Heldmaschine - Himmelskörper (2016)
Genre: Rock / Alternative
Release: 04.11.2016
Label: MP Records (Soulfood)
Spielzeit: 56 Minuten
Pressetext:
Am 4. November kracht der “Himmelskörper” der Heldmaschine mitsamt Besatzung auf die Erde – ein endloses Ödland erstreckt sich um sie herum, geprägt durch Krisen und Terror. Die Welt, die die Heldmaschine auf ihrem neuen Album “Himmelskörper” zeichnet, zeigt die dunkle Seite unseres Daseins; Unsicherheit, Angst und Fremdenhass stehen an der Tagesordnung. Zwischen scharfkantigen Industrial-Riffs, bohrenden Elektro-Sounds und der urtpyischen Wucht derNDH, trifft der Frontmann und Cheflyriker mit seinen mal zynischen, mal ernsten Anleihen stets genau ins Schwarze, wenn Themen wie sexuelle Lust (“Sexschuss”, “Auf Allen Vieren”), Wahrheitsfindung (“Alles Eins”) oder Vergänglichkeit (“Spieglein, Spieglein”, “Dünnes Eis”) besungen werden. Dennoch gilt für die Band immer die oberste Regel: KEIN Zeigefinger. “Wir wollen eher auf die Themen aufmerksam machen, anstatt zu belehren”, so Schießbuden-Maschinist Dirk. Das muss natürlich auch live unter Beweis gestellt werden: Während die Heldmaschine bis zum Ende des Jahres noch mit Megaherz und Erdling durchs Land zieht, folgt bereits im Februar ihre “Himmelskörper”-Tour, bei der sie in ganz Deutschland ihre Botschaft unter’s Volks bringt.
Kritik:
"Ellenbogen, komplett verstaucht
Doch führts' zum Ziel, hält man das aus
Die eigenen Tränen die Schönsten sind
So lernt es jedes kleine Kind
Was mir gehört, gebe ich nicht her
Zwar habe ich viel, doch will ich mehr"
Die NDH-Szene stagniert seit Jahren, versinkt immer mehr im Sand der Zeit und den ureigenen Fußstapfen der ganz Großen - es fehlt schlicht an Innovation. Um das aktuelle Weltgeschehen selbst ist es im gleichen Atemzug auch nicht nennenswert besser bestellt: Die Machthungrigen regieren immerzu mit eiserner Hand, Kriege werden auf den schwachen Schultern Unschuldiger geführt, Tod, Hungersnot und Fremdenfeindlichkeit sind heute so präsent wie damals. Purer Konsumwahn und gekaufte Medien schicken sich an, die offensichtlichen Probleme der Bevölkerung scheinheilig übertünchen und verschleiern zu wollen, während Privatleben und Alltag zu käuflichen, mikroskopisch kleinen Datenpaketen geschnürt werden. Die Welt befindet sich im Wahn, statt im Wandel. Zwei bemitleidenswerte, wie besorgniserregende Zustände, welche die Koblenzer Formation "Heldmaschine" weder unausgesprochen, noch unverändert verbleiben lassen will. Wurde das Erstlingswerk noch unter dem Banner des mächtigen "Völkerball" veröffentlicht, unter welchem die umtriebigen Mannen um René Anlauff auch bis heute noch mit ihrer eindrucksvollen Tribute-Maschinerie gleichen Namens durch die Lande ziehen, sollte schon bald ein neues Pseudonym gefunden sein. Angelehnt an den gleichnamigen Titel des Debüts, in welchem sich ein von alltäglichen Querelen gebeuteltes Mobbingopfer in virtuelle Welten flüchtet und schlussendlich von seiner Sucht ganz und gar verschlungen wird, war der neue Bandname geboren. Bereits zwei Jahre nach dem explosiven, wenn auch noch deutlich statischen "Weichen Und Zunder", betrieben die Maschinisten wirksame "Propaganda" in eigener Sache oder tischten ihrer immer breiter werdenden Anhängerschaft erst im letzten Jahr noch "Lügen" auf. Ebenso wie der stete und vor allem berechtigte Zuwachs an Fans, war bisher bei jeder einzelnen Veröffentlichung eine deutlich hörbare Steigerung zu verzeichnen. Der Sound entwickelte sich zum Positiven und entfernte sich somit mehr und mehr vom großen Vorbild. Eigene Einflüsse, wie etwa ein erhöhter Anteil an tanzbarer Elektronik, trugen ihren entsprechenden Teil dazu bei und steigerten jährlich den Erfolg. Dieser Tage schlägt mit dem sogenannten "Himmelskörper" nun der vierte Langspieler in den Regalen der Plattenläden und auf den Tanzflächen der Szene-Clubs ein... Und wieder hat die "Heldmaschine" hier einige frische Ideen und überraschende Neuheiten mit im interstellaren Gepäck. Ob die Ankunft des mysteriösen Quaders glücklich verläuft oder zu einer Bruchlandung verkommt, wird in den folgenden Zeilen verraten.
