Darkness On Demand - Unplaces - Melotron (2018)
Darkness On Demand - Post Stone Age Technology (2018)
Genre: Electro / Alternative
Release: 23.02.2018
Label: Repo Records
Spielzeit: 55 Minuten
Fazit:
„Get me out of suburbia, there is no harder way to grow up than there. Forget the values, all the silly games, all the stupid aims. They want you to play!“, hieß es in einem bekannten Song des Kult-Electro-Projekts aus den 90ern. Im Jahr 1989 von Andreas Goldacker und Gary Wagner in der Hauptstadt gegründet, kennzeichnete das vielbeachtete Debüt „3001“ des ambitionierten EBM-Projekts gleichzeitig auch die erste Veröffentlichung aus dem Hause des berühmten Szene-Labels Machinery Records überhaupt. Die Wege führten die Formation danach unter anderem noch zu Polydor und Synthetic Symphony, fünf weitere Studioalben waren die Folge. Danach wurde es leider zunehmend still um die Berliner Pionier-Fraktion und man legte das Schaffen vorerst auf Eis. Ganze sieben Jahre später kehrt man nun unter anderem Namen und mit teils neuer Besetzung überraschend zurück, geblieben sind dabei neben dem markant-unverwechselbaren Sound auch die Initialen von damals. Und so hebt das illustre Trio aus Chris L. („Agonoize“, „Funker Vogt“, „The Sexorcist“), Heike „Falgalas“ Duus („Winterhart“) und Gary Wagner („Winterhart“, „Black Rock“) nach seiner vielversprechenden EP „City Of Dreamers“ am 23.02.2018 endlich das Quasi-Debüt über Reporecords aus der Taufe: „Post Stone Age Technology“. Lasset das Comeback beginnen!
„I Don‘t Need Anybody“ besticht direkt zu Beginn mit drückend brachialen Sounds, die im mittleren Tempo angesiedelt sind, nur um danach von der sanften Stimme des Sängers konterkariert zu werden. Ein krachiger Einstieg, der die thematisierte Isolation deutlich hörbar macht. Das bereits erwähnte „City Of Dreamers“ fungierte jüngst noch als erste Vorab-Single, gibt sich an der ersten Sekunde hypnotisch und saugt den Hörer mit seiner psychedelischen Ader in die Irrungen und Wirrungen gedankenverlorener Träume, ohne jeglichen Bezug zur Realität. Dieser Song wurde ganz offensichtlich zurecht als repräsentativer Vorgeschmack ausgewählt und eignet sich als Kandit für jeden schwarzen Dancefloor ideal. Mit „Back To Psychoburbia“ gibt es dann eine Hommage an das 1992 veröffentlichte, zweites Album. So schlägt man gekonnt eine Brücke zwischen den beiden Projekten, verknüpft Alt und Neu, was vor allem auch in musikalischer Hinsicht durch den verstärkten Fokus auf EBM mit seinen stampfenden Beats und verzerrten Vocals deutlich wird. Ebenso treu bleibt man seinen Wurzeln bei der packenden Band-Hymne „Dance Or Die“, bevor es mit „Take It From The Rich“ dann so richtig düster wird. Die archaisch wütende Nummer setzt zeitweise immer wieder auf aggressive Shout-Einlagen und wild donnernde Disharmonien, die sich in einer stetig zuspitzenden Atmosphäre vertiefen. Der Titeltrack „Post Stone Age Technology“ führt wiederum den harschen Industrial-Sound ins Feld und geht trotz seiner omnipräsenten Härte schnell ins Ohr. Auch „Bloody Bleed“ könnte dem ein oder anderen interessierten Hörer bereits von der EP bekannt vorkommen, nämlich durch seinen sogenannten „Kunstwerk“-Remix. Die recht behäbige Geschwindigkeit ändert nichts daran, dass dieser nicht minder dunkel daherkommt, als auch die Vorherigen. „Dark Dreams“ macht seinem Titel im Folgenden alle Ehre und erbaut mit geisterhaften Stimmfragmenten und Glockenläuten kurzerhand eine mystische Atmosphäre. Die sphärischen Synth-Flächen verleihen dem Arrangement einen uniquen Touch und lassen es fast schon wie eine sonderlich experimentelle