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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Funker Vogt - Code Of Conduct (2017)


Genre: Electro / EBM / Alternative

Release: 02.06.2017

Label: Repo Records (Alive)

Spielzeit: 71 Minuten

Pressetext:

Vier Jahre nach dem letzten Album "Companion in Crime" melden sich "Funker Vogt" mit neuem Frontmann Chris L. ("Agonoize" / "The Sexorcist"), mit einer neuen Single und einem neuen Album zurück.

Die Band um Gerrit Thomas und Rene Dornbusch beweist wieder einmal mehr, warum sie ihren festen Stand in der oberen Spitze der Szene verdient hat und liefert neues Futter für die Tanzflächen der Welt. Mit Tanzflächen füllenden Songs wie "Tanzbefehl", "Phönix" oder "Kampfbereit" über fast melancholische Tracks wie "Für immer" oder "Armed & Dangerous" bis hin zur hymnenhaften ersten Auskoppelung "Der letzte Tanz" zeigen Funker Vogt einmal mehr, dass sie zum Who is Who der Darkelectro Szene gehören und nichts an Tanzbarkeit und Härte eingebüßt haben.

"Funker Vogt" 2017, vielschichtiger denn je. Tanzbefehl, wenn der Funker kommt!

Kritik:

"Wenn das letzte Mal die Melodie erklingt

Und auch das letzte Kind nicht mehr von Hoffnung singt

Wenn der letzte Ton in tiefe Stille sinkt

Dann musst auch du verstehen

Es ist jetzt Zeit zu gehen"

Zwar ist die nachfolgende Einleitung durch die Rezension zur Collector's Edition der "Navigator" schon seit einigen Wochen auf diesen Seiten bekannt, durch ihre anhaltende Aktualität erlaube ich mir jedoch, mich an dieser Stelle eingangs einmal selbst zu rezitieren: Feuer über den Wolken, Stürme am Himmel, Fluten auf Erden - Nichts hält uns auf. Wir stürmen vorwärts, für alle die uns wichtig sind!". Fasst man den bisherigen Schaffenszyklus des legendären Hamelner Aggrotech-Duos einmal genauer ins Auge, mag es tatsächlich ganz so erscheinen, als seien die weiter oben zitierten Textzeilen aus der Hymne "Vorwärts!" ein von Beginn an verinnerlichtes Leitmotiv. Denn auch oder gerade weil sich die konzeptionell aufgebauten Alben ihrer umfassenden Diskographie nicht ausschließlich auf eine perspektivisch entfernte Erzählung beschränken und viele der Thematiken sinnbildlich gleichwohl auch auf private Erlebnisse eines jeden Individuums übertragen werden können, sind "Funker Vogt" viel mehr authentische Berichterstatter ihrer selbst, denn plump effekthaschende Image-Träger. Den einzelnen Titel wohnt eine apokalyptisch gezeichnete Seele inne, deren Texte oftmals von grausam aussichtslosen Begebenheiten wie Angst, Leid, Gewalt, psychischen Abgründigkeiten, sowie nicht zuletzt eiskalten Kriegen und ihren Folgen bestimmt werden. Dabei wirkt man niemals realitätsfern oder gar unpassend parodistisch, sondern zeigt mit merkbar autobiografischen Zügen die Parallelen zwischen brutalen Schlachtfeldern und alltäglichem Überlebenskampf auf. So schlägt man eine Brücke zwischen zweier Welten, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten und doch viel mehr erschreckende Gemeinsamkeiten einen, als auf einen ersten, oberflächlichen Deut zu vermuten stünde. Einfach war es für die strittige Kombo wahrlich nie, bekam sie doch durch Business und Interna unweigerlich immerzu behindernde Steine in den Weg gelegt. Getreu den eigens beschworenen Werten, gab das Kollektiv um Sänger Jens Kästel und Gerrit Thomas mit seinem glaubhaftem Kampfgeist dennoch nie auf und arbeitete sich verdient zur Speerspitze des Genres hoch. Doch mit den Erfolgswerken "Blutzoll" und "Companion In Crime" auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen, zogen alsbald dunkle Wolken auf. Es kam zu erheblichen Unstimmigkeiten, private Dispute vermengten sich unweigerlich mit dem dem künstlerischen Aspekt und der einstige, so markante Frontmann Kästel verließ die Front. Die Funker ließen sich nicht unterkriegen und wagten mit einer neuen Stimme am Mikrofon, genannt "Sick Man", sowie der gleichnamigen Single einen fulminanten Neustart. Die Fangemeinde zeigte sich großteilig milde gestimmt, was sich mit der unfreiwilligen Enthüllung des Maskierten jedoch erheblich ändern sollte. Mit dem patriotischen Berliner Rock-Musiker Sacha Korn sorgte man für einen echten Skandal und gab in der logischen Konsequenz schließlich die Trennung von eben diesem bekannt. Lange Zeit danach war es still um die damaligen Vorreiter, aber damals wie heute war Kapitulation in Form einer Auflösung keine Option. So meldete man sich Ende 2016 mit einigen vielversprechenden Snippets in alter Stärke zurück und gab die künftige Zusammenarbeit mit Chris L., seines Zeichens Mastermind bei "Agonoize", "The Sexorcist" und "Dance Or Die", bekannt. Mit den mittlerweile abgeschlossenen Arbeiten an neuem Material und einer stets treuen, niemals zurückweichenden Anhängerschaft im Rücken, schicken sich "Funker Vogt" diesen Sommer wiedererstarkt an, mit militanter Ästhetik und harschen Beats die Tanzflächen dieses Landes zurückzuerobern!

