Joachim Witt - Interview (2017)
Roggenfaenger: Dein aktuelles Album "Thron" ist nun bereits seit etwa einem halben Jahr auf dem Markt erhältlich. Zuerst ab dem 17.08.2016 exklusiv für alle Pledge-User via Download und seit dem 09.09.2016 auch als physischer Ableger in den Ladenregalen der regulären Fachmärkte. Hast du in dieser Zeit einige Stimmen dazu vernehmen können? Wie fielen das Feedback deiner Fans und das der zumeist kritischen Fachpresse aus? Außerdem hast du für die Arbeiten an deinem Werk, wie auch schon beim Vorgänger, ein weiteres Mal auf die Finanzierung über das sogenannte "Crowdfunding" gesetzt. Was sind deiner persönlichen Meinung nach die Vor- und Nachteile dieser Option und warum genau hast du wieder darauf zurückgegriffen?
Joachim Witt: Die Reaktionen von den Fans auf das Album sind sehr gut und darauf kann man auch echt schon wieder gut aufbauen. Auch das Crowdfunding ist einfach eine gute Alternative zur herkömmlichen Veröffentlichung, weil die Major-Companies für mich nicht mehr so richtig kompatibel sind. Das heißt, es hat sich alles in den Streaming-Bereich verschoben und CDs in der physikalischen Form werden ja nur noch wenig verkauft. Und insofern habe ich mich dazu entschlossen, möglichst unabhängig zu bleiben und das dann über Crowdfunding zu machen. Also bevor sich die Streaming- und Beteiligungsverhältnisse dort nicht ändern, wird es auch sicher noch dramatisch für die Firmen werden, weil sich viele Künstler abwenden werden. Wenn du Anfänger bist, ist es vielleicht auch noch eine andere Situation. Aber ich würde jedem dazu raten, unabhängig Dinge auf die Beine zu stellen. Du kannst ja jederzeit das, was du aufgenommen hast, auch ins Netz stellen und entsprechend versuchen, den Menschen etwas über YouTube und die anderen Kanäle anzubieten.
Roggenfaenger: Bei deinem letzten Release "Ich", hast du, wie der Titel vielleicht schon ein wenig erahnen lässt, von der Produktion, über das Einspielen der Instrumente, bis hin zum fertigen Endprodukt, alles allein gemanaged. Wie gestalteten sich die Arbeiten an "Thron" und was waren die markantesten Änderungen im Vergleich zum letzten Mal? Wie wolltest du nach dem dominant elektronischen "Neumond" und dem eher reduzierten Ambiente von "Ich" gerne klingen?
Joachim Witt: Bei mir gibt es inhaltlich eigentlich immer einen roten Faden. Ich versuche dann immer, mich von der Instrumentierung ein bisschen zu verändern. Es ist ja nicht so, dass das eine komplett andere Musik ist. Aber es ist einfach so, das sich die Instrumentierung hier und da ändert, weil ich mich dann auch nicht wiederholen will oder auch mal Pause von einer bestimmten Inszenierung brauche. Dann kommen gewisse Dinge auch wieder zurück, je nachdem und gerade so, wie mir danach ist. Und so möchte ich es auch weiterhin halten, weil es auch für mich persönlich eine Abwechslung bedeutet und insofern bin ich dann auch nicht so gelangweilt, als wenn ich mich ständig wiederhole. Das möchte ich nicht. Man wiederholt sich ja ohnehin schon immer in anderen Dingen. In so Kernaussagen, die natürlich auch den Menschen ausmachen und die persönliche Einstellung reflektieren. Das verändert sich ja nicht unbedingt von heute auf morgen und genau das bleibt dann eben auch immer der rote Faden.
Roggenfaenger: Deine Songs haben so gut wie immer einen persönlichen Bezug und umreißen, mal in einer eher bildhaften und dann plötzlich wieder in einer sehr direkten Sprache, spezielle Ereignisse aus deinem Leben. Mit "So Oder So" widmest du dich einer wahren Tragödie aus dem letzten Jahr, welche dir sicher stark zugesetzt und auch deine Anhängerschaft tief geschockt hat, wie der hohen Anteilnahme seinerzeit zu entnehmen war. Möchtest du den Hintergrund dieses Titels einmal für all jene erläutern, die neu dazugekommen oder nicht darüber informiert sind? Und noch viel wichtiger: Wie sieht heute, fast ein Jahr später, in dieser Angelegenheit aus? Hast du den Schmerz überwinden und alles neu ordnen können? Musik ist ja oftmals auch ein Katalysator für positive, wie auch negative Emotionen.