Ambient-Collage aus tiefer Bedrückung, beunruhigenden Visionen und kaltem Unbehagen erscheinen. „Chain Reaction“ verdeutlicht hingegen eine unüberhörbare Message und verkündet die Rückkehr des Trios glorifizierend. Darüber hinaus sind die selbstbewusst kämpferischen Lyrics als eine versinnbildlichende Ode an den Wandel des Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen zu verstehen. Oftmals ziehen bestimmte Aktionen unberechenbare Reaktionen nach sich und eins führt unweigerlich zum anderen. Der ewige Kreislauf ist klar definierte Physik, unser Dasein und unsere Handlungen manchmal nicht mehr, als bloße Kettenreaktionen unserer selbst... Und doch wird es immer weitergehen! „Believe In Yourself“ beschwört gemäß seines Titels sodann eine grundlegend positivere Message herauf und appelliert an den inneren Glauben an sich selbst. Passend zum thematischen Ausgangspunkt geht es hier in einem angenehmen Maße merklich poppiger zu, was sich unter anderem durch die Hinzunahme bombastischer Chöre schnell herauskristallisiert. Gleiches Konzept gilt auch für „Forever“ und „I Don‘t Believe“, die beide ebenso viel philosophisches Licht in sich tragen und jenes in die Welt der Finsternis bringen, um dieser alle Schatten endgültig auszutreiben. Das Ergebnis von „Post Stone Age Technology“ ist die faszinierend homogene Verquickung von bretthartem EBM mit pointiert eingeflochtener Melodiösität. Die Arrangements weisen ausnahmslos eine überraschend breite Palette aus druckvollen Beats und zugleich feinfühliger Eingängigkeit auf, was zwar zunächst in einer etwas gewöhnungsbedürftigen, dann aber umso interessanteren, da abwechslungsreichen Melange fernab des gewöhnlichen Standards resultiert. „Darkness On Demand“ sind neuformiert wieder da und kredenzen sowohl ihren Alt-Fans als auch allen möglichen Neulingen, ein wirklich gelungenes Werk zur feierlichen Reunion, welches seinen Weg in die schwarzen Clubs gewiss finden wird. Also: „Tanz oder stirb!“.
Informationen:
http://darknessondemand.com
https://www.facebook.com/darknessondemand/
Unplaces - Changes (2018)
Genre: Electro / Rock / Alternative
Release: 01.06.2018
Label: Tangrami Records
Spielzeit: 58 Minuten
Fazit:
In seiner nicht selten knappen Freizeit eine eigene Musik-Homepage zu betreiben, bedeutet wie zuletzt bei den umfangreichen Vorbereitungen zu den neuen DSGVO-Richtlinien oftmals einiges an zusätzlichem Stress, hält auf der anderen Seite aber mindestens auch genauso viel Schönes für den gewillten Rezensenten bereit. Auch wenn ich es nach rund drei Jahren noch immer als recht ungewohnt empfinde, dass sich Labels oder Künstler mittlerweile eigenständig an mich wenden und mir ihre vorzustellenden Exemplare vorschlagen, ist es für den vielseitig Interessierten darüber hinaus ein äußerst angenehmer Nebeneffekt, durch seine Arbeit unweigerlich mit Neuem in Berührung zu kommen, welches man zuvor noch gar nicht auf dem Schirm hatte. So erreichte mich jüngst etwa überraschend eine Mail der PR-Agentur bangup bullet aus Berlin, das mich über die vorausgehenden Singles und natürlich auch das folgende Album selbst informierte. Bei der anschließenden Recherche stellte sich schließlich heraus, dass es sich dabei um eine junge Band aus Bochum und Hannover handelt, die sich im Jahr 2012 gegründet hat und musikalisch in einem vielseitigen Spektrum aus Wave, Electro, Rock, Post Punk und Indie beheimatet sind. Derlei umfangreich gestaltete sich demnach meine Suche nach mehr Informationen und die anschließende Beschäftigung mit dem doch seh vielseitigen Schaffen, welches sich fraglos als schlüssiges Gesamtkunstwerk aus stimmungsvollen Visuals, konzeptioneller Leitfaden-Thematik, melancholisch-kritischer Grundphilosophie und komplexen Melodien bezeichnen darf. Ganz besonders interessant, war zudem der unglückliche Umstand einer ungewollt selbsterfüllenden Prophezeiung, die den kommenden Zweitling gleich in mehrer Hinsicht begleiten sollte. Frei nach der Maxime, „Die Geister, die ich rief.