AnnA Lux - Scarlet Dorn - Stoneman (2018)
AnnA Lux - Wunderland (2018)
Genre: Pop / Rock
Release: 24.08.2018
Label: NoCut
Spielzeit: 45 Minuten
Fazit:
Wie der ein oder andere Leser über die letzen Jahre vielleicht schon mitbekommen haben dürfte, freue ich mich immer ganz besonders darüber, musikalische Bemusterungen von weniger bekannten Künstlern und insbesondere Newcomern in meinem Mail-Postfach vorzufinden. Dabei ist es nicht ausschließlich nur darin begründet, dass man aus seinen gängigen Hörgewohnheiten angenehm herausgerissen wird und sich somit völlig neutral ohne eine spezifische Erwartungshaltung auf unbekannte Materie einlassen kann, sondern auch so manches Mal die ungeahnte Möglichkeit dazu hat, mitunter echte Perlen für sich zu entdecken. Das ist zwar längst nicht immer der Fall, aber doch gibt es sie: So etwa geschehen mit „Tüsn“, „Sündenrausch“ und „Palast“ oder eben unlängst auch bei den erst 2016 gegründeten „AnnA Lux“. Das sympathische Schweizer Trio aus Schlagzeuger Rico H, unter anderem bekannt durch seine Hauptband „Stoneman“, Gitarristin Lara Lumière und der namensgebenden Sängerin AnnA, machte im vergangenen Jahr durch die vorab erfolgte Veröffentlichung der drei Singles „Mädchen Im Koma“, „Zuhause“ und „7 Fragen“ erstmals von sich reden, eine ausgedehnte Tournee als Support von NDH-Ikone „Megaherz“, welche schon diesen Herbst fortgesetzt wird, sowie der Release der EP „Luxus“ schlossen sich nahtlos daran an. Mittlerweile haben der vielbeschäftigte Drummer und die charismatische Frontfrau, die all ihre Songs selbst schreibt, einen mutigen Neuanfang gewagt und sich gemeinsam mit ihrer Tochter nach Mallorca abgesetzt, von wo aus sie nun arbeiten und sogar ein eigenes Musikstudio betreiben. „Mit ihrem unverkennbaren Sound gelingt „AnnA Lux“ der Spagat zwischen Dark Rock und radiotauglichem, deutschen Pop-Rock wie noch keiner anderen Band zuvor. Eingängige Melodien, singbare Chöre und kumulierte Energie machen Lust auf mehr.“, kündet der offizielle Pressetext des Labels vollmundig und soll tatsächlich nicht zu viel versprechen: „Wunderland“, heißt das von „Lord Of The Lost“-Kopf Chris Harms aufwändig produzierte Debütwerk, das ab dem 24.08.2018 offiziell im Handel erhältlich sein wird. Und passender hätte jener verheißungsvolle Titel dafür wohl kaum gewählt worden sein können...
