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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Eisbrecher - Interview (2018)


Roggenfaenger: Im Jahr 1993 hast du mit „Megaherz“ eine der ersten, führenden Gruppen im Bereich „Neue Deutsche Härte“ etabliert und somit bleibende Spuren in der schwarzen Szene hinterlassen. Ganze zehn Jahre später haben Noel Pix und Du dem Projekt dann den Rücken gekehrt und mit „Eisbrecher“ einen Neuanfang gewagt, der sich, wie man heute nun ganz deutlich sehen kann, mehr als ausgezahlt hat. Wie kam es denn damals eigentlich zu diesem großen Umbruch? Warum seid ihr diesen mutigen Schritt gegangen, quasi noch einmal völlig von vorne anzufangen und was war anfangs eure künstlerische Vision für die Zukunft mit einer neuen Band?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Mit „Megaherz“ haben wir in der schwarzen Szene gar nichts hinterlassen, denn die Band hat in der schwarzen Szene nie gewirkt... Wir wussten gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. „Megaherz“ war klar Rock, Metal und Crossover. Nachdem Pix und ich „Megaherz“ aus verschiedenen Gründen den Rücken gekehrt haben und uns an Bord des Eisbrechers neu ge- und erfunden haben, brachten uns Songs wie "Schwarze Witwe", "Leider" und "Vergissmeinnicht" an und in die schwarze Szene... Oder sie brachten die Szene zu uns. Der „Eisbrecher“ und die schwarze Szene haben sich schätzen und lieben gelernt. Das ist bis heute so und es wird auch so bleiben!

Roggenfaenger: Euer selbstbetiteltes Debüt war seinerzeit äußerst erfolgreich und auch die beiden folgenden Studioalben „Antikörper“ und „Sünde“ konnten diese Steilkurve mit Leichtigkeit aufrechterhalten, wenn nicht sogar weiterhin ausbauen. Trotzdem waren „Eisbrecher“ damals noch eher ein Geheimtipp für den dunklen Underground, wenn man so möchte. Spätestens mit dem vierten Langspieler „Eiszeit“ kam dann aber der gewaltige Umbruch und euch wurde verstärkt Aufmerksamkeit zuteil. Mittlerweile seid ihr aus der Musiklandschaft gar nicht mehr wegzudenken, bespielt nicht mehr nur kleine Clubs, sondern große Hallen und auch auf Festivals fernab der Gothic-Kultur, führt gar mit jeder neuen Veröffentlichung regelmäßig die Spitze der offiziellen Media Control Charts an. Wie habt ihr diese konstante Entwicklung in all den Jahren eigentlich selbst wahrgenommen, gab es da vielleicht spezielle Schlüsselmomente, an welchen dieser Prozess für euch deutlich wurde?


Alexander „Alexx“ Wesselsky: Schlüsselmomente gab es. Die Chartplatzierungen auf Fünf, Drei, Zwei und natürlich die Eins. Goldene Schallplatten, Echo-Nominierung, TV-Werbung, Großplakatwerbung, „Eisbrecher“ als „Alice Cooper“-Support, „Clawfinger“ als „Eisbrecher“-Support, das eigene Festival mit „Oomph!“, „Die Krupps“ und „Zeromancer“. Headliner auf dem M'era Luna, Amphi Festival, Wave Gotik Treffen, Summerbreeze, Baltic Open Air, Rockharz... Keine Atempause, Geschichte wird gemacht... Es geht voran! Die Richtung stimmt.

Roggenfaenger: Jetzt ist es soweit und ihr feiert dieser Tage euer fünfzehnjähriges Jubiläum, meinen herzlichen Glückwunsch dazu! Wie blickt ihr gemeinsam auf diese lange Zeit zurück und gab es dabei eventuell besondere Erlebnisse oder andere Highlights, die euch rückwirkend im Gedächtnis geblieben sind und hier Erwähnung finden sollten?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Siehe die Frage zuvor! Es gibt so vieles... Irgendwann vielleicht auch mal in Buchform. Wichtig ist: Es gibt uns noch!

Roggenfaenger: Fünfzehn Jahre sind eine wirklich lange Zeit im unberechenbaren Haifischbecken der Musikindustrie und doch habt ihr euch niemals unterkriegen lassen! Was ist euer Geheimnis und habt ihr vielleicht sogar ein paar Tipps für junge Bands? Welche Erfahrungswerte nehmt ihr aus dieser Zeit mit?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Zähne zusammenbeißen, auf Sicherheit pfeifen, aus Fehlern lernen, fallen und aufstehen. Das Business annehmen, verstehen und sehr viel selbst machen. Besser werden, durchhalten, gute Songs schreiben, Gesundheit, Glück und Demut... Und das ganze 24/7 an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr. Kampfbereitschaft, Leidensfähigkeit und Empathie!

Roggenfaenger: Mittlerweile könnt ihr auf einen beeindruckenden Backkatalog zurückblicken: Ganze sieben Alben, weit über einhundert geschriebene Songs und zahlreiche, absolvierte Konzerte gehen auf euer Konto und liegen nun hinter euch. Bitte zieht einmal kurz Resümee und nennt eure beste Platte, den liebsten Song und die schönste Show aus fünfzehn Jahren „Eisbrecher“, sofern möglich?


Alexander „Alexx“ Wesselsky: Das ist nicht möglich! Das sollen die Fans entscheiden.