“: Namentlich ursprünglich als „NRT“, was für das Kustwort „Unorte“ ohne Vokale steht, aus der Taufe gehoben, folgten alsbald handfeste Probleme, in Form medial konkurrierender Übersättigung. Das ehrgeizige Projekt drohte ob des Informationsflusses im Netz unterzugehen, denn nur wenig später etablierten sich artverwandte Suchbegriffe, wie etwa „NRT-Sports“, -News“ oder -Movies“ und positionierten sich in den Ranglisten der weltweiten Trefferergebnisse weit oben. Eine einschneidende Veränderung musste somit dringend her, jedoch möglichst ohne eine komplette Umorientierung oder Verabschiedung von den einstigen Wurzeln und so wurden die ehemaligen „Unorte“ zu den „Unplaces“, fortan die neue Heimat der vier Musiker Schlagzeuger Daniel Fasold, Keyboarder Simon Rosteck, Bassistin Petra Franetzki und Sängerin Dorette Gonschorek. Und auch ansonsten befasst sich das zweite, ungemein passend mit „Changes“ betitelte, Album mit dem krankhaften Streben nach konstanter Weiterentwicklung und Veränderung, gesellschaftlichen Ikarus-Höhenflügen und dem beständigen, ja fast schon gierigen Streben nach Mehr, dem stets unerreichbaren Maximum. Die Devise lautet klar, „Höher, schneller, weiter“, doch unsere festgenagelten Scheuklappen lassen wie im wahnsinnigen (Tiefen-)Rausch nicht annähernd erahnen, was genau um uns herum alles geschieht und somit übersehen wird. Denn sind es nicht wir, die wie in einer von Menschenhand geschaffenen, dystopischen Zukungstvision auf der Strecke bleiben, wie blind auf den Abgrund zu- und bald hinabstürzen, uns verlieren und vielleicht nie wieder einholen?
Davon erzählt etwa das anfangs von schwer schleppenden, metallischen Gitarren getragene „Utopian Dream“, welches seinen konträren Ruhepol innerhalb der Strophen findet und in diesen hauptsächlich vom verzweifelt anmutenden, herzzerreißenden Gesang getragen wird und so die Balance zweier Stile stimmungsvoll austariert. Das folgende „Escape“ hingegen wird von sphärisch flirrenden Synthie-Flächen bestimmt, über welche sich schon bald ein dezentes und doch hintergründig rhythmisch groovendes Bassspiel legt, das zum Hauptpart von filigranem Saiten und einem Trompetenspiel abgelöst wird. Das bereits rezitierte „Changes“ ist der titelgebende Track, eingeleitet durch futuristische Vocoder-Samples, die alsbald von pulsierenden Electro-Teppichen ersetzt werden. Enorm eingängige Melodien konkurrieren hier mit einem eher kantigen Strophenaufbau und ergeben sich schließlich in einen exotisch-epochalen Strudel der Elemente und einen hypnotisierenden Chorus. Deutlich anders ist „The Left Behind“, das einen bewusst monoton gehaltenen Aufbau mit anklagenden Lyrics in einen stimmungsvollen Kontext bringt, sodass dieser Tage wohl kaum eine Frage gewichtiger erscheint, als die gebetsmühlenartig betonten Zeilen, „Who looks after the lost?