Eine dunkle Electro-Melodie erhebt sich und wir schon bald von süßlich pumpenden Beats abgelöst, die sich dann bis zum Refrain immer mehr aufhellen und schließlich in ermutigenden Worten enden. Die schnell vorgetragenen, kurzen Verse muten zwar zeitweise dezent schlagersek an, bieten in ihrer erfrischenden Poetry-Slam-Attitüde aber genügend tiefsinnig motivierte Substanz, um interessant zu sein. Ein ungemein mitreißender Opener über erdrückenden Anpassungswahn, gesellschaftliche Fehl-Konventionen und das Gefängnis der schmerzlich beengenden Alltagstrott-Maschinerie, wie auch die notwendige Befreiung aus ebendieser. Über das Suchen und Finden des eigenen Platzes in der Welt, des Glücks und nicht zuletzt des eigenen Ichs. Großartig! Das folgende „Eifersucht“ offenbart sowohl klanglich als auch inhaltlich anschließend einige starke Parallelen zu mainstreamaffinem Pop, jedoch gänzlich frei von überdosiertem Pathos und den sonst so bekannten, peinlichen Klischee-Fettnäpfchen. Eher im absoluten Gegenteil, denn „AnnA Lux“ greifen in ihren Songs typische Szenarien auf, mit denen sich der Hörer ohne Weiteres jederzeit identifizieren kann, was der emotionalen Nahbarkeit enorm zuträglich ist. Zudem kommen hier erstmals die harten Gitarren besonders markant und klar zur Geltung und lassen die Grenzen zwischen den Genres flüssig und homogen verschwimmen, als gäbe es sie gar nicht erst. Das gilt ebenso für das melancholisch-kritisch behaftete „Spiel Der Gier“, bei dem sich die musikalische Ausrichtung deutlich von den beiden vorausgegangen Songs absetzt: Merklich schwerer wiegt nun der epochal schleppende Rhythmus und fokussiert klar auf atmosphärische Klangwelten aus donnernden Drums, tief gestimmten Saiten und majestätischem Bombast, zu nachdenklichen Zeilen über egozentrische Machthaber, die den Blick für das Wesentliche längst aus den Augen verloren zu haben scheinen und eine gewaltsame Kriegsführung ohne Rücksicht auf Verluste. Einem gänzlich anderen, dafür aber nicht weniger sensiblen Thema nimmt sich das Trio bei der ersten Single „Mädchen Im Koma“ an, welches sich, dieses Mal zusätzlich unterstützt von klagenden Streichern, ein tragisches Einzelschicksal verarbeitet und verrät, wozu unerwiderte Gefühle im schlimmsten aller Fälle führen können. „Weiße Lichter“ bietet dem Hörer danach ganz andere Kost und ist im Vergleich zu den vorherigen Songs behutsam, zurückhaltend und komplett auf die akustische Komponente reduziert arrangiert worden. Vor diesem Hintergrund wird das Hauptaugenmerk einzig und allein auf die zarte, aber doch umso präsentere Stimme gelegt. Eine echte Unplugged-Perle, die das Gefühl von bedingungsloser (Mutter-)Liebe beeindruckend nachvollziehbar transportiert und einen schönen Kontrast zum bisherigen Material setzt. Leicht perlende Piano-Tupfer markieren die Ruhe vor dem nächsten, musikalischen Sturm, denn schon bald darauf bricht ein infernalischer Orkan aus klar schepperndem Schlagzeug, hymnischen Chorälen und aufstrebend rockenden Gitarren los. Eine Power-Ballade der Extraklasse: „Verbrannt“... Wie Phönix aus der Asche! Das ebenfalls bekannte „7 Fragen“ ist dann wieder sehr tanzbar und clubtauglich geraten, was den flotten Rhythmen und der verstärkt elektronischen Ausrichtung zuzuschreiben ist, zwischen welcher die anderen Instrumente nur geringfügig Platz finden. Ebenso auch