Das Album beginnt, losgelöst der eigentlich dominierenden Kernthematik und doch stilistisch äußerst treffend, direkt mit einer einleitenden Dampfwalze, schlicht „®“ benannt. Minimalistisch angehauchte Synthesizer-Melodien geben direkt zu Anfang zweifellos die klare Marschrichtung vor, bevor ein starkes, wie eingängiges Gitarrenriff einsetzt und sich fortan homogen mit der elektronischen Komponente vermischt. Die schlichte Betitelung, welche fachlich angewendet einen geschützten Markennamen kennzeichnet und hier als Querverweis auf eine feste Berliner Genre-Größe dient, ist Programm. Textlich gibt man sich hier reichlich schwarzhumorig, wie selbstironisch gleichermaßen und kontert auf gewitzte Art die platten Plagiatsvorwürfe neidischer Kritiker. Die wohl sympathischste Art, mit abgedroschenen Phasen und altbackener Negativ-Rückmeldung umzugehen. Nicht nur durch die simpel-effektive Melodie oder verhältnismäßig knappe Spielzeit, sondern vor allem auch im eingängigen Mitsing-Refrain begründet, kommt die Nummer als besonders kurzweilig daher. Nach "Wir Danken Euch" vom letzten Silberling definitiv potenzieller Anwärter auf die neue Band-Hymne! Ein technoides Glockenspiel lässt, gefolgt von stark verzerrt aufheulenden Sounds, im Anschluss direkt eine unheilvolle Atmosphäre aufkeimen. Der namensgebende Titeltrack "Himmelskörper" kommt als griffiger Stampfer daher, welcher sich erst in den einzelnen, maschinell vorgetragenen Strophen etwas entschleunigt. Diese widmen sich thematisch dann erstmalig dem vorherrschenden Treiben auf Erden und daraus resultierender Resignation, verbunden mit melancholischem Weltschmerz, denn die Menschheit scheint nichts aus ihrer Vergangenheit gelernt zu haben und keine nahende Änderung in Sicht. Trotz des nachdenklichen Hintergrunds schimmert nicht selten spitzzüngiger Zynismus hervor, während sich der Refrain im Folgenden in fast schon majestätischer Wehmütigkeit ergibt. Das nächste Stück darf sich eines vollwertigen "Neue Deutsche Härte"-Stempel aufgedrückt wissen. So präsentiert sich "Auf Allen Vieren" sowohl inhaltlich, wie auch auf instrumentale Sicht, als klassischer Gassenhauer des Sparte. Besonders positiv hervorzuheben sind hier die in den Strophen eingestreuten Shouts, aus rein musikalischer Sicht geht man hier ähnlich aggressive Wege, wie etwa bei "Wer Einmal Lügt". Ab der Hälfte erklingen dann zusätzlich noch chorartige Backgroundgesänge der beiden Gitarristen und werten diesen somit nochmals ein ganzes Stück weit auf. Es sind gerade diese kleinen und doch vielschichtigen Details, welche das neue Material deutlich abrunden und somit selbst mittlerweile oft Besungenes, wie hier etwa sexuelle Unterwerfung durch Dominanz, spannend macht. Erheblich ruhiger wird es dann mit "Die Braut, Das Meer". Diese bremst das Album leider schon nach den ersten, treibenden Stücken aus. Allerdings nicht, weil es sich hierbei um einen per se schlechten Song, sondern vielmehr um eine an wirklichen Höhepunkten arme Ballade handelt. Sanfte Piano-Klänge durchsetzen die von einem behäbigen Riff getragene Melodie und liefern grundsolide ab. Auch die zugehörigen Lyrcis können sich durchaus hören lassen, gemessen am bisherigen Standard von "Himmelskörper" bleibt der gewünschte Effekt allerdings aus und dieser, zugegeben leicht monotone Output, ein wenig auf der Strecke. "Alles Eins" löst die entstandene Schwermütigkeit mit scharfen Synthies und angezogenem Tempo jedoch alsbald wieder auf. Vor allem der Break gegen Ende und ein intelligent ausgearbeiteter, sozialkritischer Fokus auf Aktuelles weiß zu gefallen, übt dieser doch starke Kritik an weltlicher Habgier und vorherrschendem Egoismus. Ein notwendiges Statement und zudem überaus gelungen.