“. Noch mehr Isolation versprüht „Lost In Space“ und vertieft das erdrückende Gefühl, in diesen Zeiten gemeinsam allein zu sein, nur noch mehr. Die aktuelle Single, „Such A Shame“, dürfte für einige Hörer mitunter schon längst ein alter Bekannter sein, wenn auch nicht unbedingt von „Unplaces“ selbst. Das Cover des berühmten „Talk Talk“-Klassikers aus den 80ern kommt mit seinem Beat im mittleren Tempo vordergründig leichtfüßig daher. Pointiert eingesetzte Synthie-Melodien und straight powernde Gitarren wahren den besonderen Spirit des Originals, was nicht zuletzt Gonschoreks Gesang zuzuschreiben ist, der sich ganz sicher nicht vor dem unvergleichlichen Charme der Vorlage zu verstecken braucht. Einfach weil er zwischen drückender Schwermut und hoffnungsvoller Zukunftsvision genau die richtigen Fragen zur scheinbar falschen Zeiten stellt. Fragen, auf die wir bis jetzt zwar noch keinerlei Antwort haben, mit denen wir alle uns damals wie heute aber endlich dringend beschäftigen sollten. Mit „Reset“ wird es erstmals bedeutend ruhiger. Die Strophen werden von einer sanften Klaviermelodie, fiependen Sounds und fragilem Gesang getragen, der die bloße Zerbrechlichkeit greifbar macht, bis zurückhaltende Drums im Hintergrund einsetzen und das Tempo konstant, aber dennoch angenehm anziehen und in einem rhythmisch schwungvollen Refrain resultieren. „Downshifting“ ist wieder düsterer und punktet mit tief gestimmter Elektronik, mystischen Saitenfragmenten und verzerrter Stimme. Klassische Strukturen sind nicht zu erkennen, was dem Song aber keinen Abbruch tut und ihn viel eher als eine Art unkonventionelles Interludium für sich stehen lässt, bis „Insight“ unbefangen und doch passend kühle Pop-Allüren aufzeigt. „Mister Bot“ schlägt wiederum einen gänzlich anderen Pfad ein und repräsentiert die volle Rock-Schlagseite. Abwechslungsreichtum wird hier ganz offensichtlich groß geschrieben! Zerrige, hauchdünne Riffs und wabernde Elektronik kreieren bei „Freedom“ eine durch und durch bedrohliche Atmosphäre, die sich aber dennoch mit sonderbar einprägsamen Tunes immer wieder schwungvoll aus ihren klaustrophobischen Sphären hinauskatapultiert, was ein Wechselspiel aus auditivem Licht und Schatten gleichkommt. Gonschorek krönt die Zeilen mit ihrer mahnenden Stimme zur essenziellen Sinnfrage. „Die Freiheit ist eine Pflicht!“. Zum Finale rufen das kantige „Pseudo Reality“, welches einen Dialog zwischen cleaner Intonation und intelligent gewählten Samples vor dem inneren Auge zeichnet, sowie „Against Ourselves“ mit seinen reservierten, kalten Synthie-Salven. Der Vorhang zum endgültigen Abschluss fällt mit „Open End“, einer intimen Klavier-Ballade und zugleich reduziertes Outro. Wie es mit uns allen weitergeht, wenn sich nichts ändert, bleibt weiterhin offen... Für wen sind „Unplaces“ also etwas? Schwer zu definieren, aber Freunde und Liebhaber von „Relate“, „Ashbury Heights“, „IAMX“, „Anne Clarke“, „Editors“ oder auch den aktuellen „Depeche Mode“ dürften dem eigenwillig-einzigartigen Sound der nordrhein-westfälisch-niedersächsischen Freundschaft wohl durchaus zugetan sein. Für mich persönlich ist „Changes“ jedenfalls eines der bisher spannendsten, da unberechenbarsten und komplexesten Veröffentlichungen des aktuellen Jahres. Ein Album, das trotz der bewährten Vielschichtigkeit seine eigentliche Ohrwurmgarantie mit jedem weiteren Durchgang erschließt und mit immer neuen und kleinen, aber dafür umso gewichtigeren Details zum Erkunden und Entdecken lockt. Der weit gefasste Themenkomplex ist keine leichte Kost und drückt mit der kritischen Frage nach Sinn und Selbstbestimmtheit in Zeiten von zunehmender Medialisierung, Informationsflut, Globalisierung und zügellosem Konsumzwang streckenweise arg aufs Gemüt. Können wir eigentlich noch mit dem von uns selbst geschaffenem, permanentem Wandel der Gesellschaft Schritt halten oder besser mit den Worten des Titelstücks gefragt: „What are changes for?“. Findet es heraus... Kommt und besucht die Unorte!