bei „Tanz Durch Die Nacht“, das instrumental wie das lyrische Ich zwischen Trauer, Wut und Euphorie balanciert. Merke: Aus jeder noch so großen Enttäuschung erwächst immer neuer Mut, der einen gestärkt aus der Situation hervorgehen lässt und die Lebensfreude neu zu vergeben weiß. Die ersehnte Flucht aus der kalten „Festung“ enthält, wie der aufmerksame Hörer bemerken kann, überraschend erzählerische Bezüge zu einer der vorangegangenen Nummern und kann sowohl für sich allein stehen als auch als eine Art inoffizielle Fortsetzung gesehen werden, die zum eigenen interpretieren einlädt. Während die Strophen mit ihren leichten Beats und fordernden Streichern noch eher minimalistisch sind, zieht die sich beständig aufbauende Kraft bis zum Refrain deutlich an und mündet in einem wirkungsvollen Hauptteil. „Kleiner Mann“ ist danach der wohl düsterste Track des gesamten Albums. Der druckvoll stampfende Takt legt finster pulsierende Elektronik frei, unterdessen umzingeln aggressiv beißende Saiten den stark verzerrten Gesang, um gewaltig schnell Atmosphäre aufzubauen und ihren Höhepunkt schlussendlich im grandiosen Chorus zu finden, der offenbart, dass hinter jeder noch so bösen Gräueltat letztlich nur unverstandene Verletzlichkeit steckt. Der zerbrechliche Titeltrack lässt abermals begrüßenswerte Stille einkehren und kommt lediglich durch den feinsinnigen Einsatz des Klaviers aus, bis zum Abschluss nochmals alle Versatzstücke harmonisch fusionieren und sich zu einer energiegeladenen Hymne verdichten, die sich an Band und Fan gleichermaßen richtet: Glaubt an euch, bleibt stets ihr selbst und spendet euch dafür verdienten „Applaus“! Und, wie war der Besuch im „Wunderland“ also? Definitiv alles, insbesondere aber ganz anders, als zunächst gedacht. Hier trifft wohldosierte Dunkelromantik auf intelligente Texte, melancholischer Goth-Rock und radiotauglicher Ohrwurm-Pop auf starke 80er-Vibes. „AnnA Lux“ haben offenbar eine klare Vision wie sie klingen und wer sie sein wollen, was sich beeindruckend selbstbewusst darin äußert, sich zu keiner Zeit irgendwelchen abgedroschenen Klischees bedienen oder bereits Bekanntes kopieren zu müssen. Im Gegenteil, das Trio legt sich nicht einmal annähernd auf ein vorgeschriebenes Genre fest, spielt und bricht gerne mit den Erwartungen, verzaubert durch einen individuellen Charme. Engstirniges Schubladendenken oder konservative Limitierung sind mehr als fehl am Platz, denn erlaubt ist alles, was gefällt. Umso frischer, runder und authentischer ist somit das, in jeder nur erdenklichen Hinsicht, wundersame Endergebnis, welches den drei Musikern hoffentlich die verdiente Aufmerksamkeit zukommen lässt. Das wohl beste Debüt seit Jahren!
Informationen:
https://www.facebook.com/annaluxmusic/
http://annaluxmusic.com/musik/
Scarlet Dorn - Lack Of Light (2018)
Genre: Rock / Alternative
Release: 31.08.2018
Label: Oblivion (SPV)
Spielzeit: 51 Minuten
Fazit:
Manchmal sind es gerade die kleinen Dinge im Leben, die unerwartete Steine ins rollen und selbst die größten Berge versetzen können. Exakt eine solche Entwicklung nahm vor gar nicht allzu langer Zeit das fast schon märchenhafte Schicksal von Scarlet Dorn, die solch folgenschwere Nachwehen einst sicher nicht im Entferntesten erwartet hätte. Denn eigentlich erweckte die in Sibirien aufgewachsene Komponistin und Sängerin im Herbst 2014 das rege Interesse des Hamburger Produzenten Duos Benjamin Lawrenz und Chris Harms mit ihrer Reaktion auf eine eigentliche Banalität: Die bekannten Dark-Rocker „Lord Of The Lost“ riefen ihre Fans nämlich über Facebook spaßeshalber dazu auf, ihre schönste Liebeserklärung an die Band einzusenden, mit welcher sie erläutern sollten, was ihnen die Musik bedeute, in welcher Form auch immer. Unter allen Einreichungen fand sich auch ein kleiner Videoclip, in der eine junge Frau, sich dabei selbst am Klavier begleitend, leidenschaftlich ein selbstgeschriebenes Lied namens „I Love The Way You Inspire Me“ vortrug. Für Harms und seinen Studiokollegen Lawrenz stand sofort fest, dass sie hier ein wahres Talent entdeckt hatten, was es zu fördern galt. Seitdem sind ganze drei Jahre ins Land gezogen und die Entscheidung sollte sich als goldrichtig erwiesen haben. Mittlerweile ist Dorn zum Gesicht der gleichnamigen Newcomer-Band „Scarlet Dorn“ geworden, welche mit Schlagzeuger Henrik Petschull, Pianist Gared Dirge und Gitarrist Bengt Jaeschke drei weitere Musiker um sich schart. Erstmals für die Öffentlichkeit zu hören war die Erwählte auf dem letzten „Lord Of The Lost“-Studioalbum „Empyrean“ aus 2017, hier im perfekt harmonierenden Duett mit Harms bei „Black Oxide“. Im Anschluss daran ging es ab Frühjahr des gleichen Jahres auf Tournee mit den Hanseaten, was allerorts für euphorische Reaktionen sorgte und sich Ende Februar 2018 als Support für die „Letzte Instanz“ fortsetzen sollte. Zeitgleich erschien die erste Single „Hold On To Me“ und schon im Mai erfolgte die zweite Auskopplung „Heavy Beauty“, pünktlich zu den Shows mit NDW-Ikone Joachim Witt. Diese beachtliche Entwicklung hat natürlich ihre Gründe, die vor allem in Dorns warmer, klarer und markanter Stimme liegen, die wie prädestiniert für ihre Songs zwischen atmosphärischem Dark-Pop, Rock und Electro-Einflüssen ist. Doch die künstlerische Reife der Fünfundzwanzigjährigen kommt in der Tat nicht von ungefähr, besuchte sie bereits in Kindertagen eine Musikschule, bekam eine klassische Gesangsausbildung, Klavier- und Gitarrenunterricht. Nachdem sie 2001 mit ihrer Familie von Sibirien nach Heilbronn zog, wo sie bis zum heutigen Tage wohnt, nahm sie am deutschen Musikförderprojekt „Jugend musiziert“ teilt und trat mehrfach in einigen Opern- und Musicalvorstellungen auf. Ihr Debüt „Lack Of Light“ erscheint am 31.08.2018 unter SPV. Ob dieses trotz seiner unheilvollen Betitelung mehr Licht als Schatten ist, lest ihr jetzt...
„Heavy Beauty“ zeigt bereits auf, in welche Richtung es in den folgenden fünfzig Minuten gehen wird und kann ohne Weiteres als äußerst repräsentativ angesehen werden, was gerade in der hier zelebrierten Bandbreite deutlich wird. Schwebend sphärisch, hingebungsvoll, schwer und zugleich doch auch behände groovend grundiert, sucht sich diese epische Eröffnung ihren Weg zum Hörer. Fraglos bombastisch getragener Dunkel-Pop, der den Mainstream dennoch klar umschifft und trotzdem ungemein eingängig bleibt! Ganz anders ist dann „Hell Hath No Fury Like A Woman Scorned“, das eine kühle Distanz spürbar macht und jene vor allem durch eine überraschend tiefe Stimmlage zur Geltung bringt, was die Hölle wortwörtlich zufrieren lässt. „I‘m Armageddon“ bewegt sich hingegen eher im klassischen Fahrwasser und bietet schillernd glamourösen Gothic-Rock mit einem