Roggenfaenger: Am 05.10.2018 erscheint mit „Ewiges Eis - 15 Jahre Eisbrecher“ eine umfassende Retrospektive eures gesamten Schaffens als Download, Doppel-CD, Vinyl und limitierte Fan-Box. Auf der ersten Disc findet sich eine gelungene Auswahl von insgesamt zwanzig Liedern der bisher veröffentlichten Alben, auf der Zweiten sind hingegen alle Raritäten, wie bereits vergriffene B-Seiten, Bonus-Tracks und Remixe zusammengefasst worden. Nach welchen Kriterien seid ihr bei der Auswahl vorgegangen?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Wir haben uns überlegt, wie eine „Werkschau“ aussehen sollte, die wir kaufen würden. Gutes Artwork, feine Songauswahl, Komplettierung der Sammlung, falls man mal eine Limited Edition oder eine Single-B-Seite verpasst hat.... Oder einen „Instant Gratification Track“, so heißt neumodischer Marketing-Bullshit. Kaum zu glauben, aber wahr.

Roggenfaenger: Bereits im Jahr 2011 gab es mit „Eiskalt“ unter AFM Records schon mal eine Best-Of auf zwei CDs. Warum habt ihr euch dafür entschieden, nun abermals ein solches Paket auf den Markt zu bringen und wo seht ihr allgemein die Vor- und Nachteile einer solchen Veröffentlichung? Immerhin dürften die treuen Fans ja alle eure Werke in der heimischen Sammlung haben...

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Wir hatten mit der damaligen "Eiskalt" nichts zu tun, wir wurden nicht gefragt... Wie wollten keine "Best Of“ nach gerade einmal vier Alben! Dennoch hat sich "Eiskalt" bis heute sehr gut verkauft, verschwindet jetzt aber vom Markt und es bleibt, und das mit Tusch, Feuerwerk, Geburtstagstorte und Ausrufezeichen, „Ewiges Eis“. Happy Birthday!

Roggenfaenger: Allerdings finden sich im ewigen Eis nicht ausschließen nur alte Bekannte, sondern auch ein komplett neuer Song. Nämlich „Menschenfresser“, eine Cover-Version des gleichnamigen Titels von Rio Reiser aus den Achtzigern, der mal so überhaupt nicht NDW-typisch ist und gerade mit einem Blick auf die heutige Zeit leider nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Habt ihr euch gerade deswegen für diese Nummer entschieden und was glaubt ihr, wie man dieser negativen Entwicklung der Gesellschaft möglichst tatkräftig entgegenwirken kann?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Mit Songs wie diesem kann man Flagge zeigen, man kann dagegenhalten! Der Text war 1986 richtig, er ist es heute immer noch, er wäre in den 30ern richtig gewesen und er wird es leider auch in Zukunft noch sein, weil der Mensch ist, wie er ist und in jedem ein „Menschenfresser“ steckt. Es gilt, die niederen Instinkte zu kontrollieren und dem aufgeklärten, empathischen, liebenswerten Wesen, das Mensch auch sein kann, den Weg ins Licht zu zeigen. Leider wollen viele in die andere Richtung, man kann nicht alle retten, man kann es aber versuchen (lächelt). Am besten indem man bei sich selbst anfängt! Ich hoffe, Rio versteht unser Anliegen und schenkt uns sein Wohlwollen, während er auf dem Junimond sitzt und hoffentlich eine gute Zeit hat!

Roggenfaenger: Anfang September habt ihr zusammen mit befreundeten Künstlern und eurem eigenen Festival „Volle Kraft Voraus“ die Ratiopharm Arena in Neu-Ulm zum zweiten Mal zum Beben gebracht. Ein Termin für 2019 steht bereits fest. Wie kam es zu dieser Idee und wie wollt ihr dieses Event künftig weiter ausbauen? Ist darüber hinaus vielleicht noch mehr geplant, wie sieht es beispielsweise mit einer Best-Of-Tournee zum Jubiläum aus?


Alexander „Alexx“ Wesselsky: In Neu-Ulm ist in Sachen „Rock“ nicht viel los... Eher gar nichts. Das hat sich mit dem „Volle Kraft Voraus“-Festival geändert und nächstes Jahr verkaufen wir die Ratiopharm Arena aus. No risk, no fun! Unser kleines Festival bietet Top-Acts zu einem Top-Preis und als einziges, kleines Festival ein sicheres Dach über dem Kopf für alle und einen Außenbereich! Wir haben etwas ganz eigenes, neues erfunden: Einen Festival-Hallenshow-Hybrid. Und damit haben wir ins Schwarze getroffen, was das „Volle Kraft Voraus“ eindrucksvoll bewiesen hat... 2019 kann kommen!

Roggenfaenger: Wo wollt ihr mit „Eisbrecher“ in Zukunft hin und was möchtet ihr mit der Band noch alles erreichen? Habt ihr zum Abschluss vielleicht noch letzte Worte an die Leser?

Alexander „Alexx“ Wesselsky: Wir möchten mit „Eisbrecher“ dahin, wo es schön, aufregend und spannend ist. Stillstand bedeutet den Tod und die Komfortzone war noch nie unser Zuhause. Es geht weiter, es bleibt kalt°! Immer weiter, immer leicht nach oben... Unaufhaltsam und stetig. Ohne Hast, aber mit Schmackes (lächelt). An die Leser hoffentlich nicht die letzten Worte: Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel und... „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“. Damit kommt man schon sehr weit. Wachsam bleiben und vor allem menschlich!

Impressionen:

Ksenia Golubkova - Erebus Odora

https://www.deviantart.com/erebus-odora

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