Mit orchestralen Elementen und reichlich Bombast, widmet man sich mit "Die Maschine Spricht" ein weiteres Mal dem eigenen Namenspatron. Die ungewöhnliche und dadurch unverbrauchte Instrumentierung, weiß vor allem mit den eingesetzten Streichern und wuchtigem Drumming zu punkten. Der Text hingegen zeichnet mit seinen bildhaften Gleichnissen und diabolischen Umschreibungen ein wahrhaft höllisches Szenario, mit charmantem Bezug auf Konzept und Bindung zwischen Fans, Band und Live-Shows. So und nicht anders müssen Loblieder klingen! "Sexschuss" dürfte einigen Hörern durch die vorherige Auskopplung zur Single samt aufwendigem Video schon ein Begriff sein. Lockerte ebenjener Mini-Film das Gesamtpaket durch die ein oder andere Passage noch auf, so wirkt der Titel ohne jedwede Visualisierung deutlich rauer und brachialer. Wie weit die sprichwörtliche Liebe zu modernster Technik gehen kann und was einer, stur auf virtuelle Scheinwelten fixierten und medial übersättigten Generation, fernab geschönter Realität drohen kann, berichten die Maschinisten süffisant mit ihrer ganz eigenen Art der Gesellschaftssatire. „Kein Zurück“ ist dann die zweite und deutlich besser Power-Ballade auf dem Album. Die kritischen Töne bleiben hörbar laut, während sich ein gefälliger Elektro-Klangteppich auf das Arrangement einer gängigen Mid-Tempo-Darbietung mit Ohrwurm-Charakter legt. Mit "Spieglein, Spieglein" wendet man sich wider Erwarten nicht der Adaption eines Schauermärchens, sondern den zunehmenden Leiden des voranschreitenden Alterungsprozesses zu. Ein erwähnenswerter Fakt dürfte die gesangliche Beteiligung von Schlagzeuger Dirk Oechsele sein, der dem bitterbösen Song zeitweise stark verzerrte Shoutings beisteuert. Neben harten Gitarren tritt hier vor allem wieder die synthetische Komponente in den Vordergrund und erschafft somit eine düstere, wie stimmig-dichte Atmosphäre. Auch beim aufrüttelnden "Gegenwind" bleibt die Geschwindigkeit weiterhin angezogen. Stillstand und Rückentwicklung bedeuten seit jeher den sicheren Tod und so rufen Anlauff und sein Geschwader zur Gegenwehr durch Veränderung auf, bevor es zu spät ist und sich die Menschheit selbst zu Grunde richtet. Keine Frage: "Das Mass Ist Voll", heute mehr denn je, wie die "Heldmaschine" befindet und ihre Argumente mit hämmerndem Nachdruck untermauert. Wirrer Medienwahn, Herdentrieb, künstlich erzeugte Ängste, allgegenwärtige Übersättigung, blinder Hass und daraus resultierender, erschreckend schnell keimender Rassismus, lassen das Zusammenleben mehr und mehr aus den Fugen geraten. Wir alle bewegen uns über "Dünnes Eis" und drohen schon bald durch unsere eigens geschulterte Last einzubrechen. Der Abschluss für diese Art von Konzeptalbum gelingt mit Bravour: Pointierte Elektronik dominiert das melodiöse Bild, während eine abermals hohe Eingängigkeit und druckvolle Härte durch die Saitenfraktion dieses ebenso komplettieren, wie die wertigen Inhalte. Selten klang Kritik besser!