angenehm ohrwurmigen Pop-Appeal. Eine sanft getragene Piano-Melodie, behutsam eingesetzte Beats und ein variabler Gesang zwischen glasklaren und stark verzerrten Passagen sind die wirkungsvolle Essenz, die ebenso sehr zu überzeugen weiß, wie „Hold On To Me“, welches an anmutiger Grazie und dramaturgischer Tragik kaum mehr zu überbieten scheint und sich mit seinen leicht flirrenden Electro-Spitzen, wie auch einer klagend sirenalen Note sofort ins Herz aufschwingt. Bei „Rain“ geht es erstmals deutlich härter zu, denn schreddernde Riffs nehmen nun den meisten Raum ein und entfernen sich bewusst vom Fokus auf flächendeckende Elektronik, was einen durchaus organischen und natürlichen Blick auf das Können der gesamten Band ermöglicht. So auch bei der zerbrechlichen und ehrlichen Ballade „Kill Bitterness With Love“, die sofort aufrichtig zu berühren weiß und alle Schwermut freilässt. „Snow Black“ ist dann ein echtes Schauermärchen und interpretiert seine literarische Vorlage durchaus anders, als bisher gekannt. Zum marschierenden Rhythmus gesellen sich eine bizarre Spieluhr und tickendes Uhrwerk. Die verquere Melodie balanciert derweil zwischen den Stilen, Licht und Schatten. Im obskuren Wunderland von Dorn weiß man nie so ganz, was hinter der nächsten Ecke lauert. Somit bleibt auch diese Nummer so unberechenbar, wie unkonventionell und interessant. „I Don‘t Know, I Don‘t Care“ bleibt zumindest in instrumentaler Hinsicht gezügelter, kündet dafür aber in den Lyrics von ordentlich Biss und Power mit einem schönen Break zum Schluss. Einen weiteren Abstecher in fantastische Welten gibt es mit „Cinderella“, das sich von nervösen Gitarrenläufen durchsetzt klar auf die Stimme der Frontfrau konzentriert, die von einem wahren Rachefeldzug erzählt und dabei eine gänzlich andere Perspektive auf die bekannte Geschichte ermöglicht, bis es dann zum grandiosen Duett mit Chris Harms kommt: Bei „I Love The Way You Say My Name“ nimmt sich der Lord dem kreativen Auslöser von einst höchstpersönlich an und veredelt die abgeänderte Fassung mit seinem dunklen Organ, das perfekt mit dem hellen Gesang von Dorn harmoniert. Nach dem gewaltigen „Frozen Fire“ geht es mit „In Another Life“ schließlich auf die Zielgerade zu. Rein akustisch arrangiert, wird hier zunächst auf Purismus gesetzt, der sodann aber immer weiter verdichtet ansteigt, um langsam an Intensität aufzubauen und im Finale mit eindringlichen Streichern in schön dosierter Melancholie endet. Und, wie hat sich „Lack Of Light“ abschließend als Gesamtpaket geschlagen? Fakt ist, dass der erste Langspieler der Heilbronnerin quasi keinerlei nennenswerte Schwächen, dafür aber den typischen „Lord Of The Lost“-Charakter aufweist, dessen Einfluss zumindest klanglich nicht zu leugnen ist. Hier hat das prominente Produzenten-Team unüberhörbar seinen uniquen Stempel aufgedrückt, was die Fans der Hamburger Allstars-Fraktion sicher freuen wird. Dennoch bieten die insgesamt zwölf Tracks mehr als genug Eigenständigkeit und Persönlichkeit und lassen „Scarlet Dorn“ verdiente Bühne, die mit ihrer fanatischen Stimme voller Wiedererkennungswert jeden Song zu einem Hit werden lässt: Dunkel, romantisch, verträumt, sexy, gefährlich und stark. Ein sehr erwachsenes, überzeugendes und rundes Debüt, das die junge Frau völlig zurecht in der Konkurrenz innerhalb der Szene etablieren dürfte.