Informationen:
http://www.unplaces.de
https://www.facebook.com/Unplaces
Melotron - Für Alle (2018)
Genre: Electro / Pop / Alternative
Release: 29.06.2018
Label: Out Of Line (rough trade)
Spielzeit: 49 Minuten
Fazit:
Für lange Zeit herrschte Stille, doch damit hat es jetzt endlich ein Ende... Wer sich trotzdem nicht so recht erinnern will oder unter sehr unwahrscheinlichen Umständen gar noch nie etwas von diesem Trio gehört hat, bekommt hier im Folgenden nun wie gewohnt eine kleine Auffrischung: Im Jahr 1991 ursprünglich als „The Vermin“ in Neubrandenburg bei Mecklenburg-Vorpommern gegründet, änderte man seinen Namen aufgrund vermehrt bis ausschließlich deutschsprachiger Texte, schon bald zum bis heute bekannten „Melotron“. Das nationale Synthie-Pop-Gespann aus den beiden Tastenmännern Kay Hildebrandt, Edgar Slatnow und Sänger Andy Krüger konnte sich von den damaligen Anfängen bis zum heutigen Tag eine immer größere, vor allem aber internationale Fangemeinde erspielen, gehört mittlerweile verdientermaßen zu den bekanntesten und beliebtesten Acts ihres Genres, was mitunter zu einem nicht allzu geringen Anteil etwa in den gemeinsamen Konzerten mit anderen Größen der schwarzen Szene, wie beispielsweise „Blutengel“ und „And One“, umjubelten Shows in ganz Europa und Amerika oder auch der Teilnahme am Bundesvision Song Contest begründet liegen dürfte. Zudem wird dem engagierten Dreigestirn seit seinem einstigen Debüt „Mörderwerk“ regelmäßig von einem namhaften Produzenten-Team der Rücken gestärkt: So arbeiteten Krüger und Co. von Beginn an eng mit Olaf Wollschläger zusammen, ab 2006 dann zusätzlich mit Dirk Riegner. Nach insgesamt zwölf Singles, vier EPs, sechs regulären Studioalben, ihren eigenen US-Versionen und zwei Re-Releases bereits vergriffener Tonträger, bat man seine langjährigen Fans und potentielle Neuhörer im Sommer 2014 schließlich zur umfassenden Retrospektive mit „Werkschau“, welche neben dem Besten in teils neu arrangiertem Gewand, insbesondere auch einige B-Seiten und viel Rares auf der zweiten Disc enthielt. Noch während den unter Hochdruck stattfindenden Arbeiten an neuem Material, ging es dann Ende 2016 und Anfang 2017 in vier exklusiv ausgewählten Clubs auf „Für Alle“-Konzertreise. Der wohl beste Weg, um neben dem Studio wieder etwas geliebte Bühnenluft schnuppern, die Reaktionen der Besucher auf die kommende Musik hautnah erleben und mit exakt diesen Erfahrungswerten fortan experimentieren zu können. Dass dieser luxuriöse Vorteil die Herren bestimmt nicht gerade wenig zum Perfektionieren und Abrunden der insgesamt elf neuen Stücke eingeladen hat, ist dabei offensichtlich. Auf ihrem lange mit Spannung erwarteten, neuen Release kredenzen „Melotron“ jedenfalls ein weiteres Mal ihre ganz eigene, unverkennbare Inkarnation moderner, elektronischer Popmusik, die am 29.06.2018 über Out Of Line erscheint.