Intensiv pulsierende Sounds dröhnen direkt zu Beginn harsch aus den Boxen und dringen bereits nach wenigen Sekunden tief ins Innerste durch, gehen ihrer Pflicht nach und sofort in Mark und Bein über. Das bedrohliche, rhythmische Knarren der Synthesizer vermengt sich schnell mit weiteren Klängen, steigt mächtig schallend an und steigert sich schließlich exzessiv, zu schweißtreibendem Dubstep mit schweren, brachialen Beats. Die unmissverständlichen Lyrics in deutscher Sprache verleihen dem angriffslustigen Kontext zudem zusätzlichen Nachdruck. Es ist genau jener abwechslungsreiche Schlagabtausch, zwischen vereinzelt ruhigen Momenten und dann wieder ruckartig schnelleren Phasen, welcher der instrumentalen Unberechenbarkeit mehr als nur zuträglich ist und hier somit ohne große Umschweife für eine stimmige Dramaturgie sorgt. Aus der Asche der Vergangenheit entsteigt, einem "Phönix" gleich, der neugeborene Funker... Ein durchweg imposanter Auftakt mit einem klaren Statement, das keineswegs fehlzudeuten ist: Die Ikone ist wieder zurück! Dass die Hamelner nicht ausschließlich nur ihre bloße Wiederkehr zelebrieren wollen, sondern sich darüber hinaus auch äußerst "Kampfbereit" zeigen, demonstriert der darauff olgende Song eindrucksvoll. Ein klarer Favorit für die Tanzflächen, welcher in schweren Zeiten wie diesen zudem die passende Message bereithält. Deutlich befreit von allen beengenden und gängigen Konventionen, exerziert man das freie Denken in seiner vollen Pracht und steht mit seinen Worten für ein von jeglicher Norm losgelöstes Ausleben des aktiven Seins, sowie der jeweils individuellen Interessen, Religion, Sexualität und politischen Ansicht eines jeden Individuums. Existenzielle Selbstverwirklichung und -entwicklung ohne jede Vorschrift! So lautet die Devise, die nicht nur ein klares Zeichen gegen die anmaßende Gesellschaft setzt, sonder viel mehr auch ein schmerzender Schlag in das Zentrum des Fanatismus ist. Was geschieht nach dem Tod eines geliebten Menschen und wie geht für die Angehörigen weiter? "Für Immer" gibt die Antwort und zieht das Tempo dabei weiterhin streng an. Seelisch zerrüttete Zustände, großer Schmerz und klaffende Leere sind Teil der hochsensiblen, umfassenden Thematisierung, dessen energetisch powernder Rahmen interessante Kontraste zum Inhalt setzt. Ein riskanter Akt der Balance auf dem dünnen Drahtseil der Zerrissenheit und Destruktivität. Ein letzter Blick zurück, hinaus auf der Dunkelheit und hinein in die Zukunft, wenngleich der Weg dorthin zunächst auch steinig scheint. "Tanzbefehl" ist danach eines der absoluten Highlights des neuen Albums und der Name hier definitiv striktes Programm! Insbesondere die Sound-Tüfteleien des Duos Gerrit Thomas und René Dornbusch wissen mitzureißen und bieten der rauen Stimmfarbe von Chris L. genau die richtige Basis. Überraschend und facettenreich wie selten zuvor, pendelt dessen Organ in den Strophen stets zwischen aggressiv und kokettierend. Diese lupenreine Clubnummer zieht, passend zum militanten Funker-Image, süffisante und schwarzhumorgie Parallelen, zwischen Musikbusiness, Bass-Gewitter, Konkurrenzkampf und den Geschehnissen auf den Schlachtfeldern. Ausdauernd feiert man das einzigartige, schwarze Zusammengehörigkeitsgefühl in Gänze und fordert die Massen zu ekstatischen Tänzen auf. Unverkennbar der Dancefloor-Filler und Szene-Hit von Morgen, der exakt das bestätigt, was die Fans des Kollektivs sowieso schon lange wussten: "Musik ist Krieg!".

