfeffer“ mit „Standing Tall“, das mit seiner positiv aufgeladenen Fusion aus klassischen Instrumenten und Electronica aufwartet.
Tracklist:
CD 1
01. Unloveable
02. Was Bleibt? (feat. Joachim Witt) 03. Nothing Ends 04. Viele Schöne Stunden
05. Good Things Break
06. Gib Mir Doch'n Grund
07. You Don't Love Me (feat. Kim Sanders) 08. Herz (Metropolis) 09. Chance
10. Theresienstadt: Hinter Der Mauer
CD 2
01. ...Und Ich Tanz' (Latches Mix)
02. ...Und Ich Tanz' (Pascal Reinhardt Remix)
03. All Is Shadow (Apoptygma Berzerk Remix)
04. Best Things In Life (Salt & Waves Mix)
05. Fremd In Diesem Land (feat. Volkan, VIZE Remix)
06. Hermann Hesse: Im Nebel (Dirk Riegner Mix) 07. I Will Hurt You (Temple.Mix)
08. Just One Word (PixTom Mix)
09. Once Again (Schiller Remix)
10. Sedate Yourself (Yann Lauren Remix)
11. Standing Tall (Sand & Pfeffer Remix)
Fazit:
Eines ist sicher: Peter Heppner überlässt auch anno 2018 absolut nichts dem Zufall. Nach einer gesundheitsbedingten Zwangspause, meldet sich der Hamburger rund sechs Jahre nach seinem letzten Studioalbum zurück und bietet ein fast schon zu überladenes Füllhorn, das all jene bekannten und unbekannten Stilrichtungen enthält, welche seine Fans an ihm lieben. So bearbeitet „Confessions & Doubts“ getreu seines Titels weitestgehend die ruhige, nachdenkliche und in sich gekehrte Facette des Interpreten, der hier vor teils stark reduzierten Klang-Landschaften gewohnt melancholisch, trauernd und zuletzt irgendwo auch pessimistisch über Leben, Lieben und Loslassen sinniert. Heppner gibt damit zum einen fraglos viel vom eigenen Seelenleben preis, erfüllt zum anderen aber auch strategisch die Erwartungen seiner Hörerschaft wie nach strukturiertem Pflichtprogramm. Die eher ruhigen Arrangements passen dabei zumeist wie angegossen auf ihre Texte, wirken manches Mal zugleich aber etwas farblos und trist, was leider schnell zulasten des Wiedererkennungswerts geht und das Gefühl manifestiert, sich streckenweise zu sehr allein auf den unnachahmlichen Gesang verlassen zu haben. Dennoch bleibt weitestgehend hochklassiger Pop mit tollen Gastsängern, der bis auf wenige, kleine Klischee-Ausreißer sehr authentisch ist. „TanzZwang“ präsentiert sich hingegen weitaus beschwingter und schließt als Gegenstück mit einer komplett gegenteiligen Richtung auf, die selbst Riegner und Heppner als selbsternannte Nicht-Tänzer bei den Studioarbeiten zu mehr Bewegung animiert haben soll. Ungewöhnlich ist, dass die eigentlichen Originale der sogenannten Remix-Versionen höchstens jene kennen, die sich die limitierte Box gesichert haben. Alle anderen erhalten dafür ein echtes All-Star-Aufgebot von sphärisch bis geerdet und zart bis basslastig, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei sein dürfte und das erfreulich wenig Lückenfüller aufweist. Besser könnten sich die Gegensätze wohl kaum die Waage halten, oder? Und so können alle Fans ganz ohne die im Titel inbegriffenen Zweifel zugreifen.
Informationen:
http://www.rcadeutschland.de
https://www.facebook.com/peterheppneroffiziell/