Joachim Witt: Im April letzten Jahres ist mein Haus abgebrannt, in dem ich wohnte. Dadurch hat sich natürlich eine substanzielle Veränderung in meinem Leben ergeben. Ich sage mal, es war schon ein besonderer Moment, wie man sich vorstellen kann. Aber derzeit ist es für mich so, dass ich mit dem Abstand schon so eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt habe. Ganz einfach deswegen, weil ich mich innerlich davon auch schon so entfernt habe, dass ich mir meine neue Umgebung entsprechend wieder aufgebaut habe. Es ist so, dass ich diesen Dingen nicht so nachtrauere oder nachhänge. Ich weiß gar nicht, woran das liegt. Ich bin nicht so ein Typ, der eine emotionale Bindung zu materiellen Dingen aufbaut. Ich glaube, da bleibe ich relativ unabhängig und somit macht es das für mich auch leichter, mich von Dingen materialistischer Art zu trennen. Ideell ist das schon wieder etwas anderes oder wenn es beispielsweise um Partnerschaften und alles im menschlichen Bereich geht. Dann ist das schon ein ganz anderes Thema. Insofern ist es für mich eine neue Situation, die ich jetzt für mich geschaffen habe und die ich auch gerne lebe, weil ich sie mir jetzt natürlich so gestalte, wie ich es mir wünsche.
Roggenfaenger: Mit dem aktuellen Titeltrack beschließt du die musikalische Reise für 2016 schließlich und stellst eine essenzielle Frage: "Wo geht es hier zum Thron?". Kannst du von dir behaupten, den Weg dorthin mittlerweile gefunden zu haben und kannst du den Lesern eventuell einen Ratschlag geben, wie sie es etwas leichter haben können, diesen zu gehen? Was genau verstehst du eigentlich unter dem sogenannten „Thron"?
Joachim Witt: Es gibt keinen einfachen Weg zum symbolischen Thron, den gibt es einfach nicht. Das war und ist bei mir ja nicht anders, als bei anderen auch. Wichtig ist, dass man inhaltlich an seinen Überzeugungen festhält und versucht, diese entsprechend umzusetzen. Das erfordert viel Konsequenz und auch oft Entsagung. Wenn man das ertragen kann, dann ist das sicher gut, weil man dann eine größere Chance dazu hat, dem Ziel näher zu kommen. Das Ziel an sich, der Thron selber, ist wahrscheinlich eine sehr ideelle Geschichte. Ich glaube, dass ich mir für mein Leben wünschen würde, dass es einfach mehr Gerechtigkeit gibt. Dass die Leute mehr Rücksicht aufeinander nehmen und für die Menschen weltweit auch nicht immer dieselben, materiellen Interessen im Vordergrund stehen. Dass nicht immer jeder auf Darb und Verderben seine Interessen mit Gewalt durchsetzt. Ich würde mir wünschen, dass die Menschheit besser zusammenarbeitet und kooperiert, nicht in Blöcken denkt. Wenn das globale Blockdenken endlich einmal aufhören würde, dann würde mir das wirklich schon sehr, sehr gut gefallen.
Roggenfaenger: Im Sommer sickerten in den Medien vereinzelt News durch, die erste Teilnehmer der neuen Staffel "Promi Big Brother" kennen wollten. Viele konnten es gar nicht so recht glauben, als sich die Bekanntgabe deiner Teilnahme am oft kritisierten Trash-TV letztendlich offiziell bestätigte. Warum genau hast du bei diesem Format mitgewirkt? Ging es dabei einzig und allein um Promotion, also die Erschließung neuer Zielgruppen, oder wolltest du dort auch bestimmte Erfahrungen für dich privat sammeln? Würdest du mit etwas Abstand rückblickend sagen, dass sich dieses Experiment im Hinblick auf die eigene Karriere oder zumindest auf die persönliche Sichtweise gelohnt hat? Was nimmst du aus dieser Sendung für dich mit?
Joachim Witt: Für mich war es ein wichtiger Beweggrund, dass ich begleitend zur Veröffentlichung des Albums entsprechend Werbung machen konnte. Also für meine Person, für das Album und für meine Arbeit generell. Grundsätzlich konnte ich dem Publikum durch dieses Format, wie auch immer man dazu steht, eine andere, weitgehend sehr private Seite von Joachim Witt zeigen, wie ich es vorher nicht konnte. Ich glaube, dass das eine gute Sache war, weil ich damit vielleicht auch gewisse Bilder und Vorurteile ausräumen konnte und mir das im Nachhinein auch gut getan hat. Weil ich aufgrund der Reaktionen erfahren habe, dass es für mich eigentlich einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat. Als Person, menschlich. Ich wusste natürlich vorher nicht, dass es ein Risikounternehmen für mich war. Ganz klar, aber es ist irgendwie doch aufgegangen. Ich kann dem nichts negatives abgewinnen, es sei denn, bis auf die eine Einschränkung, wenn man selber drin und so eingeschränkt im räumlichen Bereich ist und so weiter. Das ist schon hart. Ich war dann ja so wie ein Tiger im Zoo, wie in einem Käfig und das geht schon auf die Psyche, wie man dann nachher auch gemerkt hat. Man kann sich zwar etwas absondern, ich habe mich ja auch eher so für mich verhalten, aber dennoch ist es so, dass die Umgebung natürlich auch eine entsprechende Rolle spielt und manchmal ist es dann schon sehr hart an der Grenze.