"Wahre Helden" ist ein echter Funker-Titel nach Maß und bietet allein in soundtechnischer Hinsicht authentische Anleihen an die eigenen Veteranen-Wurzeln. Mit epischen Klängen und einer cineastisch konzipierten Gestaltung, widmet sich das Gespann einer von Grund auf heroischen Thematisierung. Man gibt sich pointiert, majestätisch und glorifizierend, immer bereit neue Hymnen im heimischen Kosmos zu erschaffen. Der fließende Wechsel zwischen den Rhythmen sorgt dabei für stete Abwechslung und konzentriert sich dennoch genauso sorgsam unterstützend auf die fürwahr heldenhaften Textzeilen, wie beim folgenden "Gladiator". Weiter geht es mit "Der Letzte Tanz", der ersten Single-Auskopplung, welche einem Großteil der Hörerschaft schon durch seine jüngste Veröffentlichung im Rahmen eines eigenen Lyric-Videos bekannt sein dürfte. Besonders herausstechend ist der zweisprachige Gesang, der im ersten Part der einzelnen Strophen zunächst in englischer Sprache daherkommt und dann fließend ins Deutsche übergeht. Die Zeilen transportieren eine nachdenkliche, schmerzverzerrte Sichtweise auf das Weltgeschehen, jedoch ohne dabei zu pathetisch zu sein oder gar in Kitsch abzudriften. Viel eher fährt das Musik gewordene Endzeit-Gefühl nahezu alle bekannten Facetten von "Funker Vogt" auf und weiß durch seine ausgewogene Mixtur aus hämmernder Tanzbarkeit, gediegenen Passagen, wohl akzentuierter Melancholie und selbstbewusster Stärke zu überzeugen. Bedrohlich und düster wird es dann mit "Armed And Dangerous", einem wütenden Stampfer mit kernigem Industrial-Einschlag und mächtigen Beats, wohingegen "Deutsch Bleibt Deutsch" im Anschluss gänzlich konträr auf den geneigten Konsumenten wirkt. Minimalistisch und gehörig antreibend, entfaltet sich der Track fast schon als oldschooliger, klassischer EBM in Reinform. Bewusst repetitiv eingesetzte Sequenzen treffen auf ein brodelndes Drum-Schema und wütenden Sprechgesang mit Shouts und einer kritischen Botschaft. Eine der härtesten Nummern auf dem Album! In einem vergleichbaren Terrain angesiedelt, wenn auch instrumental um ein Vielfaches abwechslungsreicher, ist "Brexshit". Hier nimmt das Trio die derzeitige politische Lage, deren drastische Folgen und Ausmaße ins Visier. Deren rostige Eckpfeiler, wie etwa der titelgebende Brexit, sind hier ebenso sehr ein Thema, wie der klare Aufruf zu einer eigenen Meinung und Widerstand. Die Kombination von einem recht komplexen Aufbau in direkter Verbindung mit dem intelligenten Text, erweist sich als sehr gelungen und bietet die Möglichkeit, sich den mannigfaltigen Hintergründen mit der nötigen Objektivität und einer weitreichenden Übersicht anzunähern. Es ist genau diese Art von Musik, die zum nachdenken anregen, bewegen und verändern kann! Aktuell und damit umso essenzieller für jeden Empfänger. Das fulminante Finale bilden zwei Lieder, wie sie in ihrer Machart unterschiedlicher wohl nicht sein könnten. Das elektrisierende "Superstar" kommt technoid und peitschend daher, zielt mit seiner dreckigen Attitüde und bebenden Vibes klar auf das zu bearbeitende Energiezentrum ab. Der kranke Wahn von High-Society und entrückter Scheinwelt fällt hier einer ganz eigenen Krisenbewältigung zum Opfer. Empfehlenswert. Das elegische "Kämpfer" hingegen, markiert die obligatorische Quasi-Ballade zum Abschluss. Dunkel, reduziert und damit perfekt ausgewogen, zeigt man sich hier nochmals von einer gänzlich anderen Seite. Gerade durch den Aspekt, im richtigen Moment nicht zu überladen arrangiert worden zu sein, gewinnt der Track enorm an Atmosphäre und berührt auf emotionaler Ebene. So erfüllt dieser Closer sein Ziel mit Bravour und trifft genau dorthin, wo er am effektivsten wachsen und wirken kann... Mitten ins Herz!