Informationen:
http://scarletdorn.de
https://www.facebook.com/scarletdornofficial/
Stoneman - Geil Und Elektrisch (2018)
Genre: Metal / Alternative
Release: 07.09.2018
Label: Massacre Records
Spielzeit: 41 Minuten
Fazit:
„Wir sind nicht alleine, wir sind nicht alleine. Wir sind wie die Steine in einem Haus. Einen Stein ganz alleine, den kann man wohl tragen, doch keiner trägt ein ganzes Haus!“, hieß es zuletzt noch im Titeltrack des letzten Studioalbums und tatsächlich konnten sich die 2004 in der Schweiz gegründeten Senkrechtstarter von „Stoneman“ seitdem eine beeindruckende Fangemeinde aufbauen. Im Jahr 2006 mit dem Debüt „Sex, Drugs, Murder“, sowie deren direkten Nachfolgern „How To Spell Heroin“ und „Human Hater“ noch im englischsprachigen Dark Rock beheimatet, lief die Band mit ihrer „Goldmarie“ 2014 zur NDH über, was ihnen ebenso verstärkt verdiente Aufmerksamkeit zukommen ließ, wie auch die nachfolgende Support-Tournee mit „Megaherz“. Ihr bisheriges Release-Highlight erreichten die umtriebigen Vier dann mit dem schlicht betitelten „Steine“, unter der Obhut des renommierten Szene-Labels NoCut, mit deren wohl bekanntestem Zugpferd, „Mono Inc.“, sie sich fortan für zahlreiche Konzerte die Bühne teilten. Seitdem ist viel passiert. So stand man etwa bereits gemeinsam mit „Wednesday 13“, den „Deathstars“ oder auch „Böhse Onkelz“ auf den Brettern und verdingte sich bei namhaften Festival-Gigs, wie dem Castle Rock, Feuertal, Autumn Moon und sogar auf dem Wacken Open Air. Der Stein war wortwörtlich endlich ins Rollen gekommen. Zwei Jahre später, um konkreter zu werden, am 07.09.2018, schicken sich Schlagzeuger Rico H, der erst jüngst mit dem Projekt „AnnA Lux“ von sich reden machte, Bassist Dee, Gitarrist Ypsilon und Sänger Mikki Chixx an, bei Massacre Records ihr nunmehr sechstes Studioalbum zu releasen: „Geil Und Elektrisch“. Produziert vom eigenen Drummer im heimischen Studio auf Mallorca und gemischt von „Erdling“-Mastermind Nils Freiwald. Für viele Fans mit Sicherheit eine willkommene Überraschung, war doch lange Zeit lediglich eine EP mit rein elektronischen Versionen bekannter Titel kommuniziert worden. Umso schöner also, gleich zehn komplett neue Songs in den Händen halten zu dürfen oder erwartet den Hörer hier bloß schnell veröffentlichtes Ausschussmaterial? Mitnichten, denn nur so viel: „Geil“ ist das aktuelle Werk der Schweizer in jedem Fall... Und ein bisschen „Elektrisch“ zudem auch!
Das macht eingangs sogleich „Dein General“ mehr als deutlich, dessen sehnlichst erwartete Ankunft zunächst einmal von einer fordernd dröhnenden Synth-Melodie markiert wird, bevor kurz darauf das klar donnernde Schlagzeug seinen Einsatz feiert. Der offizielle Startschuss für ein brutales Riff-Schlachtfest zwischen aggressiv schreddernden Saiten und dominante Textzeilen. Präsentierte man sich auf dem Vorgänger zuweilen noch eher handzahm und leicht verpoppt, so werden jetzt definitiv wieder ganz andere Pfade beschritten, die sofort keinerlei Zweifel mehr an mangelnder Härte lassen und einen klaren Verweis darauf liefern, in welche Richtung es fortan gehen soll. Hier werden keine Gefangenen mehr gemacht! Nicht weniger erbarmungslos walzt anschließend auch „Niemandsland“ voran. Durchsetzt von exotisch anmutenden Streicher-Einsätzen, die wie brennende Dornen ins wunde Fleisch einer kranken Gesellschaft stechen, preschen die harschen Gitarren ungnädig in die Gehörgänge. Die Strophen nehmen bewusst etwas an Tempo heraus, bieten der dunkel fauchenden Stimme von Chixx und der sarkastischen Kritik am medialen Geltungswahn genügend Freiraum. Im typisch charakterisierten Refrain verkehrt sich jener