Ein sanftes Pulsieren mystischer Elektronik schleicht sich zunehmend aus dem Nichts an, immerzu von scharfen Sound-Fetzen zerschnitten. Mit einem plötzlichen Rauschen legt sich schließlich die ruhige Stimme von Andy Krüger über die ersten Zeilen, bis donnerndes Drumming marschierend nach vorn prescht und die Reise des Hörers somit sorgsam arrangiert vorbereitet, durchsetzt von unterschwellig brodelnder Sozial- und Gesellschaftskritik. Eine beeindruckend mitreißende Ouvertüre mit ganz viel Atmosphäre... „Willkommen“ auf der Erde! Seid ihr bereit? Sehr gut, denn genau jetzt tun wir das, was schon lange nötig war und stellen wieder „Alles Auf Anfang“. Dieser Song kommt im stampfenden Mid-Tempo daher und gibt sich sowohl in instrumentaler als auch lyrischer Hinsicht zunächst dringlich-düster, bis uns der zart vorgetragene Refrain doch noch einen hellen Hoffnungsschimmer am Horizont aufzeigt. „Vielleicht sind wir nicht zu retten, weil wir nicht zu retten sind?“. Das nachfolgende „Menschen“ zieht Tempo und Härtegrad dann gleichermaßen wieder zügig an und kommt im besten Stil eines „Du Bist Es Nicht Wert“ daher. Zu knallenden Beats, feinsinnigen Synthie-Sounds und majestätischen Hörnern köchelt die zynische Beleuchtung unserer Existenz, formschön verpackt in einen wummernden Electro-Hammer allererster Güte. Ein pumpender Takt grundiert die Basis von „Junkie“, pointiert flirrende Klänge sorgen unterdessen mit kleinen Details dazwischen für das gewisse Extra und bereiten eine sehnsuchtsvolle Ballade vor, doch bevor man sich in heimeliger Sicherheit wähnen könnte, gibt es mit „Wo Ist Dein Problem“ gleich die nächste, bissige Breitseite mit persönlich motiviertem Einschlag. Auch hier gelingt die ureigene Gradwanderung aus kantiger Finesse und ohrwurmig tanzbarer Gefälligkeit. Geht nicht? Gibt’s doch! Bei „Hätte, Wenn Und Aber“ fügt sich dann treibend moderner Dance-Sound in den „Melotron“-Kosmos ein. Der textlich absichtlich monoton gehaltene Anwärter auf die Tanzflächen, spielt nur zu gern mit scheinbar wenig kompatiblen Übergängen, zwischen club-affinen Kernelementen und orchestralem Bombast. „Der 2. Planet“ zeigt sich als reines Instrumentalstück und fungiert als perfekt gesetztes Bindeglied neben den Songs. Wuchtig dröhnende Trommeln, kreischenden Sirenen und exotische, engelsgleiche Choräle erschaffen die Immersion eines Aufbruchs in eine andere, vielleicht ja bessere Welt. Für den geneigten Cineasten könnte dieses Interludium wohl genauso gut als spektakulär inszenierter Soundtrack für den nächsten Science-Fiction-Blockbuster durchgehen, in atmosphärischer Hinsicht definitiv ein klarer Mehrwert. „Sleep Well“ lässt sich am ehesten wohl als klassischer New Wave mit technoiden Anreicherungen bezeichnen, wohingegen „Eigentlich“ alles andere als Gewöhnlich ist: In den ersten Sekunden erweckt man hier noch den Eindruck von einer emotionalen Klavier-Ballade, welche in Wahrheit aber viel mehr ein äußerst gewöhnungsbedürftiger Hybrid ist, der sich mit seinem leicht schiefen Gesang wohl nicht so recht zwischen spaßig-rotzigem Punk, charmantem Klamauk und kitschiger NDW entscheiden kann. Wen das eventuell etwas irritiert hat, wird mit „Und Dafür“ vermutlich wieder warm. Dieser Track kommt deutlich klassischer daher und präsentiert sich als romantisch angehauchter Up-Tempo in gewohnter Manier. „Dein Glück“ verweist als elfter und somit letzter Song endgültig auf die Zielgerade. Mit über sieben Minuten steht uns hier ein echter Langzeit-Epos ins Haus, welches ausgesprochen viel Feingefühl in seine verträumten Passagen investiert, die sich sodann über futuristische Strukturen erstrecken. Eine zweischneidige Liebeserklärung an das Leben selbst, die mit dem beruhigenden Wissen zurücklässt, dass hier auf Erden zwar offensichtlich noch längst nicht alles rund läuft, ein jeder Bewohner aber dennoch dazu im Stande ist, sich sein eigenes Biotop aus Hoffnung, Zufriedenheit, Liebe und eben Glück schaffen und in diesem fortleben zu können. „Melotron“ stehen seit jeher für sympathische, manchmal durchaus etwas verschrobene, elektronische Alltags-Hymnen. Irgendwo zwischen Ohrwurm, Dancefloor und menschlichen Emotionen, angereichert mit cleverer Beobachtungsgabe und einer einzigartigen Energie. Viel zu lange mussten die Fans des deutschen Synth-Pop-Trios auf sein neues Album warten... Jetzt wird endlich Abhilfe geschafft. Der offizielle Pressetext behält fürwahr Recht, denn so eingängig, tanzbar, homogen und dabei doch intelligent haben sich die Drei aus Neubrandenburg schon lange nicht mehr präsentiert. Also? „Melotron“ für alle!
Informationen:
https://www.melotron.com
https://www.facebook.com/Melotron.offiziell/