Tracklist:

01. Phönix

02. Kampfbereit

03. Für Immer

04. Tanzbefehl

05. Wahre Helden

06. Gladiator

07. Der Letzte Tanz

08. Armed And Dangerous

09. Deutsch Bleibt Deutsch

10. Brexshit

11. Superstar

12. Kämpfer

Fazit:

Feuer frei! Diesen Sommer ist es endlich wieder soweit und "Funker Vogt" melden sich mit ihrem neuesten Geniestreich "Code Of Conduct" zum erneuten Angriff zurück. Auf diesem agiert die Hamelner Kult-Band deutlich hörbar von allen Strapazen der letzten Jahre erholt und im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger "Companion In Crime" sogar streckenweise überzeugend innovativ. Nachdem vor etwa drei Jahren mit der Trennung von Frontmann Jens Kästel und seinem baldigen Nachfolger dunkle Wolken über der Institution aufzogen, schien der dessen weiterer Weg unklar und ein endgültiges Aus nicht unwahrscheinlich. Doch Thomas und Dornbusch ließen sich so schnell nicht unterkriegen und gingen ihren Weg mit festem Blick nach vorn weiter. Derart einschneidende Umstrukturierungen in Herangehensweise, wie auch personeller Besetzung und die damit verbundene Lösung von altbewährten Abläufen, ist tatsächlich keine leicht zu bewältigende Aufgabe, an der schon viele Formationen zuvor scheiterten. Dass der mutige Sprung von des Schnitters gefürchteter Schippe und ins kalte Wasser dennoch derart bravourös gelang, verdient höchste Anerkennung. Mit einem vollständig durchgeladenen Magazin an hochexplosiven Songs und toughen Melodien, gewinnt der Funker schließlich doch die Überhand in diesem Kampf und begibt sich fortan auf erneuten Siegeszug. Unter dem titelgebenden "Verhaltenskodex" schreckt man dieser Tage auch vor klaren Worten und deutlichen Ansagen nicht zurück, erkennt die Zeichen dieser Zeit und verleiht dem Unmut dieser Generation eine Stimme. Den durch die Bank weg scharfsinnigen Texten wird allen voran durch die neue Stimme von Chris L. authentisches Leben eingehaucht, welcher ebenfalls ein Füllhorn eigener Einflüsse in das bestehende Konzept einbringt und hier interpretationstechnisch variabler denn je auftrumpft. Es sind vor allem diese neu gearteten Strukturen, die den markanten Sound zusätzlich erfrischend aufwerten und dennoch zu jeder Zeit unverkennbar "Funker Vogt" sind. Die Balance zwischen Alt und Neu steht dem Dreigespann mehr als nur gut zu Gesicht und lässt berechtigt auf eine fortan bessere Zukunft für diese Kombo hoffen. Allen Interessierten und auch Alt-Fans sei eine wohlgesonnene Chance für dieses Material dringend ans Herz gelegt, wenn auch selbstredend mit einigen Änderungen im Kern gerechnet werden muss. Lohnend ist der Wiedereinstieg in die aufstrebende Armee dennoch, die sich in diesem Juni endlich wieder vollständig bereit dazu zeigt, die hiesigen Tanzflächen der schwarzen Clubs in Brand zu setzen. Ein klarer "Tanzbefehl für die Kinder der Nacht"... Also, tut es ihnen gleich, lasst euch mitreißen und tanzt zum Sieg!

Informationen:

https://www.funker-vogt.com/

https://www.facebook.com/officialfunkervogt/

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