Tracklist:
01. ®
02. Himmelskörper
03. Auf Allen Vieren
04. Die Braut, Das Meer
05. Alles Eins
06. Die Maschine Spricht
07. Sexschuss
08. Kein Zurück
09. Spieglein, Spieglein
10. Gegenwind
11. Das Mass Ist Voll
12. Dünnes Eis
Fazit:
Es ist schon wahrhaft erstaunlich, mit welch strikter Kontinuität die "Heldmaschine" ihren eigenen Schaffenszyklus verfolgt. Sind die unermüdliche Mannen in ähnlicher Konstellation bereits mit ihrem Tribute-Tross nahezu unermüdlich auf Tournee, so scheint doch immer noch ein Übermaß an Kreativität und Kraft vorhanden zu sein, fasst man die geringen Abstände zwischen den einzelnen Veröffentlichungen ins Auge. Was bei vielen anderen Künstlern in zahllosen Wiederholungen und schierem Qualitätsverlust enden würde, resultiert bei den umtriebigen Koblenzern in einer beinahe jährlichen Steigerung. Seit dem Debüt "Weichen Und Zunder", mehrte die Band ihren Erfahrungswert hörbar und gab sich spürbar nicht damit zufrieden, das fragwürdige Ansehen einer seichten Kopie zu genießen. Krankte jener Erstling noch am deutlich übermäßigen Einfluss der berüchtigten Berliner Ikone, entfernte man sich bereits zwei Jahre später von ausgeschöpften Mustern und weitete den kreativen Radius auf zunehmend mehr Eigenständigkeit aus. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Hit-Single "Weiter!" setzte sich in Kürze an die Spitze diverser Alternative-Charts und DJ-Sets, die Shows unter eigenem Banner hingegen, zunehmend ausverkauft. Gemeinsame Tourneen und Kooperationen mit "Subway To Sally", "Unzucht" oder "Tanzwut", wie auch Remix-Beiträge auf den Singles und EPs musikalischer Kollegen, schürten das Interesse der breiten Masse zusätzlich und trugen maßgeblich zum gesamten Erfolg bei. Die perfekt abgestimmte Mischung aus tanzbaren Synthie-Komponenten, krachenden Riffs und einem breiten Themen-Pool, avancierte die letzten Jahre zu einem auszeichnenden Markenzeichen der Formation. Die "Heldmaschine" ist unbestreitbar zu einem klaren Aushängeschild und großen Namen der "Neuen Deutschen Härte" geworden. Der in diesen Herbsttagen entsandte "Himmelskörper" bricht nicht mit dieser Tradition und lotet das Facettenreichtum des Schaffens weiterhin aus. Wieder präsentiert sich der vorherrschende Sound als ein ganzes Stück weit gereifter, der kritische Unterton ist gut getroffen. Eventuelle Parallelen zu vergleichbaren Bands hingegen sind, wenn überhaupt vorhanden, nur noch rudimentär auszumachen. Die Produktion ist durchweg hochwertig und verleiht den einzelnen Titeln im Zusammenspiel mit den hervorragenden Arrangements, jeweils eine ganz eigene, dichte Atmosphäre. Die Maschinisten haben ihren Weg definitiv gefunden und nebenbei einen ganz eigenen Klang mit hohem Wiedererkennungswert kreiert. Auch wenn der Gefälligkeitsfaktor des reichhaltigen Spektrums gewohnt hoch angesetzt bleibt, finden sich im direkten Vergleich zu den vorherigen Alben insgesamt gefühlt weniger direkte Hit- und Hymnen-Kandidaten. Viel eher liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit, was zur Folge hat, dass ein Groß der Songs erst nach einigen Durchläufen wirklich zünden will, dann aber dafür umso länger in Herz und Hirn bleibt. Das Wechselspiel zwischen Up- und Mid-Tempo darf sich als gelungen bezeichnen lassen und wirkt, bis auf die Ausnahme "Die Braut, Das Meer", stimmig und wie aus einem Guss. Diese nur allzu gewöhnliche Ballade, kommt durch ihre reine Instrumentalisierung und den uninspirierten Text als einziger Ausfall nicht über den bloßen Standard der Szene hinaus und geht daher auf dem ansonsten homogenen Werk völlig unter. Abgesehen davon bietet der "Himmelskörper" ausnahmslos alles, was Kenner des Genres schätzen und lieben. Selbst Nicht-Fans sollten ein Ohr riskieren, um sich selbst zu überzeugen. Landung geglückt!
Informationen:
http://heldmaschine.de/
https://www.facebook.com/Heldmaschine/