dann in einen melodisch-hypnotischen Gesang, der sofort alles mitreißt. So auch der folgende Track, welcher zwar merklich weniger rasenden Dampf unter der Haube hat, sich dafür aber einem stark drückenden und mächtig stampfendem Takt hingibt. Im Hintergrund surren derweil giftige Electro-Spitzen, den rücksichtslosen Egoismus der bitterböse speienden Lyrics bedrohlich zu untermalen: Ich gehe dir „Fremd“, weil ich dich nicht mehr sehen kann! Eine echte Hymne gibt es danach mit „Tiefschwarz“: Diese Power-Ballade kommt eingangs mit fein perlenden Synthie-Tupfern daher, wird in den Strophen dann von marschierenden Drums durchsetzt und explodiert in einem leidenschaftlich intonierten Refrain. Wohl eines der schönsten und authentischsten Bekenntnisse zur schwarzen Szene, die oftmals so viel mehr als nur Musik sein kann und sich als infizierendes Lebensgefühl wohl auch längst in so manch anderem Herzen manifestiert haben dürfte. Das brettharte „Tanzmusik“ liefert einige schöne Breaks im Tempo, das hier immer wieder zwischen zerrendem Berserker-Riffing und pointiert gesetzten Ruhepolen pendelt. Die variable, gedoppelte Stimme spielt zusätzlichen Facettenreichtum aus. Der Text atmet deutlich den Spirit der schweißtreibenden Live-Shows, für welche diese Nummer wie prädestiniert ist und es wird klar: „Alle müssen tanzen, ob sie wollen oder nicht!“. Vorsichtig, jetzt wird es „Geil Und Elektrisch“: Monoton flirrende Synthies leiten den bitterbösen Titeltrack ein, wenig später gibt das druckvolle Schlagzeug den Takt vor. Nur kurz blitzt hin und wieder die Gitarre auf, ansonsten regieren pochende Rhythmen und augenzwinkernd lüsterne Zeilen über eine androide Zukunftsvision, die vielleicht gar nicht mehr allzu fern ist. Bizarre, kühle Keyboard-Sounds scheinen die Zeit für wenige Augenblicke einzufrieren, bis im rohen Chorus ein metallisches Gewitter über den Hörer hereinbricht. So kennt man die vier Schweizer! Zum brachialen „Fass Mich Nicht An“ rollt abermals eine ungnädige Welle voll instrumentaler Erbarmungslosigkeit und lyrischem Hass aus den Boxen, die in ihrem Arrangement etwas an „Beiss Mich“ von den Genre-Kollegen „Megaherz“ erinnert und genauso gewohnt kurzweilig zum rocken einlädt, wie auch das fast schon NDH-typische „Alles Gute“, ein äußerst feuriger Höllengruß. Nicht weniger fordernd geht es bei „Für Immer“ zu, dessen anfänglich nervöse Electro-Einschübe sogleich wieder vom Gitarren-Sturm abgelöst werden. In den Strophen regiert jeweils der Bass und baut sich langsam immer weiter auf, um dann in einem weiteren Nackenbrecher zu resultieren. Der jähe Abschluss gebührt „Worte“, das im Stil von „Dein Geheimnis“ und „Der Rote Vorhang“ einen gelungenen Ruhepol setzt. Eine sanft plätschernde Synthie-Melodie stellt dafür das Fundament, zum Chorus kommen dann noch tragische Streicher hinzu und ziehen die melancholisch behaftete Dramaturgie der klagenden Lyrics gekonnt bis zum Maximum an, nur um danach wieder abzuflachen. Ein wirkungsvoller Akzent, der gerade durch seine finale Position in der ansonsten eher schwermetallisch orientierten Tracklist ganz besonders Eindruck hinterlässt. Neben erwähnten Songs, finden sich darüber hinaus noch zwei sehr schöne und extrem tanzbare Electro-Edits zum Eröffnungs- und Titellied, die weit mehr als nur bloße Remixe sind. Wer es bis jetzt noch nicht verstanden hat: „Stoneman“ sind endlich in gewohnter Form zurück. Unangepasst, roh, zügellos und vielleicht sogar härter, als jemals zuvor. Dein General befiehlt: Leg‘ das Geld auf den Ecktisch und kauf dir die „Geil Und Elektrisch“!
Informationen:
http://stonemanmusic.ch
https://www.facebook.com/stonemanmusic/