Roggenfaenger: Seit Anfang 2017 bist du mit deiner Band, den "Black Beatles", auch wieder auf großer Deutschland-Tournee. Der Abschluss dieser findet genau heute in der "Matrix" Bochum statt, welche ja ab den "Neumond"-Shows regelmäßig bei dir auf dem Plan steht. Hat es dir bei deinem Einstand so gut gefallen, dass du unbedingt wiederkommen wolltest oder welche Gründe gibt es dafür? Hast du eventuell sogar eine gewisse Verbindung zum Ruhrgebiet und wie empfindest du die Atmosphäre während der Konzerte hier?
Joachim Witt: Ich war ja mit "Mono Inc." damals auf dem Blackfield Festival. Da hatten sie mich ja dazu eingeladen, einen kurzen Gastauftritt zu machen und für mich war das dann so die Initialzündung. Das war eigentlich der Startschuss zu dem, was danach kam und aufgrund einer ganz eindeutigen Erfahrung. Ich hatte eigentlich wahnsinnige Angst vor dem Auftritt, weil ich vorher gar nicht so live orientiert war und unbedingt auftreten wollte oder so. Weil auch mein Vertrauen nicht so richtig da war und ich gar nicht wusste, ob die Menschen mich überhaupt sehen wollen. Das sind natürlich Ängste, die eine Rolle spielen. Und als ich dann angekündigt wurde und auf die Bühne kam, war der Empfang so unglaublich emotional und warm. Also ich war da total gerührt und das war für mich eben die Initialzündung, um zu sagen, "Aha. Es ist also doch so, dass ein Teil der Menschen dich live sehen möchte und will, dass du dabei und dran bleibst." Das war dann der Grund, weswegen ich den Faden wieder aufgenommen habe. Das war damals auf dem Blackfield.
Roggenfaenger: Du bist seit deinem Epos "Dom" unglaublich produktiv! Seit dieser Veröffentlichung kommt fast regelmäßig frischer Output und auch auf den Festivals bist du ein gern gesehener Gast. Was sicher viele Fans interessiert: Wie sieht es jetzt nach der "Thron"-Tour aus? Wird es wie in der Vergangenheit noch einige Zusatztermine geben und wirst du dieses Jahr auch auf dem ein oder anderen Open-Air zu sehen sein? Und wie steht es um ein neues Album, ist da derzeit schon etwas spruchreifes in Planung?
Joachim Witt: Für mich ist es natürlich so, dass ich schon wieder ein neues Projekt im Kopf habe, aber ich möchte "Thron" noch nicht abhaken und jetzt zu schnell wieder etwas Neues machen. Weil ich glaube, dass das Album so eine Wertigkeit hat, auch noch mehr Menschen zu erreichen und das haben wir bislang überhaupt noch nicht. Das Potential ist gar nicht ausgeschöpft, glaube ich. Wir haben da noch einiges zu tun. Ich werde auch noch zwei Titel auskoppeln, neue Videos machen und so weiter. Und dann werden wir im Zuge des Jahres mal darüber nachdenken, auch wieder ein neues Album zu machen. Aber dann erst für 2018 oder 2019. Also bei "Thron" lasse ich mir jetzt ein bisschen mehr Zeit.
Roggenfaenger: Wir sind am Ende aller Fragen angekommen! Schon jetzt möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei dir für deine Zeit bedanken. Daher ganz kurz und klassisch zum Schluss: Möchtest du den Lesern und deinen Anhängern vielleicht noch etwas sagen?
Joachim Witt: Im Zuge dieser persönlichen Neuentdeckung meiner Person auf dem Blackfield Festival damals, bin ich den Menschen wirklich sehr verbunden und freue mich darüber, dass sie anscheinend doch ein großes Interesse daran gehabt haben, dass ich wieder live auftrete und auch weiterhin Musik mache. Das gibt mir die entsprechende Motivation über das eigene Engagement hinaus, denn wie man weiß, braucht ein Künstler auch Feedback und das hilft mir sehr. Von hier aus auch ein großer Dank an meine Supporter, deren Kreis ja auch immer größer wird und die mir wahnsinnig helfen, was mich natürlich sehr freut. Und herzlichen Dank an alle, die mich dazu motiviert haben, entsprechend weiterzumachen.